Der Senatsvertreter antwortete, darüber hätte der Senat keine Erkenntnisse. Auf Nachfrage wurde dann abwechselnd ausgeführt, dass sich die U-Untersuchung und die Untersuchung in den Kitas um drei Monate überlappen würden, es im Übrigen die U7a erst seit einem Jahr gebe und man daher auch keine empirischen Daten vorliegen habe. Das ist kindeswohlgefährdender Blindflug im Bereich der Jugendhilfe, den sich dieser Senat und Schwarz-Grün leisten, meine Damen und Herren.
(Linda Heitmann GAL: Das ist eine Frech- heit, dass Sie das immer wieder in Zusam- menhang stellen!)
Herr Kerstan, mit diesem Schritt kündigen Sie den überparteilichen Konsens auf, den wir im Zusammenhang mit dem Fall Jessica hatten. Damals gab es einen Sonderbericht, in dem …
Bitte? Ob ich ein Taschentuch haben will? Diese Bemerkung, Herr Beuß, disqualifiziert Sie. Hinzugehen und zu sagen …
Wir reden hier nicht über Theatralik. Wir reden darüber – Gott sei Dank steht das alles im Protokoll –, ob wir sorgfältig ein Frühvorsorgesystem in Hamburg etablieren,
welches genau solche Dinge in der Zukunft verhindert. Dazu hat übrigens – ich lasse es Ihnen durch mein Büro schicken – der Sonderbericht Jessica deutliche Aussagen gemacht, von denen der Senat und Schwarz-Grün jetzt abweichen.
Es gab Diskussionen, die dazu geführt haben, die Vorsorgeuntersuchungen jetzt mit den Kinderärzten durchzuführen, nachdem das Kinderbetreuungsgesetz erst einmal im Grunde rechtswidrig ausgelegt wurde, indem nach der Rechtsverordnung nicht alle Kinder, sondern nur 25 Prozent untersucht werden sollten. Frau Dr. Föcking hat gesagt – das kann man im Protokoll nachlesen –, in bestimmten Stadtteilen würden eben nicht genügend Leute erreicht. Schauen wir uns doch einmal bestimmte Stadtteile an. St. Pauli: Die Untersuchungsquote der in Frage kommenden U-Untersuchungen liegt bei 57,4 Prozent. Auf einen Kinderarzt kommen hier 2344 Kinder, im Hamburger Durchschnitt sind es 1400 Kinder pro Arzt. Auf der Veddel liegt die Quote bei 60,8 Prozent. Nur zum Vergleich: Duvenstedt hat in der gleichen Alters
gruppe eine Untersuchungsquote von über 90 Prozent. Auf der Veddel gibt es nach Aussage des Senats gar keinen Kinderarzt. In Horn haben wir eine Quote von 66 Prozent, 4959 Kinder kommen hier auf einen Kinderarzt.
Sie versuchen also, den Rechtsanspruch, den die Kinder nach dem Kinderbetreuungsgesetz haben, zugunsten eines Modellversuchs aufzulösen. Nach Aussage des Senats soll der Versuch mit dem Postkartenmailing frühestens im Mai des nächsten Jahres starten und nicht schon zum 1. Januar. Das würde mich als Fraktionsvorsitzender der GAL an dieser Stelle schon nachdenklich machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schön, dass die Begeisterung keine Grenzen kennt. Eigentlich hatte ich mit dieser Debatte schon abgeschlossen, aber Thomas Böwer hat es geschafft, uns alle wieder ein bisschen aufzurütteln. Ich habe eine andere Wahrnehmung als er; ich fand, dass Frau Föcking die komplexe Sachlage sehr gut dargestellt hat.
Den Fakten ist kaum etwas hinzuzufügen. Ich möchte aber ein paar Erwiderungen auf Herrn Böwers Vortrag für die SPD-Fraktion geben.
Zunächst habe ich das Gefühl, dass die SPD-Fraktion im Jahr 2005 stehen geblieben ist. Das ist ein Problem.
Es ist doch eigentlich nichts Positives, wenn man viermal den gleichen Gesetzesentwurf vorlegt. Gesetzesentwürfe sollten in gewisser Weise lernend sein. Von 2005 bis jetzt ist einiges passiert. Wir haben uns weiter informiert und hatten eine Expertenanhörung, bei der uns Erkenntnisse aus anderen Bundesländern vermittelt wurden. Wenn man bösartig wäre, könnte man sagen, die SPD-Fraktion habe aus all dem nichts gelernt und legt chronisch immer wieder ihren alten Gesetzesentwurf vor. Man kann das also durchaus auch negativ auslegen.
heute einen wichtigen Meilenstein für den Schutz von Kindern geschaffen. Was machen wir denn heute? Wir verabschieden ein Gesetz, mit dem Vorsorgeuntersuchungen verbindlicher gestaltet werden und damit knüpfen wir eine ganz enge, starke Masche im Netzwerk Kindeswohl.
Ich möchte einen Punkt noch einmal aufgreifen, vielleicht war das eben in den Ausführungen von Frau Föcking sehr komplex. Es geht schlicht und ergreifend darum, für zwei der Vorsorgeuntersuchungen ein verbindliches Einladewesen zu schaffen. Wenn die Eltern trotz wiederholter Einladungen nicht reagieren und mit ihren Kindern nicht zum Kinderarzt gehen, werden Mitarbeiter des Jugendamtes die Familie aufsuchen, das ist richtig. In diesem Punkt sind wir mit der SPD-Fraktion völlig einig,
Was wollen wir? Wir wollen die Familien identifizieren, in denen das Wohl eines Kindes möglicherweise gefährdet ist. Das ist ein Gewinn für den Kinderschutz. Hamburg ist da nicht etwa, wie die SPD-Fraktion uns weismachen will, Schlusslicht.
