Protocol of the Session on June 24, 2009

Das laufende Interessenbekundungsverfahren, um auf die konkrete Hamburger Situation zurückzukommen, schreibt vor, dass von insgesamt 5000 ausgeschriebenen Arbeitsgelegenheiten 3000 explizit den Stadtteilbezug aufzeigen müssen. Um Ihnen zu verdeutlichen, worum es dabei geht, führe ich die Auswahlkriterien an. Geprüft wird, ob die bedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils von den erbrachten Dienstleistungen und Gütern besonders profitieren, ob die soziale Infrastruktur im Quartier gestärkt und

(Elke Badde)

aktiviert wird und ob die lokalen Netzwerke gestärkt und die Potenziale des Quartiers genutzt werden. Die Selbstorganisation im Quartier soll angeregt werden und eine lebendige soziale und kulturelle Infrastruktur, die der Staat und der Markt nicht leisten können, weil damit kein Geld zu machen ist, soll unterstützt werden. Sie halten das für albern, aber ich glaube, das Abwerten dieses Ansatzes und dieser Idee ist noch viel alberner.

(Wolfgang Joithe-von Krosigk [DIE LINKE]: Realitätsfern!)

Wenn man sich lediglich auf das System der AGHs bezieht, so wie es zurzeit umgesetzt wird, dann kommen wir nie aus dieser Schleife heraus, die Sie zum Teil durchaus richtig beschrieben haben. Die Menschen rutschen nämlich von einer AGH in die nächste, ohne jemals einen wirklichen Bezug zur Idee der dahintersteckenden Arbeit oder die Chance zu haben, daraus etwas weiterzuentwickeln. Das gilt im Übrigen auch für die Einrichtungen, die diese AGHs bei sich anbieten.

Sie haben kritisiert, dass Hamburg zu viele EinEuro-Jobs hat, das sieht die SPD durchaus auch so. Vergleicht man Berlin und Hamburg miteinander, hätte ich eigentlich eine ähnliche Quote erwartet, aber Berlin bietet wesentlich mehr Arbeitsgelegenheiten in Relation zu den Arbeit suchenden Menschen an und ist kein Maßstab für uns. Dass Arbeitsgelegenheiten in diesem Ausmaß angeboten werden, zeigt das ernst zu nehmende Dilemma in den Großstädten, und aus unserer Sicht muss das Ziel sein, Stellen im Ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Das Projekt, das durch Arbeitsgelegenheiten ins Leben gerufen wird und das Quartier belebt, soll sich dauerhaft selbst finanzieren oder andere Finanzierungsquellen finden.

Die arbeitsmarktpolitischen Mittel der Job-Center wären natürlich schnell erschöpft, wenn nur die Entgelt-Variante umgesetzt werden würde. Hier brauchen wir viel mehr Flexibilität, auch bezüglich der aktiven und sogenannten passiven Mittel für Hartz-IV-Empfängerinnen und Empfänger. Dies bedeutet aber Arbeit auf der Bundesebene, denn um reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, können wir in Hamburg nicht so viel tun.

Als Fazit dieser Großen Anfrage möchte ich allerdings einen Punkt der Kritik aufgreifen, den auch Frau Badde formuliert hat: die Wirksamkeit der Maßnahmen, in die die team.arbeit die Beschäftigungslosen schickt, ist tatsächlich kaum nachweisbar, kaum messbar, was möglicherweise an dem Datenwust liegt oder daran, dass sie gar nicht erfasst werden. Hier würde ich mir mehr Transparenz wünschen, denn das Ziel, dass die Menschen wieder in den Ersten Arbeitsmarkt integriert werden, soll nicht aus den Augen verloren werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenstimmen? –Stimmenthaltungen? Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage Kenntnis genommen hat.

Tagesordnungspunkt 28, Drucksache 19/3276, Antrag der CDU- und der GAL-Fraktion: Schutz geistigen Eigentums im Internet.

