Protocol of the Session on September 3, 2009

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Wir werden von diesen Milliarden im nächsten Jahr jeden einzelnen Cent ausgeben. Und wissen Sie auch, weshalb? Sie haben es selber gesagt: Der Haushalt, den wir hatten, ist insofern nicht ausgeglichen, als wir mehr ausgeben als wir einnehmen. Und die Differenz erbringen wir durch die Rücklagen. Allein dass Rücklagen da sind, widerlegt schon Ihr Argument, dass wir in der Vergangenheit mehr ausgegeben hätten als wir hatten, sonst gäbe es gar keine Rücklagen.

(Zurufe von der SPD)

Eins von beidem kann ja nur richtig sein: Entweder gibt es keine Rücklagen oder man hat Rücklagen und gibt sie aus. Das haben wir in diesem Jahr vorgehabt und brauchten deshalb nach unserem Plan keine Schulden aufzunehmen. Die Auflösung

(Dr. Peter Tschentscher)

dieser Rücklagen verschieben wir jetzt in die Jahre 2011 und 2012

(Dirk Kienscherf SPD: Kurz vor der Wahl!)

und machen für die gleiche Summe Schulden. Und in der Summe werden wir bis zum Jahr 2013 genauso viele Schulden machen wie Steuern wegfallen, mit einer Ausnahme: Unser Anteil am zusätzlichen Konjunkturprogramm des Bundes in Höhe von 70 Millionen Euro ist dort auch noch enthalten.

Und daran sieht man, Herr Bischoff, dass Ihre Position unsinnig ist. Ich glaube, Sie haben unsere Beratungen hier gar nicht zur Kenntnis genommen, dass wir zwei Konjunkturpakete verabschiedet haben in Höhe von mehreren 100 Millionen Euro, die vorgezogene oder zusätzliche Investitionen vorsehen. Es mag ja sein, dass Sie gern noch höhere Investitionen vorgenommen hätten, aber dass wir überhaupt nicht investieren, ist einfach nicht wahr und das sollte man hier auch nicht behaupten, Herr Bischoff, in der jetzigen Situation.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

In der Tat sind wir mit solch einer Strategie nicht allein. Aber was uns unterscheidet auch von der Regierung, in der Ihre Partei auf Bundesebene gerade ist, der sogenannten Großen Koalition, ist Folgendes:

(Karl Schwinke SPD: Sie sind doch hier in der Koalition!)

Wir müssen jetzt Rekordschulden aufnehmen, aber die Zinsen dafür werden wir aus dem Haushalt erbringen. Nennen Sie mir eine einzige andere Landesregierung oder Bundesregierung in diesem Land, die über so etwas auch nur nachdenkt. Die gibt es nicht. Wir denken darüber nicht nach, wir werden das tun, weil wir es so beschlossen haben. Das unterscheidet uns von den Regierungen, an denen zum Beispiel Ihre Partei beteiligt ist, Herr Tschentscher. Das sollte man vielleicht auch noch einmal dazu sagen.

Und keine andere Regierung hier in Deutschland verpflichtet sich per Gesetz, diese Schulden zu tilgen. Wir werden diese Schulden in ein Sondervermögen einbringen und dafür ist ein Gesetz notwendig. Und in dieses Gesetz werden wir schreiben, ab 2015 werden mindestens 100 Millionen getilgt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wie lange wird dann zurückgezahlt?)

Das wird sehr lange dauern, Herr Dressel.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wird dann 60 Jahre dauern!)

Das mag ja so sein, dass das dann lange dauert,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Damit haben Sie dann Freytag widerlegt!)

