Protocol of the Session on September 16, 2009

Konstatieren muss man auch, dass Sie, dass Ihre Behörde und leider auch die Medien im Vorfeld nicht müde wurden, Krawalle zu beschwören. Ich habe es noch einmal nachgelesen. Im Zusammenhang mit dem Schanzenfest war wirklich fast nur von Krawallen die Rede, die stattfinden würden, und zwar Punkt 22 Uhr. Später konnte man hören und lesen, dass die Polizei davon ausging, dass ein Großteil der sogenannten Krawallmacher nicht aus der sogenannten linksautonomen Szene stamme. Ja, was glauben Sie denn? Die breite Ankündigung von Krawallen weckt natürlich eine Erwartungshaltung bei Jugendlichen,

(Wolfgang Beuß CDU: Was ist das denn?)

die, aus welchen Gründen auch immer, auf die Auseinandersetzung mit der Polizei aus sind.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Waren jetzt die Medien schuld?)

Ich halte eine solche Krawallorientierung der Presse und der Behörde für unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schanzenfestes den friedlichen Verlauf bis weit nach Mitternacht selbst organisiert haben, ist allgemein anerkannte Tatsache. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass ich die Zurückhaltung der allerdings enorm überdimensionierten Polizeikräfte als richtig und auch als eine Korrektur der verhängnisvollen Konfrontationsstrategie vom 4. Juli anse

he. Leider ist es in der Nacht dann doch noch zu Auseinandersetzungen gekommen.

Der zweite Teil des angemeldeten Titels dieser Aktuellen Stunde, nein zu gewalttätigen Chaoten, ersetzt allerdings weder die Aufklärung darüber, was genau geschehen ist, noch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes und übrigens auch und schon gar nicht die fundierte Befassung mit dem beunruhigenden Gewaltpotenzial in dieser Gesellschaft. Ich kann und will den Angriff auf die Lerchenwache unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen oder auch nur relativieren oder bagatellisieren, aber es stehen Fragen im Raum, die Sie beantworten müssen. Wie viele waren wirklich am Angriff auf die Lerchenwache beteiligt? Uns liegen Zeugenaussagen vor, dass es sich nicht um 200, wie Sie behaupten, sondern um eine relativ kleine Gruppe von Personen gehandelt hat.

(Ekkehart Wersich CDU: Das ist ja nicht so schlimm! Einer ist zu viel! – Kai Voet van Vormizeele CDU: In welcher Welt leben Sie eigentlich?)

Warum hat die Polizei nicht die Steineschmeißer verfolgt, wie es ihre Aufgabe ist und sein muss und auch gerechtfertigt ist, die nach Zeugenaussagen in Richtung Budapester Straße und Karoviertel geflüchtet sind, sondern ist mit einem Großaufgebot von Polizisten und Wasserwerfern in die entgegengesetzte Richtung ins Schanzenviertel eingerückt?

(Zurufe aus dem Plenum)

Die Räumung des Schanzenviertels von friedlich Feiernden, die großteils nicht einmal wussten, worum es eigentlich ging, war unverhältnismäßig. Wieder einmal wurde letzten Endes dann leider doch das Schanzenfest durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz und durch eine am Ende eben doch eskalierende Strategie beendet. Sie, Herr Ahlhaus, müssen das Schanzenfest nicht brauchen.

(Michael Neumann SPD: Aber die Spiel- bank!)

Es ist ziemlich egal, ob Sie es brauchen oder nicht, aber Sie müssen es endlich respektieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Senator Ahlhaus.

(Michael Neumann SPD: Jetzt kommt Spiel- bank-Ahlhaus!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hinter uns liegt ein Wochenende, das wieder bedauerlicherweise bemerkenswert viel Gewalt und Krawall in diese Stadt gebracht hat. Und ich bin sehr interessiert, dass wir diese Aktuelle Stunde nutzen, um

(Christiane Schneider)

es seriös aufzuarbeiten. Zu dieser seriösen Aufarbeitung gehört zunächst einmal – da bin ich mit niemandem hier im Raum auseinander, auch nicht mit Ihnen, Frau Schneider –, dass wir zwischen einem friedlichen Fest, einem Schanzenfest, das tagsüber stattfindet, einem bunten Fest, wie es Herr van Vormizeele nennt, und der Gewalt und dem Krawall, der hinterher passiert, differenzieren.

