Protocol of the Session on May 13, 2009

(Beifall bei der LINKEN)

Eines muss man noch betonen. Die Gewerkschaften ver.di und GEW streiten zurzeit mit den Arbeitgebern über die Entgeltgruppe 9 oder 6. Die Gewerkschaften fordern Entgeltgruppe 9, die Arbeitgeber wollen nur die Entgeltgruppe 6 zahlen. Die Kolleginnen und Kollegen haben schlechte Arbeitsbedingungen und verdienen gleichzeitig sehr wenig. Wir haben in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise einen großen Erziehernotstand bundesweit und kein Mensch hat mehr Interesse daran, in diesem Bereich eine Fachhochschule zu besuchen, hier eine Ausbildung zu machen. Man muss in diesen Bereich finanziell mehr einbringen, hier muss etwas geschehen.

Als vorhin mein Kollege Hackbusch zum Thema ASD, Allgemeine Soziale Dienste, geredet hat, hat der Kollege von der CDU sich darüber beschwert, dass sie viel investieren. Ich glaube, der Brief des ASD-Kollegen aus Wilhelmsburg ist für den Senat nicht deutlich geworden.

(Christiane Blömeke GAL: Ich glaube, das ist jetzt ein anderes Thema!)

Bei den Kita-Plätzen und insgesamt im Bildungsbereich wird jetzt investiert, das bestreiten wir auch nicht. Aber man muss auch sehen, dass die Zahlen steigen. Die Fallzahlen steigen, die Kita/Krippen-Zahlen steigen dadurch, dass zusätzliche Krippenplätze eröffnet werden.

(Christiane Blömeke GAL: Ist doch gut, wenn die Krippenzahlen steigen!)

Das habe ich auch betont, aber diese Ausgaben muss man miteinander vergleichen, ob das im Konsens ist. Wir sind der Auffassung, dass es nicht im Konsens ist, in diesem Bereich mehr zu investieren. Es ist schön, dass ein guter Schritt gemacht wurde, aber das reicht nicht aus.

(Beifall bei der LINKEN)

(Christiane Blömeke)

Das Wort bekommt Senator Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kita, Hort, Schule, Hamburg schafft gute Bedingungen für die Kinder – in der Tat. Mit den Senatsbeschlüssen vom 5. Mai 2009 zur Beitragsfreiheit der Fünf-Stunden-Betreuung im letzten Jahr vor der Schulpflicht werden Familien ab dem 1. September mindestens 320 Euro bis zu 2500 Euro im Jahr sparen können. Mit der Unterstützung der Kindertagespflege-Eltern durch Übernahme der hälftigen Sozialversicherungsbeiträge erhalten die betroffenen Tagespflegepersonen über 800 Euro im Jahr mehr; zwei Beschlüsse, die Hamburgs Familien stärken.

Noch bedeutender ist die politische Grundsatzentscheidung der Schulbehörde von Kollegin Goetsch und meiner Jugendbehörde zur Perspektive der verlässlichen Kinderbetreuung im Primarschulalter.

Wie ist die derzeitige Ausgangslage? Wir haben eine steigende Nachfrage nach Hortbetreuungsleistung, weil viele aus der hervorragenden Betreuung im Kita-Gutscheinsystem jetzt auch diesen Anspruch ableiten, dass Familie und Beruf auch in der Schule besser miteinander vereinbar sein sollen. Wir wissen, dass es Eltern und Träger gibt, die Angst davor haben, dass durch den Primarschulprozess Horte aus Schulen herausgedrängt werden könnten mit der Begründung, man bräuchte die Räume.

Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch im Schulsystem, insbesondere in den Ferien, verbessert werden soll.

Diese Ausgangslage macht eine Entscheidung für die Optimierung der Systeme erforderlich. Jetzt war die große Frage, verbessern wir das Hortsystem und die Schule kümmert sich um die Primarschule oder schaffen wir das gemeinsam und integriert. Wir beide haben zusammengesessen, wir haben gesagt, es gibt einen politischen Willen, wir wollen, dass diese beiden Systeme zusammenarbeiten und mit diesem Auftrag haben wir eine gemeinsame Arbeitsgruppe beider Behörden eingesetzt, die hier die Details erarbeiten sollen.

