Protocol of the Session on March 3, 2009

Allerdings würde eine von strengsten Sparzwängen diktierte Finanzpolitik wirtschaftliche und politische Verwerfungen hervorrufen, die niemand von uns verantworten kann; deshalb handeln wir gegen die Krise. Zusammen mit den Mitteln des Konjunkturprogramms II des Bundes stützen wir die Wirtschaft in Hamburg in diesem und im nächsten Jahr mit rund 550 Millionen Euro. Über die weitere Entwicklung unserer Einnahmen wird die Steuerschätzung im Mai Aufschluss geben. Der Bürgermeister

hat bereits angekündigt, nach der Steuerschätzung im Mai die Lage neu zu bewerten. Wir werden dann zumindest für die zweite Hälfte des Doppelhaushalts einen Nachtragshaushalt im Parlament beraten müssen.

Ich möchte natürlich auch etwas zur HSH-Nordbank-Situation sagen. Experten behaupteten schon – gestatten Sie mir das als Vorspann, weil es viele Propheten in unserem Land gibt – im vergangenen Herbst, die Finanzkrise habe ihren Höhepunkt erreicht. Aus der Krise der Finanzmärkte wurde eine globale Wirtschaftskrise, wie wir wissen. Vor drei Monaten hieß es, wir hätten in sechs Monaten das Gröbste hinter uns, die Einschnitte würden kurz, aber nicht allzu tief sein.

Diese Aussagen sind aus heutiger Sicht falsch. Aktuell warnen ein- und dieselben Personen dann auch vor zweistelligen Inflationsraten, aber es kann auch anders kommen. Die Prognosen von Wirtschaftsexperten erscheinen mir derzeit ebenso ungewiss wie eine langfristige Wettervorhersage. Die Dimensionen der Geldvernichtung, gerade im Bankensektor, sprengen die Vorstellungskraft eines jeden normalen Menschen; dies erleben wir natürlich auch hautnah bei der HSH Nordbank. Niemand von uns hat diese Finanz- und Weltwirtschaftskrise verursacht und auch – das an die Opposition gerichtet – der Finanzsenator nicht. Michael Freytag wurde Finanzsenator und kam in den Aufsichtsrat, als die Probleme schon angelegt waren. Es ist einfach zu schön, für solche großen Probleme einen einzigen Schuldigen zu suchen.

(Ingo Egloff SPD: Es gab noch einen zwei- ten!)

Es sind aber die Geschäfte anderer, die in diese Krise geführt haben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ole von Beust hat zusammen mit Michael Freytag, der Landesregierung von Schleswig-Holstein und den Koalitionsfraktionen innerhalb weniger Tage Einvernehmen über eine Eigenkapitalerhöhung und einen Bürgschaftsrahmen erzielt. Die Koalitionsfraktionen in Hamburg und in Kiel haben diesen Notmaßnahmen zugestimmt. Gemeinsam mit Schleswig-Holstein gründen wir eine Anstalt öffentlichen Rechts, die der Bank 3 Milliarden Euro zusätzliches Eigenkapital und einen Bürgschaftsrahmen von 10 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Dies ist in der Tat sehr viel Geld, aber wir haben keine andere Wahl. Ein Zusammenbruch der HSH Nordbank würde die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein in ihren Grundfesten erschüttern. Es geht um Zehntausende, wenn nicht um Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der norddeutschen Region; eine solch gefährliche Entwicklung dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Gleichwohl werden wir in den nächsten Monaten die inhaltliche Neuausrichtung der Bank sehr kritisch begleiten und, sobald die Zeit dafür da ist, sehr ernsthaft die Frage stellen, ob die Stadt Hamburg eine erhebliche Bankbeteiligung wirklich braucht.

