Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen traurigerweise feststellen, dass auch heute noch jede vierte Frau in der Bundesrepublik Opfer von häuslicher Gewalt wird. Das hat eine Studie des Bundesfrauenministeriums im Jahr 2004 bereits festgestellt und die Zahlen, die Frau Dobusch vorhin noch einmal genannt hat, machen leider deutlich, dass sich an dieser Tendenz nichts ändert, zumindest nicht in Richtung einer Verbesserung. Wenn wir enger auf den Hamburger Raum blicken, dann gibt es seit über 32 Jahren Schutzhäuser für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Das erste Haus in Hamburg wurde 1977 eingerichtet und wir können auch hier nur traurigerweise feststellen, dass der Bedarf nach Schutzräumen, nach Schutz in einem sogenannten Frauenhaus, eher zugenommen hat, denn wir haben inzwischen fünf Häuser – zeitweilig hatten wir sechs –, vier autonome Frauenhäuser und das Haus der Diakonie. Auch die Platzzahl hat Frau Dobusch vorhin genannt. Es ist von keiner Seite zu bestreiten, dass der Bedarf groß ist und tatsächlich auch noch größer wird. Es ist erschreckend, dass das trotz all der Maßnahmen passiert, die unternommen werden, und zwar unabhängig davon, welche Regierungsbildung wir in dieser Stadt haben. Wir können feststellen, dass es in den letzten 30 Jahren einen linearen Anstieg gibt und die Maßnahmen, sei es im Präventionsbereich, sei es in der nachgehenden Versorgung, doch nur in Akutfällen helfen. Es ist einfach eine bitterböse Realität, dass das Thema häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor in dieser Dramatik existiert.
Ich erinnere mich an Diskussionen und auch Medienberichte, in denen teilweise von einem sogenannten Frauenhaustourismus gesprochen wurde, was ich wirklich grotesk finde, denn keine Frau verlässt ihr gewohntes Umfeld und geht freiwillig mit oder ohne Kinder in einen Schutzraum, der sicherlich nicht so ausgestattet ist wie das Zuhause. Auch die Annahme, dass die Einrichtung der Interventionsstelle pro-aktiv mit der Anwendung des Gewaltschutzgesetzes, also mit der Wegweisung des schlagenden Täters, langfristig dazu führen könnte, dass die Zahl der Frauen, die ihr häusli
ches Umfeld verlassen müssen, geringer wird, hat sich als Trugschluss herausgestellt. Auch pro-aktiv bestätigt, dass das zwei verschiedene Instrumente sind, die nebeneinander Sinn machen, aber nicht alternativ gesehen werden dürfen.
Ich teile Ihre Einschätzung der Situation, Frau Dobusch, aber ich finde Ihren Antrag an manchen Stellen sehr pauschal und ich möchte kurz die zwei Stellen noch einmal ausführen. Sie haben sehr eindrücklich beschrieben, dass es eine zunehmende Zahl von Vermittlungen in andere Bundesländer gibt, haben das aber ausschließlich darauf zurückgeführt, dass die Kapazitäten in Hamburg nicht ausreichen. Auch nach Rücksprache mit den Trägern der Frauenhäuser muss ich sagen, dass das in dieser Reduzierung so nicht korrekt ist. Wir haben natürlich auch den umgekehrten Fall. Das ist sicherlich ein Grund, aber – und da muss ich Frau Koop vielleicht in einem Punkt deutlich widersprechen – wir haben natürlich auch die Vermittlung von Notfällen aus anderen Bundesländern nach Hamburg, auch aus Kapazitätsgründen, aber es gibt einen ganz wichtigen anderen Grund, nämlich den Schutz von Leib und Leben der Frauen. Das ist überaus wichtig, und zwar nicht nur bei Mirgrantinnen. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen an die beiden Fälle Ende der Neunzigerjahre in Hamburg, als Frauen vor den Frauenhäusern von ihren Partnern ermordet wurden. Auch das ist Realität und in manchen Fällen ist es einfach geboten, die Frauen in anderen Bundesländern unterzubringen.
In solchen Fällen ist es auch hinzunehmen, dass der Arbeitsplatz verloren geht oder für eine gewisse Zeit ruhen muss, und in solchen Fällen ist es auch hinzunehmen, dass das Kind nicht in die Kita gehen kann, weil der Schutz einfach vorgeht; das muss man ehrlicherweise auch noch einmal ganz deutlich sagen.
Die Zahlen der Vermittlung von Frauen in andere Bundesländer sind also erfasst, aber eine Erfassung der Zahlen von Vermittlungen nach Hamburg fehlt gänzlich. Auch Sie fordern in Ihrem Petitum den Senat auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern diesbezüglich reibungslos funktioniert. Auch die Träger bestätigen, dass die Kooperation recht gut funktioniert, aber wir sollten auf jeden Fall genauere Zahlen erheben und sie uns vor allem auch ansehen.
Ein weiterer Punkt, der in Ihrer Pauschaldiagnose ein bisschen untergeht, ist, dass wir trotz absoluter Auslastung – die Frauenhäuser, auch das Frauenhaus des Diakonischen Werkes, sind fast alle über 100 Prozent ausgelastet – rückläufige Fallzahlen haben. Auch dies müssen wir uns näher ansehen.
Hat es etwas damit zu tun, dass die Frauen länger in den Frauenhäusern bleiben müssen, weil die Vermittlung in Arbeit und somit in ein reguläres Leben schwieriger ist, oder entspricht es tatsächlich dem Bedarf der Frauen, länger in den Häusern zu bleiben? Ist es womöglich der reduzierten Anzahl der Plätze geschuldet? Auch hier bedarf es eines wesentlich differenzierteren Hinsehens.
Zum ersten Teil Ihres Antrags wurde bisher wenig gesagt. Es handelt sich dabei eher um einen Bericht, bei dem Sie diverse Daten abfragen, was Sie auch im Rahmen einer Anfrage hätten tun können. Hier kann ich mich nur Frau Koop anschließen, denn wir finden, dass der Schutz oberste Priorität hat und dass wir dies ganz besonders sorgfältig prüfen müssen. Dafür haben wir bereits eine Vereinbarung getroffen, wenn Sie sich erinnern. Als wir im Sozialausschuss über den Landesaktionsplan Opferschutz sprachen, haben wir uns darauf geeinigt, vor dem 8. März eine Expertenanhörung schwerpunktmäßig zum Themenkomplex häusliche Gewalt einzuberufen. Das bieten wir auch weiterhin an, denn das Thema ist sehr wichtig und ich finde, wir sollten uns gemeinsam damit befassen. – Danke.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Ich bedanke mich bei der SPD dafür, dass das von der Opposition gemeinsam ermittelte Datenmaterial zu diesem Antrag formuliert wurde. Etwas überrascht habe ich eben den Äußerungen von Frau Güclü und auch von Frau Koop entnommen, dass sie die Einschätzung, dass die Frauenhäuser überlastet sind, teilen. Wir finden es erschreckend, dass der Senat die derzeitigen Plätze in den Frauenhäusern laut seiner Antworten auf unsere Großen und Kleinen Anfragen für ausreichend hält.
Die Antworten, die auf unsere Große Anfrage vor einem Jahr und dann noch einmal speziell auf meine Kleine Anfrage vor wenigen Wochen vom Senat gegeben wurden, verdeutlicht aus meiner Sicht die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln von Schwarz-Grün. Doch wenn wir jetzt gemeinsam feststellen, dass die Frauenhäuser tatsächlich überlastet sind, Schwamm drüber.
Noch immer gibt es aber trotzdem keine qualifizierten Aussagen zu den unter 25-jährigen Frauen, die zunehmend die Frauenhäuser aufsuchen und aufgrund ihres Alters und den Hartz-IV-Regelungen vor dem Dilemma stehen, von ihren Peinigern finanziell abhängig zu sein. Die ARGEN sind immer noch nicht bereit, die Unterstützung sofort an die Gewaltopfer auszuzahlen, sondern bestehen auf ihrer frauenfeindlichen Bedarfsgemeinschaft. Im
merhin hat gerade vorgestern eine Hamburger Zeitung über die Zunahme von häuslicher Gewalt an Frauen berichtet; Aufhänger war eine 18-Jährige. Eine weitere Hamburger Zeitung berichtete am 23. November darüber, dass es für Frauen zwischen 18 und 25 Jahren zu wenig Angebote gibt, um Schutz zu suchen und Beratung und Hilfe zu erhalten, um sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien und eine neue Existenz aufzubauen.
Es geht hier nicht nur um spektakuläre Einzelfälle, die vom Weißen Ring, von Lale und i.bera berichtet werden, sondern auch die Dunkelziffer misshandelter und ihrer Menschenrechte beraubter Frauen wird von den Experten als sehr hoch eingeschätzt. Aber der Senat sagt, er habe darüber keine Informationen. Auch wenn Dunkelziffern bedeuten, dass nicht in jedem Fall qualifizierbares Datenmaterial beschafft werden kann, so sind doch die Erfahrungswerte der Beratungsstellen ernst zu nehmen. Dass der Senat das nicht tut, vielleicht bis heute nicht getan hat, findet beziehungsweise fand unsere härteste Kritik.
Frau Koop, es geht nicht um Gewalt an sich. Ich fand den Vergleich mit dem Angriff auf die Wache in der Lerchenstraße nicht sehr passend, denn hier geht es um Macht. Noch immer wollen Männer Macht über Frauen ausüben und sie tun dies mit allen Mitteln, oft auch mit dem letzten, dem wohl sinnlosesten. Bevor ein befürchteter Machtverlust eintritt, bringen sie ihre Opfer und dann auch noch sich selbst um. Der Senat muss damit rechnen, dass in Zeiten steigender Erwerbslosigkeit und auch in der heranwachsenden Hartz-IV-Generation aufgrund der fehlenden Perspektive und Hoffnungslosigkeit der Frust in noch mehr Gewaltakten ausgelebt wird, in Form von Machtausübung gegenüber Frauen. Davor müssen Frauen geschützt werden und das ist Ihre Verantwortung, wenn Sie schon nicht in der Lage sind, die soziale Spaltung der Stadt aktiver zu bekämpfen.
(Linda Heitmann GAL: Das ist doch gar kein Zusammenhang, den Sie da aufmachen! – Olaf Ohlsen CDU: Komm mal zum Thema!)
Das sind die Zusammenhänge, die wir als LINKE benennen, und es ist gut, dass es die Linksfraktion hier gibt, weil sie genau diese Zusammenhänge oft als einzige Fraktion in der Bürgerschaft benennt.
Nicht ganz zu Ende gedacht erscheint uns die zweite Forderung der SPD, nämlich die Zusammenarbeit mit den umliegenden Bundesländern bei der Akutversorgung schutzsuchender Frauen und Kinder reibungsloser zu gestalten. Hierzu hat auch Nebahat Güclü einige Ausführungen gemacht. Offensichtlich klappt die Weitervermittlung, aber skandalös ist doch, dass Frauen und Kinder auch unabhängig von Schutzgründen weitervermittelt
Nach den Gesprächen mit den Trägerinnen und Trägern im Januar geht der Senat vielleicht noch einmal in sich und überlegt, ob er nicht doch die Reiterstaffel der Polizei aufgibt, um für dieses Geld ein paar Betten mehr für misshandelte Frauen und Kinder bereitzustellen. Damit kommt man zwar nicht in toller Pferdeoptik in die Zeitung, aber eine bessere Verwendung wäre dann allemal für das Geld gefunden.
Ich möchte noch kurz zweierlei anmerken, weil ich etwas, das Sie, Frau Artus, gesagt haben, so nicht stehen lassen möchte. Sie haben einen Zusammenhang konstruiert zwischen zunehmender Arbeitslosigkeit, wachsender Zahl von Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern – in dem Fall sogar nicht gegendert – und einem Anstieg von Gewalt, also dem Bedürfnis, Macht über die Frau auszuüben. Diesen Zusammenhang so stehen zu lassen wäre fahrlässig und ich möchte dieses Argument als ein sehr pauschales zurückweisen.
Es widerspricht auch jeglichen Studien hierzu und ganz so einfach ist die Welt nicht gestrickt, sondern im Gegenteil. Wir wissen doch heute, dass häusliche Gewalt gegen Frauen nicht nur ein Problem bestimmter Milieus und sozialer Schichten ist, sondern wir kennen auch den gut verdienenden Professor, der seine Frau schlägt und dergleichen mehr. Das muss, um der Sache gerecht zu werden, noch einmal ganz deutlich gesagt werden.