Wenn wir diese Grundsatzentscheidung fällen im Interesse von Eltern und Kindern und weniger im Interesse der bestehenden Institutionen, dann bedeutet das aber auch, dass nicht alles so bleiben kann wie es ist. Denn die Richtungsentscheidung, die bisher getrennten Systeme zusammenzuführen, macht Entscheidungen erforderlich: Entweder Gutscheinsystem, Wettbewerb und Auswahl im Hortbereich oder Integration in Schule und Sicherstellung der Betreuung am Ort der Schule, entweder im Bereich Personalschlüssel, Gruppengröße, Mittagessen Rechtsanspruch bis zum 14. Lebens

jahr und so weiter, entweder Standard des Kita-Gutscheinsystems oder Standard der Schule, entweder Errichtung separater Betreuungsflächen, also massive Investition in Hortflächen, oder Nutzung von Schulräumen und schließlich entweder Beibehaltung des bisherigen Rechtsanspruchs zur Vereinbarkeit aus dem KiBeG oder eine Betreuung für alle Schüler und Eltern, die das wollen.

Genau in diesen Fragen haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen, für die Integration in und an der Schule täglich von sechs bis 18 Uhr und in den Ferien eine verlässliche Kinderbetreuung, die in der Kernzeit im Schulbetrieb von acht bis 16 Uhr sogar kostenlos ist.

Wir haben uns entschieden für die Schulstandards. Wir haben uns entschieden, dass wir die Schulräume nutzen wollen und die nötigen Investitionen für den Bau von Schulkantinen und Multifunktionsräumen ausgeben wollen und eben nicht für zwei oder drei Stunden Anschlussbetreuung Extraflächen errichten wollen.

Diese Entscheidung ist für Kenner der Szene und diejenigen, die Kita und Schule seit Jahren und Jahrzehnten beobachten, durchaus historisch und bundesweit vorbildlich.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Mir war trotz dieses Schritts, der im Endergebnis bedeutet, dass die Jugendbehörde Kompetenzen und Geld an die Schulbehörde abgibt, wichtig, dass wir bei diesem Systemwechsel die bestehenden Kita- und Hortträger mitnehmen. Dort werden jetzt schon 15 000 Kinder betreut. Wir werden einen neuen Landesrahmenvertrag dazu mit der Schulbehörde abschließen, es wird exklusive Vorrechte der bestehenden Träger vor Ort geben. Wir werden das betriebswirtschaftliche Risiko der Träger gegenüber dem Gutscheinsystem reduzieren und wir schaffen Planungssicherheit für die kommenden Jahre.

Wichtig war mir aber auch, dass wir die engagierten Pädagogischen Mittagstische, die es jetzt auch schon gibt, immerhin 1800 Kinder, ebenfalls mitnehmen bei diesem Konzept. Als Jugendsenator war mir auch wichtig, dass wir die offene Kinderund Jugendarbeit, die Jugendvereine, den Sport mitnehmen und dafür sorgen, dass diese Angebote in den Nachmittagsbetrieb an den Schulen integriert werden

(Beifall bei der CDU und der GAL)

und das alles in partnerschaftlicher Zusammenarbeit statt in Konkurrenz.

Bis zu der Umsetzung 2011/2012 haben wir viel zu tun. Wir müssen in jeder Schule, in jeder Schulregion die Kapazitäten klären, wir müssen in den kommenden Jahren die Investitionen in die Schulkantinen und Multifunktionsräume vornehmen. Wir müssen die Rahmenbedingungen mit den Hortträ

gern, der Jugendhilfe und den Sportvereinen schaffen und wir müssen die bestehenden Kapazitäten ausbauen.