Sie, Herr Dr. Dressel tragen einmal wieder sehr markig vor, die Polizei habe alles falsch gemacht, der Innensenator habe alles falsch gemacht,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann haben Sie nicht zugehört!)

er habe vorher provoziert und Öl ins Feuer gegossen und sich im Vorfeld nicht darum bemüht, zu deeskalieren. Ich will Ihnen einmal sagen, worin dieses Mal der Unterschied zu früher bestand. Wir hatten zum ersten Mal seit vielen Jahren weniger verletzte Polizeibeamte und andere Personen. Die Anzahl der Verletzten war in den letzten Jahren immer aufsteigend, diesmal waren es zum ersten Mal weniger.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das habe ich auch gesagt!)

Es hat keinen Strategiewechsel bei der Polizei gegeben, dazu stehe ich, denn die Strategie der Polizei in Hamburg ist ganz einfach. Wenn ein Fest friedlich bleibt und wenn es dort bunt zugeht, es aber nicht zu Straftaten, Gewalt, Zerstörung und Sachbeschädigung kommt, dann ist auch die Polizei nicht im Einsatz vor Ort, um Straftäter zu verfolgen. Wenn aber Gewalt ausgeübt wird und wenn Straftäter Randale machen, dann wird diese Polizei in Hamburg den Rechtsstaat verteidigen und Straftäter verfolgen. Das ist ihre Aufgabe und dieser wird sie auch künftig im Rahmen des rechtsstaatlich Gebotenen sehr sorgfältig nachkommen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Genau das hat die Polizei am 4. Juli getan und genau das hat die Polizei am vergangenen Sonnabend getan. Wir hatten sogar mehr Kräfte im Einsatz, es gab keinen Strategiewechsel und die Kräfte waren auch genau am gleichen Standort in Bereitstellung gebracht, nämlich in unmittelbarer Nähe auf dem Heiligengeistfeld.

Wenn Sie so wollen, gab es einen Strategiewechsel auf der anderen Seite. Dort haben diesmal – was ich ebenso wie meine Vorredner begrüße – viele derjenigen, die der sogenannten Schanzenklientel angehören, bis zu einem gewissen Grad tatsächlich deeskalierend gewirkt. Ich selbst war in der Einsatzzentrale und habe Funksprüche von Aufklärungsbeamten in Zivil gehört, die verwundert feststellten, dass sie etwas ganz Besonderes, etwas noch nie Dagewesenes erlebten, nämlich dass diejenigen, die sie bisher wegen

Straftaten verfolgen mussten, die Barrikaden wegräumten, die unpolitische Jugendliche ab 16 Jahren aufgebaut hatten. Man kann also durchaus von einem Strategiewechsel bei einer gewissen Klientel im Schanzenfest sprechen. Ich werte das als Erfolg und das können Sie kritisieren oder nicht, das ist mir ziemlich egal. Wenn der Erfolg der Strategie vom 4. Juli bewirkt hat, dass wir bei diesem Schanzenfest erst wesentlich später die Polizei zum Einsatz bringen mussten, wesentlich weniger Verletzte hatten, wesentlich weniger Zerstörung hatten und dass diesmal diejenigen, die wir bisher polizeilich als Straftäter verfolgen mussten, sich deeskalierend beteiligt hatten, dann ist das ein Erfolg dieser Strategie und ein Erfolg der über zweitausend eingesetzten Beamten, die ihren Kopf erneut dafür hingehalten haben, dass sich dieser Rechtsstaat auch in der Schanze durchsetzen kann. Das ist ein Erfolg.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Dr. Eva Gümbel, beide GAL)