[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Schutz geistigen Eigentums im Internet – Drs 19/3276 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksache 19/3348 ein Antrag der Fraktion die LINKE sowie als Drucksache 19/3351 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion die LINKE: Schutz des geistigen Eigentums im Internet – Drs 19/3348 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Schutz geistigen Eigentums im Internet – Drs 19/3351 –]

Alle drei Drucksachen möchte die SPD-Fraktion an den Kultur-, Kreativwirtschafts- und Tourismusausschuss überweisen, die Drucksache 19/3276 nachträglich.

Wird das Wort gewünscht? Das ist der Fall. Der Abgeordnete Wankum bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann es eigentlich gar nicht oft genug wiederholen, man muss es sich täglich in Erinnerung bringen, lieber Herr Buss. Durch das Internet haben sich und werden sich in allen Facetten unseres Lebens die größten Veränderungen seit Einführung des Buchdruckes ergeben. Wir müssen dieses zur Kenntnis nehmen, ob wir mögen oder nicht. Wir müssen damit leben und versuchen zu verstehen, welche Veränderungen sich ergeben haben und ergeben werden und welche Konsequenzen daraus – teilweise endlich - zu ziehen sind.

Wir müssen versuchen, die Möglichkeiten des Internets zum Wohle der Menschen zu nutzen und aufgrund der Globalität des Mediums Regeln finden, um die Dinge in die richtige Richtung zu lenken. Mit dem von uns zum Schutz geistigen Eigentums eingebrachten Antrag stellen sich die Fraktionen der CDU und der GAL den Anforderungen, mit denen Hamburgs Position als Hauptstadt in Form eines Contents, um es in der Internetsprache auszudrücken, also als Inhalt, gefestigt werden soll. Mit der Umsetzung dieses Antrags wird der Senat

(Antje Möller)

einen seiner politischen Schwerpunkte gegen die Internetpiraterie richten. Mit seiner Annahme und der anschließenden Überweisung gemeinsam mit den Anträgen der Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Linkspartei werden wir in der Kultur AG dieses Thema auch weiterhin mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit behandeln.

Es geht nicht darum, Menschen zu kriminalisieren. Es geht darum, und das haben wir bereits in der heutigen Aktuellen Stunde deutlich zum Ausdruck gebracht, den Verlust von Arbeitsplätzen in Teilen der Medien und in der Unterhaltungsindustrie nach zehn Jahren endlich zu stoppen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Illegalen Nutzern von geistigem Eigentum im Internet müssen die strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns bewusst gemacht werden, und zwar Privatpersonen jeden Alters, nicht nur Jugendlichen, und auch Unternehmen und selbstverständlich müssen alle gegebenen strafrechtlichen Möglichkeiten konsequent genutzt werden.

Es hört sich so einfach an, wenn man sagt, dass die Bagatellklausel, zum Beispiel im Musikbereich, beim Download von 3000 Titeln liegt. Stellen Sie sich einmal vor, jemand hätte früher 3000 Singles im Laden geklaut und zu sich nach Hause geschleppt, meine Damen und Herren, dann wird Ihnen bewusster, was das bedeutet. Die physische Vorstellung lässt einen das viel eher verstehen.

Ein Schwerpunkt dieses Senats ist richtigerweise die Bildungspolitik, die die frühkindliche, schulische, universitäre Bildung und das lebenslange Lernen fördert. Wir können aber nicht auf der einen Seite in dieser Stadt, in diesem Land die geistigen Ressourcen der Menschen fördern und auf der anderen Seite den Menschen, der seine geförderten geistigen Fähigkeiten nutzt, um die Früchte seiner Arbeit bringen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Illegales Nutzen von geistigem Eigentum, und das wissen wir in Hamburg als Medienstadt nur zu gut, gefährdet Arbeitsplätze in den Verlagen, in den Agenturen, bei den Schallplattenunternehmen. Auch Komponisten, Songwriter und Schriftsteller verlieren ihre Arbeit ebenso wie Menschen, die in Kinos arbeiten oder der Programmierer, der legale Download-Möglichkeiten programmiert oder der Verkäufer bei Saturn.

