Protocol of the Session on December 11, 2008

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grund ist es richtig, dass die Hamburger Schulbehörde nicht nur Checklisten und Handreichungen als Papierdruck, sondern für Lehrerinnen und Lehrer verstärkt auch Fortbildungsmaßnahmen angeboten hat. Damit sind auch die Schulen sensibilisiert worden, Auffälligkeiten bei der Schulpflichtverletzung zu melden.

Die Antwort des Senats, wie sie vorliegt, belegt in der Darstellung und in der Erklärung, wie diese Fälle bearbeitet wurden. REBUS, die zuständigen Jugendämter, der ASD, aber auch Verwaltungsgerichtsentscheidungen sind getroffen worden und das ist ein Vorteil gegenüber früher. Die Statistik zeigt durchaus Erfolge. Mussten im Schuljahr 2005/2006 noch über 2300 Fälle bearbeitet werden, so sank diese Zahl auf 1869 Fälle im anschließenden Jahr und im Schuljahr 2007/ 2008 haben wir 1140 Fälle zu verzeichnen und noch einmal 50 weitere Fälle, die bei REBUS gelandet sind und dort intern bearbeitet wurden. Dieses ist tatsächlich trotz der Traurigkeit des Themas eine Erfolgsstatistik und zeigt, dass in den letzten Jahren bis heute die Maßnahmen wirken, die getroffen wurden. Wir wissen, dass jeder Fall – jede Schülerin und jeder Schüler, der nicht in der Schule erscheint – ein Fall zu viel ist.

Ich möchte an dieser Stelle auch auf die ärgerlichen Tatbestände der unerlaubten Ferienverlängerungen eingehen.

(Beifall bei der CDU und bei Andreas Wal- dowsky GAL)

Aber auch in diesem Bereich haben wir eine Abnahme der Fälle zu verzeichnen – von 62 gemeldeten Fällen vor vier Jahren auf 23 im vergangenen Schuljahr. Bei den versandten Bußgeldbe

scheiden gibt es auch einen leichten Rückgang. Positiv sind auch die Auswirkungen der deutlichen Überwachung von Schulverweigerung, die wir festgestellt haben. Fälle, in denen von REBUS und sogar Strafverfolgungsbehörden beziehungsweise von den Familiengerichten Anträge auf Einschränkung der elterlichen Sorge gestellt wurden, haben wir festgestellt.

Sehr ausführlich ist dann die Antwort auf die Große Anfrage ausgefallen, welche Auswirkungen zum Beispiel die Hausdurchsuchungsbeschlüsse wegen des Verdachts der Schulpflichtverletzungen und wegen fehlender Kooperation der Eltern mit den Ämtern haben. Sie sehen, dass auch von der heutigen Opposition die damals teilweise kritisierte Einführung und Handhabung des zentralen Schülerregisters und des Abgleichs der Daten bundesweit als vorbildlich angesehen wird.

(Michael Neumann SPD: Das war die GAL, Herr Freistedt!)

Sie haben lange mitdiskutiert und gefragt, wie weit das gehe, ich habe nachgesehen, und der Koalitionspartner macht in einer guten Weise mit. Da haben wir überhaupt nichts zu kritisieren. Schöner wäre es gewesen, wenn Sie uns damals noch mehr unterstützt hätten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der GAL)

Schließlich soll an dieser Stelle auch denen gedankt werden, die mit intensiver Sozialarbeit zum Beispiel das "Come back"-Projekt der Wichernschule und des Rauhen Hauses als Pilotprojekt durchgeführt haben. Auch das Projekt "Schulverweigerung – die 2. Chance" verdient Respekt und Anerkennung. Es wird mit Hilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ausgewertet.

