Protocol of the Session on September 2, 2009

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 9 auf, Drucksache 19/3358, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Zukunft des Freihafens.

[Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Zukunft des Freihafens – Drs 19/3358 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Wirtschaftsausschuss überweisen.

Das Wort wird gewünscht. – Der Abgeordnete Dr. Bischoff hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Wir schlugen vor, uns noch einmal über die Freizone Hamburg zu verständigen, weil der Hafen und die Freizone für die Zukunft unserer Stadt von großer Bedeutung sind. Wie ein Großteil von Ihnen wahrscheinlich auch, sind wir ziemlich empört über die Art und Weise, wie der Senat mit den Rechten der Abgeordneten umgeht. Wir wissen alle, wie

(Jens Kerstan)

schwierig die Gratwanderung bei Kleinen Schriftlichen Anfragen oder bei Großen Anfragen ist. Mit Rücksicht auf die fortgeschrittene Stunde möchte ich Ihnen noch einmal kurz demonstrieren, dass das, was uns jetzt vorliegt, als grobe Missachtung der Bürgerschaftsrechte bezeichnet werden kann.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Ich möchte dies folgendermaßen begründen. Herr Kerstan, lassen Sie uns kurz einen Blick in die umfangreiche Ausgangsdrucksache vom 25. November 2008 werfen, die überschrieben ist mit "Verkleinerung der Freizone Hamburg". Ich beziehe mich auf drei Punkte aus dieser Drucksache, die wir hier und im Ausschuss gründlich erörtert haben.

"Mit dieser Drucksache informiert der Senat die Bürgerschaft über die beabsichtigte Verkleinerung der Hamburger Freizone. Ihre Zukunft ist seit vielen Jahren Gegenstand einer intensiven öffentlichen Debatte."

Zweitens:

"Eine Neubewertung der Hamburger Freizone war und ist durch umfassende Veränderungen des Zollkodexes der Europäischen Union als hierfür maßgebliche zollrechtliche Grundlage, aktuelle und künftige logistische Herausforderungen und städtebauliche Vorhaben angezeigt."

Drittens:

"Der Senat ist überzeugt, mit der Verkleinerung der Freizone einen für die zukunftsgewandte Entwicklung unserer Stadt und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen unerlässlichen Handlungsspielraum zurückzugewinnen."

Es geht um diese drei Thesen, die nicht von uns stammen, sondern in der Drucksache stehen und meiner Meinung nach ein richtiges Problem benennen. Wir haben diese Drucksache gebilligt

(Olaf Ohlsen CDU: Ja!)

und dann fing das Problem an, Herr Ohlsen, vielleicht nicht für Sie, für mich aber schon. Sehen Sie sich bitte nur eine Antwort des Senats aus dieser Großen Anfrage an, die die Behörde und Herr Gedaschko zu verantworten haben. Da heißt es auf Seite zwei, unter Punkt 1.2:

"Mit Schreiben vom 23. Januar 2009 hat die Behörde für Wirtschaft und Arbeit (BWA) beim Bundesministerium der Finanzen die Verkleinerung der Freizone auf das in der Drs. 19/1636 bezeichnete Gebiet zum 1. Januar 2011 beantragt. Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 3. März 2009 den Eingang des Antrags bestätigt."

Heute, im September 2009, behandeln wir einen Vorgang aus dem Herbst 2008. In persönlichen Anschreiben an den Senator, mit zig Kleinen Anfragen und letztlich dieser Großen Anfrage habe ich mich bemüht, herauszufinden, was genau vorgegangen ist. Ich nenne Ihnen das zugrunde liegende Problem und zitiere die Bundesregierung, die zu diesem Vorgang Folgendes anmerkt:

"Mit Schreiben vom 23. Januar 2009 hat die Behörde für Wirtschaft und Arbeit der Freien und Hansestadt Hamburg ihre Überlegungen zur Verkleinerung der Hamburger Freizone dargelegt und vorgeschlagen, die sich daraus ergebenden Fragestellungen in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit der Bundesfinanzdirektion Nord zu erörtern."

Ich lasse jetzt einiges aus, es heißt dann weiter:

"Die Bundesregierung sieht daher im Schreiben der Behörde für Wirtschaft und Arbeit der Freien und Hansestadt Hamburg vom 23. Januar 2009 keinen offiziellen Antrag, da eine jetzige verbindliche Prüfung und Entscheidung den Erörterungen in der Arbeitsgruppe mit der Bundesfinanzdirektion Nord vorgreifen würde."

Sieht man sich die Antwort der Bundesregierung genau an, so wird darin eindeutig mitgeteilt, dass die Angelegenheit erst dann auf Bundesebene geprüft werden würde, wenn das gemeinsame Ergebnis der Arbeitsgruppe vorliege und ein verbindlicher Antrag gestellt worden sei. Laut Schreiben der Bundesregierung hat die summarische Prüfung, die sie und die Zollbehörde vorgenommen haben, aber bereits zu erheblichen Zweifeln an der Realisierung dieses Konzeptes geführt.

Ich möchte noch einmal betonen, dass das keine Narretei der LINKEN ist, sondern dass wir über einen wichtigen Punkt der Ökonomie in Hamburg reden. Es ist nicht möglich, klare Aussagen darüber zu bekommen, ob es sich nun um einen Antrag oder um eine Arbeitsgruppe handelt. Es ist auch nicht möglich, eine weitere Einschätzung darüber zu erhalten, worin die Probleme bestehen.

In den vergangenen anderthalb Jahren habe ich einiges in diesem Hause erlebt, aber das finde ich ziemlich hart daneben, auch wenn Sie einen solchen Umgang für normal halten mögen. Immerhin haben nicht nur wir, sondern auch andere Fraktionen Kleine und Große Anfragen zu diesem Thema gestellt, aber es wurde immer in derselben Art und Weise um den heißen Brei herumgeredet und selbst Bitten um ein persönliches Gespräch wurden von der Behörde ausgeschlagen.

Obendrein gibt es 40 oder 50 Unternehmen mit 2 000 Arbeitskräften im Hintergrund, die es unmöglich finden, wie diese Behörde und dieser Senator in einer schweren Wirtschaftskrise mit diesem Problem umgehen.

(Barbara Ahrons CDU: Worauf wollen Sie ei- gentlich hinaus?)

Sie können sich melden und mir erklären, worin das Problem der Freizone liegt, wo wir augenblicklich stehen, wie man mit Abgeordneten bei Anfragen umgeht und wie wir das Thema an die Firmen und die dort beschäftigten lohnabhängigen Arbeitnehmer kommunizieren. Mir ist das nicht möglich, vielleicht haben Sie den direkten Draht.

Ich habe nur versucht, meine Aufgabe als Abgeordneter wahrzunehmen. Wir diskutieren über eine Drucksache und ich will wissen, was aus dieser Drucksache werden wird. Ich habe den Eindruck, dass die Wirtschaftsbehörde von Anfang an beim Thema Freizone keine Sensibilität für den Umgang mit der Öffentlichkeit entwickelt hat.

(Barbara Ahrons CDU: Wir haben uns den Mund fusselig geredet!)

Da steht zwar motzig drin, es wäre ausführlich diskutiert worden, aber das ist nicht geschehen. Zudem hat der Senat von Anfang an die gebotene Transparenz bei seinen Umsetzungsproblemen vermissen lassen. Er hätte doch mitteilen können, dass man die Frage in der Arbeitsgruppe weiter erörtere.

Mein Eindruck ist, dass der Senat die Grundsätze der politischen Kommunikation bis heute missachtet – so geschehen bei der HSH Nordbank-Frage und bei vielen anderen wirtschaftspolitischen Themen

(Antje Möller GAL: Das ist doch jetzt ein an- deres Thema!)

und auch beim Thema Freizone erleben wir das. Es gehört sich nicht, bei vernünftigen Fragen um den heißen Brei herumzureden, noch dazu, wo längst klar ist, dass der Senat die geplante Verkleinerung, womöglich die vollständige Auflösung der Freizone, ohne Not bis zum Januar 2011 vorantreibt. Meiner Meinung nach ist das nicht realisierbar, weil wichtige damit zusammenhängende Fragen, wie zum Beispiel die Ausführungsbestimmungen des neuen, modifizierten Zollkodexes, noch gar nicht geklärt sind. Darüber hinaus halte ich es für ein schweres Versäumnis, nicht einmal mit den betroffenen Beschäftigten im Hafen darüber zu diskutieren.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist ja passiert!)