aber Ihre Bundesregierung denkt noch nicht einmal darüber nach oder hat noch nicht einmal vor, so etwas zu tun, Herr Dressel. Gehen Sie doch den einfachen Weg und rufen Sie Ihren Finanzminister in Berlin an und sagen Sie, die Hamburger wollen nur 100 Millionen Euro tilgen, wir tilgen 1 Milliarde. Da bin ich gespannt, was er darauf antwortet. Bisher ist das nicht vorgesehen. Es mag aus Ihrer Sicht alles nicht ausreichend sein, aber dass wir uns verpflichten, per Gesetz zu tilgen, das macht keine andere Regierung in diesem Jahr, obwohl jede andere genauso wie wir Schulden aufnimmt. Das können Sie doch nicht kritisieren.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Und wenn Sie sagen, wir sollen jetzt stärker einsparen, dann möchte ich in der Tat wissen, wann wir das tun sollten. Wenn wir diese Milliardenschulden in diesen beiden Jahren nicht aufnehmen würden, Herr Tschentscher, dann müssten wir im Jahr 2011 1 Milliarde Euro aus dem Haushalt erbringen, denn wir dürfen die dann wegbrechenden Steuereinnahmen nicht durch Schulden ausgleichen, weil es die verfassungsgemäße Investitionsgrenze gibt. Ich will nur einmal daran erinnern, dass wir alle die Jesteburger Beschlüsse der CDU kritisiert haben, als wir in der Opposition waren. Da ging es um vier mal 70 Millionen Euro und Sie wissen, was dort eingespart wurde. Jetzt sagen Sie mir einmal, wo wir diese Milliarde herholen sollten, wenn man Ihrem Weg folgt. Das ist doch wirklich ganz kurzfristiges Wahlkampfgetöse, was Sie hier vorbringen. Wir nehmen genauso viele Schulden auf, wie Steuereinnahmen wegbrechen, um dann in Ruhe und verantwortungsbewusst zu sparen, meine Damen und Herren. Und dazu verpflichten wir uns, im Gegensatz zu allen anderen. Ich wäre dankbar, wenn die Regierungen, an denen Sie beteiligt sind, das auch tun würden. Das würde dem Steuerzahler helfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, jetzt noch einmal, ich war darauf eingestellt, das hatten wir auch bei uns in der Fraktion diskutiert, mit einer Haushaltssperre und einer richtigen Sparorgie konfrontiert zu werden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die kommt ja nach der Wahl!)

Das habe ich eingangs versucht zu sagen. Dass Sie das jetzt nicht gemacht haben, ist, wenn ich den Presseberichten glauben kann, gerade der GAL-Fraktion und nicht unbedingt der CDU-Fraktion zu verdanken. Ich finde zwar sonst vielfach, Sie machen keine gute Arbeit. Aber in diesem Fall,

(Jens Kerstan)

wenn Sie das durchgesetzt und dieser Fraktion abgenötigt haben, jetzt keinen Fehler zu machen und zu versuchen, diese gigantischen Summen durch Einsparungen wieder herauszuholen, kann ich nur sagen: Chapeau!

Zweiter Punkt, da habe ich mich wohl vorhin nicht richtig ausgedrückt: Es ist auch unstrittig, dass Konjunkturprogramme gemacht werden müssen. Sie können es von mir gerne noch einmal hören, dass Hamburgs Anteil an dem Konjunkturpaket II rund 70 Millionen in diesen beiden Jahren beträgt, damit wir die entsprechenden Gelder aus Berlin einsetzen können. Auch da haben wir immer gesagt, wir sind mit der Methodik einverstanden. Wir haben allenfalls einen Streit darüber, wofür das Geld im Einzelnen ausgegeben wird, das ist wohl auch zulässig. Ich behaupte aber auch, dass alles, was wir jetzt hier machen, in meinen Augen für Hamburg zu wenig ist.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Und es ist auch zu wenig für die Bundesrepublik Deutschland. Wenn Sie sich einmal ansehen – Sie haben ja einen wirtschaftshistorischen Ausflug gemacht –, wie viel Geld für die Eindämmung der Finanzkrise ausgegeben und wie viel parallel dazu zur Stabilisierung der Realwirtschaft oder vielleicht für Ansätze der Strukturveränderung eingesetzt wird, dann steht das in den großen entwickelten kapitalistischen Ländern im Verhältnis zehn zu eins. Dieses Missverhältnis, das Zehnfache von dem, was zur Sanierung oder Stabilisierung der Realökonomie eingesetzt wird, für das Bankensystem einzusetzen, ist völlig ungenügend. Und das ist nicht eine entschieden linke Position, ich könnte dazu Herrn Krugman oder andere anführen. Deswegen gibt es immer noch die Forderung, mit der Finanzkrise, die eben nicht ausgestanden ist, anders umzugehen. Sie können noch so viel Geld dort hineinzustecken versuchen, Sie werden auf diese Weise keine Stabilisierung erzielen.

Dann haben Sie uns Ihre Japan-Interpretation zum Besten gegeben. Dazu will ich nur noch kurz anführen: Wenn Sie in dieser Logik argumentieren, dann hätten Sie sich wirklich einmal ansehen müssen, was zum Beispiel die OECD dazu sagt. Danach ist das einzige Land, das in dieser Situation wirklich konsequent versucht umzusteuern, die Volksrepublik China.

(Jörg Hamann CDU: Die sind Ihr Vorbild! – Lydia Fischer CDU: Arbeitslose Akademiker ohne Ende!)

Die Volksrepublik China mag Ihnen nicht passen, aber die OECD stellt fest, dass dort 14 bis 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für ein Strukturprogramm ausgegeben werden. Ich lasse einmal dahingestellt, was das im Einzelnen bewirkt. Aber hinter einem solchen Herangehen steht auch, dass

wir andere Strukturen in der Weltwirtschaft bekommen.

(Egbert von Frankenberg CDU: Sagen Sie doch noch mal was zu Kuba!)

Es werden sich weder die Exporte Chinas strukturell verändern noch die Situation in den USA dahingehend, dass dort die öffentlichen Haushalte über ihre Verhältnisse leben. Und deswegen müssten Sie auch dafür eintreten, dass wir in der Bundesrepublik Strukturveränderungen auf den Weg bringen, dass wir einen Schritt machen hin zur Stärkung der binnenwirtschaftlichen Strukturen. Und das machen Sie nicht. Sie machen den ersten Schritt und hoffen, dass die Konjunktur sich von selbst erholt, und das wird nicht passieren. Insofern werden wir uns zu diesen Punkten, wann gespart werden muss und wie Sie mit der Situation umgehen, ganz gewiss noch einmal sprechen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Damit ist die Redezeit der Aktuellen Stunde erschöpft.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 85 der Tagesordnung, Antrag der SPD-Fraktion: Schulstandortplanung: Nicht ohne Beteiligung der Bürgerschaft.

[Antrag der Fraktion der SPD: Schulstandortplanung: Nicht ohne Beteiligung der Bürgerschaft – Drs 19/3813 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Rabe, bitte.

Meine Damen und Herren! Egal, wie man zu dieser Schulreform steht, man kann sicherlich sagen, eine so gewaltige Schulreform hat es in Hamburg noch nie gegeben. Aus 200 Grundschulen sollen 160 Primarschulen werden, davon 60 Primarschulen, die sich auf zwei oder mehr Standorte verteilen. Aus 36 Gesamtschulen, acht Aufbaugymnasien und 50 Haupt- und Realschulen sollen 52 völlig neue Stadtteilschulen entstehen. 26 000 Schülerinnen und Schüler im staatlichen Schulsystem werden sozusagen verschoben. Und dabei müssen Räume in der Größenordnung von mindestens 51 000 Quadratmetern gebaut werden. Das ist erstens eine sehr vorsichtige Schätzung und zweitens zufällig ziemlich identisch mit der Neubaufläche der Elbphilharmonie.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Was soll uns das jetzt sagen?)

Denken Sie nach, was das sagen soll.

(Dr. Joachim Bischoff)

Und drittens betragen die Kosten für diese Reform nach der vorsichtigen Kalkulation der Schulbehörde mindestens 220 bis 230 Millionen Euro inklusive Baukosten, vermutlich ist aber auch das Doppelte oder Dreifache nicht unrealistisch.

Das sind – egal, ob man es gut oder schlecht findet – gewaltige Veränderungen. Wir haben uns hier ein Jahr lang gegenseitig erklärt, was daran im Prinzip gut und richtig und was daran im Prinzip schlecht und verkehrt ist. Und wir haben uns über die Chancen und Risiken versucht auszutauschen. Diese Diskussion können wir natürlich noch jahrelang fortsetzen. Aber wir alle sind es Schülern, Eltern und Lehrern schuldig, nicht nur im Großen und Ganzen um den richtigen Weg zu ringen, sondern auch im Detail sorgfältig zu arbeiten. Das ist nach unserer Auffassung bisher viel zu kurz gekommen. Und wenn wir Kleine Anfragen dazu stellen, sei es zum Thema Bau, sei es zum Thema Lehrer, Schulleiter, Standorte, Lehrpläne, ist die Antwort immer dieselbe: Soweit sind wir noch nicht.

Dafür haben wir im Grundsatz zwar Verständnis, aber wir sollen in sechs oder sieben Wochen über diese Schulreform entscheiden und da kann es nicht schaden, diese Details doch einmal etwas ausführlicher zu erörtern.