Ein zweiter Punkt, den ich aufgreifen möchte, ist der Vorwurf, in Hamburg würde alles sehr schlecht gemacht. Ich habe zwar betont, dass wir uns vieles genauer ansehen müssen, aber in einem Punkt, nämlich der Förderung der Frauenhäuser, ist Hamburg vorbildlich. Nur äußerst selten – außer in Hamburg meines Wissens nur in Berlin und Schleswig-Holstein – erfolgt die Förderung über eine Pauschalfinanzierung, und zwar über einen eigenen Titel im Haushalt. Das würden sich so manche Bundesländer wünschen, denn bei ihnen sind eher eine Mischfinanzierung, eine Tagessatzfinanzierung oder teilweise sogar eine Eigenbeteiligung der betroffenen Frauen an der Tagesordnung. Auch dessen sollten wir uns bewusst sein, da ist Hamburg wirklich vorbildlich.
Noch in einer weiteren Sache ist Hamburg vorbildlich. Sie haben in der Diskussion immer nur einen Baustein, nämlich die Frauenhäuser, aus dem gesamten Versorgungsoder Unterstützungsnetz herausgesucht. Doch in Hamburg gibt es weit mehr als das Angebot für Betroffene, Schutz in einem Frauenhaus in Anspruch nehmen zu können. Wie ich vorhin bereits sagte, haben wir die Interventionsstelle pro-aktiv, doch seit den letzten Jahren ist auch ein erheblicher Ausbau der interkulturellen Gewaltberatungsstellen zu verzeichnen, die speziell für oder mit Migrantinnen arbeiten. Wir haben das neue Schutzprojekt Zuflucht für minderjährige Frauen, die von Gewalt und Zwangsverheiratung betroffen sind, wir haben die Beratungshotline, wir haben eine ganze Reihe mehr an Präventionsangeboten; auch das sollte in dieser Diskussion nicht untergehen. Das wird uns zwar nicht davor bewahren, uns die Situation genau anzugucken und nötigenfalls nachzusteuern, aber wir sollten das System in Hamburg auch nicht allzu schlecht machen. – Danke.
So ganz kann ich das wiederum jetzt nicht stehen lassen. Frau Güclü, ich finde zwar manches, was Sie jetzt noch einmal angemerkt haben, richtig, aber der Anlass dieser Rede und der Grund, weshalb wir uns mit diesem Thema beschäftigen wollten, war – darin waren wir uns eben auch noch alle einig –, dass die Situation in Hamburg der Situation der Frauen nicht angemessen Rechnung trägt. Wir hatten eigentlich einen Konsens darüber hergestellt, dass zu wenig Plätze in Hamburg vorhanden sind und dass wir etwas tun müssen, um den Menschenrechten der Frauen, die im häuslichen Rahmen von Gewalt bedroht oder ihr ausgesetzt sind, Rechnung zu tragen. Dies möchte ich ausdrücklich noch einmal an den Schluss der Debatte stellen.
Wer einer Überweisung der Drucksache 19/4646 an den Sozialausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag überwiesen.
Wir kommen zu Punkt 53 der Tagesordnung, einem gemeinsamen Antrag der GAL- und CDUFraktion: Hamburgs Labels stärken – Musiknachwuchs fördern.
Das hat nicht nur die Haspa-Musikstudie festgestellt, sondern auch wir – spätestens, als das Reeperbahn Festival sehr erfolgreich über die Bühne gegangen ist. Wir haben in der Bürgerschaft ein massives Klubförderprogramm in Höhe von über 800 000 Euro für zwei Jahre einerseits mit Betriebsmitteln, andererseits mit Investitionsmitteln beschlossen, das bereits auf den Weg gebracht ist. Ferner haben wir die Förderung des Vereins RockCity verdoppelt. Für diejenigen, die es nicht wissen: RockCity kümmert sich in dieser Stadt um Musikkünstlerinnen und -künstler und berät sie auf ihrem weiteren Werdegang. Das ist eine ganz wichtige Funktion gerade vor dem Hintergrund, dass sich die großen Plattenfirmen immer weniger um Nachwuchs kümmern. Wir haben dann, wie Sie alle wissen, noch immer inmitten des Szeneviertels in St. Pauli den Karostar, der sehr erfolgreich kleine Musikfirmen fördert. Darüber hinaus haben wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute einen Antrag vorgelegt, bei dem es darum geht, dass die kleinen konzernunabhängigen Plattenfirmen eine Zukunftschance bekommen. Aus diesem Grund soll in Hamburg – und damit erstmalig in Deutschland – ein Förderprogramm für Unternehmen mit Sitz in Hamburg geschaffen werden. Auf die Spezifizierung dieses Förderprogramms komme ich nachher noch zu sprechen.