Protocol of the Session on December 9, 2009

Ties Rabe SPD 2645,

Michael Gwosdz GAL 2647,

Dora Heyenn DIE LINKE 2649,

Thies Goldberg CDU 2650,

Christa Goetsch, Zweite Bürgermeisterin 2651,

Jens Kerstan GAL 2653,

Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE 2654,

Wilfried Buss SPD 2655,

Beschlüsse 2657,

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE:

Gentrifizierung oder: Aufwertung und Verdrängung in Hamburger Stadtteilen – Drs 19/4468 – 2657,

mit

Antrag der Fraktionen der GAL und CDU:

Stadtentwicklung mit Weitsicht – Quartierstrukturen erhalten und stärken (Hamburger Kon- zept) – Drs 19/4714 – 2657,

dazu

Antrag der Fraktion DIE LINKE:

Aufwertung und Verdrängung in den Quartieren stoppen! – Drs 19/4792 – 2657,

und

Antrag der Fraktion der SPD:

Quartiere mit Aufwertungsdruck brauchen Schutzschirm gegen Verdrängung! – Drs 19/4811 – 2657,

Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE 2658, 2664,

Jörg Hamann CDU 2658,

Andy Grote SPD 2660,

Horst Becker GAL 2661,

Anja Hajduk, Senatorin 2663,

Beschlüsse 2665,

Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz über die Drucksachen 19/2412:

Vorsorgeuntersuchungen nach SGB V sowie gemäß Hamburgischem Kinderbetreuungsgesetz (KibeG): Welche Kinder werden bisher vom Senat trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht untersucht und was unternimmt der Senat gegen die geringere Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen in sozial schwächeren Stadtteilen? (Große Anfrage der Fraktion der SPD) und 19/2463: Neustrukturierung des gesundheitlichen Vorsorgeangebots für Kinder im Vorschulalter (Antrag der Fraktio- nen der CDU und GAL) sowie 19/4331: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 1. April 2009 "Neustrukturierung des gesundheitlichen Vorsorgeangebots für Kinder im Vorschulalter" – Drucksache 19/2463 – (Senatsantrag) – Drs 19/4690 – 2665,

dazu

Antrag der Fraktion der SPD:

Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern ("U-Untersuchungen") verbindlicher machen – Gesetz zum Schutz von Kindern vor Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung – Drs 19/4812 – 2665,

Dr. Friederike Föcking CDU 2666,

Thomas Böwer SPD 2667, 2672,

Christiane Blömeke GAL 2669,

Mehmet Yildiz DIE LINKE 2670,

Carola Veit SPD 2671,

Dietrich Wersich, Senator 2671,

Harald Krüger CDU 2673,

Beschlüsse 2673,

Beginn: 15.03 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet und ich erteile das Wort dem Präsidenten zum Thema 150 Jahre Bürgerschaft.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen der Hamburgischen Bürgerschaft, sehr verehrte Mitglieder des Senats, meine sehr geehrten Damen und Herren! Fast genau auf den Tag vor 150 Jahren konstituierte sich in Hamburg erstmals ein Parlament, dessen Zusammensetzung in einer Wahl bestimmt wurde. Bevor wir mit der Tagesordnung der heutigen regulären Plenarsitzung beginnen, darf ich daher an dieser Stelle kurz das Wort ergreifen und daran erinnern – erinnern an den Beginn parlamentarischer Repräsentation in unserer Stadt.

"Auf ergangene Einladung des Senats hatten sich heute, nachmittags 2¼ Uhr, 187 erwählte Mitglieder der Bürgerschaft im großen Saale der Patriotischen Gesellschaft eingefunden. Die Versammlung wurde von Herrn Robert M. Sloman, als dem Ältesten der Anwesenden, eröffnet und sodann unter dessen Vorsitz Herr Dr. Johannes Versmann mit 136 Stimmen zum provisorischen Vorsitzenden von derselben erwählt."

So beginnt das Protokoll der ersten Sitzung vom 6. Dezember 1859 und so beginnt die Geschichte der gewählten Hamburgischen Bürgerschaft.

Sicher, von einer Demokratie im heutigen Sinne konnte damals keine Rede sein. Lediglich 84 der Abgeordneten wurden in allgemeiner Wahl bestimmt, und das nur von den "volljährigen männlichen hamburgischen Staatsangehörigen". 60 weitere Mitglieder der Bürgerschaft wurden von den Notabeln gewählt, also Bürgern, die ein Ehrenamt innehatten, und weitere 48 von den Grundeigentümern. Von einer echten Repräsentanz der Bevölkerung konnte damals noch nicht gesprochen werden. Doch es war das erste Mal, dass das über Jahrhunderte gültige Prinzip der Erbgesessenheit zugunsten des Repräsentativprinzips aufgegeben wurde.

Alterspräsident Sloman sah in der neuen Bürgerschaft "das Werk des Fortschrittes durch die öffentliche Meinung und die Tendenzen der Zeit hervorgerufen". Die Öffentlichkeit der Verhandlungen und die "Freiheit der Diskussionen" machten für ihn den entscheidenden Unterschied zur alten, erbgesessenen Bürgerschaft aus. Sie waren ihm "das Palladium unserer bürgerlichen Rechte und die Mittel, durch welche wir zur Erlangung der vielen Reformen, der wir bedürfen, kommen werden" – starke Worte sicherlich, die aber aus heutiger Sicht eher als unerfüllt betrachtet werden müssen,

blieb doch die grundsätzliche Teilung des Wahlvolkes nach Einkommen und gesellschaftlichem Status im Kern bis zum Ersten Weltkrieg erhalten.

Erst nach der Novemberrevolution 1918 erfolgte die Wendung hin zu einer echten, demokratisch legitimierten Vertretung des Volkes. 1919 wählten erstmals gleichberechtigt Männer und Frauen, unabhängig von Rang und Stand, die neue Bürgerschaft. Es folgten 14 Jahre Demokratie und Rechtstaatlichkeit, bevor die Bürgerschaft im nationalsozialistischen Unrechtstaat aufhörte zu existieren. Erst am 13. Oktober 1946 fanden wieder freie Wahlen statt, die ersten in einem deutschen Bundesland nach der Schreckensherrschaft des NS-Regimes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Landesparlament, das frei und demokratisch von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt wird, ist vor diesem geschichtlichen Hintergrund alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Es war ein langer, ein verschlungener Weg, den sich die Demokratie in den vergangenen 150 Jahren in Hamburg bahnen musste. Seien wir stolz darauf – stolz auf das Erreichte, stolz auf die parlamentarische Tradition unserer Versammlung.

Viel zu leicht übersehen wir im politischen Tagesgeschäft, dass es eine herausragende Errungenschaft an sich ist, dass wir uns überhaupt um das politische Tagesgeschäft kümmern können.

Erinnern wir uns: Robert Sloman sprach bereits in der allerersten Sitzung von den "vielen Reformen, der wir bedürfen" – daran hat sich nicht viel geändert. Auch heute stehen sie wieder an, die großen und kleinen Reformen, die größeren und kleineren Gesetzesvorlagen, mit denen unser Gemeinwesen zum Besseren verändert werden soll.