Angesichts dieser Herausforderungen, Frau Veit, habe ich wenig Verständnis für Ihre Kritik, dass diese Maßnahme so spät käme. Wenn ich hier manch andere Debatte, wo es um die Veränderung der Schulen geht, höre, kritisiert die SPD ansonsten doch immer, dass diese Veränderungen viel zu schnell kämen.

Diese Form von Kritik – die Primarschule kommt für die Schulen zu schnell, aber dieser Systemwechsel für Schulen und Kitas könnte mal eben organisiert werden, der käme in zwei Jahren viel zu spät – zeigt, auf welchem Niveau die SPD-Familienexperten hier Politik machen – überschaubar, reflexhaft und oberflächlich.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich möchte wirklich an Sie appellieren, dass wir alle an diesem bundesweit beispielhaften Systemwechsel, der Schule und Kinderbetreuung verlässlich zusammenfasst, mit aller Kraft arbeiten, und ich lade auch die politischen Konkurrenten ausdrücklich ein, im Interesse von Eltern und Kindern hier an einem Strang zu ziehen. Dann bewahrheitet es sich – wo die Zeitungen recht haben, haben sie recht –, die Beschlüsse des Senats zur Beitragsbefreiung im letzten Kita-Jahr, zur Unterstützung der Kindertagespflege und zur Zusammenführung von Schule und Hort, das war ein guter Tag für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Michael Neumann SPD: Die Laterne ist abgegeben! Der neue Freytag! Jetzt bringt er den Satz!)

Meine lieben Abgeordnetenkollegen, Sie kennen das Verfahren. Nach Paragraf 22 Absatz 3 hat nun jede Fraktion noch einmal die Chance, einen Redebeitrag zu halten. Von Herrn Freistedt habe ich die Wortmeldung schon gesehen.

Herr Freistedt, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Was wir eben diskutiert haben unter dem zweiten Tagesordnungspunkt ist inhaltlich sicherlich eine Sternstunde dieses Parlaments, denn was wir hier vorhaben ab 2011/2012 nutzt allen unseren Familien. Dafür sind wir – ich glaube, alle Fraktionen, alle Parteien – im Wahlkampf angetreten. Wir haben jetzt einen wichtigen Baustein geleistet dafür, die Zukunft unserer Kinder abzusichern.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der beteiligten Senatorin und dem Senator dafür, dass sie mit ihren Behörden gemeinsam konstruktiv zusammengearbeitet haben, dass sie

sicherlich Diskussionen in ihren eigenen Reihen, wer kann auf was zurückgreifen, zurückgestellt haben, weil wir alle gesehen haben, dass die Schlagworte "Kinder sind unser Talent", "Kinder sind für uns wichtig in unserer Freien und Hansestadt Hamburg" mit Leben gefüllt werden. Wenn wir jetzt auf die historische, wirtschaftliche Situation blicken, erhalten Eltern zum ersten Mal rechtzeitig die Möglichkeit, ihre eigene Lebensplanung danach auszurichten, was dieser Senat ab 2011/2012 im Bereich der Betreuung umsetzen will. Ich halte das für einen ganz famosen Fortschritt. Wir werden sehen, in zwei Jahren wird dieses wirklich zu einem Renner werden und Schule wie Kindergarten werden voneinander profitieren.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wenn CDU und GAL sich in dieser Koalition damit befassen, dann hat das natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir inhaltlich die Bildungsangebote in dieser Stadt verstärken wollen. Wir haben eben schon in den beiden Debatten darauf hingewiesen, dass dieses Geld kostet. Und wenn ich mir die eine oder andere Kritik – ich würde es als Nörgelei bezeichnen – hier anhöre, dann ist gegenüber dem großen Fortschritt, den wir machen, die von Ihnen angebrachte Kritik nichts im Vergleich zu dem, was in den nächsten Jahren eingespeist wird.