Die SPD rechnet in ihrem vor Kurzem eingereichten Antrag Dunkelfeldzahlen hoch und deutet an, wie wir es eben auch gehört haben, dass bis zu 34 000 Schüler massiv die Schule schwänzen. Diese Zahlen scheinen doch etwas unseriös zu sein und insbesondere eine Schlussfolgerung darzustellen, die Sie einer Erarbeitung einer Wissenschaftsgruppe um die Wissenschaftler Block, Brettfeld und Wetzels aus dem Jahre 2007 entnommen haben, aber Sie rechnen sie fehlerhaft hoch. Ich habe keine Anhaltspunkte, dass man diese Zahlen auf 15 Prozent einer Schülerschaft hochrechnen kann und sehe der Arbeit der Schulbehörde und insbesondere der Leistung der Senatorin und des Senats mit Optimismus und Zuversicht in dieser Frage entgegen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Den Schulen, den verschiedenen Behörden – Sozialbehörde, Jugendämter, Innenbehörde – ist für

diese schwierige und zeitraubende Arbeit zu danken. Mein Vorredner hat eben schon darauf hingewiesen, dass es auch für Lehrer eine zeitraubende Angelegenheit ist, aber sie ist hilfreich und notwendig. Die Schülerinnen und Schüler sind in Hamburg gut betreut und die Behörden – das sollten wir hier feststellen – kooperieren gut miteinander.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Gwosdz GAL)

Meine Damen und Herren! Die Antwort des Senats bietet eine gute Grundlage zur weiteren Beratung im Schulausschuss. Eines jedoch wissen wir auch: Öffentlich einsehbare Datenberge, die Sie fordern, bringen keinen einzigen Schulschwänzer in die Schule. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir weitere Informationen im Interesse der Betroffenen verarbeiten. Wir dürfen keine Schule, auch keinen Bezirk diskreditieren oder stigmatisieren, das kommt den Schülern nicht zugute. Sie werden sehen, dass all Ihre Vermutungen und Anträge in der im nächsten Jahr beginnenden Vorwahlzeit wenig hilfreich sind. Wir wissen, dass Senatorin Goetsch und der gesamte Senat unter Ole von Beust ebenso wie der Vorgängersenat der Bildung und Erziehung Hamburger Schülerinnen und Schüler einen hohen Stellenwert eingeräumt haben.

(Gerhard Lein SPD: Erstmals!)

Wir nehmen das Anliegen ernst, denn diese Generation sichert die Zukunft unserer Stadt. Tun wir alles für unsere jungen Talente, damit sie die Zukunft künftig besser meistern. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Gwosdz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Zwischenfrage vorhin habe ich nicht ganz ohne Grund gestellt, weil ich es doch wichtig finde, dass wir, wenn wir von massivem Schulschwänzen reden, zumindest einen gemeinsamen Definitionsansatz haben. Ich hatte, Herr Rabe, als ich Ihren Antrag zur Großen Anfrage gelesen habe, ein bisschen Schwierigkeiten, das nachzuvollziehen, wenn Sie die 15,5 Prozent an massiven Schulschwänzern aus der Studie von Block, Brettfeld, Wetzels in Bezug setzen zu den 1869 beziehungsweise 1388 Fällen, die am Ende bei REBUS gemeldet wurden und dann fragen, wie diese Diskrepanz zustande komme. Nun muss man wissen, dass die Dokumentation des Schulschwänzens an Hamburgs Schulen nach 8.4 der Richtlinie für den Umgang mit Schulpflichtverletzungen ab drei Tagen und mehr im Monat beginnt, während die Studie von Brettfeld von einer Schulabsenz von fünf Tagen im Halbjahr ausgeht. Deswegen ist natürlich klar, dass ich, wenn ich bei fünf Tagen im Halbjahr mit der Definition von massivem

Schulschwänzen beginne und das auf die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler hochrechne, dann logischerweise eine deutliche Diskrepanz vom Definitionsansatz her habe, zwischen den Zahlen, die die Behörde erfasst, denn drei Tage im Monat wären 18 Tage im Halbjahr.

Wenn man ein bisschen genauer in die Studie von Brettfeld und andere guckt, dann kommt man den von der Schulbehörde momentan erfassten Zahlen schon ein bisschen näher. Die Zahl der Schulschwänzer, also Schüler, die mehr als zehn Tage im Halbjahr schwänzen, liegt in Hamburg bei 6,7 Prozent. Da haben wir schon eine ganz andere Zahl, die man hochrechnen kann.

Dann ist auch noch wichtig – ich führe das hier einmal aus, damit es die Kolleginnen und Kollegen auch hören, die es nicht im Schulausschuss mitbekommen – zu fragen, wer in dieser Studie untersucht wurde und da handelt es sich um Neuntklässler in Hamburg aus dem Jahr 2005. Wie wir wissen – Herr Rabe hat das richtig gesagt –, ist das Problem des Schulabsentismus vor allem ein Problem der siebten, achten und neunten Klassen und natürlich kann ich eine Zahl, die sich auf Neuntklässler bezieht, nicht auf die Gesamtzahl der Hamburger Schülerinnen und Schüler von der Vorschule bis zur 13. Klasse in den Oberstufen hochrechnen. Deswegen ist es schade, dass Sie diese Zahl von 34 673 Schülerinnen und Schülern heranziehen und so dramatisieren. Das schließt natürlich nicht aus, dass wir trotz allem mit Schulschwänzen in Hamburg weiterhin Probleme haben

(Ties Rabe SPD: Immerhin!)

und wir durchaus mit der Datenlage nicht immer hundertprozentig zufrieden sein können. Deshalb würden wir gerne mit Ihnen im Ausschuss darüber diskutieren, wie wir einen vernünftigen Mittelweg finden können zwischen der Erfassung von Schulschwänzerinnen und Schulschwänzern in der Behörde, wie weit es tatsächlich sinnvoll ist, Daten zu erheben oder ob es nicht sinnvoller wäre, die Mühe und die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Behörde und vor allem an den Schulen in direkte Maßnahmen umzusetzen, die Schülerinnen und Schüler anzusprechen, wenn sie unentschuldigt zu Hause bleiben. Das ist erst einmal wichtiger als Statistiken zu führen.

(Beifall bei Jörn Frommann CDU)

Da den richtigen Mittelweg zu finden, ist unsere gemeinsame Aufgabe im Ausschuss.

Ich möchte aus der Studie noch eine Zahl nennen und dann die Rede nicht weiter vertiefen, weil wir im Ausschuss weiter diskutieren werden. Um den Beginn des Schulschwänzens nicht zu massivem Schulschwänzen werden zu lassen, ist die Ansprache der Schülerinnen und Schüler wichtig, die unentschuldigt zu Hause bleiben. Und da wissen wir aus der Studie, dass in Hamburg immerhin 68,4

(Marino Freistedt)

Prozent der massiven Schulschwänzer eine Reaktion auf ihr Fernbleiben von den Schulen erfahren, während es zum Beispiel in anderen Großstädten wie München nur 50 Prozent der Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer sind, die überhaupt eine diesbezügliche Reaktion vonseiten der Schule erfahren. Es sind in Hamburg immer noch 32 Prozent zu wenig, die von den Schulen angesprochen werden, warum sie unentschuldigt fehlen.

(Glocke)

Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter. Mir ist das definitiv zu laut im Plenarsaal. Ich bitte Sie, die Gespräche draußen fortzusetzen oder hier stillzusitzen und zuzuhören.

Fahren Sie bitte fort.

Ich finde es erfreulich, dass es in Hamburg deutlich mehr sind als in München, wo man doch eigentlich davon ausgehen dürfte, wie ich das aus meiner eigenen bayerischen Schulzeit weiß, dass es die bayerische Art wäre, sofort jedes Schulschwänzen gnadenlos zu verfolgen. Die Studie sagt auch, dass die Tendenz, dem Schulschwänzen nachzugehen, die Schüler direkt darauf anzusprechen, in Hamburg im Laufe der letzten Jahre gestiegen ist und häufiger geschieht. Und diese Tendenz zu verstärken, daran sollten wir gemeinsam arbeiten.