Meine Damen und Herren! In den nächsten Tagen werden die Fachpolitiker der Fraktion jeden Einzelplan im Detail diskutieren. Ich möchte aber trotzdem einige Aspekte uns wichtig erscheinender Politikbereiche aufgreifen und in dieser Generaldebatte benennen. In den meisten Augen der Menschen ist die Funktionsfähigkeit unserer Wirtschaft derzeit das mit Abstand bedeutendste Anliegen. Hamburg war ein Gewinner der Globalisierung, jetzt spüren wir massiv die Krise. Die Märkte und damit auch Exporte brechen weltweit ein. Industrie, Handel und insbesondere die Exportwirtschaft in Hamburg spüren die Auswirkungen. Wir wissen im Moment noch nicht, wie lange uns der Abwärtstrend beherrschen wird.

Der Senat hat mit dem Hamburger Konjunkturprogramm und der Benennung der Projekte für das Programm des Bundes sehr schnell reagiert. Wir wollen in der aktuellen Krise aber auch eine Chance sehen, um in Hamburg nachhaltig und zukunftsgerichtet gegen die Krise anzugehen. Unsere Wirtschaft besitzt zum Glück eine große und solide Basis. Wir sind nicht, wie andere Bundesländer, Städte und Regionen von einzelnen Großunternehmen abhängig. In solchen Zeiten der konjunkturellen Abschwächung wirken die öffentlichen Investitionen von Bund und Ländern positiv auf die Sicherung von Arbeitsplätzen. Wir halten deshalb am Ziel öffentlicher hoher Investitionen fest. Mit diesem Doppelhaushalt setzen wir die Politik der vergangenen Jahre konsequent fort. Damit leisten wir auch einen bedeutenden Beitrag zur Stabilisierung der Hamburger Konjunkturlage.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Unser Haushalt weist schon ohne die Konjunkturprogramme ein Mehrausgabevolumen von über 800 Millionen Euro gegenüber dem letzten Doppelhaushalt aus. Das entspricht nahezu einem Prozentpunkt des Hamburger Bruttoinlandsprodukts und so lauten die Empfehlungen führender Wirtschaftsinstitute für wirksame Konjunkturpakete. Die Hamburgerinnen und Hamburger erwarten von uns zu Recht, dass wir handeln, und dies tun wir. Mit den Konjunkturprogrammen gehen wir aktiv gegen die Rezession vor. Wir dürfen meines Erachtens nicht in Pessimismus verfallen, aber wir dürfen auch nicht mit Steuergeldern Überkapazitäten künstlich aufrechterhalten.

Wir brauchen Unternehmen, die den Mut haben, neue Dinge zu probieren, Unternehmen, die die Konjunkturschwäche nutzen, die sich aufstellen, um für den kommenden Aufschwung bereit zu sein. Diese Unternehmen haben unsere Unterstüt

zung verdient. Dies gilt auch für die wichtigen Investitionen in den Hafen, denn sobald die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, werden diese Effekte zuerst im Hafen sichtbar werden. Deshalb werden trotz der gegenwärtigen Flaute in der Schifffahrt die geplanten Investitionen in den Hamburger Hafen in Höhe von insgesamt 2,9 Milliarden Euro bedarfsgerecht vorgenommen.

Meine Damen und Herren! Ein anderer uns wichtiger Politikbereich, zumindest der CDU sehr wichtig, ist die Innere Sicherheit. Eine Lieblingsforderung der SPD betrifft den Personalbestand der Polizei. Die Fakten sind, dass wir bei der Polizei 700 Mitarbeiter mehr haben als 2001. Darüber hinaus wurde der Bezirkliche Ordnungsdienst geschaffen, der auch ehemals polizeiliche Aufgaben wahrnimmt. So haben wir eine erhebliche Steigerung der Polizeipräsenz bewirkt. Wie wichtig uns dieser Bereich ist, sehen Sie auch an den entsprechenden Haushaltsanträgen zur Personalaufstockung. Aber die Behauptungen der Opposition einer angeblich steigenden Gewalt beruhen auf einer wohl bewusst falschen Interpretation der Tatsachen. Die Gewaltkriminalität ist in Hamburg nicht gestiegen, sondern gesunken.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Seit 2001 haben wir einen Rückgang um 5 Prozent, während sie im gesamten Bundesgebiet in den vergangenen Jahren um etwa 15 Prozent gestiegen ist. Hiermit hat sich Hamburg positiv vom Bund um nahezu 20 Prozent abgesetzt. Dies ist Verantwortung für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Jens Kerstan, beide GAL)