Die deutlich werdenden Vorgaben werden den Schulen rechtzeitig mitgeteilt. Das ist wichtig, denn die Schulen und die Träger der Kinderhilfe, die Freien Träger, die in diesen Bereichen beteiligt sind, haben so Gelegenheit, sich in den nächsten 18 Monaten auf diesen gemeinsamen Weg zu begeben, damit niemand den Eindruck erweckt, hier würde jemand zu kurz kommen, damit im Bereich der Schule die Klassengestaltung so hergerichtet werden kann, dass vormittags oder mittags Unterricht gemacht wird und nachmittags die Betreuungsangebote hinzukommen. Wir setzen auf diese Kooperationsbereitschaft und wir glauben, dass damit auch ein erfolgreicher Weg beschritten wird.

Diese neue Struktur in unserem Bildungssystem – frühe Bildung, dann schulische Bildung – haben wir jetzt optimiert und es ist der Kernpfeiler einer zukünftigen Generationenbildung in Hamburg. Wir sind froh, dass wir dieses Etappenziel erreicht haben und dass die Bürgerinnen und Bürger, die dies auch von uns erwarten, künftig ein qualitativ gutes Angebot zum Wohle unserer Kinder in dieser Stadt bekommen. Darauf setzen wir und wir sind guten Mutes, dass wir gemeinsam mit Ihnen zu den besten Möglichkeiten und zur besten Ausgestaltung dieses Programms kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Frau Rugbarth.

(Senator Dietrich Wersich)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Freistedt, es ist sehr kühn, dass Sie und Ihre Fraktion sich hier feiern lassen für den zukünftigen Erlass der Gebühren für die Vorschule! Sie haben diese Gebühren doch schließlich selbst eingeführt! Und das nur, um diese anschließend wieder abzuschaffen?

(Beifall bei der SPD – Barbara Ahrons CDU: Das macht die Bundesregierung laufend!)

Ich verstehe wirklich nicht, wie man das als Sternstunde und als großen Fortschritt verkaufen kann, erst Rückschritt und dann nach vorne. Frau Blömeke nennt es gar einen Riesensprung in der Betreuung. Einen Riesensprung würde ich es nicht unbedingt nennen, um das jetzt auf die sachliche Ebene herunterzubringen. Wenn man sich den Projektbericht anschaut, nach den eigenen Aussagen, Frau Senatorin, Herr Senator, reichen die bisherigen Mittel für die Betreuung von Schulkindern auch zukünftig aus. Wenn man aber sagt, wir haben bis jetzt 23 Prozent der Kinder in der Betreuung, die Zielzahl ist etwa 40 Prozent, dann kann man nicht mit den gleichen finanziellen Mitteln auskommen. Sie haben davon gesprochen, dass der Betreuungsschlüssel den Schulstandards angepasst wird. Es ist schon schlimm genug, dass wir jetzt mehr Kinder in den Gruppen haben werden, denn es kommt auf die Qualität an. Die Qualität muss erhalten werden an dieser Stelle und ich wage zu bezweifeln, dass Sie das mit den gleichen finanziellen Mitteln erreichen werden.

Ich habe noch einen weiteren Punkt in diesem Projektbericht gefunden – es ist ja noch keine Drucksache im eigentlichen Sinne –, dass es für die Träger der Einrichtungen finanzielle Abschläge geben wird, wenn weniger Kinder als die Maximalbelegung in der Hortgruppe vorhanden sind. Herr Senator, das ist der Einstieg in die Quantität, aber nicht der Einstieg in die Qualität, und die wollen die Eltern haben.

(Beifall bei der SPD)

Das haben wir nämlich bei dem vergleichbaren System der Stundenzuweisungen an die Schulen gesehen. Da werden Klassen bis zur Maximalbelegung aufgefüllt, um die entsprechenden Stunden und Finanzzuweisungen zu erhalten. Das sieht mir eher danach aus, dass unsere Kinder aufbewahrt werden sollen. Meine Fraktion und die Eltern Hamburgs möchten aber nicht, dass die Kinder nur aufbewahrt werden, sondern dass sie wirklich pädagogisch anspruchsvoll betreut werden. Dazu gehören nun einmal auch finanzielle Mittel, eine Betreuung zum Nulltarif wird es ganz einfach nicht geben.