Deswegen, Herr Dressel, brauchen Sie gar nicht von unserer Polizei zu sprechen, denn Ihre Polizei ist es nicht, solange Sie sie und den Innensenator als deren politische Leitung nur kritisieren, egal was passiert. Aber die Polizei ist völlig mit mir einig, und zwar nicht nur ihre politische oder fachliche Leitung, sondern auch die Beamten vor Ort, dass unsere Strategie richtig war. Oder haben Sie von den Polizeigewerkschaften, die sehr wohl auch die Interessen des einzelnen Beamten vor Ort vertreten, gehört, wir würden unnötig Leute verheizen und in einen Einsatz schicken, der strategisch nicht sinnvoll ist? Nein, da sind wir völlig einer Meinung. Deswegen, lassen Sie sich doch einmal herab, Herr Dr. Dressel, unsere Beamten für den harten Job zu loben, den sie am vergangenen Wochenende erneut für diese Stadt gemacht haben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn Sie den Beamten etwas Gutes tun wollen, dann steigen Sie jetzt in eine ernsthafte und nicht in eine polemisch-populistische Diskussion ein. Wir haben noch Gelegenheit, am Montag im Innenausschuss

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da sitzen ja die Experten!)

darüber zu diskutieren, wie wir dieses Pflänzchen der Deeskalation,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben Sie kaputt getreten!)

das wir am vergangenen Sonnabend erlebt haben, hegen und pflegen können, um daraus möglicherweise für die Entwicklung künftiger Schanzenfeste etwas zu bekommen, damit dieses Fest vielleicht auch ohne Krawall von Dritten ablaufen kann. Das wäre wünschenswert und ich glaube, es kann gelingen. Das kann allerdings nur dann gelingen,

(Senator Christoph Ahlhaus)

wenn auf der anderen Seite der Rechtsstaat, die Sicherheitsbehörden und die Polizei auch klarmachen, dass jeder, dem es nicht um politische Inhalte geht, sondern der nur Krawall macht um des Krawallmachens willen, auch die volle Breitseite des Rechtsstaates zu spüren bekommt. Der Rechtsstaat wird es nicht dulden, dass weiterhin Krawallmacher Straftaten verüben.

Wenn es Ihnen ernst ist mit dem, was Sie sagen, Herr Dressel, dann treten Sie in eine sachliche Diskussion mit uns ein darüber, wie wir dieses zarte Pflänzchen an deeskalierenden Kräften im Schanzenviertel hegen, pflegen und stärken. Ich würde mich freuen, wenn ein sachlicher Beitrag von Ihnen käme und nicht nur Populismus. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Warnholz.

(Carola Veit SPD: Jetzt wird es ganz sach- lich!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schneider, Sie reden an der Realität vorbei. Sie sollten die Rede, die Sie eben gehalten haben, auf der Schanze vor den Linken halten, vor der Gauklertruppe der Linken, aber nicht hier im Parlament. Sie haben alles nur schöngeredet.

(Beifall bei der CDU – Dora Heyenn DIE LINKE: Sie war da!)

Frau Möller, Sie haben am 7. und 8. Juli vor unserem Parlament berichtet, dass zwischen den kriminellen Gewaltverbrechern und den friedlichen Festbesuchern zu trennen sei. Die Geschehnisse vom letzten Wochenende haben Ihnen recht gegeben. Ich habe großen Respekt vor den Bewohnern des Schanzenviertels, die Störungen und Krawalle von einigen – anders kann man sie nicht nennen – Verwirrten selbsttätig unterbinden wollten. An dem guten Willen derer, die sich mit ihrem Stadtteil identifizieren, hat es sicherlich in diesem Falle nicht gelegen. Es hat vielmehr an dem Verstand einiger Weniger gemangelt, die wie von Sinnen ihre jeweilige Lebenskrise auf die Einrichtungen des Staates, auf unsere Polizisten und Bürger projiziert haben.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ein solches Verhalten – und es ist traurig genug, dass Sie über derartiges Verhalten lachen können, Frau Vorsitzende, das zeigt, welchen Verstand Sie haben –

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Christia- ne Schneider DIE LINKE: Das geht aber nicht!)

kann unsere Rechtsgesellschaft einfach nicht hinnehmen. Wir alle müssten uns daher Gedanken darüber machen, ob nicht noch mehr Staatsanwälte als bisher bei solchen Geschehnissen vor Ort eingesetzt werden …