Protocol of the Session on March 3, 2009

Das gilt für Berlin.

(Wolfgang Beuß CDU: Aber nicht für Ham- burg!)

Hören Sie zu, Herr Beuß.

Ich schätze Herrn Abelshauser. Er ist meines Erachtens ein herausragender Wirtschaftshistoriker. Ich werde ihm in diesem Fall nicht zustimmen. Die Regierungskoalition in Hamburg, das ist mein Eindruck, weiß nicht, dass sie das Falsche tut. Hier liegt bloße Ignoranz oder gravierende Fehlbeurteilung einer gesellschaftspolitischen Herausforderung vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe Ihnen schon vorgelesen, wie Sie die Konjunkturoffensive begründen. In einem anderen Antrag von Ihnen finde ich den Satz:

"Auch die derzeitige Finanzkrise mit den zu spürenden negativen konjunkturellen Effekten wird aller Voraussicht nach nicht dazu führen, dass der langfristige Wachstumspfad nachhaltig beeinträchtigt wird."

Der Wachstumspfad wird langfristig nicht beeinträchtigt. Das ist meines Erachtens das Geheimnis des politischen Immobilismus, den Sie darstellen. Das ist das Geheimnis, warum Sie dann sagen, Sie dämpfen mit 0,3 Prozent des Hamburger Bruttoinlandsprodukts. Und Sie versuchen der Öffentlichkeit zu verkaufen, dass das eine Großtat sei. Das heißt, Sie lassen alles beim Alten und das Dollste ist, wenn Herr Schira sagt – viele Aspekte in seiner Rede kann ich sogar nachvollziehen und finde ich gut –, eine Krise müsse auch als Chance gesehen werden. Ich möchte einmal wissen, was denn bei 0,3 Prozent pro Jahr vom Bruttoinlandsprodukt Chance ist. Wo ergreifen Sie denn die Initiative, um umzustrukturieren? Das kann ich nicht erkennen.

Ich möchte Ihnen auf dieses Konzept, langfristig bleibt alles beim Alten, mit einem großen Ökonomen und Wirtschaftspolitiker aus der ersten großen Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts antworten:

"Langfristigkeit ist irreführend im Tagesgeschäft."

Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

"Langfristigkeit ist irreführend im Tagesgeschäft. Langfristig sind wir alle tot. Ökonomen …"

und ich ergänze: Politiker –

"… machen es sich zu leicht, wenn sie in stürmischen Zeiten nur sagen, dass das

Meer wieder ruhig sein wird, wenn der Sturm vorüber ist."

So machen Sie Politik und das hat schon einmal mit einer Katastrophe geendet. Wenn Sie nicht schleunigst nachbessern bei dem Konjunkturprogramm, dann werden wir dasselbe noch einmal erleben. Eines ist auf jeden Fall klar. Mit dieser Art – entschuldigen Sie, wenn ich das noch einmal sage – die Öffentlichkeit mit Ihrer Konjunkturoffensive hinter das Licht zu führen, werden Sie nicht durchkommen. Fragen Sie einmal im Stadtteil Ihre Wähler.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Finanzsenator.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die ganze Welt ist konfrontiert mit der schwersten Wirtschaftskrise seit den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Deutschland als Exportnation leidet besonders darunter. Der globale Wirtschaftsabschwung und die immer härter werdenden Finanzierungsbedingungen werden nach Expertenschätzung allein in unserem Land zu 33 000 Unternehmensinsolvenzen führen. Traditionsreiche Firmen wie Schiesser, Märklin und Rosenthal stehen auf der Liste insolventer Unternehmen. Opel, ein sehr traditionsreiches Automobilunternehmen, ist in einer dramatischen Schieflage, Banken sind oder werden zum Teil oder ganz verstaatlicht. Galten im Dezember noch Schätzungen des Rückgangs von 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als pessimistisch, müssen wir heute von weit dramatischeren Rückgängen ausgehen. Das Gleiche gilt auch für die erheblichen Auftragsrückgänge für die Industrie.

In dieser Situation ist der Ruf nach dem Staat allgegenwärtig – der Staat als die letzte Instanz des Vertrauens – insbesondere von jenen, die sich solche staatlichen Einmischungen immer verbeten haben. Das ist schon eine absurde Situation, die vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten hätte, aber doch ist es so. Wir brauchen auch in einer freien und sozialen Marktwirtschaft einen starken Staat, denn nur er ist in der Lage, in einer schweren Krise die letzte Vertrauensinstanz zu bilden. Deshalb stehe ich bei allem Eintreten für die Marktwirtschaft auch für einen starken Staat, einen so starken Stadtstaat, wie Hamburg einer ist.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Hamburg ist natürlich als internationale Drehscheibe des Handels insbesondere von globalen Wirtschaftskrisen betroffen. Das, was in guten Zeiten von besonderem Vorteil ist, nämlich international aufgestellt zu sein und den größten Hafen in

