Protocol of the Session on November 19, 2008

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich nicht. Dann rufe ich das zweite Thema auf, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE:

Rückwirkungen der Finanzkrise auf Hamburg – Das Desaster der HSH Nordbank und die öffentlichen Interessen.

Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Der Abgeordnete Dr. Bischoff hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss dem Bürgermeister wirklich lassen, dass er es hin und wieder doch schafft, wenigstens mich zu überraschen. Als ich heute Morgen sein Interview im "Hamburger Abendblatt" zur HSH Nordbank-Problematik gelesen habe, konnte ich nur sagen: Chapeau, das war aus meiner Sicht ein wirklich klärendes Wort in dieser Situation.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das hören wir gerne!)

Was Recht ist, soll auch entsprechend gewürdigt werden, das ist gar keine Frage.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Zuru- fe von der CDU: Weiter so! Weiter so!)

Herr von Beust sagte, es gibt kein HSH NordbankDesaster, sondern ein Problem der Landesbanken und vieler Geschäftsbanken. Was das Ausmaß dieses vermeintlichen Desasters angeht, müssen wir die Risikoanalyse der Wirtschaftsprüfer abwarten, die im Dezember vorliegen soll. Das finde ich bezogen auf die Debatten, die wir mit Herrn Freytag hatten, wirklich klärend, denn Herr Freytag hat bislang immer wieder behauptet, es sei alles in Ordnung, es gibt kein spezifisches Problem HSH und HSH ist auch nicht das Problem aller Landesbanken.

Seit wann wissen wir, dass wir – um mit den Worten von Herrn von Beust zu sprechen – ein Landesbanken-Problem haben? Das haben wir seit August 2007. Seit 2007 ist klar – jedenfalls in Sachsen, da soll der Ministerpräsident gegangen sein, später auch in Bayern, seit dem ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir ein Problem bei den

(Horst Becker)

Landesbanken haben. Trotzdem hat sich Senator Freytag im Wahlkampf und auch nach dem Wahlkampf immer wieder hingestellt und hat behauptet, die HSH Nordbank fällt nicht unter dieses Verdikt, das wir seitdem kennen. Nicht das ökonomische Fiasko der HSH Nordbank beherrscht seit Monaten die politische Debatte in der Öffentlichkeit in Hamburg, sondern meines Erachtens die notorische Schönrednerei vom zuständigen Senator Freytag.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herrn von Beust gebührt es – das finde ich auch anerkennenswert –, dass er heute Morgen gesagt hat: Schluss mit dem Unfug, es ist seit dem letzten Jahr klar, dass Herr Freytag uns beständig etwas erzählt, wovon er keine Ahnung hat oder was er anders darstellen will.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Schon vor der Finanzkrise – ich teile die Einschätzung von Herrn von Beust – hatte die Mehrheit der Landesbanken Probleme mit ihrem Geschäftsmodell. Die Bundesländer und die Sparkassen haben es in den letzten Jahren versäumt, die notwendige Ausrichtung dieser Landesbanken durchzusetzen. Das kann man meines Erachtens nicht von den Vorständen verlangen, sondern das ist der Job der Aufsichtsräte und das ist auch das, was wir wieder angemahnt haben und Herr Freytag dann sagt, wir wollten den Feuerwehrlöscher erschießen.

(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)

Darum geht es gar nicht, sondern er sollte seine Aufgabe wahrnehmen und als Mitglied des Aufsichtsrates und als Vertreter der Eigentümer eine andere Politik durchsetzen. Das haben Sie nicht gemacht und insofern bleibt es Ihr entscheidendes Versagen in dieser ganzen Auseinandersetzung. Sie haben uns nicht erklärt – Herr von Beust sagte heute Morgen, warten wir einmal die Ergebnisse der Sonderprüfung ab –, warum die Landesbanken in solch ein irrsinniges Verbriefungsgeschäft eingestiegen sind.

Herr Freytag, wir haben uns erst recht nicht erklären können, warum Sie in der letzten Runde immer wieder darauf hingewiesen haben, dass doch eigentlich alles in Ordnung sei in der HSH Nordbank, außer dieser toxischen Wertpapierpakete, die nun einmal da sind. Meines Erachtens ist Herr von Beust heute noch einen Schritt weitergegangen, indem er endlich Klarheit geschaffen und gesagt hat, die Hansestadt Hamburg denke darüber nach, wie wir diese Bank los werden. Das ist bislang von Herrn Freytag in keiner Weise zur Diskussion gestellt worden.

Ein letzter Punkt, über den wir dann noch diskutieren müssen, Herr Freytag.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, für einen Punkt haben Sie keine Zeit mehr. Bitte nur noch einen Schlusssatz.

Den wollte ich gerade sagen. Wir sollten noch einmal darüber reden, ob Sie die These, die Sie noch am Dienstag aufgestellt haben, dass das Shipping-Geschäft total in Ordnung sei, überhaupt noch aufrechterhalten können.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Bischoff, Sie haben in der Ihnen eigenen charmanten Art liebevoll über Michael Freytag referiert. Aber ich möchte diese Aktuelle Stunde dafür nutzen, um ernsthaft über die Finanzkrise und vor allen Dingen, wie Sie es auch angemeldet haben, die wirtschaftlichen Auswirkungen zu sprechen, denn die Krise, meine Damen und Herren, hat Hamburg längst erreicht.

Die gegenwärtige Lage ist diffus. Keiner von uns weiß, was in den nächsten Monaten, Wochen auf uns zukommt. Wir haben allenfalls, wie die meisten Menschen in dieser Stadt und in ganz Deutschland, eine Ahnung und die ist bestimmt nicht positiv. Jeder Bürger macht sich sorgenvoll Gedanken, Arbeitnehmer fragen sich, was kommt auf uns zu, wie sicher ist mein Arbeitsplatz. Unternehmer fragen sich, soll man jetzt Investitionen tätigen, soll man Personal einstellen.

Was überhaupt nicht hilft, meine Damen und Herren, ist zwanghafter Optimismus. Das glaubt zu Recht kein Mensch. Aber, Herr Neumann, zwanghafter Pessimismus hilft uns genauso wenig weiter.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich glaube – und so sieht es die gesamte CDUFraktion –, dass eine ehrliche, offene, transparente Darstellung der wirtschaftlichen Situation am besten ist.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Dies ist zu Recht die Erwartung aller Hamburger und das gilt für uns gleichermaßen, für uns als Regierung und für Sie als Opposition. Wir alle müssen darüber nachdenken, wie wir für Hamburg die sich anbahnenden wirtschaftlichen Verwerfungen so gering wie möglich halten können. Natürlich müssen Fragen zur Zukunft der HSH Nordbank gestellt und Antworten gefunden werden, zur Zukunft des gesamten Bankenwesens, mindestens des Landesbankenwesens, des Haushaltes, der Wirtschaft unserer Stadt. Die Vorbereitung wird aufseiten des Senats durch Bürgermeister Ole von

(Dr. Joachim Bischoff)

Beust, der unermüdlich in Berlin ohne lautes Getöse für Hamburg, für diesen Senat und für diese Koalition kämpft, betrieben.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Ich appelliere auch an Sie, insbesondere an die Opposition, an die SPD: Machen Sie mit, denken Sie darüber nach, werden Sie Ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht. Sie haben ein paar Punkte ein bisschen leicht aus dem Handgelenk gesagt, aber Sie können ja weiter mitdenken. Arbeitnehmer, Gewerkschaft, Arbeitgeber, Kammern, Senat und Bürgerschaft, wir alle müssen zum Beispiel über Fragen nachdenken, wie wir die Wirtschaft in den unterschiedlichen Branchen in unserer Stadt am Laufen halten. Sollen wir jetzt und wenn ja, welche Investitionen vorziehen? Wie schaffen wir – und das ist die Grundfrage – Vertrauen. Wir wurden gewählt, um gerade in schwierigen Zeiten Situationen zu meistern. Es ist nicht die Zeit einseitiger Schuldzuweisungen an Personen. Herr Neumann, Hamburg, die Region, ganz Norddeutschland, ganz Deutschland kann diese Krise gar nicht alleine überwinden. Dafür brauchen wir mindestens ein gemeinsames Auftreten aller europäischen Staaten. Ich meine, die Bundesregierung hat bisher richtig gehandelt, allerdings arbeitet die Bankaufsicht selbst zu langsam, dies muss schneller gehen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Die Bürger wollen kein Parteigezänk. Sie wollen Vorschläge zur Bewältigung der Krise, sie wollen Vertrauen in das Handeln der Verantwortlichen in der gesamten Politik, in der gesamten Wirtschaft und gemeinsam müssen wir diese Herausforderungen meistern. Daran werden wir alle, auch Sie, gemessen. Wenn wir uns dies alles zu eigen machen und im wahrsten Sinne des Wortes durch Gemeinsinn für das Gemeinwohl unserer Stadt nachdenken,

(Michael Neumann SPD: Wollen Sie Bun- despräsident werden?)

auch miteinander ringen, aber auch die Kraft haben, gemeinsam zu handeln, dann werden wir diese Prüfung, wie Hamburg in seiner Geschichte schon so manch andere Krise überwunden hat, auch bestehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tschentscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schira, herzlichen Dank für diesen ersten, wenigstens

nachdenklichen Beitrag Ihrer Fraktion zu diesem Thema.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Da sind wir Ihnen weit voraus!)

Herr Bischoff hat recht, seit dem Wahlkampf hat der Senat die Auswirkungen der Finanzmarktkrise systematisch verharmlost. Trotz der Schönwetterreden des Finanzsenators stellen wir mehr und mehr fest – auch Herr Schira stellt das heute fest –, dass die Finanzmarktkrise uns auch in Hamburg trifft und sie trifft uns hart. Die ausbleibenden Dividenden und Zinsen in Millionenhöhe treffen auch unseren Haushalt. Es fällt mir schwer, Herr Senator Freytag, bei diesem Thema noch etwas zu glauben. Sie haben dem Haushaltsausschuss bisher immer genau das erzählt, was bis dahin in der Zeitung stand. Die CDU hat meiner Fraktion einmal sogar das Wort entzogen, obwohl wichtige Fragen zu klären waren,

(Olaf Ohlsen CDU: Na, na, na!)

zum Beispiel, warum noch im Juni, als der Senat 300 Millionen Euro zusätzlich in die Bank eingezahlt hat, das Geschäft der HSH Nordbank als auch in der Finanzmarktkrise stabil und erfolgreich dargestellt wurde. Warum hieß es dann, die HSH sei zwar betroffen von der Finanzmarktkrise, aber ein eigenes Verschulden gebe es nicht und Wertkorrekturen seien schließlich noch keine Verluste. Dann kommen Sie, 300 Millionen Euro Verlust später, am 11. November in den Ausschuss und erklären uns, der Vorstandsvorsitzende musste entlassen werden wegen schwerer Fehler. Sie hätten davon nichts gewusst und eigentlich auch nichts wissen müssen, Ihre Aufgabe bestünde darin, den Vorstand zu entlassen, wenn der Schaden schon eingetreten sei.

Jetzt verspüren Sie allerdings doch eine operative Verantwortung, krempeln die Ärmel hoch und verschaffen sich einen Überblick über die Geschäfte der HSH Nordbank, die Sie seit Monaten beaufsichtigen. Das ist eine Auffassung von Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds, die, gelinde gesagt, abwegig ist und mit Ihrer Verantwortung als Finanzsenator, mit Ihrer Verantwortung für die Interessen Hamburgs nicht vereinbar ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das passt auch nicht zu Ihren früheren Aussagen auf kritische Fragen der Opposition. Sie haben die Fragen immer weggebügelt und behauptet, die Geschäfte der Bank seien solide und erfolgreich. Sie hätten eigentlich sagen müssen, ich weiß das alles gar nicht, ich sitze nur im Aufsichtsrat und höre mir an, was der Vorstand erzählt. Das hätten Sie sagen müssen, aber dieses Bild ist unglaubwürdig. Jetzt versuchen Sie, über die Runden zu kommen, ohne die Fakten auf den Tisch zu legen. Das ist schlecht und das können Sie sich auch nicht leisten.

(Frank Schira)