Wir wissen auch aus der Forschung, dass Schulschwänzen, Schulabsentismus nicht von ungefähr kommt. Es fehlt diesen Schülerinnen und Schülern ein gewisses Maß an Lernfreude. Das gilt es, in den Schulen zu vermitteln. Die Schulen mit den niedrigsten Fehlquoten sind diejenigen, deren konzeptionelle Ausrichtung den Bedürfnissen und Interessen der Schülerinnen und Schüler nahekommt. Schülerinnen und Schüler, die die Schule schwänzen, empfinden sie ganz offensichtlich als Belastung, plagen sich mit Versagensängsten. Häufig kommen noch familiäre Probleme hinzu. Schulabsentismus wird aus Sicht derjenigen Schülerinnen und Schüler, die schwänzen, als angstreduzierende Maßnahme empfunden. Ein wichtiger Aspekt, den wir bei der Frage berücksichtigen sollten, wie verfolgen wir Schulschwänzen, wie verfolgen wir Schulabsentismus. Wenn Schulabsentismus für die Schüler eine angstreduzierende Maßnahme ist, dann kann natürlich nicht die Antwort sein, eine noch größere Angst aufzubauen. Es hilft nichts, wenn wir die Schüler durch eine größere Angst vor den Folgen des Schwänzens in die Schulen zwingen, wenn sie dort weiterhin Versagensängsten ausgesetzt sind. Dort anzusetzen erscheint uns sinnvoller.

(Beifall bei der GAL und bei Hans-Detlef Roock CDU)

Wichtig ist auch noch, dass die Wissenschaft den Weg bestätigt, den Hamburg bislang geht, dass es nämlich wichtiger ist, beim Schulschwänzen bei einer strukturellen und personellen Kooperation zwischen Schulen und externen Stellen anzusetzen. In Schulen, das zeigt die Forschung auch, mit niedriger Schwänzerquote ist die Beziehung zwischen Eltern und Lehrerinnen und Lehrern enger. Die Schülerinnen und Schüler genießen mehr Mitbestimmungsrechte und positives Verhalten der Schülerinnen und Schüler wird öfter belohnt, als das schlechtes bestraft wird.

Eines kann ich mir zum Abschluss nicht verkneifen: Für die niedrige Quote von Schulschwänzern an Schulen sind vier Faktoren ausschlaggebend. Das ist einmal die räumliche Situation – da spielt dann der Schulbau doch eine Rolle –, die personelle Situation, die organisatorische Situation und natürlich auch die pädagogisch-didaktischen Bedingungen der Schulen. Wie wir diese vier Faktoren gemeinsam verbessern können, um dem Thema Schulschwänzen noch besser Herr zu werden, werden wir dann weiter im Ausschuss diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jede Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft und an einer Tatsache kommen wir nicht vorbei, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule geschwänzt haben, zugenommen hat. Es ist nicht so, Herr Gwosdz, dass sie dann zu Hause bleiben. Es gibt ganz viele junge Menschen, die tagsüber allein, zu zweit, zu dritt durch die Stadt laufen und nicht in die Schule gehen und die Eltern wissen es gar nicht.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das stimmt!)

Das ist ein zunehmendes Problem und das hat damit zu tun, wie die jungen Menschen sich in der Gesellschaft fühlen und welche Perspektiven sie sehen. Sie haben darauf hingewiesen, Herr Gwosdz, dass diese wissenschaftlichen Untersuchungen in der siebten, achten und neunten Klasse gemacht worden sind; wir hatten das Thema gestern schon. In der achten und neunten Klasse haben wir natürlich eine Menge Hauptschüler, die ganz genau wissen, dass sie keine Perspektive haben und gar keinen Sinn darin sehen, in die Schule zu gehen; das ist ein ganz großes Problem. Die vier Faktoren, die Sie genannt haben, waren furchtbar abstrakt.

(Beifall bei Kersten Artus DIE LINKE)

Die Gründe, warum ein junger Mensch nicht in die Schule geht, sind sehr vielfältig und teilweise hoch

(Michael Gwosdz)

dramatisch. Als ich Ihren Antrag gelesen habe, Herr Rabe, habe ich mich natürlich gefragt, was Sie eigentlich mit dieser Großen Anfrage und Ihrem Antrag erreichen wollen. Was uns wichtig sein muss, ist doch, dass man den jungen Menschen hilft, wieder gerne in die Schule zu gehen.

Was mir hier entschieden zu viel vorkommt, sind Datenerhebungen, sind Regeln, sind Bestrafungen, sind Dokumentationen. Damit werden Sie die jungen Leute nicht dazu bewegen, wieder häufiger in die Schule zu gehen.