Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zur Amtsführung von Frau Schnieber-Jastram kann und möchte ich nichts sagen.
Aber wir diskutieren über den Antrag der Wiedereinführung eines Sozialtickets. Es ist gesagt worden – und das möchte ich noch einmal unterstreichen –, dass das nicht ein paar Tausend Menschen sind, die von diesem Ticket betroffen sind und in den letzten Jahren in ihrer Mobilität eingeschränkt waren, sondern es waren über 200 000 Menschen. Ich sage das jetzt, weil wir auch aus unserer eigenen Erfahrung aus unserer Partei viel damit zu tun haben.
Das Gefühl der Ghettoisierung ist für die Betroffenen wirklich eine Einschränkung, wenn sie aus ihrem Wohnbereich nicht herauskommen. Das mögen Sie nicht teilen, aber das ist das, was hier zur Diskussion steht. Es geht uns darum, dieses Grundrecht der Mobilität in einer Stadt wieder herzustellen. Deswegen unterstützen wir den Antrag der SPD.
Frau Gregersen, ich hoffe wirklich, dass – Sie haben uns das schön vorgestellt – wir morgen staunen und ein vernünftiges Ergebnis haben werden. Das wollen wir uns dann einmal ansehen.
Ich möchte noch eine weitere Sache aufgreifen, weil Sie es aufgeworfen haben. Frau SchnieberJastram hat heute laut dem "Hamburger Abendblatt" zur Begründung – ich nehme an, dass das die Kolleginnen und Kollegen von der CDU inhaltlich teilen – gesagt:
"… darf nicht das Gefühl haben, dass es sich nicht mehr lohnt, morgen früh wieder zur Arbeit zu gehen."
Jetzt sage ich Ihnen etwas. Wahrscheinlich wissen Sie das nicht, aber wir haben eine Kollegin, die zwar nicht bei Karstadt, sondern bei Toom arbeitet. Wissen sie, was die Verkäuferin – sie ist heute entschuldigt – für Probleme hat? Sie ist seit über einem Jahr tariflos. Sie muss kämpfen, weil sie in den Abendstunden ihre Zuschläge nicht mehr bekommt. Das heißt: Damit ist auch für solch eine Verkäuferin das Problem des Mindestlohns, des Mindesteinkommens aufgeworfen.
Deshalb kann man zu dem, was Sie von der CDU in diesem Haus vorführen, nur sagen, dass Sie wirklich die Bodenhaftung verloren haben. Nicht die Verkäuferin bei Karstadt und auch nicht die Verkäuferin bei Toom wird Probleme haben, was den Leistungskompromiss in dieser Gesellschaft angeht,
sondern die werden sehr wohl Verständnis aufbringen dafür, dass Menschen, die dauerhaft ausgegrenzt sind, in dieser Stadt wenigstens ein Minimum an Lebensqualität zurückerhalten.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer einer Überweisung der Drucksachen 19/24 und 19/115 an den Verfassungsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist angenommen.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen – Initiative für ein erneutes NPDVerbotsverfahren! – Drs 19/91 (Neufassung) –]
Beide Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Verfassungsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Schneider, bitte.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Wir wollen mit unserem Antrag "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" Folgendes erreichen.
Erstens dass die Innenbehörde – leider ist Herr Nagel nicht da, wie ich sehe – endlich die Konsequenzen
aus dem Fiasko des gescheiterten ersten NPD-Verbotsverfahrens zieht. Wenn ich erinnern darf: Das Verfahren war 2003 gescheitert, weil das Beweismaterial, das die Bundesregierung vorlegte, unheilbar infiziert war. Es war damals aufgekommen, dass rund 30 von 200 NPD-Führungskadern vom Verfassungsschutz gelenkt und bezahlt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass Willensbildung und Tätigkeiten der NPD staatlicherseits beeinflusst waren. Es sah sich nicht in der Lage, zu unterscheiden, welche verfassungsfeindlichen Äußerungen und Tätigkeiten – vielleicht interessiert Sie das auch, meine Damen und Herren von der CDU – wem zuzurechnen waren, dem Antragsteller oder dem Antragsgegner. Daran scheiterte 2003 das Verbotsverfahren.
