Protocol of the Session on November 4, 2009

Wir haben dafür gesorgt, dass in der Verfassung steht, dass Bürgerbegehren, Volksentscheide bindend sind. Es sollte niemand glauben, dass in der jetzigen Situation, in der Häuser besetzt wurden, dieses Problem nur deshalb nicht durch einen Poli

zeieinsatz aus dem Weg geräumt wird, weil wir Grüne an der Regierung sind. Ich möchte betonen, dass diese Beschreibung auch unabhängig davon zutrifft, welche der großen Volksparteien den Bürgermeister stellt. Wenn man die Reden von Herrn Dressel zur Inneren Sicherheit hört, weiß man, dass es auch mit einer SPD-geführten Regierung eine große Aufgabe gewesen wäre, das sicherzustellen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Jetzt liegen die Probleme auf dem Tisch, man kann sie nicht wegwischen und so mancher Kollege von der CDU mag sich fragen, ob sich die Besetzer beschweren oder die Standortpolitik der Stadt kritisieren dürfen, obwohl nicht geräumt wird. Ich sage ganz deutlich, sie dürfen das nicht nur, sie sollen es auch, denn nur so kommt eine lebendige Politik in dieser Stadt zustande.

Wahr ist aber auch, dass es für all diese Probleme, die jetzt in dieser Stadt debattiert werden, weil Bürger sich für ihre Anliegen stark machen, keine Patentrezepte gibt, weil die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zum Teil konträr sind. Im Gängeviertel haben wir die Situation – ich werde gleich noch auf sie zu sprechen kommen –, dass ein Investor möglicherweise gegen die Interessen der Kultur und der Stadtentwicklung agiert. Beim Frappant-Gebäude in Altona ist die Situation anders. Dort kämpfen einerseits Künstler für ihre Interessen und andererseits gibt es Einzelhandelsläden und Kleingewerbetreibende, die sich für eine andere Entwicklung aussprechen und IKEA wollen, weil sonst ihr Betrieb dort nicht mehr aufrechtzuerhalten ist und sie weggehen müssten mit der Folge, dass diese Einkaufsgegend völlig veröden würde. In Altona gibt es konträre Interessen von Bürgerinnen und Bürgern, von Einzelhändlern und Kulturschaffenden; eine einfache Lösung wird es dort also nicht geben.

Das Gute daran ist, dass letztendlich die Bürgerinnen und Bürger entscheiden werden. Es gibt in Altona zwei Volksbegehren, das eine für, das andere gegen IKEA und die Betroffenen, nämlich die Menschen vor Ort, werden die Entscheidung treffen. Auch darauf sind wir stolz, dass wir dafür gesorgt haben, dass so etwas in dieser Stadt jetzt auch möglich sein wird.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben die Bürger selber erstritten, Herr Kerstan!)

Wir alle wissen, Herr Dressel, dass wir die Verbindlichkeit gemeinsam in der Verfassung geregelt haben, denn sie war anscheinend keine Selbstverständlichkeit.

Aber hier sind klare Worte zum Gängeviertel eingefordert worden und der Wunsch, dass sich Finanzpolitiker dazu äußern sollen. Ich bin ja auch einer auf Regierungsseite und sage im Namen meiner Fraktion, dass die Probleme, die wir im

(Senatorin Dr. Karin von Welck)

Gängeviertel haben, deutlich machen, dass in zentralen stadtentwicklungspolitischen Fragen das Gebot, Grundstücke nur nach dem Höchstgebot zu vergeben, mehr Probleme schafft als löst.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Bei den jetzigen Verhandlungen geht es uns darum, aus alten Fehlern Konsequenzen zu ziehen und eine Trendwende einzuleiten. Das Problem dabei ist, dass wir die Zustimmung des Investors brauchen, weil der Vertrag gültig ist und er seinen Teil bisher erfüllt hat. Als Schill in dieser Stadt regiert hat, war ich ganz froh, dass der Politik gesetzlich durch Gerichte Grenzen gesetzt werden. Das Gleiche gilt für uns in dieser Situation auch, denn auch wenn wir jetzt Regierungsfraktion sind, können wir getroffene Verträge nicht einfach beiseitewischen. Aber ich möchte betonen, dass es uns in diesem Viertel auch um Denkmalschutz geht. Es muss mehr alte Bausubstanz erhalten bleiben und es muss ganz klar sein, dass die Künstlerinnen und Künstler im Gängeviertel eine zentrale Rolle bekommen. Das wird seinen Preis haben und den versuchen wir, für die Stadt so niedrig wie möglich zu halten; deshalb äußern wir uns nicht öffentlich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hamann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir von Herrn Hackbusch von der Linkspartei heute wieder hier gehört haben, war die schon fast übliche Mischung aus Verdrehung und Verschwörungstheorie, die vor allem eines zeigt, dass wir zwar alle unter einem Himmel leben, aber doch deutlich verschiedene Horizonte haben

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das stimmt!)

und ich denke, das wird auch weiterhin so bleiben. Da Herr Hackbusch und auch der eine oder andere Kollege von der SPD sich gemüßigt fühlte, die wiederholten Fragen zum wiederholten Male wiederholt zu stellen, möchte ich jetzt noch einmal ganz deutlich die wiederholte Antwort geben. Wir wollen wie in all den Jahren zuvor ein lebendiges Gängeviertel, das heißt, wir wollen Kultur, wir wollen Wohnen, wir wollen Gewerbe. Das haben wir immer gewollt, das haben wir immer unterstützt, das war immer beabsichtigt und immer geplant.

(Beifall bei der CDU – Norbert Hackbusch DIE LINKE: So was nennt man lernfähig!)

Ja, Herr Hackbusch, als diese ganzen Entscheidungen getroffen und diese Diskussionen geführt wurden, saßen Sie wahrscheinlich noch in der Roten Flora und haben von Weltrevolution geträumt.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben uns jedenfalls mit diesen Themen beschäftigt, sehr lange im Übrigen auch im Einvernehmen mit der SPD, die nun leider jetzt erst dort den gemeinsamen Weg verlassen hat. Die Kultursenatorin hat noch einmal ganz deutlich gemacht, wie weit und wie tief hier auch der Konsens im Sinne der Stadt war. Nun, Herr Hackbusch, Sie haben die SPD zu Selbstkritik aufgefordert. Ich denke, das hat die SPD gerade in diesem Fall auch nötig und wie ich die SPD kenne, wird sie das sicherlich auch gerne machen, insbesondere wenn es darum geht, was die Kollegen aus Hamburg-Mitte dort gemacht oder gesagt haben.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass es in Hamburg noch andere Gängeviertel gab und gibt; bekannt ist zum Beispiel auch das historische Gängeviertel am Michel, das ganz hervorragend saniert wurde. Wir reden also nicht über das einzige Gängeviertel und die dortigen Bewohner möchten gerne hervorgehoben haben, dass selbstverständlich auch in anderen Teilen der Stadt noch Teile des Gängeviertels erhalten sind. Insofern können wir jetzt auch mit der schon lange als Vorurteil erkannten Falschaussage von der sogenannten Freien und Abrissstadt Hamburg aufräumen. Das hat zuletzt der frühere Bürgermeister Klaus von Dohnanyi in einem beachteten Zeitungsartikel ganz hervorragend getan.

Wenn ich mir anschaue, was dieser Senat in den letzten Jahren gerade im Bereich des Denkmalschutzes geleistet hat, dann ist das ganz beachtlich. Ich erinnere unter anderem an den Erhalt des Generatorenhauses beim Neubau der Messe, an die Polizeiwache der HafenCity oder, als sicher prominentestes Beispiel, auch an die Elbphilharmonie. Die Elbphilharmonie wird auf dem historischen Kaispeicher gebaut, was nicht zuletzt Unsummen an Geld kostet, aber der Senat, die Stadt und auch die Bürgerschaft haben sich entschieden, hier Alt und Neu zusammenzuführen. Genau das war gewollt und das ist auch die richtige Symbiose, die wir in dieser Stadt weiterhin anstreben.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Eva Gümbel GAL)

