Protocol of the Session on March 3, 2009

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Willkommen zurück, Herr Neumann, schön, dass Sie wieder im Saal sind. Vorhin sind Sie so schnell hinausgerannt, dass ich schon fürchtete, der Noro-Virus habe die SPD erwischt. Aber es war kein menschliches Bedürfnis, sondern nur die Bedienung der Eitelkeit, dass Sie noch schnell, während der Bürgermeister sich mit Ihren Vorstellungen auseinandersetzte, ein Interview geben wollten.

Wenn man sich einmal anschaut, was Sie ansonsten gerade geboten haben, dann fand ich am besten, Herr Tschentscher, dass Sie in Sachen Elbphilharmonie per Bürgerschaftsbeschluss festlegen wollen, dass Sie 109 Millionen Euro billiger wird; das ist eine gigantische Leistung. Ich hatte schon immer den Eindruck, dass Haushaltspolitik bei Ihnen so ähnlich funktioniert, vor allen Dingen, wenn es darum geht, Einnahmen zu beschaffen.

Sie fordern ein Schiedsgericht. Man weiß aber auch bei einem Schiedsgericht nicht, wie das Ergebnis ist; da gehen Sie schon einmal ein Risiko ein. Und dann wird dieses Schiedsgericht nur über bautechnische Fragen im Verlauf von etwa zwei Jahren entscheiden – wenn man Baustellen zwei, drei Jahre ruhen lässt, verteuert das auch Baustellen –, aber die rechtlichen Fragen löst es überhaupt nicht. Aber Sie kennen offenbar schon das Ergebnis dieses Schiedsgerichts, das unabhängig

ist. Es erbringt 109 Millionen Euro, die Sie heute schon lustig ausgeben.

Dann werfen Sie uns das Übliche vor, wir hätten sozusagen in sozialdemokratischer Tradition Vermögensauflösung betrieben, aber wir haben nicht einfach Ihre Politik fortgesetzt. Ich wiederhole: Es ist ein Unterschied, ob Sie ein Haus verkaufen, um ein anderes Haus zu kaufen, also Vermögen in neues Vermögen umwandeln, oder ob Sie das Vermögen für Betriebskosten ausgeben, wie Sie dies immer gemacht haben, und man locker sagt, wir verkaufen das Haus, fahren in Urlaub und gehen einmal gut essen.

(Ingo Egloff SPD: Wo ist denn das neue Vermögen? Bei der HHLA zum Beispiel?)

Ihr Antrag ist ja eine Tischvorlage und Sie haben vorhin zu Recht erwähnt, dass man bei Tischvorlagen Fehler machen kann. Sie haben als einen großen Fehler der CDU während ihrer Regierungszeit von nunmehr acht Jahren festgestellt, dass wir neulich in einer Tischvorlage im Ausschuss einen Fehler gemacht haben. Wenn Sie uns einen Fehler nachweisen, dann korrigieren wir das sofort. Wenn die Opposition einmal recht hat, dann soll sie auch recht bekommen. In Ihrer heutigen Tischvorlage, immerhin der Leitantrag Ihres Haushaltsantrags, sprechen Sie von gescheiterten Höhepunkten. Was ist denn ein gescheiterter Höhepunkt?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und es gibt Tief- punkte wie dieser Debattenbeitrag!)

Ich kenne natürlich eine ganze Reihe gescheiterter Sozialdemokraten, aber was ist ein gescheiterter Höhepunkt? Wenn ein Höhepunkt nicht stattfindet, war es kein Höhepunkt. Es gibt schöne, genussvolle Höhepunkte, aber gescheiterte?

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Weil schon Herr Kerstan in Ihren Anträgen furchtbar wenig Substanz gefunden hat, will ich Ihnen wenigstens ein Rating geben. Ich gebe Ihnen und auch der LINKEN insgesamt ein Triple A, dreimal A. Das erste bekommen Sie, Frau Heyenn, für die Abwicklung. Sie sagen, Sie wollen 1100 Arbeitsplätze retten, indem Sie eine Bank mit 4500 Arbeitnehmern abwickeln; das finde ich grandios. Das haben Sie gesagt, lesen Sie es nach.

Das zweite A steht für abwägig. In Ihrem Antrag und auch in Ihren Wortbeiträgen taucht das Wort neoliberal ständig auf und damit versuchen Sie, unsere Politik zu kritisieren. Sie wollen uns das Label neoliberal aufdrücken.

(Ingo Egloff SPD: Sind Sie doch!)

Neoliberal wäre es gewesen, sich bei Beiersdorf nicht zu engagieren. Neoliberal wäre es gewesen, sich bei der Norddeutschen Affinerie nicht zu engagieren und neoliberal wäre es, die HSH Nordbank

(Dr. Peter Tschentscher)

und ihre Mitarbeiter und die vielen Kunden alleine zu lassen und pleitegehen zu lassen.

(Ingo Egloff SPD: Jetzt erzählen Sie uns noch, Sie sind Sozialist!)

Wir freuen uns, wenn Sie uns kritisieren und sagen, wir wären neoliberal und andere in Deutschland meinen, wir würden jetzt zum Sozialismus übergehen. Dann wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg der sozialen Marktwirtschaft sind. Da ist die Mitte und das ist unser Weg.

(Ingo Egloff SPD: Sie sind nach allen Seiten offen!)

Nun werden Sie natürlich vermuten, Herr Neumann, dass das dritte A ultraironisch ist. Da haben Sie wirklich recht, das dritte A steht für Anerkennung, nachdem uns die Bertelsmann-Stiftung und der Rechnungshof mehrfach für unseren Konsolidierungskurs in den letzten Jahren gelobt haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das passiert jetzt sicher nicht mehr!)

Das tun Sie doch gerade. Herr Neumann hat uns ausdrücklich zumindest für die Jahre 2001 bis 2006 einschließlich gelobt. Er hat sich Herrn Peiner zurückgewünscht und Herrn Dr. Freytag vorgeworfen, dieser würde den Konsolidierungskurs seines Vorgängers nicht fortsetzen.

Immerhin sagen Sie heute, es gab mit der CDU sechs sehr gute Jahre; da haben Sie vollkommen recht. Ich vermute einmal, Herr Neumann, dass Sie in zwei, drei Jahren, wenn Sie zu dem jetzigen Finanzsenator einen zeitlichen Abstand gefunden haben, hingehen werden und für Ihre Tochter um ein Autogramm bitten. – Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie müssen mich noch einmal ertragen. Ich bin nicht nur Fraktionsvorsitzender, sondern gleichzeitig auch noch haushaltspolitischer Sprecher. Aber keine Angst, es wird noch jemand anderes von uns reden,

(Ingo Egloff SPD: Echt?)

Sie müssen sich heute nicht nur mit mir begnügen.

Man muss sich schon ein bisschen wundern über manche Kritikpunkte, die auch Sie, Herr Tschentscher, vonseiten der Sozialdemokratie vorgetragen haben. Man kann den Eindruck gewinnen, Sie wissen gar nicht, worüber Sie genau reden. Das geht damit los, dass Sie so stolz sind, dass alle Ihre Anträge gegenfinanziert sind. Die meisten und auch die teuersten Anträge sind gegenfinanziert, indem Sie sagen, die Reste werden verwendet, werden

aufgelöst oder für etwas anderes eingesetzt. Wenn jemand, der mit Haushalt nicht viel zu tun hat, das Wort Rest hört, dann denkt er, da liege irgendwo Geld und das könne man dann nehmen und für etwas anderes ausgeben. Haushälter wissen, dass das nicht so ist. Reste in einem Haushalt sind beschlossene Projekte, für die Geld bereitgestellt wurde, die aber im letzten Haushaltsplan noch nicht begonnen wurden.

(Barbara Ahrons CDU: Sie werden es nie begreifen!)

Das heißt also, das ist projektgebundenes Geld und mit dem Projekt wurde noch nicht begonnen. Man kann natürlich sagen, ich gebe das Geld für etwas anderes aus, das ist durchaus möglich. Sie müssen dann aber sagen, welches Projekt, für das das Geld reserviert wurde, gestrichen werden soll. Genau um diese Frage haben Sie sich gedrückt und deshalb sind Ihre Anträge in diesem Bereich einfach nicht seriös.

(Hans-Detlef Roock CDU: So sind sie halt!)

Sie sollten nicht so stolz darauf sein und sich damit brüsten, dass Sie eine Gegenfinanzierung vorgenommen haben; das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Dann sagen Sie, wir hätten jetzt ein Defizit und das sei schon einmal ganz schlecht, obwohl im Moment alle Welt sagt, man solle sich nicht um Schulden kümmern, der Staat solle mehr ausgeben als er hat, weil man nur so mehr Wirtschaftsleistung generieren kann, um den Absturz der Wirtschaft zu verhindern. Das kann man kritisieren, aber ich habe bisher die Sozialdemokraten nicht so verstanden, dass sie sagten, man solle in der Krise die Verschuldung reduzieren, sondern es hieß, man solle sie eher verstärken. Aber es mag sein, dass Sie in Hamburg in dem Punkt eine andere Position einnehmen als alle anderen.

