Protocol of the Session on July 8, 2009

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kruse, das zeigte relativ deutlich, dass die Einheit, die Frau Hajduk herzustellen versuchte, in Ihrer Koalition im Zusammenhang mit Energiepolitik in gewisser Weise nicht mehr existiert, weil das, was Sie gesagt haben, das Gleiche ist, was schon seit 20, 30 Jahren von der CDU in dieser Fragestellung gesagt wird. Es unterscheidet sich nicht davon: Wir können es noch nicht, wir werden es später machen, so lange muss die Atomkraft noch laufen. In dem Punkt hat sich bei Ihnen, finde ich, nichts getan.

(Ingo Egloff)

Aber mir reichen auch nicht einige andere kritische Anmerkungen, die gemacht worden sind. Wir schimpfen alle einvernehmlich über die Art und Weise des Umgangs mit den Geschehnissen in Krümmel. Deutlich gesagt: Nach einer Prüfung in Schleswig-Holstein ist Krümmel gerade wieder angeschaltet worden. Das heißt doch auch, dass die kritische Prüfung im Zusammenhang mit Atomkraft gegenwärtig nicht ausreicht. Das müssen wir doch auch hinterfragen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel und Andrea Rugbarth, beide SPD)

Frau Hajduk, dazu gehören doch auch einige kritische Worte zu dieser Fragestellung und dass man nicht in dem Augenblick, in dem man das feststellt, sagt, alle seien aufgeregt und man mache das einmal eben zehn Minuten lang so, sondern auch in gewisser Weise, dass man daraus Schlussfolgerungen zieht. Eine ist, dass der Umfang der Prüfung nicht reicht.

Das Zweite ist: Warum sind wir eigentlich so sensibel gegenüber der Sorgfältigkeit im Zusammenhang mit den Atomkraftwerken? Wir sind doch deswegen so sensibel, weil darin ein Teufelszeug steckt, das man nicht in der Lage ist zu kontrollieren, und zwar sowohl im Betrieb nicht als auch den dadurch entstehenden Müll nicht. Das ist doch genau die Schwierigkeit. Da müssen wir doch auch gemeinsam sagen, dass ein Ausstieg sofort und so schnell wie möglich die einzig richtige Antwort ist, weil dieses Teufelszeug sonst immer mehr wird.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das, was wir gegenwärtig in der Realität bemerken, Herr Kruse, müssen Sie sich noch einmal klarmachen: Kein Mensch der Welt weiß, wo er mit dem Atommüll hin soll, den Sie mit der Art und Weise, in der Sie mit dem Thema umgehen, Tag für Tag produzieren. Das mit dem Endlager ist doch eine schöne Formulierung. Es gibt kein Endlager dafür, es gibt keine endgültige Beruhigung. Sie gehen mit dem Müll um wie mit einem Flugzeug, das gestartet ist und keine Landebahn hat.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte noch eine Sache ansprechen. Ich finde Frau Hajduks Kritik an der Großanlagenpolitik völlig berechtigt. Sie ist in diesem Zusammenhang dramatisch, weil sie alternative Entwicklung verhindert. Es ist dementsprechend absolut notwendig, alternativen Entwicklungen und Energieeffizienz Möglichkeiten zu geben. Das haben wir 20, 25 Jahre zu sehr vernachlässigt.

Aber, Frau Hajduk, diese Kritik trifft doch Sie im Zusammenhang mit Moorburg genauso. Das ist doch genau die gleiche Großanlagenpolitik, die dort betrieben wird. Das ist doch etwas, zu dem Sie sagen können, es tue Ihnen leid, Sie wollten

das eigentlich auch nicht. Aber das muss man für sich doch auch selbstkritisch bemerken können, nur dann wird man in der Lage sein, wirklich eine veränderte Politik organisieren zu können.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen. Für mich ist das eine Frage von politischer Glaubwürdigkeit und das ist mir besonders wichtig im Zusammenhang mit der CDU. Es geht darum, dass wir in der Lage sind, für die Zukunft eine Politik zu machen, die kurzfristige Gewinne durchaus einmal verschmäht, das gilt im Allgemeinen, kurzfristige Gewinne, wie sie im Zusammenhang mit der Atomkraft gegenwärtig locken.

Kurzfristige Gewinne lockten bei der HSH Nordbank, sie wurden in gewisser Weise auch realisiert und ich finde, wir müssen daraus lernen, zumindest muss man sich das jetzt nicht gegenseitig um die Ohren hauen, aber man muss daraus lernen. Kurzfristige Gewinne lockten bei dem Verkauf der HEW an Vattenfall, auch das wurde heute nicht genannt. Das muss man in gewisser Weise auch berücksichtigen und man muss in der Lage sein, auch kritisch zu sehen, dass es ein grober Fehler war, diesem Konzern die HEW zu verkaufen. Und kurzfristige Gewinne locken bei der gegenwärtigen Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Es ist fatal für die Politik, wenn man nicht in der Lage ist, diese kurzfristigen Gewinne auszuschlagen. Das verlange ich aber gerade von einer CDU.

(Beifall bei der LINKEN und bei Andrea Rug- barth SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Heitmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Neben den ganzen Unfällen, Pannen und Risiken, von denen wir heute schon viel gehört haben, möchte ich noch einmal darauf eingehen, dass es auch beträchtliche gesundheitliche Risiken durch Atomkraft gibt, mit denen wir tagtäglich leben müssen. In einer Studie des Mainzer Kinderkrebsregisters ist festgestellt worden, dass in der Umgebung von AKWs eine signifikante Erhöhung von Leukämiefällen bei Kindern unter fünf Jahren festgestellt werden kann.

Im Umkreis von 5 Kilometern um ein AKW herum ist das Krebsrisiko dieser Kinder um 120 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt. Wer dieser Studie nicht glauben möchte, sie wurde im Umfeld von 16 Standorten von einem zwölfköpfigen Expertengremium einmütig festgelegt und dieses Expertengremium setzte sich sowohl aus Befürwortern als auch aus Gegnern zusammen. Ein um 120 Prozent höheres Risiko für Leukämie – ich finde, es ist ein Skandal, dass immer noch Kinder in diesen Bereichen leben müssen.

(Norbert Hackbusch)

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der LINKEN)

Aber wir wissen auch, dass neben der Stromerzeugung selbst der immer weiter produzierte Abfall stark gesundheitsgefährdend ist. Es ist, wie Herr Hackbusch schon angesprochen hat, unverantwortlich, dass die Endlagerfrage noch immer ungeklärt ist, während immer mehr Müll produziert wird. Asse wird bis heute als Zwischenlager deklariert, und zwar, weil es kein Endlager gibt. Aber dort dringt Wasser ein und es ist zu befürchten, dass Grundwasser langfristig kontaminiert wird. Welche Ausweitung der Gesundheitsrisiken sich damit ergeben würde, mag sich momentan, glaube ich, keiner von uns vorstellen. Das wäre unkontrollierbar und zahlreiche Menschen, auch über die direkte Umgebung von Atomkraftwerken hinaus, wären sofort betroffen.

Ungelöste Probleme und schwere Lasten werden mit dieser Technologie auf zukünftige Generationen verschoben, und zwar auch auf jene, die erst in über tausend Jahren leben werden, und das alles für eine Technologie, die alles andere als zukunftsweisend ist oder kommenden Generationen überhaupt nützen würde. Mein Kollegin Jenny Weggen hat bereits erläutert, dass wir auf nachhaltige und dezentrale Energien setzen wollen. Es wird häufig überhaupt nicht betrachtet, dass auch Uran – genau wie Öl und Gas – ein Rohstoff ist, der importiert werden muss, starken Preisschwankungen unterliegt und endlich ist.

Wenn man also zusammenfasst, dann hat man es bei der Atomenergie mit einer Technik zu tun, die nachweislich Gesundheitsrisiken birgt, starke Gesundheitsgefahren und große Lasten für die zukünftigen Generationen bringt und eine rückwärtsgewandte Energieversorgung beschreibt. Deshalb muss mit dieser Technologie jetzt endlich Schluss sein. Krümmel im jetzigen Moment weiterzubetreiben, ist absolut verantwortungslos, die endgültige Stilllegung muss sofort erfolgen und alle anderen Kernkraftwerke sollten möglichst schnell folgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Schaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ingo Egloff hat darauf hingewiesen, dass die Atomwirtschaft 61 Milliarden Euro Zusatzgewinne kassiert, wenn die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert werden. Man muss vielleicht noch auf eines dabei hinweisen. Dieses Geld ist das Geld der Verbraucherinnen und Verbraucher, das ist unsere Kohle, die gerade jetzt in der Krise bei vielen fehlt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Vattenfall hat zwar die Preise in Hamburg und in seinem Versorgungsgebiet konstant gehalten, aber ich gehe einmal davon aus, dass, genau wie E.ON jetzt eine immense Preissteigerung angekündigt hat, das dicke Ende auch für die Hamburger Strompreise zu verzeichnen sein wird. Das ist natürlich für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein ganz wichtiges Argument. Ich denke einmal, wer sich die Zusammenhänge klarmacht – und das müssen die Stromkunden wirklich tun –, muss dann auch dem Aufruf folgen: Weg von Vattenfall.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Herr Kruse, es ist doch ein Märchen zu glauben, dass die Atomwirtschaft die zusätzlichen Gewinne, die Sie selber einräumen, zum Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung stellt. Erstens hat das noch niemand angeboten, sondern es ist immer nur von Ihnen und Ihren Kollegen angeboten worden, dass man das, was jetzt zusätzlich in die Kasse kommt, dann nimmt, um die erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Aber wenn man sich dann ansieht, welche Politik tatsächlich von den Atomkonzernen betrieben wird, dann kann man daran seine Zweifel haben.