Aber auch von mir noch einmal deutliche Worte an den Investor: Vollkommen unverständlich und überhaupt nicht akzeptabel ist das Verhalten des Investors Hanzevast. Hanzevast glaubt offensichtlich, mit Drohungen und Spielchen, wie beispielsweise die fehlgeschlagene beantragte einstweilige Verfügung durch das Landgericht Hamburg, in irgendeiner Weise Druck auf die Stadt oder die politischen Entscheidungsträger ausüben zu können. Die Ansage an Hanzevast ist in diesem Zusammenhang ganz klar, dass das nicht funktionieren wird.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Jens Kerstan)

Wir haben uns bisher immer für einen hanseatisch fairen und korrekten Umgang mit dem Investor ausgesprochen. Das bedeutet auch, dass wir über das reden, was der Investor bisher getan hat, vielleicht auch an Investitionen getätigt hat. Wir waren bisher auch immer bemüht, dabei einen Weg zu finden, der die Interessen aller – der Kulturtreibenden, der Stadt, der Künstler, der Investoren – berücksichtigt. Wenn Hanzevast jetzt aber glaubt, mit derartigen Spielchen irgendetwas erreichen zu können, dann ist unsere Geduld auch am Ende.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Na, dann mal En- de jetzt!)

Daher an Hanzevast ganz deutlich die Ansage, Hamburg kann auch anders. Hanzevast sollte jetzt dringend versuchen, die Hand der Stadt zu nehmen und konstruktive Gespräche zu führen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ich denke, die werden schon geführt!)

damit wir hier kurzfristig zu einem Ergebnis kommen. Andernfalls ist unsere Geduld am Ende. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dann erhält das Wort der Abgeordnete Grote.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin doch etwas überrascht über die unkonkreten Sonntagsreden, die hier von Vertretern der Regierungsfraktion gehalten wurden an einer Stelle, wo eigentlich einmal klare Positionen gefordert gewesen wären. Schließlich ist nicht zu verkennen, ob im Gängeviertel oder am Beispiel des Künstlermanifestes, dass in dieser Stadt etwas in Bewegung geraten ist. Es geht um die grundsätzliche Frage, ob die Stadtentwicklungspolitik des Senats noch der Mehrheit der Menschen in Hamburg dient. Immer mehr Stimmen werden laut, die sagen, das tut sie nicht, und dafür gibt es einige gute Gründe.

Seit Amtsantritt der CDU-geführten Senate kann man beobachten, dass die Stadtentwicklung von den Prinzipien Markt und Marketing regiert wird. Das kann man ganz konkret daran sehen, dass wir keine nennenswerte städtische Wohnungspolitik mehr haben, dass wir einen dramatischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum haben, dass Menschen mit geringem Einkommen aus ihren Wohnquartieren an die Peripherie gedrängt werden und dass wir in innerstädtischen Quartieren insgesamt Aufwertungsprozesse haben, die dazu führen, dass Freiräume, Nischen für Kulturnutzung, für Kreativnutzung nicht mehr vorhanden sind. Man kann es auch daran erkennen, dass städtische Grundstücke systematisch nicht mehr als Teil einer verantwortungsvollen Stadtentwicklungspolitik ein

gesetzt werden, sondern als Profitcenter der Finanzbehörde auf den Markt gegeben werden.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Kernfrage, um die es heute geht, um die es letztlich auch im Gängeviertel geht und dazu habe ich hier heute keine klare Position gehört. Wenn Sie sagen, Sie würden in alle Richtungen verhandeln, und wenn Sie das für eine klare Position halten, dann entgegne ich Ihnen, dass ich mir unter einer klaren Position etwas anderes vorstelle. Wenn Sie zudem sagen, Sie würden einiges für die Kreativförderung tun, Sie hätten dafür eine Agentur beauftragt und Sie würden auch den Kulturetat aufstocken und so weiter, dann will ich Ihnen einmal sagen, wie das in der Realität aussieht mit Ihrer Kreativförderung.

