Protocol of the Session on November 19, 2009

Der letzte Punkt. Das war eben eine Hommage an das neue Rechnungswesen von Ihnen. Nach meinem Eindruck sind wir noch eine Ecke davon entfernt, denn zu der Konzernbilanz stellt der Rechnungshof fest:

"Aufgrund umfangreicher Vereinfachungen, die im gewählten pragmatischen Projektvorgehen begründet sind, kann der Konzernabschluss in Teilen noch nicht als in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung aufgestellt gelten. Aufgrund der Vereinfachungen […]"

geht es hier um

"… eine verzerrte Darstellung der Vermögens- und Ertragslage".

Im Klartext hätte der Rechnungshof auch sagen können, dass das, was jetzt vorliegt, ein Schritt in die beabsichtigte Richtung sei. Wenn das neue Rechnungswesen wirklich zu mehr Transparenz führen soll, dann muss in diesen Bereich noch erheblich mehr Energie hineingesteckt werden. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wir kommen zunächst zu den Empfehlungen des Haushaltsausschusses aus Teil A IV seines Berichts. Die unter dem Buchstaben a) erbetenen Kenntnisnahmen sind erfolgt.

Wer, wie in b) empfohlen, die in der Haushaltsrechnung 2007 ausgewiesenen Überschreitungen genehmigen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Hierzu bedarf es einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das ist der Fall. – Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht.

Wer den soeben in erster Lesung gefassten Beschluss in zweiter Lesung fassen will, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen.

Wer nun der Ausschussempfehlung aus c) folgen und dem Senat für das Haushaltsjahr 2007 Entlastung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wer sich, wie unter d) empfohlen, den unter Teil A Abschnitt II des Ausschussberichtes aufgenommen Beschlussvorschlägen des Unterausschusses Prüfung der Haushaltsrechnung anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

In Teil B des Haushaltsausschussberichtes wird empfohlen, den Rechnungshof für dessen Haushaltsund Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2007 Entlastung zu erteilen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig passiert.

Ich möchte nun die Gelegenheit nutzen, dem Rechnungshof, der jetzt auch anwesend ist, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die von ihnen geleistete Arbeit ausdrücklich den Dank unseres Hauses auszusprechen.

(Beifall bei allen Faktionen)

Wir kommen zu Punkt 34 der Tagesordnung, Drucksache 19/4519, Antrag der SPD-Fraktion: Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus.

[Antrag der Fraktion der SPD: Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus – Drs 19/4519 –]

Ich möchte, bevor ich Frau Domres das Wort erteile, darum bitten, dass die Gespräche auf der zweiten Reihe der Senatsbank unterbrochen werden. Die sind so vertieft, dass Frau Blömeke gar nicht merkt, dass ich mit ihr rede.

(Glocke)

Frau Blömeke, es wäre nett, wenn Sie Ihre Gespräche draußen weiterführen oder warten würden, bis die Sitzung zu Ende ist.

Wir sind bei Punkt 34 der Tagesordnung, Antrag der SPD-Fraktion: Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus. Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie mitberatend an den Sozialausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Domres, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine vom Diakonischen Werk in Hamburg in Kooperation mit der Nordelbischen Kirche und der Gewerkschaft ver.di in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in Hamburg zwischen 6000 und 22 000 Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere leben. Zwar hat es im September bereits eine Verbesserung für diese Menschen gegeben, da eine allgemeine Verwaltungsvorschrift in Kraft getreten ist, die die sogenannte Übermittlungssperre, die bisher nur für Ärzte galt, beispielsweise auch auf die Krankenhausverwaltungen ausgedehnt hat. Diese waren zuvor verpflichtet, Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, an die Ausländerbehörden zu melden. Mit der geänderten Verwaltungsvorschrift wurde eine wesentliche Barriere beseitigt, den im Asylbewerberleistungsgesetz verankerten Rechtsanspruch auf Gesundheitsleistungen für Menschen ohne Papiere in Anspruch nehmen zu können. Dennoch existieren weitere finanzielle, rechtliche und andere Hindernisse, die Ärzte und Krankenhauspersonal auf der einen Seite und Menschen ohne Papiere auf der anderen Seite verunsichern

(Dr. Joachim Bischoff)

und den tatsächlichen Zugang zur Gesundheitsversorgung und zu Gesundheitsleistungen praktisch verweigern.

In Artikel 12 des UN-Sozialpakts ist das Recht auf höchstmögliche, körperliche und geistige Gesundheit sowie das Recht auf medizinische Versorgung für jeden Menschen festgeschrieben. Es gehört zu den grundlegenden Menschenrechten, die für alle in Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, gelten. Der für die Einhaltung dieser Konvention zuständige UN-Ausschuss hat ausdrücklich betont, dass medizinische Einrichtungen und ärztliche Betreuung für alle, insbesondere für die besonders Schutzbedürftigen und an den Rand gedrängten Gruppen der Bevölkerung, der Zugang de jure und auch de facto ohne Verletzung des Diskriminierungsverbots zugänglich sein müssen. Hamburg muss klären, wie dieses Recht auf Gesundheit für Menschen ohne Papiere tatsächlich umgesetzt werden kann. Die Gesundheitsleistungen müssen für Menschen ohne Papiere ohne die Gefahr der Entdeckung zugänglich gemacht werden.

Dabei geht es überhaupt nicht darum, diesen Menschen eine bessere Gesundheitsversorgung zu geben als den Menschen, die in einer privaten oder gesetzlichen Krankenkasse versichert sind und dafür ihre Beiträge zahlen. Es geht darum, diesen Menschen überhaupt die Möglichkeit einer gesundheitlichen Versorgung zu geben.

Bisher gab es in Hamburg Angebote wie zum Beispiel die medizinische Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migranten, das Medibüro in Altona, in der Ärztinnen und Ärzte ehrenamtlich eine Vermittlung in medizinische Behandlung angeboten haben, und auch das Angebot der Malteser Migranten Medizin, das sogenannte MMM, auf dem Gelände des Marienkrankenhauses, das Menschen ohne Krankenversicherung Beratung und Unterstützung durch ehrenamtliche, meist pensionierte Ärzte und Ärztinnen angeboten hat. Aber eine funktionierende Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere kann nicht allein auf Ehrenamtlichkeit, Spenden und Vergütungsverzicht gegründet sein.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der LIN- KEN)

Dieses ist unangemessen. Die Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere muss aus der Parallelwelt der Ehrenamtlichkeit und der Freiwilligkeit herausgeholt und in die Regelversorgung des Gesundheitssystems integriert werden.

Herr Senator Wersich, Sie haben gestern schon in der Aktuellen Stunde, als es um die Menschen ohne Papiere ging, in der Debatte gesagt, dass Sie der Meinung sind, dass diese Menschen durch private Einrichtungen gut versorgt würden, dass die humanitäre, private Zivilgesellschaft dafür eintreten könne und der Staat nicht die Aufgabe habe, für Il

legale zu sorgen. Dies sehe ich anders und wir als SPD-Fraktion möchten den Senat auffordern,

gemeinsam mit den bisherigen und den potenziellen Trägern und möglichen Kostenträgern der Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere die verschiedenen in Deutschland zurzeit praktizierten Finanzierungsmodelle zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Als Finanzierungspartner kommen Stiftungen, Fonds, staatliche Teilfinanzierung oder auch die Beteiligung der Krankenkassen infrage, wobei auch Mischmodelle möglich sein werden. Dabei ist auch der Vorschlag des Diakonischen Werks zu diskutieren, in Hamburg das Konzept des anonymisierten Krankenscheins zu erproben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Natürlich ist dabei auch zu überlegen, ob es Menschen ohne Papiere möglich gemacht werden kann und ob es ihnen möglich sein wird, einen angemessenen finanziellen Eigenbeitrag zu leisten. Es muss aber geklärt werden, welche Stelle für den einzelnen Patienten ohne Papiere entscheiden soll, welche Gesundheitsleistungen jeweils bereitgestellt werden und für die nötigen formalen Abläufe gestaltet werden müssen. Diese Aufgabe kann nur von einer Stelle übernommen werden, die bei den Betroffenen und auch von öffentlicher Seite her volles Vertreten genießt, zugleich aber die volle medizinische Fachkompetenz hat und die Kompetenz im Umgang mit der Zielgruppe aufweist.