Gut, dann erläutern Sie das und sehen sich die Stellungnahme Ihres früheren Staatsrates Bonz zu dieser Frage an.

So können wir parlamentarisch nicht weitermachen und Sie sollten weder mit uns noch mit den Unternehmen und den Beschäftigten in dieser Weise verfahren. Ich fände es gut, wenn Sie einmal klar Farbe bekennen würden, wie Sie mit der Freizone,

der Blaupause und der Frage, ob es nun ein Antrag ist oder nicht, umgehen wollen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Jan Quast SPD)

Das Wort bekommt Herr Ohlsen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich auf Sie eingehe, Herr Bischoff, möchte ich Ihnen allen mitteilen, dass ich heute Morgen im "Hamburger Abendblatt" eine Pressemitteilung der Initiative Pro Freihafen gelesen habe,

(Dr. Joachim Bischoff DIE LINKE: Richtig, das habe ich auch gelesen!)

in der stand, dass erstens der Freihafen aufgelöst werden würde und zweitens somit 750 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Diese Behauptungen weise ich auf das Heftigste zurück. Der Freihafen wird nicht aufgelöst, sondern verkleinert, und wir werden, ganz im Gegenteil, neue Arbeitsplätze schaffen. An dieser Klarstellung liegt mir sehr viel.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Thema Freihafen ist für die Hamburger Wirtschaft und für Hamburg überhaupt von so großer Bedeutung, dass es sich nicht für populistische Äußerungen eignet. Gestatten Sie mir die Anmerkung, dass man bei diesem Thema so etwas wie eine Neiddebatte anzettelt – damit sind nicht Sie gemeint, Herr Bischoff – nach dem Motto: Verglichen mit den Terminalbetreibern, denen es gut ginge, weil sie ihre Zollabfertigung haben, hätten die kleinen und mittleren Betriebe irgendwelche Nachteile. Das ist kein besonders konstruktiver Beitrag zu dieser Debatte.

Herr Bischoff, jetzt komme ich auf Ihre Rede zu sprechen. Die Pläne, die Freihafenzone oder deren Grenzen womöglich zu verändern, bestehen schon seit Beginn der Legislaturperiode. Der Senat beziehungsweise die ihn tragenden Parteien haben intensivst mit der Wirtschaft, dem Unternehmensverband Hafen Hamburg, der Handelskammer, die sogar ein eigenes Konzept vorgestellt hat, und mit den Unternehmen im Hamburger Hafen in epischer Breite und Länge mehrmals diskutiert. Herr Bischoff, ich möchte noch einmal klarstellen, dass wir dieses Thema im Wirtschaftsausschuss auch in einer öffentlichen Anhörung behandelt haben, bei der unter anderem Vertreter der Oberfinanzdirektion Nord, aber auch Spediteure und Mitglieder der Initiative Pro Freihafen am Tisch saßen. Letztere haben sich zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht so richtig geäußert, sondern erst wesentlich später.

Die Bundesfinanzdirektion Nord hat den Senat aufgefordert, einen Plan vorzulegen, an dem sie sich

(Dr. Joachim Bischoff)

hochhangeln kann. Das halte ich für ganz natürlich und normal, weil die Oberfinanzdirektion Nord ohne Plan nicht handeln kann. Sie bemängeln, möglicherweise zu Recht, dass es noch keine konkreten Ergebnisse gibt. Es stimmt, die gibt es momentan nicht. Wir gehen aber davon aus, dass die Oberfinanzdirektion Nord das abarbeiten wird, was der Senat und die handelnden Fraktionen ausgearbeitet haben, nämlich eine Verkleinerung der Freihafenzone im Bereich von Schuppen 50 und darüber hinaus, sodass wir dann in die Phase treten können, die wir für Hamburg gut und richtig halten.

Herr Bischoff, ich bekenne, dass ich persönlich aus den verschiedensten Gründen sogar für eine Gesamtauflösung des Freihafens gewesen wäre. Die Aktivitäten der Initiative Pro Freihafen führten dazu, dass die Politik einen Kompromiss geschlossen hat, indem sie den Freihafen nicht ganz auflöst. Es standen drei Alternativen zur Auswahl, Herr Egloff,