Wo sind denn die Perspektiven, wenn es konkret darauf ankommt, sich für die Quartiere einzusetzen, die etwas zu verlieren haben? Wo ist denn zum Beispiel die Perspektive für die Klubs an der Sternbrücke? Was ist denn, wenn sich am Spielbudenplatz tatsächlich Klubs um städtische Flächen bewerben und sie dann anschließend von der Sprinkenhof AG natürlich nicht bekommen? Was ist denn, wenn die Sprinkenhof AG hinter dem Rücken der Klubbetreiber an bestimmten Standorten mit Betreibern von Musicaltheatern, Revuetheatern und anderen verhandelt, um dort eine profitablere Nutzung hinzubekommen? Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass sich diese Koalition beim Reeperbahn-Festival auf die Bühne im Grünspan hinstellt und sich selber feiert und die Stadt es gleichzeitig in zweieinhalb Jahren nicht hinbekommt, diesem Klub einen Mietvertrag zu geben, sodass er jetzt kurz vor der Schließung steht. Das ist die Realität Ihrer Kreativförderung, so sieht es aus.

(Beifall bei der SPD)

In Wahrheit entziehen Sie den pulsierenden Szenen, mit denen Sie nach außen hin werben, durch Ihre Politik den Boden. Beim Thema Gängeviertel konnte man sich die Hilflosigkeit, die Sie in dieser Frage haben und die man auch heute Ihren Redebeiträgen wieder entnehmen konnte, in den letzten Wochen eindrucksvoll angucken. Da gibt es eine Kultursenatorin, die sagt, sie verhandele in alle Richtungen und sie spreche mit jedem, ohne dass irgendjemand versteht, worüber und mit welchem Ziel sie überhaupt verhandelt. Da gibt es einen Finanzsenator, der in Wahrheit die Fäden zieht, sich aber bisher mit keinem Wort geäußert hat. Da gibt es einen Bürgermeister, der einen Kompromiss zwischen allem will, obwohl er weiß, dass das nicht gehen wird an dieser Stelle. Da gibt es eine GALFraktion, die über Monate komplett auf Tauchstation geht und jetzt sagt, wie wichtig ihr diese Debatte sei. Ich muss ehrlich sagen, Herr Kerstan, die Freude an dieser Debatte habe ich Ihnen nicht so angemerkt in den letzten Wochen. Da gibt es

(Jörg Hamann)

Herrn Hamann, der jetzt sagt, wir wollen Lebendigkeit und wir wollen dort eine Lösung, die alle Interessen berücksichtigt. In der letzten Debatte haben Sie noch gesagt, Sie wollen, dass der Investor so schnell wie möglich seine Planung umsetze und dass man im Gängeviertel gar nicht wohnen könne.

Insofern ist im Vergleich mit Schwarz-Grün ein Hühnerhaufen eine straff organisierte Veranstaltung. Was Sie sich hier leisten, ist ein Trauerspiel und wir haben heute kein bisschen Klarheit dazugewonnen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen in Wahrheit alle – Herr Kerstan, das waren immerhin erste zaghafte Signale –, dass es nur eine städtische Lösung geben wird. Sie werden mit einem Investor das, was dort wichtig ist, nämlich bezahlbarer Wohnraum, Erhalt der Bausubstanz und auch bezahlbare Flächen für Künstler und Gewerbe, nicht hinbekommen. Es mag sein, dass viele im Bezirk dieses Problem vor acht Jahren noch ein bisschen anders eingeschätzt haben und auch geglaubt haben, was ihnen dort erzählt wurde. Aber im Bezirk mussten wir auch damit umgehen, dass die Verkaufsentscheidung gefallen war. Insofern geht es jetzt um die Reparatur alter Fehler und Sie können sich entscheiden, ob Sie an dieser Stelle reparieren, aus den Fehlern tatsächlich lernen wollen oder ob Sie denselben Fehler zum dritten Mal machen. Ich hoffe, Sie machen das nicht. – Vielen Dank.

Dann bekommt das Wort der Abgeordnete Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die schwarz-grüne Regierungskoalition variiert immer nur den Satz, dass Gespräche mit dem Investor intensiv fortgeführt würden. Herr Hamann versteigt sich gar zu einer ziemlich harten Drohung bezüglich einer Alternative zu den Gesprächen. Aber wie schon bemerkt worden ist, haben Sie den Satz, dass Gespräche intensiv fortgeführt würden, in keinerlei Hinsicht konkretisiert.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel SPD)