Aber dann steht im nächsten Satz: Dieser Senat verfrühstückt seine Rücklagen. Man muss sich ein bisschen wundern, was das eigentlich bedeuten soll. Entweder hat man kein Geld und lebt über seine Verhältnisse, dann hat man auch keine Rücklagen, oder man löst Rücklagen auf, wie Sie das richtig sagen, aber dann kann das Defizit auch nicht zu groß sein, wie Sie gesagt haben.

Dieser Senat hat einen Haushaltsplan-Entwurf vorgelegt, der im Kernhaushalt eine Nullverschuldung beinhaltet und im letzten Haushaltsjahr gebildete Rücklagen auflöst. Wann ist es denn sinnvoll, Rücklagen aufzulösen, wenn nicht in der größten Wirtschaftskrise der letzten 30 Jahre? Das ist nicht verantwortungslos, sondern dafür sind Rücklagen da und es ist auch richtig, dass wir sie jetzt auflösen. Darum werden wir uns von Ihrer Kritik auch nicht weiter beeindrucken lassen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

(Rüdiger Kruse)

Und so unseriös kann der Senat nicht gewirtschaftet haben, wenn es Rücklagen gibt.

Wenn man sich einmal die Bundesregierung anschaut und was dort passiert, dann ist im normalen Verfahren schon klar, dass es die größte Haushaltsverschuldung jemals auf Bundesebene werden wird. Wir reden im Moment davon, dass, wenn die Steuerschätzung schlecht ausfällt, wir ungefähr auf den Stand zurückfallen werden, als das letzte Mal im Haushalt Schulden aufgenommen wurden, das waren um die 600 Millionen Euro. Dafür will ich heute nicht die Hand ins Feuer legen, denn ich werde diese Steuerschätzung nicht machen. Aber Sie sind schon ganz sicher, was dabei herauskommt, Sie reden von 1,2 Milliarden Euro. Es würde mich einmal interessieren, woher Sie das haben. Anscheinend haben Sie auch Ihre Glaskugel dabei, aber ich glaube, damit kann man Haushaltspolitik nicht wirklich betreiben.

Ich möchte noch einmal zu diesem einen Thema kommen, bei dem Sie heute Ihre härtesten Angriffe fahren und bei dem Sie sich sehr einfach aus der Verantwortung stehlen, und das ist die HSH Nordbank. Der Bund hat 480 Milliarden Euro bereitgestellt, um Banken zu retten und um das Bankensystem zu stabilisieren. Der Bund hilft Eigentümern von Privatbanken, die sich verspekuliert haben, aus der Bredouille.

Die Dresdner Bank, die Commerzbank und andere haben sich übernommen und haben zu viele faule Kredite und vielleicht eine zu ehrgeizige Fusion geplant, was auch immer. Da hilft der Bund privaten Eigentümern und sagt nicht, die Eigentümer haben das verbockt, sollen sie es doch selber tragen. Bei privaten Banken und auch bei der VW Bank hilft der Bund, bei der HSH Nordbank – bei Hamburg und Schleswig-Holstein – tut er es aber nicht. Da würde ich von einem Hamburger Abgeordneten erwarten, dass er sagt, das sei ungerecht und diese Ungerechtigkeit nicht noch verteidigt. Damit erweisen Sie Hamburg einen Bärendienst, Herr Tschentscher, so darf man Parteipolitik nicht betreiben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

In der Tat war es so, dass wir dieser Regelung zugestimmt hatten, weil beim ersten …

(Thomas Böwer SPD: Wer?)

Soll ich Ihnen auch sagen warum?

(Thomas Böwer SPD: Ja!)

In der ersten Runde war überhaupt keine Hilfe für Landesbanken vorgesehen. Wir hätten diese 30 Milliarden Euro Liquiditätshilfe, die wir jetzt beantragt haben, wovon wir 10 Milliarden Euro bekommen haben, nicht bekommen, weil der Bund das am Anfang nicht wollte. Der Preis dafür, dass wir die Liquiditätshilfen bekommen haben und die HSH Nordbank nicht seit Oktober letzten Jahres in

solvent ist, war, dass wir zustimmen mussten, dann die Altlasten selber zu tragen. Aber das war ein Geschäftsabschluss unter Druck, das war mit aufgesetzter Pistole, da hatten wir keine Wahl. Da Sie so etwas verteidigen, kann ich nur sagen, dass Sie Parteipolitiker sind und nicht gewählter Volksvertreter von Hamburger Bürgerinnen und Bürgern.