Was hat sich heute geändert? – Geändert hat sich, dass die NPD erstarkt ist. Sie sitzt in zwei Landtagen und hat bei Kommunalwahlen – auch im Westen übrigens – zum Teil hohe Ergebnisse erzielt. Auch wenn ihre Wahlergebnisse zuletzt eher mäßig ausfielen, gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Zunehmend gelingt es der extremen Rechten vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen, sich im Alltag zu verankern. Die Zahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten ist anhaltend hoch. Es gibt zahlreiche Regionen, in denen Menschen, die nicht in das Weltbild der
Migrantinnen und Migranten, Menschen anderen Aussehens, Homosexuelle, Obdachlose, politische Gegner. Nicht geändert hat sich also die Gefahr, die von der NPD ausgeht. Rassismus, Antisemitismus, Volksgemeinschaftsideologie, Verherrlichung des Faschismus verbunden mit dem aggressiven Kampf um die Straße – das kennzeichnet die Neonazis, deren harter Kern und organisatorischer Rückhalt die NPD ist.
Nicht geändert hat sich aber auch die Praxis, die 2003 zum Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens führte. Nach wie vor bezahlt der Verfassungsschutz Neonazis, originäre Neonazis,
wie das die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" damals formulierte. Er bezahlt sie dafür, dass sie Material liefern, das sie unter anderem selbst produziert haben.
Innensenator Nagel setzt diesem Skandal die Krone auf, wenn er die V-Leute-Praxis als Frühwarnsystem verharmlost. Wovor wird denn gewarnt und mit welchen Konsequenzen? Schlimmer noch, dass Herr Nagel SPD-Forderungen nach einem Verbotsverfahren mit folgenden Worten kritisiert – ich zitiere seine Äußerungen im "Hamburger Abendblatt" vom 7. April, Zitat:
"Um von ihren eigenen Problemen abzulenken, nimmt die SPD bewusst in Kauf, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes im Kampf gegen den Rechtsextremismus geschwächt wird."
Was soll denn das für ein Kampf gegen den Rechtsextremismus sein, wenn mit staatlichen Geldern Neonazi-Propaganda gefördert wird und wenn Neonazis als V-Leute gesteuert und zu ihrem Treiben angehalten werden?
An dieser Stelle ein Wort zum Antrag der SPD. Ich kann der Bedrohungsanalyse vorbehaltlos zustimmen. Die ist wirklich ausgezeichnet. Aber, meine Damen und Herren von der SPD, Sie sind als Tiger gesprungen, um als Bettvorleger von Herrn Nagel zu landen. Wenn fünf Jahre lang offensichtlich nichts unternommen wurde, die Gründe für den Einstellungsbeschluss von 2003 zu beseitigen, muss schon genau erklärt werden, was denn in der nächsten Zeit passieren soll. Sonst verschiebt man das Ganze auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Ich befürchte, das ist die Quintessenz des SPD-Antrags.
Wir wollen mit unserem Antrag darauf hinwirken, dass die V-Leute abgeschaltet werden und die V-Leute-Praxis beendet wird. Sie ist für sich genommen skandalös genug.
Damit komme ich zum zweiten Punkt. Diese Praxis wird nämlich zum Vorwand für Untätigkeit genommen. Wie auch andere CDU-Innenminister weigert sich Innensenator Nagel, die so gewonnenen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über die NPD für ein neues Verbotsverfahren zur Verfügung zu stellen. Herr Nagel argumentiert, dass das Zeugs infiziert sei und nicht verwendet werden könne. Tatsächlich ist es so: Um die Bedrohung festzustellen, die von der NPD ausgeht, bedarf es keiner verdeckten Operationen. Die NPD macht aus ihren antidemokratischen, verfassungsfeindlichen Zielen und ihrer Aggressivität keinen Hehl. Beides liegt offen zutage und erschließt sich jedem, der es wissen will. Ich zitiere zustimmend Frau Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden, die in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am 13. April sagte: