Protocol of the Session on March 3, 2009

(Beifall bei der SPD und bei Norbert Hack- busch und Dora Heyenn, beide DIE LINKE)

Herr von Beust, ich habe Sie aufgefordert, Herrn Freytag als Finanzsenator zu entlassen. Ich behaupte nicht, dass Herr Freytag allein verantwortlich ist für die Schieflage der HSH Nordbank, aber er ist verantwortlich für die schlechte Haushaltslage unserer Stadt am Anfang dieser schweren Krise. Herr Freytag ist verantwortlich für die Vertuschungsmanöver zur Lage der Bank, Herr Freytag ist verantwortlich für die Schönrednereien der Situation, als es um die 2 Milliarden Euro Kapitalerhöhung ging. Und Herr Freytag ist auch verantwortlich für die Täuschung der Öffentlichkeit über das Engagement der Bank etwa auf den Cayman Islands.

Dieser Finanzsenator, Ihr Möchtegern-Kronprinz, Herr von Beust, hat sich wiederholt als der falsche Mann in seinem Amte bewiesen. Deshalb, Herr von Beust, überrascht es schon, dass Sie ernsthaft behaupten, Herr Freytag würde ordentliche Arbeit leisten. Das sind Aussagen, bei denen sich selbst die CDU-Fraktion innerlich schüttelt.

(Beifall bei der SPD)

Herr von Beust, ich glaube, es wäre das Beste, wenn Sie die Kraft hätten – auch um Hamburgs Wohl und Finanzen Willen –, Herrn Freytag die Möglichkeit zu geben, seine Freizeit anders zu gestalten, und Herrn Freytag zu entlassen.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Wenn wir drei Tage lang unter dem Eindruck einer extrem angespannten Haushaltslage debattieren, dann hat das auch mit einem weiteren Dilemma unserer Stadt zu tun, der Elbphilharmonie. Ich habe gehört, dass es heute eine Pressekonferenz gegeben haben soll – ich habe das erst kurz vor der Sitzung erfahren –, bei der Herr Staatsrat Stuth aus dem Amt entlassen worden sein soll. Ich bin sicher, dass Sie noch einmal, Herr von Beust,

wenn Sie gleich erwidern, die Hintergründe erklären können, welche Friktionen es offensichtlich im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie, Frau von Welck und Reinhard Stuth gab. Das sind sicherlich spannende Ausführungen, denn das macht deutlich, dass wir es auch im Bereich der Elbphilharmonie mit einer schweren Vertrauenskrise zu tun haben.

Gäbe es nämlich die Krise um die HSH Nordbank nicht, dann würde unablässig in unserer Stadt darüber diskutiert, wie es überhaupt sein kann, dass unsere Stadt 200 Millionen Euro mehr bezahlen muss, obwohl die Pläne die besten der Welt waren, obwohl die Verträge angeblich für die Stadt so hervorragend ausgehandelt waren und obwohl immer wieder gesagt wurde: Pauschalpreis, Festpreis, keine Risiken.

Ich will an dieser Stelle nicht all das noch einmal auflisten, obwohl es richtig und wichtig wäre. Das Dilemma besteht aber wie bei der HSH Nordbank darin, dass auf die Stadt unweigerlich hohe Kosten zukommen werden, der Senat dies wesentlich mitverschuldet hat und der Bürgerschaft nun nur noch die Alternative präsentiert, getreu dem Motto: "Friss Vogel oder stirb". Beim Elbphilharmonie-Bau haben wir große Zweifel, dass die Nachforderungen von HOCHTIEF wirklich angemessen und begründet sind. Mit der Nachforderung wird im Übrigen auch keine Generalquittung abgeschlossen für die Zukunft, es können also weitere erhebliche Mehrkosten auf die Stadt zukommen.

Wie bei der Krise um die HSH Nordbank geht der Senat auch bei den Problemen der Elbphilharmonie sehr seltsam mit Öffentlichkeit und Parlament um. So hat er uns – übrigens von dem gerade frisch entlassenen Reinhard Stuth – im Dezember öffentlich angekündigt, alle Akten vollständig sehen zu dürfen. Die Akten werden aber bemerkenswerterweise erst einen Monat nach Bürgerschaftsbeschluss über die Mehrkosten dem Parlament zur Verfügung stehen. So, Herr von Beust, gewinnen Sie weder Vertrauen noch ist es die Transparenz, die Sie angekündigt haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich bin sehr sicher, dass uns die Mehrkosten für die Elbphilharmonie auch weit über die Beschlussfassung der Mehrkosten hinaus in diesem Parlament intensiv beschäftigen werden. Und es sind die Fragen zu klären, warum die Verträge eigentlich so abgeschlossen waren und ob sie wirklich so gut waren, wie Sie immer behauptet haben. Waren nicht vielmehr die Auseinandersetzungen um Bauänderungen schon in dem funktionalen Bauvertrag vorprogrammiert? Warum hat man sich mit der Vorbereitung dieses Projekts nicht mehr Zeit gelassen und sich stattdessen kopfüber in ein solches PPP-Projekt hineingestürzt?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der Wahltermin!)

Und wichtig ist – richtiges Stichwort, Herr Dressel –, welche Rolle bei der Entscheidung für den Baubeginn der Wahltermin 2008 und das im Wahlkampf geplante große Fest auf der Plaza der Elbphilharmonie spielten.

Im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler darf die Stadt jetzt wirklich nur die Mehrkosten übernehmen, die nach Prüfung eines unabhängigen Gutachters wirklich unabweisbar und begründet sind. Aus diesem Grund muss ein Schiedsgutachterverfahren durchgeführt werden, wie es auch im Leistungsvertrag mit HOCHTIEF festgelegt worden ist. Die Chancen eines solchen Vorgehens auf Senkung der Mehrkosten überwiegen bei Weitem die Risiken einer weiteren Auseinandersetzung mit HOCHTIEF, da die Pläne nun auch zeitgerecht, wie Sie versichert haben, vom Architekten geliefert werden.

Ich gebe zu, wir könnten es uns als Opposition einfacher machen und die Mehrkosten für die Elbphilharmonie einfach schlichtweg ablehnen und sagen, das ist euer Problem, macht das einmal. Das passt aber nicht zu meiner Auffassung und zu der meiner Fraktion von Opposition und vor allen Dingen von Verantwortung für unsere Stadt. Deshalb sagen wir nein zu den Mehrkosten von 200 Millionen Euro, machen aber gleichzeitig konkrete Vorschläge, wie Hamburg unter erträglichen Kosten trotzdem zu diesem, wie ich finde, in der Sache richtigen neuen kulturellen Wahrzeichen gelangen wird. Nehmen Sie also unseren Vorschlag zur Finanzierung der Elbphilharmonie an, nehmen Sie HOCHTIEF in die Pflicht und verhandeln Sie anständig zum Wohle unserer Stadt nach.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Haushalt, wie ihn CDU und GAL am Donnerstag wahrscheinlich mit geringfügigen Änderungen beschließen werden, ist der erste einer schwarz-grünen Landesregierung. Die Frage ist allerdings bei diesem Haushaltsplan-Entwurf, was daran eigentlich schwarz-grün ist. Wir stellen fest, dass die Investitionsquote sinkt und die Hafeninvestitionen ab 2013 nicht mehr gesichert sind. Ich zitiere, Herr Gedaschko, aus Ihrer Drucksache:

"Nach Aufzehren der HHLA-Milliarde wird die Finanzierung der Hafeninvestitionen im erforderlichen Umfang auch durch den Haushalt der Freien und Hansestadt Hamburg sichergestellt."

Nun ersucht die CDU, wahrscheinlich um sicherzugehen, per Haushaltsantrag den Senat – ich zitiere –:

"…, dass nach Aufbrauchen der 'HHLA-Milliarde' die Finanzierung der Investitionen … wieder durch … Hamburg erfolgt."

Ich stelle die schlichte Frage: Wie wollen Sie das schaffen? Wie wollen Sie 2013 ad hoc wieder eine

Viertelmilliarde Euro aus dem Haushalt fließen lassen? Auch 2009 sind Sie schon bei Ihrer Haushaltsplanung dazu nicht in der Lage und die notwendigen Hafeninvestitionen werden eben jetzt vorzeitig durch die HHLA-Milliarde getätigt. Sie handeln nach dem Motto: Erst einmal alle Reserven aufzehren und dann weitersehen. Das ist aber genau das Gegenteil von Generationengerechtigkeit und von Nachhaltigkeit – Herr Kruse, hören Sie genau zu – und das ist schon gar nicht "Wachsen mit Weitsicht".

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich scheint sich die konservative Wirtschaftskompetenz der CDU in einer schwarz-grünen Regierung auf die Schaffung eines interkulturellen Frauenwirtschaftszentrums zu beschränken. Bei aller Wichtigkeit dieses Themas und bei allem Respekt: Das macht aber wenig Hoffnung und ist insbesondere in krisenhaften Zeiten viel zu wenig.

(Beifall bei der SPD)

In ihrem Opportunismus und aus ihrem Machtkalkül opfert die CDU neben vielen anderen vernünftigen Positionen wie dem Elternwahlrecht jetzt auch noch ihre Wirtschaftskompetenz auf dem Altar der dunkelgrünen Kompromisse. Die Preisgabe Ihrer Wirtschaftskompetenz ist aber kein Grund zur Freude, jedenfalls nicht für uns Sozialdemokraten, denn bei den grundsätzlichen wirtschaftlichen und Infrastrukturfragen gab es immer einen Konsens zwischen den großen verantwortungsbewussten Parteien. Mit Ihrer Kapitulation legen Sie aber die Axt an die Wurzel des Erfolgs unserer Stadt und gefährden damit langfristig Wachstum, Beschäftigung und auch den Wohlstand in unserer Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte anlässlich der Regierungserklärung zum Amtsantritt dieses Senats erklärt, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Richtiges richtig nennen und Falsches falsch nennen werden. In der Rubrik Falsches habe ich Ihnen einige wenige Beispiele genannt, ich möchte aber auch Positives nennen, zum Beispiel die Stadtbahn, die der Bürgermeister jetzt endlich auch will und die er hoffentlich auch dann noch will – da kämpfen wir wahrscheinlich auch wieder gemeinsam –, wenn es darum geht, die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Wir wollen Stadtwerke und das will die CDU jetzt auch; das ist gut und richtig. Sie präsentieren uns jedoch nur einen neuen Stromanbieter, der den Strom anderer aufkauft und weiterverkauft, und diesen Stromanbieter nennen Sie dann Stadtwerke. Wir aber wollen Stadtwerke, die Strom selbst produzieren, dezentral, erneuerbar und verbraucherfreundlich und nicht nur als Marke; das ist der entscheidende Unterschied. Wir wollen Verantwortung und pragmatisches Handeln, wir wollen Ver

besserungen in der Praxis, echte Stadtwerke und nicht nur Marketingmaßnahmen mit Showeffekt.

(Beifall bei der SPD)

Richtig ist vieles, was sich der Justizsenator vorgenommen hat. Senator Steffen, Sie haben einen großen Schritt gemacht und einen großen Schnitt vor allem weg von der falschen Politik Ihrer Vorgänger Kusch und Lüdemann. Sie haben ein modernes Strafvollzugsgesetz vorgelegt, Sie haben die von CDU-Justizsenatoren aufgebauten Überkapazitäten von über 1000 Haftplätzen richtig erkannt. Der Datenschutz ist nicht mehr eine lästige, sondern eine wichtige Aufgabe geworden. Deshalb, Herr Steffen, erkennen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diesen Kurswechsel in der Justizpolitik an und werden Ihrem Einzelplan zustimmen, auch wenn wir sicherlich darüber hinaus noch einige Änderungen beantragen werden.

Vieles von Ihnen ist zwar bisher nur Absichtserklärung, aber – und darauf kommt es an – es sind die richtigen Absichten und wir nennen Richtiges auch dann richtig, wenn es von der Senatsbank, vom politischen Mitbewerber, kommt.

(Beifall bei der SPD)

Wir nennen aber auch Falsches falsch. Das betrifft insbesondere das grüne Schulressort. In der letzten Legislaturperiode haben wir in der Enquete-Kommission zusammen mit vielen Wissenschaftlern nach viel Arbeit einen Schulkompromiss erreicht, der weit mehr als ein Minimalkompromiss ist. Dieser Kompromiss hätte historisch sein können, wenn Sie, Herr von Beust, nicht bereit gewesen wären, auch hier alle Grundsätze dem machtpolitischen Kalkül und dem parteipolitischen Opportunismus zu opfern. So müssen auch wir ertragen, dass dieser auf Krampf vereinbarte Kompromiss real umgesetzt wird und das Ergebnis ist der schwarz-grüne Primarschulmurks. Dem haben Sie die Vorschläge der Enquete-Kommission geopfert, die Grundlage für einen dauerhaften Schulfrieden in unserer Stadt hätten sein können. In Bremen war man zumindest in dieser Frage schlauer. Dort hat man diese Vorschläge parteiübergreifend zur Grundlage gemacht und mit dem Ziel eines wirklichen Schulfriedens ein Moratorium zur Umsetzung bis 2019 vereinbart.

Frau Goetsch, das eine ist, wie man sich Schule erträumt, das andere ist aber, wie man konkret verantwortungsvolle Schulpolitik macht. Für uns steht das berechtigte Interesse von Kindern und Eltern nach guter Bildung und guten Startchancen im Mittelpunkt. Ideologen in den Schützengräben haben sich viel zu lange einen Bildungsglaubenskrieg geleistet. Ich glaubte, wir hätten das mit den Ergebnissen der Enquete-Kommission überwunden, doch jetzt ist der Glaubenskrieg wieder neu ent

brannt und die schwarz-grüne Schulpolitik ist allein deshalb schon ein Rückschritt.

(Beifall bei der SPD)

Das besonders Tragische daran ist, dass Sie genau mit dieser Politik das verschärfen, was wir eigentlich gemeinsam bekämpfen wollten, nämlich die soziale Spaltung in unserer Stadt, die sich auch in den Schulen wiederfindet. Sie wollen eine Primarschule, die längeres gemeinsames Lernen ermöglicht. Der Grundgedanke ist richtig, es ist aber falsch, diesen Grundgedanken überhastet ohne breite Zustimmung und parallel zur Schaffung der neuen Stadtteilschule einzuführen, denn es wird die Kraft fehlen für den Aufbau wirklich guter Stadtteilschulen, die wir so dringend brauchen. Sie zwingen die Schulen, sich mit Raumplänen, mit Fahrplänen herumzuärgern, statt sich endlich mit dem Thema "bessere Bildung" zu beschäftigen. Frau Goetsch, mit Ihrem Primarschulexperiment diskreditieren Sie langfristig den guten und richtigen Gedanken vom gemeinsamen längeren Lernen.

(Beifall bei der SPD)

Sie glauben aber auch, dass der Staat, vertreten durch seine verbeamteten Lehrer, angeblich am besten weiß, was gut für ein Kind ist und nicht die Eltern. Ich appelliere dabei natürlich auch an die Eltern, sich einerseits nicht von Lehrerinnen und Lehrern die Beratung wegnehmen zu lassen, aber andererseits die Beratung auch anzunehmen und mit den Lehrern ins Gespräch zu kommen, ob für ihr Kind die Stadtteilschule oder das Gymnasium die richtige Schulform ist. Ich halte die für die Kinder furchtbare Fixierung vieler Eltern auf das Gymnasium für grundfalsch. Aber die Entscheidung sollen am Ende die Eltern treffen können und nicht die Lehrer, denn es geht um ihre Kinder.

(Beifall bei der SPD)

Aber in der Primarschule soll nun alles besser werden. Es ist auch nachvollziehbar, wenn man endlich einen Lebenstraum umsetzen kann, das darf gar nicht kritisiert werden. Alles soll in der Primarschule nun besser und anders werden. Die Klassen werden kleiner, das Unterrichtskonzept individueller, die herkömmlichen Noten werden abgeschafft. Früher hätten die Konservativen gesagt, das sei Kuschelpädagogik. Ich tue das bewusst nicht, ich sehe im Gegenteil diese angesprochenen Punkte als wichtige Elemente progressiver und richtiger Schulpolitik an.

Aber in Klasse 6 kommt dann der konservative Gegenschlag. Da entscheidet eine einzige Prüfung über die Diagnose Gymnasium oder Stadtteilschule.

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist doch Blöd- sinn!)

Wir werden erleben, dass elfjährige Kinder für diese Prüfung gebimst werden und wenn es sich die Eltern leisten können, dann werden sie sehr viel Geld in Nachhilfe investieren.

(Wolfgang Beuß CDU: Wer von Schulpolitik keine Ahnung hat, sollte nichts sagen!)

Es wird vermutlich gewerbliche Repetitorien geben, in denen Kinder auf die Prüfung getrimmt werden, und damit übertragen Sie den Repetitoriumsirrsinn aus dem Jurastudium, der da schon falsch ist, auch noch auf die sechsten Klassen. Eine solche Schule macht Druck, erzeugt Angst und schadet damit den Kindern und Eltern und das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD – Olaf Ohlsen CDU: Wer hat Ihnen denn so einen Blödsinn auf- geschrieben, unglaublich!)