Protocol of the Session on November 19, 2008

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der GAL)

Ich nehme das Thema ernst und diskutiere auch darüber. Wo haben wir denn die Gelegenheit, direkt miteinander in den Dialog zu treten als im Ausschuss und uns einmal über konkrete Dinge und auch Schwächen zu verständigen. Nein, das ist keine gute Leistung. Schon mit der anderen Großen Anfrage von uns nicht, aber auch mit dieser nicht, die einfach wegzustimmen. Vielleicht trägt mein Redebeitrag dazu bei, noch eine Kehrtwende herbeizuführen und sich nicht von vornherein festzulegen, wie man denn stimmt.

Heute, 32 Jahre nach Gründung der ersten Frauenhäuser in Deutschland, ist es ein gesellschaftlicher Konsens, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem ist.

(Linda Heitmann)

Die Ausübung von geschlechtsbezogener Gewalt – körperlich, psychisch und sexualisiert – stellt eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung und Grundrechtsverletzung dar. Schon vor dem Hintergrund, dass am Dienstag der internationale Tag der Gewalt gegen Frauen begangen wird, sollte man das nicht einfach wegstimmen, sondern diesen Tag entsprechend würdigen.

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE – Farid Müller GAL: Hier wird nichts weggestimmt!)

Sie hat gravierende Auswirkungen auf die körperliche, seelische und psychische Unversehrtheit von Frauen. Diese Gewalt beeinträchtigt die Gesundheit, die sozialen und gesellschaftlichen Möglichkeiten der betroffenen Frauen und ihrer Kinder. Sie behindert die freie, gleichberechtigte Ausübung ihrer Grundfreiheiten und die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Die erlebte Gewalt führt häufig zu bleibenden physischen und psychischen Schädigungen. Einige wurden bereits richtig benannt: Arbeitslosigkeit und soziale Isolation der Frauen.

Kinder, die Gewalt selbst oder miterlebt haben, leiden ebenfalls unter vielfältigen seelischen und körperlichen Einschränkungen. Bei ihnen ist außerdem zu befürchten, dass in der Kindheit erlebte Gewalt sich prägend auf später gelebte Beziehungen auswirken kann. Es wachsen neue Opfer- und Tätergenerationen nach.

Von häuslicher Gewalt betroffene Frauen können in akuten Gefahrensituationen von der Möglichkeit der Wohnungswegweisung nach dem Gewaltschutzgesetz Gebrauch machen. In vielen Fällen wird mit einer Wohnungswegweisung ein ausreichender Schutz jedoch nicht erreicht. Vor allem dann, wenn zum Beispiel damit zu rechnen ist, dass sich der Mann nicht an das Verbot hält, sich in ihrer Nähe aufzuhalten, ist es für die betroffene Frau und ihre Kinder häufig sicherer, selbst die Wohnung zu verlassen.

Für Frauen, die Schutz, Anonymität und Sicherheit bedürfen, da die Täter sich durch gerichtliche Anordnungen nicht stoppen lassen, sind Frauenhäuser nach wie vor die einzigen sicheren Zufluchtsorte, um diesem Schicksal zu entkommen. Das Gewaltschutzgesetz muss als weiterer Baustein zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt geschätzt und anerkannt werden. Es werden damit Frauen erreicht, die davor weder Unterstützung noch Beratung in Anspruch nahmen.

Die Frauenhäuser sind seit Einführung des Gewaltschutzgesetzes weder weniger frequentiert, noch haben sie ihren Schutzcharakter verloren. Neben ihrer einzigartigen Schutzfunktion für die betroffenen Frauen und Kinder haben die Frauenhäuser auch einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen. Je früher und je wirksamer betroffenen Frauen und deren Kinder Schutz und Hilfe gewährt werden

kann, umso geringer fallen die gesellschaftlichen Folgekosten von Gewalt aus. Beispielhaft genannt seien hier die Kosten für Gesundheitsversorgung, Justiz, Polizei, Hilfesysteme und Arbeitsausfälle.

Für Deutschland fehlen bisher konkrete Zahlen, aber für andere europäische Länder wurden die jährlichen Folgekosten häuslicher Gewalt auf durchschnittlich 40 Euro pro Einwohnerin und Einwohner geschätzt. Bei einer aktuellen Einwohnerinnen- und Einwohnerzahl von rund 1,77 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger wären das 70,6 Millionen Euro im Jahr. Dieses Geld wird die Gesellschaft weiterhin aufbringen müssen, wenn nicht ein radikales Umdenken einsetzt. Gerade auch in finanziellen Krisenzeiten – da sind wir wieder beim Haushalt – muss in soziale Belange investiert werden, um nicht explodierende Folgekosten zu provozieren.

Wir sind mitten in den Beratungen zum Haushalt 2009/2010. Den Frauenhäusern werden wieder nur 1,9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass es weiterhin eine zu hohe Dauerauslastung geben wird, dass der Betreuungsschlüssel weiter bei 1 : 8,25 liegt und damit die Belastungsgrenze bei Personal und Bewohnerinnen ständig strapaziert und auch überstrapaziert wird.

Die Mittel müssen dringend aufgestockt werden, um sowohl die Kernbereiche der Frauenhausarbeit als auch die zunehmenden Aufgaben in den Bereichen Prävention, interdisziplinäre Fortbildungsangebote, Vernetzung und Beratung finanziell abzusichern. Diese Aufgaben können auf Dauer nicht im Ehrenamt geleistet werden.

Die Frauenhäuser selbst fordern aktuell eine bundeseinheitliche und unbürokratische Finanzierung, an der sich Bund, Länder und Kommunen beteiligen sollen. Hamburg ist eines der wenigen Bundesländer, in dem Frauen ohne Zugangsbeschränkungen den Schutz eines Frauenhauses in Anspruch nehmen können. Das ist gut. Dies führt natürlich zu einer Frequentierung durch Frauen aus Bundesländern, in denen sie nicht in einem Frauenhaus aufgenommen werden können. Von einer einheitlichen Lösung und einer gemeinsamen Finanzierung durch Bund und Länder würde Hamburg profitieren und sollte deshalb diese Forderung unterstützen. Ich möchte noch einmal dringend an Sie appellieren: Lassen Sie uns weiter über dieses Thema diskutieren, es hat finanzpolitisch einen hochgradigen und hochsensiblen Hintergrund und stimmen Sie einer Überweisung an die Ausschüsse zu.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Senator Wersich.

(Kersten Artus)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon häufig auf den 25. November hingewiesen worden, dem internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Gewalt gegen Frauen ist die häufigste Menschenrechtsverletzung weltweit und deswegen möchte ich mich zunächst einmal bei Ihnen, Frau Dobusch, bedanken, dass Sie mit der Großen Anfrage mithelfen, dass wir das Thema in einen öffentlichen Fokus bringen. Denn die Frage, wie wir politisch und öffentlich mit diesem Thema umgehen, hat auch Bedeutung dafür, welche gesellschaftlichen Normen wir setzen. Insofern vielen Dank für die Möglichkeit.

(Dr. Monika Schaal SPD: Dann können Sie es ja in den Ausschuss überweisen!)

Ich glaube, wir alle wissen, dass in der Gesellschaft Gewalt generell, aber auch speziell gegen Frauen immer mehr geächtet ist. Dennoch sollten wir uns nicht täuschen, diese Errungenschaften sind nicht allzu alt. Es galt noch bis vor relativ kurzer Zeit die Unterordnung der Frau, wo der Ehemann und Haushaltsvorstand auch ein Erziehungsund Züchtigungsrecht sogar gegenüber seiner Frau hatte. Am 12. November jährt sich überhaupt erst zum neunzigsten Mal, dass Frauen das Wahlrecht in Deutschland haben. Bis vor 50 Jahren durfte eine verheiratete Frau nur mit Zustimmung ihres Ehemanns einen Arbeitsvertrag abschließen. Bis dahin konnte der Ehemann übrigens auch über das Vermögen der Frau frei verfügen und er hatte das alleinige Entscheidungsrecht in allen Arbeitsverhältnissen. Was für uns heute besonders interessant ist, ist, dass bis vor 38 Jahren Frauen in Deutschland keinen Fußball spielen durften. Heute sind unsere Frauen Fußballweltmeister.