Frau Hajduk hat bereits darauf hingewiesen, in Großbritannien haben E.ON und die GDF beim Bau von neuen Atomkraftwerken zur Bedingung gemacht, dass zunächst der Ausbau der Erneuerbaren gestoppt wird. Da wurde endlich einmal zugegeben, worum es wirklich geht, denn sie haben gesagt, der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien würde die Wirtschaftlichkeit der Atomkraftwerke behindern. Es ist auch ganz klar, Atomkraftwerke sind Grundlastkraftwerke und überhaupt nicht reagibel, denn wenn jetzt der diskontinuierliche Strom aus Erneuerbaren mit ins Netz integriert werden kann, kann die Atomkraft nicht reagieren. Insofern passen Atomwirtschaft und die erneuerbare Energiewirtschaft nicht zusammen, sondern man braucht andere Technologien, um die Erneuerbaren in das Stromnetz zu integrieren. Hierzu gibt es Vorschläge, das ist nun einmal für eine Zeit lang die Gastechnologie, das sind Speichertechnologien und es ist meinetwegen, Herr Kruse, auch der Wasserstoff, aber Atomkraft ist es nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Ich möchte noch etwas in Erinnerung rufen. Sie haben wohl alle schon vergessen, dass das Atomgesetz einmal das Ergebnis einer intensiven und ausgiebigen Verhandlung der Politik mit der Energiewirtschaft war. Dort hat man gesagt, dass wir eine klimafreundliche, verlässliche, wirtschaftliche und sichere Stromversorgung brauchen, und in diesem sogenannten Energiekonsens festgelegt, dass bis ungefähr 2020/2021 je nach Alter die Atomkraftwerke langsam vom Netz gehen, um zu

(Linda Heitmann)

garantieren, dass dann die entstehenden Freiräume durch die Erneuerbaren gefüllt werden können.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Skeptiker haben damals bezweifelt, dass das geht. Wenn man sich anguckt, wie die Erneuerbaren jetzt nachgewachsen sind, und wenn wir davon ausgehen, dass die drei großen Atomkraftwerke in Norddeutschland nicht mehr am Netz sind und dass zum Beispiel im Jahr 2007 fast 50 Prozent der Kapazitäten der Atomkraftwerke nicht am Netz waren und keine Lichter ausgegangen sind, sondern die Lücken durch die vorhandenen erneuerbaren Energien geschlossen wurden, dann kann man sehen, dass es hier wirklich einen richtigen Machtkampf gibt, der sich nicht nur im Stillen, sondern zunehmend auch öffentlich abspielt.

Der CDU-Geschäftsführer hat uns immer weismachen wollen,

(Frank Schira CDU: Welcher?)

Herr Pofalla.

(Frank Schira CDU: Generalsekretär!)

dass Atomenergie eine Ökoenergie sei. Das ist völliger Blödsinn, da hat er wohl schlechte Karten, nach dem, was hier in Krümmel passiert ist.

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Nach dem Atomkonsens im Jahr 2000, der dann ins Gesetz geschrieben wurde,

(Glocke)

Einen letzten Satz gebe ich Ihnen noch.

Nach dem Atomkonsens hat man immer gesagt, dass der nicht zu halten sei. Die Kritiker haben gesagt, die Stromwirtschaft würde ihre Atomkraftwerke schon viel eher vom Netz nehmen, weil sie unwirtschaftlich seien. Jetzt reißen sie sich darum, ich weiß nicht, was hier stimmt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einige Abgeordnete der Grünen haben im Bundestag am 24. August 2007 eine Kleine Anfrage gestellt und wollten Genaueres wissen; insbesondere auch zu Krümmel. Eine Frage lautete: