gelingt nur, wenn der Innensenator als zuständiger Senator diesen Weg der Vertrauensbildung und Deeskalation mit den Vernünftigen auch mitgeht und ihn nicht ständig hintertreibt. Das hat er zum Ärger mancher Christdemokraten – durchaus auch aus diesem Hause und aus Altona – das ganze letzte Jahr über gemacht.
Er hat, um ein Beispiel zu nennen, das Ablehnungsschreiben der Innenbehörde an den Altonaer Bezirksamtsleiter, wo er gesagt hat, er hätte damit weiter nichts zu tun, um 18 Uhr sei der Platz besenrein zu übergeben, noch am Tag davor an die Presse durchstecken lassen.
Leisten Sie deshalb Ihren Beitrag zur Deeskalation auch für ein friedliches Schanzenfest 2010. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auseinandersetzungen, wie wir sie am letzten Wochenende im Schanzenviertel hatten, sind meiner Meinung nach das Schwierigste, was einem in der politischen Auseinandersetzung passieren kann. Schwierig, weil es nicht so ist, dass dort Geld fehlt und man sehen muss, dass man noch irgendwie Geld zusammenkratzt, schwierig auch, weil keine Birne durchgebrannt ist, die man ersetzen kann, sondern schwierig, weil es an die Grundfragen des Rechtsstaats in der politischen Debatte, aber auch im persönlichem Empfinden kommt, und schwierig auch, weil wir uns dann im Parlament einerseits über das, was real passiert ist, miteinander verständigen müssen und andererseits darüber, welche politischen Lösungen es dafür gibt.
Deswegen stellt sich uns auch nicht die Frage, ob man hinter der Polizei steht oder nicht, sondern die Frage ist ganz klar beantwortet; wir haben das Gewaltmonopol in diesem Staat an die Polizei abgegeben. Deswegen stellt sich die Frage, ob die Strategie richtig oder nicht richtig war. Wir müssen darüber diskutieren, was das Ziel des Polizeieinsatzes war und was das Ergebnis ist. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie es kommen kann, dass so viele Menschen nicht mehr sagen, sie fühlten sich durch die Polizei beschützt, sondern Ohnmacht gegenüber der Staatsgewalt ausdrücken. Das ist ein eklatantes Umdrehen der Situation, die wir eigentlich haben wollen. Das Gewaltmonopol wird in diesem Staat von der Polizei ausgeübt und wenn man dieses Gewaltmonopol ausübt, geht es vor allem erst einmal darum, Unbeteiligte zu schützen, Straftaten zu verhindern, natürlich auch mutmaßliche
Die Strategie, die man dazu benutzen kann, ist sicherlich vielfältig. Europäische Länder machen das jeweils nach bestimmten Methoden, aber immer muss doch das Ziel sein, ein Sicherheitsgefühl herzustellen; Hilfe ist in der Nähe. Oder gibt man das Signal der Stärke und sagt, man beobachtet und habe alles unter Kontrolle? Sagt man, man sei ganz dicht dran, man gebe das Signal des Kessels? Es wird direkt in die Menschenmenge hinein patrouilliert. Es wurde im Übrigen – man muss auch vielleicht noch einmal ein bisschen in andere Richtungen und nicht nur in den Plenarsaal schauen – stadtweit eine Kampagne und eine Debatte über zu erwartende Ausschreitungen, vielleicht auch eine gewisse Vorbereitung, zu sehr von uns allen zugelassen.
Das Ergebnis ist bitter, das Ergebnis ist, dass das Ausschreitungsszenario möglicherweise massiver war als in den Jahren davor, auch die Gesamtzahl der Beteiligten war möglicherweise viel größer als in den Jahren davor. Die Solidarisierungseffekte von völlig unbeteiligten Personen, die Lust am Mitmachen und die Hemmungslosigkeit gegenüber Gewalt und Gefährdung von Menschen scheinen eklatant gestiegen zu sein. Die Anzahl der Verletzten bei der Polizei, darüber wurde schon gesprochen, ist größer, als man es eigentlich je erfahren möchte. Die Zahl der durch den Einsatz im Quartier aber auch außerhalb Betroffenen ist wesentlich größer, es gibt Berichte von Beamten und Beamtinnen, die sagen, sie hatten Angst und haben die Übersicht verloren. Dagegen stehen die Berichte Unbeteiligter, die weggelaufen oder stehen geblieben sind. Beides war falsch, jedes Mal sind sie durch Schubsen oder Schlagen zu Fall gekommen. Was ist also der politische Umgang mit diesem Szenario? Wir brauchen die differenzierte Debatte und diese muss möglich sein und darf nicht emotional geführt werden. Wir haben die Aufgabe, sie politisch zu führen.
Was kann uns eigentlich beim nächsten Schanzenfest helfen? Was kann uns eigentlich beim nächsten Ausschreitungsszenario, das irgendwann kommen wird, helfen? Wohin geht der politische Weg? Das ist einerseits die Richtung, die durchaus von Frau Schneider angesprochen wurde: Wir müssen uns mit dem Quartier auseinandersetzen, wir müssen uns mit der Situation der Schanzenbewohnerinnen und -bewohner auseinandersetzen. Vor allem heißt das aber, politisch miteinander detailliert zu reden, und natürlich heißt das aus unserer Sicht auch, politisch über die Strategie der Polizei zu reden. Das Konzept Deeskalation durch Stärke ist unserer Ansicht nach falsch.
Ein bisschen selbstkritisch möchte ich anmerken, dass wir als GAL vielleicht auch öffentlich sehr viel
deutlicher hätten sagen können, dass die deeskalierende Strategie, nicht nur um eine Regelung für das Schanzenfest zu finden, sondern, um auch ein Konzept für die Nacht danach zu haben, deutlicher von uns öffentlich eingefordert hätte werden sollen.
Das haben wir nicht getan, das tun wir jetzt. Und ich hoffe, dass uns solch eine Nacht nicht wieder passiert. – Danke.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Möller hat natürlich recht, wenn sie sagt, wir müssten politisch und nicht emotional über diese Vorgänge diskutieren. Ich glaube, wir alle tun gut daran, eine sehr ernsthafte Debatte über alle Facetten dessen zu führen, was wir am vergangenen Wochenende erlebt haben. Es ist nicht der Zeitpunkt für laute Reden, sondern es ist der Zeitpunkt für Nachdenklichkeit, aber bitte Nachdenklichkeit in alle Richtungen, Nachdenklichkeit natürlich auch in die Richtung, wie wir solche Geschehnisse verhindern können, aber natürlich auch Nachdenklichkeit, wie wir denjenigen, die für diesen Rechtsstaat erneut ihren Kopf hingehalten haben, die ausreichende Solidarität dieses Hauses herüberbringen können.
Frau Möller, darüber werden wir gemeinsam bei unserer Sondersitzung zu diskutieren haben, aber sicherlich auch danach. Wir werden natürlich über diese Dinge diskutieren, denn es steht irgendwann wieder ein Fest an, vielleicht schneller, als es dem einen oder anderen lieb ist, was man so hört. Dann werden wir auch darüber diskutieren müssen, wie wir damit umgehen. Ich glaube, dabei dürfen wir einen Fehler nicht machen, wir dürfen es uns nicht so leicht machen. Die einen sagen Deeskalation durch Stärke, das sind die, die die Staatsmacht hochhalten, die anderen sagen, wir bräuchten deeskalierende Konzepte und die Polizei müsse sich eher zurückhalten. In einem Leserbrief habe ich heute gelesen: Was wäre denn, wenn die Polizei gar nicht hinginge? Man könne einmal schauen, was dann passiert.
Ich glaube, dann würde der Staat seiner Verantwortung auch nicht gerecht werden, das geht nicht. Was passieren kann, wenn man nur auf Deeskalation setzt, haben wir auch gesehen. Das haben wir zum Glück nicht in Hamburg gesehen, sondern am
1. Mai in Berlin. Dort ist es auch gründlich schiefgegangen, um das deutlich zu sagen. Ich bin jedenfalls auch, wie an anderer Stelle, froh – aber nicht am vergangenen Wochenende, Herr Neumann, nicht, dass Sie mich falsch interpretieren –, dass die gewalttätigen Ausschreitungen hier diskutiert werden, denn das, was wir am Wochenende in der Schanze erlebt haben, gehört auf die Tagesordnung dieses Hauses. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Es gehört auf die Tagesordnung einer breiten gesellschaftlichen Debatte, nicht nur in Hamburg.
An die allererste Stelle in dieser Debatte gehört natürlich auch für mich der Dank – ich hoffe wirklich, von uns allen – und der Respekt der Menschen in unserer Stadt an unsere Polizeibeamten. Sie haben ein verdammt schwieriges Wochenende gehabt und sie haben einen guten Job gemacht.
Gerade das letzte Wochenende hat uns allen erneut gezeigt, dass dieser Beruf den Beamten alles abverlangt und leider auch immer wieder mit körperlichen Angriffen verbunden ist, auch am vergangenen Wochenende. Ich muss die Zahl, die genannt worden ist – ich weiß gar nicht, von wem –, leider nach oben korrigieren. Es sind inzwischen über 80 verletzte Kollegen. Das Risiko, als Polizeibeamter, auch in Hamburg, körperlich misshandelt zu werden, steigt. Deshalb gehören auch an diese Stelle noch einmal die besten Genesungswünsche – das ist schon gesagt worden, dafür bin ich dankbar, Herr Dr. Dressel – an alle verletzten Polizeibeamten von allen in diesem Hause. Ich hoffe, es können sich auch alle dazu durchringen.