(Beifall bei der CDU – Karin Timmermann SPD: Bessere als die Männer!)

Bis vor 28 Jahren durften Frauen nicht Maler oder Elektroinstallateur werden und bis vor elf Jahren konnte Vergewaltigung in der Ehe rechtlich nicht verfolgt werden. Es ist also alles nicht lange her und zeigt uns aber gleichzeitig, welchen gesellschaftlichen Umwälzungsprozess wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erlebt haben.

Insofern ist die Gewalt gegen Frauen im Zuge dieser Maßnahmen stark rückläufig, aber leider nicht überall, nicht in allen Feldern und vor allem nicht in allen Bevölkerungsgruppen. Hier finden Sie viele Informationen in der Großen Anfrage.

Die nach wie vor hohen Anteile von Frauen mit Gewalterfahrung zeigen, dass Gewalt gegen Frauen kein Randthema ist. Es ist aktuell, es ist weit verbreitet und zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten.

Da ist zunächst einmal die polizeiliche Kriminalitätsstatistik zu erwähnen. Wir alle wissen, dass sie ihre Schwächen hat, denn vieles wird überhaupt

nicht erfasst, wird überhaupt nicht angezeigt. Es gibt auch jenseits der strafrechtlich relevanten Form von Gewalt natürlich viele Formen subtiler Gewalt, die ebenfalls nicht Eingang in polizeiliche Kriminalitätsstatistiken finden. Wir sehen aber auch, dass ein großer Teil der Gewalt mit dem Thema Beziehungsgewalt zusammenhängt. Darauf wurde heute schon hingewiesen. In dem Bereich Beziehungsgewalt geht es auch um familiäre Gewalt. Deswegen möchte ich, dass wir noch einmal gemeinsam auf ein ganz besonderes Problem gucken – es ist hier angesprochen worden –, dass die Errungenschaften, die wir gemeinsam beim Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht haben, leider nicht in allen Teilen der Gesellschaft gleichermaßen gelten. Es gibt immer noch Teile, wo althergebrachte Männlichkeitsbilder und Geschlechterrollen zusammen mit Gewalt auftreten. Ich will auch hier einmal auf den Abschlussbericht des Modellprojekts der Hamburger Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt "pro-aktiv" hinweisen. Nichtdeutsche Klientinnen waren dort mit 42 Prozent bei einem Bevölkerungsanteil von nur 13 Prozent deutlich überrepräsentiert.

Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass die Jahrhunderte und Jahrzehnte lang erkämpfte Gleichberechtigung in den Teilen der Gesellschaft nicht gilt, wo wir es nach wie vor mit einem traditionell patriarchalischen, manchmal auch religiös geprägten Elternhaus zu tun haben. Wir setzen dort auch an, wir reden nicht nur gegen Gewalt, sondern wir handeln auch gegen Gewalt. Herr von Frankenberg hat bereits darauf hingewiesen, dass wir die Gewaltberatungsstellen mit zusätzlichen Mitteln ausstatten, dass wir mit Plakat- und Postkartenkampagnen zu den Themen Ehre, Ehrenmord und Zwangsheirat insbesondere junge Menschen sensibilisieren. Und wir fördern auch Projekte wie beispielsweise Regenbogen, mit dem wir Frauen aus quasi abgeschlossenen Familienverbänden erreichen wollen über Angebote für Sprachförderung und andere Dinge, um darüber dann ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und für Themen wie Zwangsheirat und häusliche Gewalt zu sensibilisieren.

Wir sollten aber bei allem am Ende eines nicht vergessen. Die Frage der Straftaten und der Gewalt gegen Frauen ist auch eine Frage einer entschlossenen Sicherheitspolitik. 80 000 Straftaten weniger als 2001 heißt auch weniger Straftaten gegen Frauen im öffentlichen Raum und heißt auch weniger weibliche Opfer. Deswegen muss man, wenn man an der Stelle über das Thema Gewalt gegen Frauen und Kriminalität redet, auch sagen: Die Sicherheitspolitik, die wir seit 2001 betreiben, muss konsequent fortgesetzt werden.

Wir alle dürfen nicht nachlassen, das gesellschaftliche und öffentliche Bewusstsein gegen Gewalt gegen Frauen zu schärfen. Das ist nicht nur ein Thema für internationale Gedenktage, sondern auch

für den Alltag. Eine Rücksichtnahme auf Traditionen oder kulturelle Traditionen, die in Wahrheit nur Unterdrückung meinen, kommt für uns nicht infrage. Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Männer ist zu verachten.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr, sodass wir zur Abstimmung kommen können.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/1297 an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Große Anfrage, Drucksache 19/1297, besprochen worden ist.

Wir kommen zum Punkt 47 der Tagesordnung, Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Neuprogrammierung von Lichtzeichensignalanlagen.

[Antrag der Fraktionen der CDU und GAL: Neuprogrammierung von Lichtzeichensignalanlagen (LSA) – Drs 19/1472 –]

Hier ist Einvernehmen erzielt worden, dass auf eine Debatte verzichtet wird.

Wer den gemeinsamen Antrag von CDU- und GAL-Fraktion aus Drucksache 19/1472 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Punkt 43 der Tagesordnung, dem Antrag der SPD-Fraktion: Girokonto für alle Bürgerinnen und Bürger.

[Antrag der Fraktion der SPD: Girokonto für alle Bürgerinnen und Bürger – Drs 19/1468 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Sozial- und Gleichstellungsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Bekeris, bitte.

(Zuruf von Olaf Ohlsen CDU)

Frau Bekeris, Entschuldigung, bevor ich Ihnen das Wort erteile: Herr Ohlsen, Sie sollten wirklich darauf achten, dass Ihre Stimme so tragend ist, dass man Ihre Zwischenrufe gut erkennen kann. Ich denke, Sie sollten sich überlegen, wie Sie sich in Zukunft parlamentarisch äußern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir de

battieren heute einen Antrag zum sogenannten Girokonto für jedermann. Für langjährige Abgeordnete wird dieses Thema nichts Neues sein, denn das Girokonto für jedermann wurde bereits 1995 und 2004 in der Bürgerschaft thematisiert. Umso bedenklicher ist es, dass es auch heute für viele Menschen noch keine Selbstverständlichkeit ist, ein Girokonto zu erhalten. Dabei muss man sich vor Augen führen, was es bedeutet, nicht über ein Girokonto zu verfügen. Oftmals verlangt der Arbeitgeber ein Girokonto, Arbeit finden ohne Konto ist also schwierig. Fast unmöglich ist es aber, eine Wohnung anzumieten, ohne ein Konto angeben zu können. Haben Sie schon einmal versucht, einen Energieliefervertrag ohne Angabe einer Kontonummer abzuschließen? – Eine fast unüberwindliche Hürde.

Aber, werden Sie sagen, es gibt doch Barüberweisungen.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Ja, die gibt es – allerdings nicht bei allen Banken. Und bei denen, die eine Barüberweisung vornehmen, sind die Kosten enorm. Als Beispiele: Die Postbank verlangt für eine Barüberweisung an ein hauseigenes Konto 5 Euro, an ein bankfremdes Konto 8 Euro, die Deutsche Bank gar 5 beziehungsweise 10 Euro, die HASPA bleibt mit 1,50 Euro beziehungsweise 5 Euro im Vergleich recht moderat. Diese Kosten fallen also in der Regel für die nicht gut betuchten Menschen ohne Girokonto zusätzlich an. Außerdem belastet die Barauszahlung von Transferleistungen auch den Haushalt der Stadt. Alles in allem ist ein Girokonto für jedermann dringend notwendig und das ist nichts Neues.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und ver- einzelt bei der GAL)