Wir fordern den Senat daher auf, einen Runden Tisch Gesundheitsversorgung für Papierlose mit Vertretern der zuständigen Behörden, der Wohlfahrtsverbände, der Ärztekammer, der Krankenkassen und möglichen anderen Kostenträgern sowie der Kirchen einzurichten und auf Basis des Asylbewerberleistungsgesetzes die Verbesserungsmöglichkeiten der medizinischen Versorgung für Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus zu erörtern und gegebenenfalls umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Es ist kurzfristig zu prüfen, ob bei den Gesundheitsämtern, den Bezirksämtern oder bei Freien Trägern sogenannte humanitäre Sprechstunden eingerichtet werden können, die die gesundheitliche Primärversorgung von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, also Menschen ohne Papiere, sicherstellen können. Eine solche humanitäre Sprechstunde, zuerst für Roma, später dann auch für Migrantinnen und Migranten aus Afrika, gibt es seit 1997 beim Gesundheitsamt in Frankfurt. Eine internationale Sprechstunde findet dort seit 2009 statt. Diese Sprechstunde bietet Besucherinnen und Besuchern kostenlose und anonyme Beratung, medizinische Betreuung im Sinne einer hausärztlichen Sprechstunde und die Nutzung der gemeinsamen und gesamten fachärztlichen Infrastruktur des Gesundheitsamtes. Dabei steht in

Frankfurt die humanitäre Sprechstunde als Angebot nicht allein da, sondern sie ist mit allen anderen möglichen Angeboten vernetzt, wie zum Beispiel der kommunalen Ausländerinnenvertretung und Migrantenvereinen in Frankfurt. Es wäre schön, wenn der Senat in Hamburg ebenfalls ein solches Angebot konzipieren könnte.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Schließlich fordern wir den Senat auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu unterstützen und einzubringen, den Abschiebeschutz bei Schwangerschaft und Geburt auf drei Monate vor und drei Monate nach der Geburt auszudehnen. Dies ist insbesondere wichtig, um die Ausstellung einer Geburtsurkunde für das geborene Kind zu gewährleisten. Bisher gelten die allgemeinen Mutterschutzfristen, die eine Abschiebung sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt vorsehen, aber eine Verlängerung würde für die Mütter einfach sicherstellen, dass sie tatsächlich eine Geburtsurkunde für das Kind erhalten können.

Herr Senator, es ist einfach unzureichend, wenn Sie, wie gestern geschehen, diese gesamte Versorgung auf private Träger und Wohlfahrtsverbände abschieben wollen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Skandal!)

Der Staat ist durchaus in der Pflicht und so wird es auch in anderen Bundesländern gehandhabt. Ich frage mich, wieso immer Hamburg eine Ausnahme sein muss bei Dingen, die andere Bundesländer schon längst als ihre Pflicht begreifen. In Hamburg ziehen sich Staat und Regierung aus vielen Angelegenheiten heraus und verlassen sich auf das gute Funktionieren der Ehrenamtlichkeit; das kann es nicht sein. Sie haben vorhin noch davon gesprochen, dass es keine Denkverbote geben dürfe. Wenn Sie von Denkverboten sprechen, müssen Sie aber auch davon ausgehen, dass es diese in keinem Bereich geben darf. Sie müssten sich daher überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass Sie als Senat dafür sorgen, dass es eine staatliche Unterstützung, einen staatlich geförderten Zugang dieser Menschen ohne Papiere in die Gesundheitsversorgung dieser Stadt gibt. Ich habe heute erfahren, dass die ursprünglich beantragte und auch einvernehmlich getragene Überweisung des Antrags der SPD-Fraktion an den Gesundheitsausschuss inzwischen von der GALund der CDU-Fraktion abgelehnt wurde. Ich finde das sehr schade, weil ich denke, dass man kritische Themen oder Themen, für die man ad hoc keine Lösungen hat – es gibt viele solcher Themen und es erwartet auch niemand, dass man sie gleich lösen kann –, nicht einfach totschweigen kann, indem man sie nicht an die zuständigen Sach- und Fachausschüsse zur fachlichen Diskussion überweist. Ich halte diesen Schritt für falsch.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Er ist aber auch nur ein erneutes Beispiel, wie der Senat versucht, sich von unliebsamen Themen zu trennen, indem er diese überhaupt nicht erst an die Ausschüsse zur Diskussion überweist.

Wir fordern den Senat auf, bis zum 31. März 2010 einen Bericht zu erstellen hinsichtlich der Anstrengungen, die der Senat bis dahin unternommen hat, die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne gültige Papiere zu verbessern, einen Bericht auch darüber, welche Ergebnisse es bis dahin geben wird oder ob der Senat dann feststellen wird, dass er sich weiter auf der ehrenamtlichen Arbeit engagierter Menschen ausruhen wird und das Problem weiter ignoriert.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)