Auch das wichtige Feld der Sozialpolitik möchte ich ansprechen. Immerhin werden 22 Prozent unserer Gesamtausgaben im sozialpolitischen Etat ausgegeben; das ist der mit Abstand größte Etat.

Unsere Anfang 2007 gestartete Initiative "Lebenswerte Stadt Hamburg" ist erfolgreich. Im Dezember 2008 eröffnete das letzte der 22 neuen Eltern-Kind-Zentren. In Stadtteilen mit vielen sozialen Problemen werden vor allem Familien in schwierigen Lebenssituationen unterstützt. Die Kinder und ihre Eltern werden durch die besonderen Angebote gestärkt und aktiviert.

Viele Dinge hat die Koalition in den vergangenen Monaten bewegt; ich fange mit dem Blindengeld an. Sie werden jetzt sagen, das Blindengeld habe die CDU sehr stark reduziert; das war in Zeiten der Haushaltskonsolidierung. Durch die neue Koalition haben wir es auch als Sozialpolitiker – ich komme selbst aus der Sozialpolitik – geschafft, das Blindengeld zu erhöhen. Es wird an die zukünftige Rentenentwicklung angepasst.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir haben die neue Sozialkarte eingeführt. Das bedeutet eine Ermäßigung von 18 Euro auf nahezu alle HVV-Zeitkarten. Die Mittel für die Schuldnerberatung haben wir erheblich erhöht, um mehr Beratung leisten zu können und die Wartezeiten abzukürzen. Heimaufsicht und Fachstellen für Wohnungsnotfälle bekommen mehr Personal und 2008/2009 führte die Sozialbehörde wieder das Winternotprogramm für Obdachlose durch. Ab dem 1. November 2008 wurden mindestens 200 zusätzliche Schlafplätze zur Verfügung gestellt und es wurde auch von den wohnungslosen Menschen insgesamt sehr gut angenommen. Dies ist auch Verantwortung für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Auch zu dem für uns Christdemokraten sehr wichtigen Thema der Umweltpolitik möchte ich etwas sagen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Für unsere Koalition ist dabei das ökonomische und ökologische Handeln in Hamburg auch in konjunkturell schwierigen Zeiten kein Widerspruch.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Das zeigt sich zum Beispiel an der Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts. Dafür wurden im Doppelhaushalt jährlich 25 Millionen Euro eingestellt. Auch hier gilt: Dies ist Verantwortung für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Opposition redet zurzeit sehr viel über die angeblich fehlende Glaubwürdigkeit des Haushalts, aber schauen wir uns an, wie Sie Ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden. Allein auf das laufende Jahr bezogen fordert die SPD Mehrausgaben von 156 Millionen Euro. Auch bei gutem Willen ist davon weniger als die Hälfte durch Einsparungen an anderer Stelle gedeckt. Diese Deckungsvorschläge werfen zum Teil auch noch eigene Positionen über den Haufen; dazu werde ich nachher noch etwas sagen. In vielen Fällen werden einfach nur Scheinfinanzierungsvorschläge gemacht, insbesondere durch die Übertragung von Resten. Das ist nicht seriös, weil es haushaltsrechtlich gar nicht zulässig ist, aber es ist auf jeden Fall keine dauerhafte strukturelle Deckung. Dies ist keine Verantwortung für Hamburg.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ehrlicher sind da schon die Kollegen von der LINKEN. Sie fordern gleich Mehrausgaben in Höhe von – ich musste erst einmal nachschauen – 1,6 Milliarden Euro; das ist ein Wort.

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Ich komme zu Ihren Deckungsvorschlägen. Konkrete Deckungsvorschläge sind nämlich gar nicht vorhanden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie weisen zur Gegenfinanzierung immer auf das sogenannte Strukturprogramm hin. Dieses Strukturprogramm ist eine Erfindung von Ihnen. Da sind ausschließlich Steuermehreinnahmen durch Steuerrechtsänderungen genannt, die im Bundestag und im Bundesrat zu beschließen sind, also sprich Steuererhöhungen. Das ist Ihr Strukturprogramm; so kann man auch mit Verantwortung umgehen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Herr Neumann hat das Thema Bildungspolitik in einem großen und starken Rahmen in seiner Rede untergebracht. Von ihren eigenen Leuten wird die SPD aufgefordert, doch einmal ein glaubwürdiges, zukunftsfähiges und tragfähiges bildungspolitisches Konzept vorzustellen, so damals von Frau Boeddinghaus, den Namen wollen Sie heute nicht mehr hören, sie ist inzwischen nicht mehr Abgeordnete und wohl auch aus der SPD ausgetreten. Aber es hat sich eine alte Bekannte von Ihnen zurückgemeldet, Rosi Raab. Sie ist die neue Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Bildung. Die Schulpolitik der Hamburger SPD wird jetzt bestimmt von Raab, Rabe, Rabe, Raab, links, rechts, das ist hier die Frage. Was ist Ihr Kurs?

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sehr geehrter Herr Rabe, wir diskutieren ja heute noch über den Schuletat. Sie werfen uns als Koalition in Sachen Primarschule einiges vor. Nun konnten alle bildungspolitisch interessierten Eltern, Lehrer und Schüler ein Interview mit Ihnen im "Hamburger Abendblatt" lesen. Mir ist da aufgefallen, dass Sie die Beschlusslage der SPD zum Thema längeres Lernen einfach nicht wegwischen konnten. Sie können nicht den Widerspruch auflösen, dass Sie sechs Jahre gemeinsames Lernen nicht für richtig halten, aber neun, zehn Jahre gemeinsames Lernen nach SPD-Meinung richtig sein sollen.

Sie geben zu, dass in allen Parteien – davon kann ich auch ein Lied singen – lebhaft über die Schule diskutiert wird. Aber ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, denn das gehört zur Klarheit und Wahrheit, dass Sie als SPD ein viel längeres gemeinsames Lernen wollen.

(Ingo Egloff SPD: Aber anders organisiert!)

Das ist Ihre Beschlusslage und Sie sollten aufhören, den Eltern Sand in die Augen zu streuen. Sie wollen längeres gemeinsames Lernen in Hamburg, neun oder zehn Jahre, das verschweigen Sie verschämt den Eltern und damit verweigern Sie sich der Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wie sieht Ihre politische Alternative zur Regierung in der Wissenschaftspolitik aus, wie steht die SPD zur Wissenschaftsstiftung?

(Ingo Egloff SPD: Welche Stiftung meinen Sie denn?)

In einer Pressemitteilung vom 13. Januar 2009 wird von Frau Dr. Stapelfeldt die zu geringe finanzielle Ausstattung der Stiftung bemängelt. Nun liegt uns ein Haushaltsantrag vor, mit dem die eigene Forderung nach einer höheren finanziellen Ausstattung schon wenige Wochen später wieder zurückgenommen wird. Frau Dr. Stapelfeldt und Herr Neumann stehen ganz oben auf diesem Antrag. Sie wollen der Stiftung die Mittel streichen; so soll ein Teil der Kosten für die vollständige Abschaffung der Studiengebühren ausgeglichen werden.

(Wolfgang Beuß CDU: Die wollen stiften ge- hen!)