Was will die SPD-Fraktion? Herr Böwer ist darauf recht wenig eingegangen. Sie wollen, so ist es Ihrer Pressemitteilung und Ihrem Gesetzesentwurf zu entnehmen, alle U-Untersuchungen ab der U3 verbindlich machen durch eine verbindliche Einladung. Das kann man natürlich machen. Man kann darüber nachdenken, diese für die U6 und U7 geplanten Regelungen irgendwann auszuweiten. Das ist aber jetzt nicht unser Vorhaben. Wir beginnen erst einmal mit der U6 und der U7. Die Experten haben in der Anhörung bestätigt, dass es durchaus sinnvoll ist, mit einem Modellversuch zu starten. Wir können dann aus unseren Erfahrungen lernen, ob dieses Gesetz Wirkung hat und wir die Familien auch wirklich erreichen. Wenn wir dann nach zwei Jahren sehen, dass das ein voller Erfolg ist, können wir noch einmal darüber nachdenken, das gegebenenfalls weiter auszubauen,
Kommen wir noch einmal zu den Doppeluntersuchungen. Es ist richtig, dass nach dem KibeG bislang eine Untersuchung aller Kinder im vierten Lebensjahr vorgesehen war. Wir hatten schon im Ausschuss das Problem, dass Herr Böwer die Monate durcheinanderbekommen hat und davon ausging, dass die Kinder, die im vierten Lebensjahr untersucht werden, 48 Monate alt sind. Das ist aber nicht der Fall; das vierte Lebensjahr beginnt mit dem 36. Monat. Dementsprechend wurde im
Ausschuss ausdrücklich festgestellt, wo die Doppeluntersuchung liegt. Nach der durch das Bundesgesetz neu geschaffenen U7a werden die Kinder zwischen dem 33. und dem 36. Monat – ich glaube, das waren die Daten – untersucht. Genau im 36. Lebensmonat fangen auch die Untersuchungen nach dem KibeG an. Wir haben zudem bei der U7a noch einen Toleranzbereich bis zum 38. Monat, sie fällt also in genau diesen Zeitraum. Es liegt demnach eine zeitnahe Doppeluntersuchung vor.
Wir haben gesagt, und das halte ich für durchaus sinnvoll, dass wir das Geld an dieser Stelle einsparen und – Frau Föcking hat es ausgeführt – besser an anderen Stellen innerhalb des Systems investieren können. Davon werden Mütterberatungsstellen, Nachsorge und Schuleingangsuntersuchungen profitieren. So ist das Geld auf jeden Fall sinnvoller verwendet als für eine überflüssige Doppeluntersuchung.
Ganz schlimm finde ich, dass die SPD-Fraktion wiederholt – auch jetzt wieder in ihrer Pressemitteilung – die Vorsorgeuntersuchungen mit dem Fall Lara in Verbindung stellt. Wir haben darüber ausführlich diskutiert. Lara wäre nach Ansicht der Experten nicht gerettet worden, auch wenn wir zig Vorsorgeuntersuchungen verbindlich gemacht hätten.
Dieses Kind hatte die beste Betreuung, die man sich eigentlich vorstellen kann, denn eine Jugendamtsmitarbeiterin sollte in der Familie nach dem Rechten sehen. Sie haben alle verfolgt, dass dieser Fall bei der Staatsanwaltschaft ist. Jetzt zu sagen, der Senator habe versagt, weil er die Vorsorgeuntersuchungen nicht weiter vorangetrieben oder verbindlich gestaltet habe, halte ich für absolut falsch und nicht angemessen.
Wir werden heute mit diesem Gesetz einen wesentlichen Meilenstein setzen. Es wäre schön, wenn wir daran gemeinschaftlich arbeiten und Sie das mittragen könnten. Sie wollen sich mit dem erweiterten Angebot unbedingt durchsetzen; ich habe Ihnen erläutert, warum das nicht in Frage kommt. Wir stehen hier an einem Anfang und es sollte uns allen bewusst sein, dass die Vorsorgeuntersuchungen nur ein Baustein im Kinderschutz sind. Vorsorgeuntersuchungen können andere Maßnahmen nicht ersetzen, darum haben wir Familienhebammen oder Familienzentren ausgebaut. Alle diese Maßnahmen gemeinsam ergeben erst das Netzwerk Kindeswohl. Wir dürfen diesen einen Punkt nicht so betrachten, als hätten wir mit ver
bindlichen Vorsorgeuntersuchungen nie wieder einen Fall von Kindesvernachlässigung. Eine solche Sichtweise wäre viel zu gewagt.
Ein abschließendes Wort noch zu den Kinderärzten. Herr Böwer – auch das haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert –, Sie behaupten jetzt wieder, wir würden ein Gesetz schaffen und dabei hätten die Kinder in Veddel gar keine Möglichkeit, einen Kinderarzt aufzusuchen. Es geht nicht darum, dass die Eltern auf der Veddel mit ihren Kindern zu einem Kinderarzt in genau ihrem Stadtteil gehen müssen. Wir waren einer Ansicht, dass es in bestimmten Stadtgebieten zu wenige Kinderärzte gibt, aber wir haben freie Arztwahl und es gibt durchaus viele Familien, die ihren Stadtteil verlassen, um einen Arzt in einem benachbarten Stadtteil aufzusuchen. Ich sehe an Ihrem Nicken, dass Sie es auch so machen.
Es ist jetzt spät genug. Alles in allem ist das Gesetz ein guter Anfang. Es ist ein gutes Gesetz und wird heute von uns verabschiedet werden.