Deutschland zu haben, wird in einer Wirtschaftskrise zum Bumerang und die ersten düsteren Vorboten haben wir im Hamburger Hafen 2008 erleben müssen, als erstmals seit 1982 der Containerumschlag des Vorjahres nicht wieder erreicht wurde und wir die Wachstumsraten der vergangenen Jahre ganz eindeutig verfehlt haben. Gleichwohl sind Hamburgs Wirtschaft und die Stadt Hamburg starke Akteure auch in schwieriger See. Hamburg geht schweren Zeiten entgegen, aber Hamburg ist gut gewappnet, und zwar mit einem Staatshaushalt, der in den letzten Jahren konsequent von diesem Senat konsolidiert worden ist,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das glauben Sie doch selbst nicht mehr!)

sodass wir in den Jahren 2007 und 2008 unseren Haushalt aus eigener Kraft ausgeglichen haben ohne Neuverschuldung. Diese Leistung hilft uns jetzt in der Krise.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich finde es bemerkenswert, dass insbesondere die Vertreter der SPD-Opposition meinen, tatsächlich uns in puncto Haushaltskonsolidierung angreifen zu können. Ich habe die Zahlen, wie Sie den Haushalt behandelt haben. Sie haben ab 1970 bis 2001 Hamburgs Staatshaushalt dadurch traktiert, dass Sie die Staatsverschuldung alle zehn Jahre verdoppelt haben. Sie haben es fertig gebracht, in Ihrem letzten Jahr unter SPD-geführter Regierung noch 823 Millionen Euro neue Schulden aufzunehmen, das war 2001.

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben 2007 und 2008 überhaupt keine Schulden mehr aufgenommen und im Jahr 2001 – diese Zahl will ich Ihnen einmal ganz deutlich nennen – hat der letzte SPD-geführte Senat 708 Millionen Euro Defizit im Betriebshaushalt gehabt. Wir hatten letztes Jahr, im Jahr 2008, den höchsten Überschuss in einem Betriebshaushalt aller Zeiten in Hamburg mit 1 344 000 000 Euro. Das ist eine Leistung, die Sie nie geschafft haben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Hamburg ist Vorreiter bei der Modernisierung des Staatshaushalts. Wir haben als erstes Bundesland eine konsolidierte Konzernbilanz für ganz Hamburg und 390 Beteiligungen vorgelegt. Diese Bilanz sagt aus, dass wir bei 65 Milliarden Euro Bilanzsumme einen Gewinn ausgewiesen haben sowohl für den Kernhaushalt als auch für den öffentlichen Unternehmensbereich von 800 Millionen Euro, dass wir 10 Milliarden Euro Vermögenspositionen haben an Unternehmen und 20 Milliarden Euro Vermögenspositionen haben an Grundstücken und Immobilien. Das ist ein starkes Pfund in der Krise, wenn man den Haushalt so konsolidiert hat, dass man jetzt stark in schwere Zeiten geht.

(Dr. Joachim Bischoff)

Denjenigen, die sich früher übernommen haben, die sich verschuldet haben, steht jetzt in der Tat das Wasser bis zum Hals. Auch wenn es für uns schwer wird, wir haben immerhin so gut gewirtschaftet und Polster angelegt, dass wir jetzt die Krise bestehen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Dr. An- dreas Dressel SPD: Die Polster sind doch alle verfrühstückt!)

Es gehört eben dazu, dass man seinen Haushalt so gestaltet und auch modernisiert, dass so etwas überhaupt möglich ist. Daran ist viele Jahre gearbeitet worden.

Die jetzt vorgesehene Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in der Verwaltung schafft die nötige Transparenz über die finanzielle Lage, richtet den Haushalt an den Erfordernissen aus und erhöht die Generationengerechtigkeit, verbessert die Haushaltssteuerung und ermöglicht auch die Vergleichbarkeit. Diesen Weg, den wir beschritten haben, der zu diesen guten Ergebnissen geführt hat, werden wir fortsetzen. Die aktuellen Haushaltszahlen belegen, dass Hamburg auch in der Krise handlungsfähig ist. Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit, Haushaltskonsolidierung ist der Weg, der ohne Alternative ist.

Wie sieht unser Haushalt aus, den wir eingebracht haben? Es sind annähernd 22 Milliarden Euro, das sind Größenordnungen, die heruntergebrochen werden müssen, damit man sie versteht. Die größten Blöcke aller staatlichen Haushalte sind längst verteilt auf große Ausgabepositionen. Tun Sie doch nicht so, als würde man jetzt im großen Stil Mehrausgaben auf den Weg bringen können, ohne dass man eine Deckung hat.