Unsere Beamten brauchen aber nicht nur gute Worte. Es ist auch an der Zeit, ein Zeichen der Solidarität zu setzen, nicht nur von der Politik, sondern von der Gesellschaft insgesamt. Deshalb bin ich klar für schärfere Strafen für Chaoten und Gewalttäter, die Polizeibeamte, Feuerwehrleute und auch Rettungskräfte verletzen. Es gehört zur Wahrheit leider dazu, dass bei solchen Ereignissen auch immer wieder Rettungskräfte – Menschen, die anderen Menschen in ihrer Not helfen wollen – Opfer von gewalttätigen Übergriffen werden. Ich will mich nicht damit abfinden, dass Jagdszenen auf Polizeibeamte zum Alltag in deutschen Großstädten gehören. Ich will mich auch nicht damit abfinden, dass große Teile unserer Gesellschaft gleichgültig reagieren, wenn, wie am 1. Mai in Berlin, über 500 Beamte und auch Unbeteiligte verletzt werden, die sich für unsere Sicherheit und unseren Rechtsstaat eingesetzt haben.
Ich muss auch eines deutlich sagen, denn es wird immer wieder behauptet, die Polizeibeamten hätten schon durch ihre Anwesenheit provoziert. Es mag sein, dass es Leute gibt, die sich durch Polizeibeamte oder durch Uniformierte provoziert fühlen, aber zur Wahrheit gehört dazu, dass es nicht die Polizeibeamten waren, die Glasflaschen und Steine auf andere geworfen haben. Es waren auch nicht die Polizeibeamten, die Molotowcocktails dabei hatten. Das geht mir ein bisschen in der Debatte unter und deswegen muss es auch noch einmal gesagt werden. Ursache und Wirkung müssen schon deutlich bleiben.
Wer sich durch den bloßen Anblick von Polizeibeamten provoziert fühlt, das ist meine Meinung, hat irgendwie ein gestörtes Verhältnis zu unserem Rechtsstaat und zu unserer Demokratie.
Trotz aller Kritik, die ich wahrnehme, mir anhöre und mir auch genau überlege, sage ich ganz deutlich: Ich bin der Überzeugung, dass unser Einsatzkonzept richtig war.
Es war ein Konzept der frühzeitigen polizeilichen Präsenz sowie eine ausreichende Stärke und Entschlossenheit gegenüber denjenigen, die unseren Rechtsstaat und Polizeibeamte als Menschen – es sind Menschen und keine Maschinen – angreifen. Ich bin davon überzeugt, dass es dazu keine Alternative gab. Die Polizei hatte – das bitte ich zu berücksichtigen – konkrete Lageerkenntnisse, dass in diesem Jahr mit besonders vielen gewaltbereiten Personen und einer spürbar erhöhten Aggressivität zu rechnen ist.
Frau Möller, ich gebe Ihnen recht, wir müssen uns überlegen, woran das liegt. Ist die Diskussion, wie wir sie geführt haben, daran schuld, dass die Gewalt stärker war, oder nicht? Ich weiß nicht, ob wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen, aber wir sollten darüber diskutieren, weil wir ernsthaft mit diesem Problem umgehen müssen. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass es Jahr für Jahr zu mehr Gewaltexzessen kommt, dass also das Level der Gewalt kein gleichbleibendes, sondern ein stetig ansteigendes ist. Es gab jedes Jahr mehr Zerstörung, Sachbeschädigungen in sechsstelligen Beträgen allein im letzten Jahr und jährlich mehr verletzte Beamte. Wir müssen darüber diskutieren, ob die Polizei wirklich warten soll, bis das autonome Klientel, das es neben den friedlich Feiernden gibt, die nach unseren Erkenntnissen Stolpertreter auslegt und sich auf den Straßenkampf hintendran optimal vorbereitet hat. Aufgrund dieser Erkenntnisse entschied der Polizeiführer – ich saß neben ihm im Präsidium und habe mir das angeguckt, damit ich es bewerten kann – zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Polizei müsse jetzt einschreiten, sonst hätten sie die Lage nicht mehr unter Kontrol
le. Es mag vielleicht nicht für jeden erkennbar sein, was sich hinter den Kulissen zuspitzt, aber wenn die fachliche Bewertung ergibt, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt reagieren muss, dann ist das meiner Meinung nach auch richtig.
Wir sind uns darin einig, dass das Schanzenfest, auch wenn es unangemeldet war, am Nachmittag friedlich ablief und es zu diesem Zeitpunkt deshalb auch keine Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten gab. Natürlich ist der überwiegende Teil der dort Feiernden überhaupt nicht gewalttätig, sondern möchte einfach einen schönen Tag erleben. Es gibt aber auch andere und bei allem Verständnis fürs Feiern kann die Polizei nicht tatenlos zusehen, wenn sich im Hintergrund der friedlich Feiernden autonome Gewalttäter für ihre Aktionen rüsten.