(Wilfried Buss SPD: Und beim "Hamburger Abendblatt"!)

Besonders gefährdet sind die Arbeitsplätze der kreativen Menschen in dieser Stadt,

(Wilfried Buss SPD: Sag ich doch!)

wo wir uns doch vorgenommen haben, gerade diese Arbeitsplätze zu stärken. Es geht nicht um irgendeinen anonymen Konzern, der weniger Um

satz macht, sondern vielleicht gerade um Ihren Nachbarn, der seinen Arbeitsplatz verliert. Ich appelliere auch an die Unternehmen, nicht immer nur nach strafrechtlichen Sanktionen zu rufen. Wir freuen uns, dass es auf dem Internationalen Mediendialog in Hamburg vor wenigen Wochen mit den vier Hamburger Erklärungen zu diesem Thema gelungen ist, ein wichtiges Zeichen zu setzen, und die nächsten Internationalen Mediendialoge werden sich sicherlich weiterhin mit diesem Thema beschäftigen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dass sich gestern offensichtlich Industrie- und Verwaltungsgesellschaften auf eine Urheberabgabe zum Beispiel für Speichermedien geeinigt haben, freut mich. So werden hoffentlich bald zehn Cents für jeden gekauften USB-Stick an die Rechteverwerter fließen. Ich bitte die Medienindustrie nachdrücklich, die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten und endlich in allen Bereichen Möglichkeiten anzubieten, wie geistiges Eigentum legal gegen vertretbare Gebühren genutzt werden kann. Was sich Unternehmen wie Google heute leisten, nämlich Inhalte gewerbsmäßig zu vermarkten, die Menschen dafür bezahlen zu lassen, ohne den Urheber gerecht zu bezahlen, ist schamlos. Wer so etwas tut, hat kein Recht, auf die privaten Illegalen mit dem Finger zu zeigen, und erschwert es uns, die notwendige Hilfestellung in diesem Bereich zu leisten. Abschließend möchte ich dem Chef des Hauses Springer in seiner Rede auf dem Hamburger Mediendialog zustimmen. Die Hauptstraßen des Internets sind ebenso von Piraten freizuhalten wie die Handelswege, die unseren Wohlstand sichern. Dies wissen wir Hamburger seit den Zeiten der Hanse. –Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Grund.

Meine Damen und Herren! Um mir den ganz großen Ausflug in die Medienlandschaft zu sparen und nicht noch einmal zu wiederholen, wie schwierig die Lage in der Musik- und Filmbranche ist, Herr Wankum, möchte ich mich auf den Bereich der Printmedien konzentrieren, insbesondere auf das Segment der Zeitungen und Zeitschriften und dazu einige Anmerkungen machen. Ich gehe davon aus, dass sie Gegenstand der Debatte waren, die vom Internationalen Mediendialog vor wenigen Tagen im Festsaal des Hamburger Rathauses ausgelöst wurde. In Deutschland, aber auch in Europa und noch viel dramatischer in den Vereinigten Staaten, ist ein deutlicher Rückgang bei den verkauften Zeitschriften und Zeitungen zu verzeichnen. Die Reichweite der Printmedien ist drastisch zurückgegangen und in Amerika sterben bereits viele Zeitungsverlage. Wir kön

(Andreas C. Wankum)

nen davon ausgehen, dass diese Entwicklung, die durch die Wirtschaftskrise noch verschärft wird, mit gleichzeitig dramatischen Rückgängen im Bereich der Werbeeinnahmen dazu führen wird, dass auch in Deutschland zunehmend Zeitungsverlage in Gefahr geraten.