Wir zahlen jeden Tag allein an Gehältern für den öffentlichen Dienst 5,8 Millionen Euro, das ist der größte Posten. Wir zahlen jeden Tag 2,9 Millionen Euro an Pensionen für die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt. Für Sozialleistungen, also Sozialhilfe, Kosten für Asylbewerber, Obdachlosigkeit, Gesundheit, Krankenschutz, Pflegegeld, Eingliederungshilfen und Seniorenarbeit zahlen wir täglich 3,3 Millionen Euro. Und wir zahlen jeden Tag etwa 2,8 Millionen Euro für etwas, was Sie uns eingebrockt haben, für die überbordende Staatsverschuldung, die Sie in diese Höhe geschraubt haben, jeden Tag fast 3 Millionen Euro Zinsen. Das ist Politik gegen die Kinder und Kindeskinder, die heute auf die Welt kommen. Das ist eine Politik, die nichts mit Generationengerechtigkeit zu tun hat. Deshalb haben wir die Neuverschuldung 2007 und 2008 beendet und das ist eine Leistung dieses Senats.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Dieser Haushalt enthält natürlich auch Ausgaben, die wir bisher nicht hatten. Wir haben mehr ausgegeben, dazu bekennen wir uns auch. Die schwarz

grüne Koalition hat einen Koalitionsvertrag zugrunde gelegt,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da haben Sie Wahlgeschenke verteilt!)

der an den sozialen Notwendigkeiten der Stadt orientiert ist, der einen Schwerpunkt legt auf Familie, auf Bildung, auf Umweltschutz, auf Wirtschaft, auf Innere Sicherheit. Natürlich kostet die Ausfüllung eines solchen Vertrages Geld, aber wir stehen dazu. Das ist kein Geld, das wir abstrakt bei uns parken, sondern das ist Geld, das für die Menschen in unserer Stadt arbeitet, das bei den Menschen ankommt.

Ich sage Ihnen einmal, wie viel Geld wir an die richtige Stelle bringen. Allein im Bereich des Lehrerpersonals und der Kindertagesbetreuung werden wir 2009/2010 288 Millionen Euro zusätzlich ausgeben. Sie können das gerne ablehnen, aber dann sagen Sie, warum Sie das tun. Wir stehen dazu, dass Kinder und Bildung die Zukunft für unsere Stadt sind, und wir werden das auch in der Krise finanzieren.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Allein der Kindertagesbereich wird mit 123 Millionen Euro gestärkt. Die Zahl der in Kitas und Vorschulen betreuten und geförderten Kinder steigt auf die höchste Zahl, die wir in Hamburg hatten, auf über 80 000. Wir haben zusätzlich 24 Millionen Euro ab Beginn des Schuljahres 2009 für die Einführung des beitragsfreien Kitajahres im letzten Jahr vor der Einschulung bereitgestellt und werden ab 2010 den allgemeinen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr ebenfalls finanziell unterstützen. Wir werden in dieser Legislaturperiode 50 Ganztagsschulen entstehen lassen. Die Zahl der Ganztagsschulen wird damit auf über 200 erhöht. Wir werden im Bereich Familie und Soziales auch für die Schwächeren ganz gezielt zusätzliches Geld ausgeben. Allein die Einführung der sogenannten Sozialkarte für den Hamburger Verkehrsverbund kostet den Haushalt 28 Millionen Euro. Dieses Geld kommt bei Menschen an, die nicht viel im Portemonnaie haben. Wir denken auch an jene, denen wir helfen müssen in einer Stadt, in der es immer noch sehr viel Wohlstand gibt. Aber es gibt eben auch andere Seiten dieser Stadt und der Haushalt ist ausgewogen, er ist austariert. Er ist nicht nur an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten orientiert, sondern auch an den sozialen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Schule, Bildung und Wissenschaft sind ein großer Schwerpunkt. 30 Millionen Euro gehen in die Exzellenz-Initiative der Landesforschung. Wir werden eine ganze Reihe von neuen Stellen ausbringen an der Hamburger Universität und an verschiedenen Hochschulen. In die Bereiche Modernisierung und Grundinstandsetzung der Hochschulförderung

(Senator Dr. Michael Freytag)

werden wir in den nächsten zwei Jahren insgesamt 300 Millionen Euro investieren, in unser Klimaschutzkonzept 25 Millionen Euro jährlich. Für die Quartiersoffensive "Lebenswerte Stadt Hamburg" werden wir 10 Millionen Euro aufbringen. Wir werden massiv investieren in die Hafeninfrastruktur und auch im Bereich Innere Sicherheit werden wir soviel Geld ausgeben, wie frühere Senate das noch nie gemacht haben.

Dazu gehört natürlich auch, nicht nur seinen Haushalt in der schwierigen Zeit auszubauen, sondern auch die Konjunkturprogramme zu nutzen, die der Bund zur Verfügung stellt und dass wir ein eigenes Konjunkturprogramm auflegen.