Auch die bürgerschaftliche Enquete-Kommission hat, über alle Partei- und Lagergrenzen hinweg, zu dieser Erkenntnis gefunden.
Noch etwas haben wir in der Enquete-Kommission gemeinsam festgestellt: Unser Schulsystem ist nicht nur sozial ungerecht – Frau Heyenn hat noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass im Hamburger Schulsystem die schärfste soziale Auslese aller Großstädte stattfindet –, es fordert auch die Leistungen unserer Kinder und Jugendlichen zu wenig.
Wir wissen aus den Hamburger Schulstudien, dass es durchaus Schülerinnen und Schüler gibt, die hohe Leistungen erreichen, dass es aber zu wenige sind. Unsere Kinder in Hamburg sind doch nicht dümmer als die Kinder in anderen Ländern. Sie haben ein Recht darauf, besser gefordert und gefördert zu werden. Eine kluge Stadt braucht nicht nur alle Talente, sondern eine kluge Stadt fordert und fördert auch alle Talente. Das gilt auch für Kinder, die besonders begabt und besonders schnell sind. Auch diese Kinder haben wir im Blick, wenn es um individuelle Förderung geht. Es geht um alle Schülerinnen und Schüler.
Das heißt, dass jeder, unabhängig von der sozialen Herkunft, erst einmal die Chance erhalten muss, den höchsten für ihn möglichen Schulabschluss zu erwerben. Niemand darf in seiner Bildungslaufbahn beschämt oder verletzt werden. Das geht nur in einem vernünftigen, vertrauensvollen Lernklima. Wenn Schüler ständig vom Abstieg bedroht sind, entsteht kein Selbstvertrauen. Nur wer in der Schule angenommen ist, wird sich auch in die Gesellschaft integrieren und verantwortlich handeln.
Das alte Lernen, die alte Schule aus dem 19. Jahrhundert setzt auf Auslese. Das Trennen nach der vierten Klasse und die fehlende Integration ist ein Zeichen des Misstrauens. So können Schülerinnen und Schüler ihre Begabungen nicht entfalten. Die frühe Trennung ist übrigens auch eine zutiefst undemokratische Verhaltensweise. In anderen Ländern hat die Zukunft längst begonnen und auch in Hamburg haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht unter dem schon genannten Motto: Eine kluge Stadt braucht alle Talente.
Der Ihnen heute vorliegende Gesetzesentwurf legt das Fundament dazu. Mit der Novellierung des Hamburgischen Schulgesetzes wird der Rahmen geschaffen, das Hamburger Schulsystem umfassend zu reformieren und weiterzuentwickeln. Unser Ziel sind mehr Gerechtigkeit und mehr Leistung.
Mit der Änderung des Schulgesetzes werden auch richtungsweisende Empfehlungen der EnqueteKommission zur PISA-Studie umgesetzt. Wir wollen den Zugang zu weiterführender Bildung und höheren Abschlüssen möglichst lange offen halten, die Abbrecherquote reduzieren und den Schülerinnen und Schülern einen erfolgreichen Übergang in die berufliche Ausbildung oder das Studium ermöglichen.
Deshalb ist im Gesetzesentwurf eine umfassende Veränderung der organisatorischen Rahmenbedingungen im Schulwesen vorgesehen, die drei neuen Schulformen. Ich sage bewusst drei neue Schulformen, weil in allen drei Schulformen neue Lernformen, basierend auf modernen pädagogischen Erkenntnissen, vorgesehen sind. Es wird eine gesetzlich festgeschriebene Obergrenze für die Klassengrößen in den einzelnen Schulformen geben. Das ist der äußere Rahmen, in dem dann die neue Lernkultur Einzug halten kann. Neue Lernkultur heißt für uns – ein vielgebrauchter Begriff – individuelle Förderung, das heißt, eine am einzelnen Kind und Jugendlichen ausgerichtete Gestaltung des Lernprozesses sowie eine entsprechende moderne Leistungsfeststellung, Bewertung und Rückmeldung. Das ist ein ganz wichtiger Schritt.
Mitten in der Zeit der langen, intensiven Diskussionen im Ausschuss und in der Öffentlichkeit ist im Dezember 2008 der Artikel 24 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen veröffentlicht worden. In ihr stärkt die UN insbesondere das Recht auf integrative Förderung. Ich bin sehr glücklich, dass gemäß dieser UN-Forderung nun der Anspruch auf integrative schulische Förderung im Gesetzesentwurf festgeschrieben ist. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen das Recht haben, eine allgemeinbildende Schule zu besuchen und dort integrativ gefördert werden.
dass Kinder mit Behinderungen aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse auch in getrennten Lerngruppen, aber eben unter einem Dach mit anderen Kindern, gefördert werden, damit sie zu ihrem Recht kommen. Wir müssen da wahrscheinlich noch viel diskutieren.
Ich bin sehr froh, dass diese durch die UN-Konvention angeregten Neuerungen gemeinsam von CDU und GAL in das Gesetz aufgenommen werden konnten. Mich berührt es persönlich. Wir schlagen nämlich einen Weg ein, den sich viele Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen schon lange gewünscht haben.
Ich bin mir dessen bewusst, dass wir große Anstrengungen unternehmen müssen, dieses auch umzusetzen, diese Aufgabe zu lösen und dass es nur Schritt für Schritt gehen kann. Daher haben wir für den Übergang in Artikel 2 des Gesetzes ein schrittweises Inkrafttreten beschlossen, um dieses entsprechend sorgfältig vorzubereiten, so wie wir das für die gesamte Schulreform und die Bildungsoffensive machen.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich die Sorge vieler Eltern ansprechen, die nun nach der vierten Klasse nicht mehr wählen können, auf welche Schulform ihr Kind gehen soll. Das bisherige Verfahren ist aber extrem ungenau und kommt zu früh. Die Kinder sind zu jung, um verlässliche Prognosen abzugeben. Die Rolle der Noten ist viel zu entscheidend. Zukünftig wird es ein deutlich verlässlicheres
mehrstufiges Verfahren geben und die Eltern werden, lieber Herr Rabe, dabei einbezogen, und zwar verbindlich mit Lernentwicklungsgesprächen und vielen anderen Verfahren mehr.
Es ist sinnvoll, dann erst nach Klasse 6 auf die beiden gleichwertigen Schulen zu wechseln. Herr Gwosdz hat bereits die Studie von Professor Trautwein angeführt. Diese ist sehr interessant, weil sie wirklich zeigt, wie erfolgreich ein Verfahren ist, bei dem die Trefferquote für den weiteren Bildungsweg wesentlich besser ist und nicht sozioökonomische Hintergründe eine Rolle spielen, sondern die Leistungen der Schüler entscheiden. Danach gibt es zwei Wege.
Liebe Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, die Stadtteilschule beruht auf den guten Erfahrungen der guten, modernen Gesamtschulen. Die haben Sie in den Achtzigern auf den Weg gebracht,
da kann man sie doch hier nicht schlechtreden. Die Stadtteilschule basiert auf dem Konzept der Gesamtschulen, die schulpreisnominiert sind oder den Schulpreis sogar bekommen haben.
In der Stadtteilschule und im Gymnasium werden zudem beide Wege zu allen Abschlüssen führen. Niemand kann mehr verloren gehen, für niemanden fällt ein Fallbeil, niemandem wird ein Weg verbaut und das ist wichtig. Wer das Elternwahlrecht in alter Form erhalten will, will weiter, dass Tausende von Kindern abgeschult werden, dass weiterhin Tausende Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulkarriere Brüche erleben und sich selbst als Versager erleben; das wollen wir nicht mehr.
Selbstverständlich kostet gute Schule Geld. Wir haben uns als Koalition darauf verständigt, dass in die Bereiche Bildung im weitesten Sinne von der Kita bis zur Hochschule mehr Geld investiert wird.
Ein Umbau der Schulstrukturen und eine nachhaltige Verbesserung des Unterrichts sind die Ziele, aber die brauchen nicht nur zusätzliche Ressourcen. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen und dann sind wir schon bei einer ganz anderen Stellenplanung.
Erstens: Frau Heyenn, Sie haben eben kritisiert, dass es round about nur 300 neue Stellen für die bessere Ausstattung in der Primarschule sind zur Senkung der Klassenfrequenzen. Wir geben jedes Jahr mehr als 20 Millionen Euro für Schüler aus, die eine Klasse wiederholen. Statt das Geld für Wiederholer auszugeben, werden wir es für die individuelle Förderung wieder in die Schulen zurückgeben. Das ist sinnvoll, um den Unterricht entsprechend vernünftig zu planen anstatt unnötige Wiederholungen zu machen.
Ein Punkt, der noch nicht angesprochen wurde, ist, dass in Klasse 7 bis 10 am Gymnasium und an der Stadtteilschule die Kinder nicht mehr abgeschult werden können. Das heißt, die Schule übernimmt die Verantwortung für die Schüler und ein Schüler, der einmal einen Hänger hat, muss nicht gleich abgestuft werden.
Zweitens: Der Übergang von der Schule in den Beruf. Sie haben eben wie eine Monstranz vor sich hergetragen, dass es Ihnen um die Schüler ginge, die zu den sogenannten benachteiligten Jugendlichen gehören. Da liegt doch genau der Fehler,
dass wir seit 30 Jahren ein Reparatursystem finanzieren, das keine Wirksamkeit hat, diese Berufsvorbereitungsmaßnahmen, die pro Schüler knapp 7000 Euro pro Jahr kosten.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit den Gewerkschaften, den Kammern, dem Institut für berufliche Bildung und den allgemeinbildenden Schulen darauf verständigt haben, ein Übergangssystem von der Schule in die berufliche Ausbildung neu zu gestalten, und alle haben zugestimmt. Das ist sinnvoll, auch gerade jetzt im Aktionsbündnis, wo der Bürgermeister und alle beteiligten Behördenleitungen dabei sind. Es ist richtig, einen Weg aufzuzeigen und das aufeinander abzustimmen, übrigens auch mit der Arbeitsagentur, und besonders Geld in die Stadtteilschule zu stecken, um die Kinder in einer Berufswegebegleitung auf einen vernünftigen Weg beim Übergang von Schule in den Beruf zu bringen. Das sind Kosten, die wir im Reparatursystem sparen, aber sinnvoll in die Sekundarstufe I geben werden.
Manchmal werden auch die Investitionsausgaben beim Schulbau und die Betriebsausgaben ein bisschen vermischt oder falsch interpretiert.
Herr Rabe spricht dann von 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Dass dies auf 15 Jahre verteilt ist, man dividieren muss, wird vergessen.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel nennen, wo wir Geld in die Hand nehmen. Parteiübergreifend sind die Fraktionen der Bürgerschaft und der Senat sich darin einig, dass wir kleinere Klassen schaffen wollen. Auch die bürgerschaftliche Enquete-Kommission hat dies vorgeschlagen und auch in Ihren Anträgen, meine Damen und Herren von der SPD und der LINKEN, fordern Sie das heute zu dem Schulgesetz. Wir werden für die Schaffung kleinerer Klassen – die Klassenfrequenzen sind schon genannt worden – unabhängig von der Schulstruktur zusätzliche Gelder benötigen, denn kleinere Klassen bedeuten mehr Klassenräume und mehr Lehrerinnen und Lehrer. Wenn eine Schule zwölf Klassen hat und es dann zu einer Frequenzabsenkung auf 25 oder 20 kommt, sind es plötzlich 15 Klassen.
Das sind die wirklichen Kosten und dafür haben Sie einen Beschluss gefasst im Haushalt 2009/ 2010 durch einen umfassenden Rückstellungstitel. Sie haben Sorge getragen, dass dies passiert und wir werden selbstverständlich zur Auflösung des Titels eine gesonderte Drucksache vorlegen, weil das ja Schritt für Schritt wächst. Die Verkleinerung der Klassen, die Ganztagsschulen, die Sprachförderung, all das sind Betriebsmittel, die durch die Rückstellungen abgesichert sind.
Ich gehe nicht noch einmal auf den Bau ein, die 190 Millionen Euro sind genannt; das ist der Betrag und nicht mehr und nicht weniger. Nur wer keine kleineren Klassen möchte, kann sich dieses Geld sparen. Wer kleinere Klassen und individuelle Lernformen umsetzen will, der muss auch das Geld in die Hand nehmen. CDU und GAL nehmen das Geld in die Hand für die Zukunft unserer Schülerinnen und damit auch für die Zukunft unserer Freien und Hansestadt Hamburg.
Mit Ihrem Beschluss zur Novellierung des Hamburgischen Schulgesetzes legen Sie ein wichtiges Fundament dafür, dass die äußere Struktur und die Veränderung des Unterrichts auf den modernsten europäischen Standard gehoben werden. Wir haben bereits im Februar die Rahmenkonzepte für Primarschule, Stadtteilschule und das sechsstufige Gymnasium vorgestellt. Wir hatten den Abschluss der Regionalen Schulentwicklungskonferenzen im Juli und haben den Entwurf vorgelegt, der nun von der Deputation im November beschlossen werden kann. Es liegt eine gute und erfolgreiche Wegstrecke der Planung, der Diskussion, der Rahmensetzung hinter uns und wir werden jetzt alle Kraft und Konzentration auf die Umsetzung legen.
Liebe Abgeordnete der SPD, Sie haben einen Zusatzantrag mit dem Titel "Bessere Bildung durch bessere Schulreformen" gestellt. Wir wollen bessere Bildung durch unsere Schulreform und ich finde, Sie sollten uns dabei unterstützen, diese Reform noch besser zu machen und uns nicht ständig signalisieren, dass wir sie lassen sollen.
Es ist Zeit, jetzt die großen Probleme im Schulsystem anzupacken. Der gute Herr Kluge von McKinsey hat recht, wir sollten uns trauen und endlich diesen großen Schritt machen. Ich würde mich freuen, wenn nicht nur die Kolleginnen der Regierungsfraktionen heute ihre Stimme für einen besseren Unterricht, für mehr Gerechtigkeit und längeres gemeinsames Lernen abgeben, denn die Sieger werden unsere Kinder in Hamburg sein. – Vielen Dank.