Eine der Kernaussagen von Herrn Döpfner auf der Veranstaltung war, dass der eigentliche Sündenfall vor vielen Jahren stattgefunden habe,

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz)

und zwar mit der Entscheidung der Zeitungsverlage, ihre Inhalte kostenlos ins Netz zu stellen. Heute bedauert die Zeitungslandschaft diese Entscheidung, ob sie jemals reversibel ist, halte ich für weit dahingestellt. Dennoch macht man sich Gedanken über Mittel und Wege, um die wertvollen Inhalte, die von vielen Journalisten und Autoren produziert und ins Netz gestellt werden, wirtschaftlich einigermaßen angemessen vergütet zu bekommen. Das war der springende Punkt in der Debatte anlässlich des Internationalen Mediendialogs. Während nun Vorschläge gemacht und Diskussionen geführt werden, haben wir Sozialdemokraten einen besonderen Punkt herausgegriffen. Wir wollen wissen, ob zwischen den Verlegern einerseits und den Urhebern der Inhalte und Texte andererseits tatsächlich ein Konsens darüber besteht, dass eine angemessene Vergütung der Urheber erfolgen wird. Wir melden da Zweifel an, man muss sich nur in Hamburg und bei den Medien umschauen, da kann man das erkennen. Immerhin ist es so, dass der Axel Springer Verlag vor dem Oberlandesgericht in Berlin immer noch darüber streitet, ob seine Buyout-Verträge, die er regelmäßig mit Autoren abschließt, zulässig sind oder nicht. Das ist ja höchst umstritten.

Um Ihnen das Problem nahezubringen, will ich Ihnen sagen, dass freischaffende Autoren, Freiberufler heute gar nicht mehr darum herumkommen, solche Zwangs-Buy-out-Verträge zu unterschreiben, wenn Sie ihre Produkte überhaupt an die Verlage loswerden wollen. Und da geht es dann nicht um die Verwertung der Erstveröffentlichungen, sondern um die Zweit-, Dritt- und Viertveröffentlichungen, die Verbreitung im Netz und das Verkaufen dieser Produkte durch die Verlage an beliebige Dritte. Von diesen Einnahmen der Verlage sehen die betroffenen Autoren, die Urheberinnen und Urheber also, in der Regel nichts. Axel Springer, wie gesagt, will auf seinen By-out-Verträgen bestehen.

Um einmal eine andere Branche zu nennen, die Bildjournalisten, damit sind jetzt die Fotografen gemeint, bemühen sich darum, ihre Rechte an den von ihnen gefertigten Bildern durchzusetzen. Wir haben eine heftige Auseinandersetzung etwa mit dem Verlag Ganske, in Hamburg bekannt als Eigentümer des Jahreszeiten Verlags, der ähnliche

Vertragsrechte gegenüber den Urhebern durchsetzen will.

Also das Lamentieren über die Piraten ist das eine Thema. Das Problem, dass die vielen Urheber und Urheberinnen von Texten, Inhalten, von Bildern in den Verlagen massiv unter Druck gesetzt werden, ist das andere Thema. Deshalb sagen wir, der Antrag von CDU und GAL in Ehren, er kommt ohnehin sehr samtpfötig daher, um es einmal ganz vorsichtig zu formulieren, vermeidet jegliche Festlegung und spricht viel von prüfen, aber wir werden ihm trotzdem zustimmen. In ein paar Punkten muss er allerdings deutlich präzisiert werden und deshalb sprechen wir uns dafür aus, dies im Bereich des Urheberrechtes zu machen. Wir finden es gut, dass wir die Chance haben werden, dieses Fachthema im Kulturausschuss wirklich zu diskutieren, und setzen darauf, dass wir vielleicht, obwohl jetzt der Antrag der Regierungskoalition durch das Parlament zunächst angenommen werden soll, zu einem gemeinsamen Petitum kommen, um diese Fragen, die hier gestellt worden sind, noch zu vertiefen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Farid Müller.