Protocol of the Session on September 17, 2008

Auch um diese Quote zu erhöhen muss es unbedingt weitergehen. Es muss unbedingt erreicht werden, dass die Studiengebühren abgeschafft werden. Wenn Sie sagen, erfolgreiche Akademiker können hinterher ihre Schulden zahlen, sieht es doch so aus, dass auch nachgelagerte Studiengebühren am Ende als Schulden übrig bleiben. Da ist ein Geldbetrag, der bezahlt werden muss und wie Sie das nennen und was Sie mit Ihrer Semantik daraus machen, das ist ziemlich egal. Es ist Geld, das zurückgezahlt werden muss und davor haben insbesondere Familien und junge Menschen aus benachteiligten sozialen Verhältnissen große Hemmungen und machen dann lieber eine Banklehre.

Jetzt kommen wir zur Bank und zum Geld.

(Ingo Egloff SPD: Das ist aber auch nicht schlecht!)

Es ist schon wieder, ohne dass es genannt wurde, deutlich gemacht worden, dass es sozial ungerecht ist, wenn wir als Opposition, als Diakonisches Werk, als Studierendenwerk – früher war es auch noch die GAL, die hat ihre Meinung geändert – dazu beitragen wollen, dass die arme Arzthelferin das Studium des reichen Arztsohnes bezahlen soll. Mit diesem Märchen können Sie vielleicht ins Theater gehen, aber bitte nicht in die Bürgerschaft.

(Wolfgang Beuß CDU: Wer erzählt das denn? Wann denn?)

Das ist genauso gesagt worden. Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, dass Bildungsaufgaben staatliche Aufgaben sind, dass es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit von Öffentlichkeit

ist, dafür zu sorgen, dass Bildung chancengerecht funktioniert. Dazu gehört eben auch Geld.

Heute wird gesagt, dass wir Studiengebühren erheben müssen, damit die Studienbedingungen besser werden. Erstens gibt es genug andere Bundesländer und Länder, die keine Studiengebühren erheben. Zweitens ging es komischerweise vor ein paar Jahren auch noch.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich mir dann angucke, was verantwortungslosen Zockern im Bankgewerbe für öffentliches Geld hinterher geworfen wird – ich denke nur an die HSH-Bank in Hamburg–, das ist doch ein Klacks –, wenn ich vor drei Tagen lese, dass die Europäische Zentralbank in einer dritten Charge 30 Milliarden Euro Banken zur Verfügung stellt, damit sie das Geld von den Sparern und Einzahlern nachschießen können, weil da um unglaubliche Renditen gezockt wurde, dann kann dieses Argument, wir haben kein Geld, schon gar nicht mehr funktionieren.

Komischerweise ist es auch immer die Opposition, die darlegen muss, wie sie etwas finanziert. Wenn Sie, Frau Gümbel, davon sprechen, dass etwas im Haushalt stehe – wir hätten den Haushalt gerne. Aber ich habe ihn noch nicht und meine Fraktion hat ihn noch nicht. Es wäre schön, wenn wir ihn bekommen würden. Dann können wir auch darüber reden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Von den Steuergeschenken, die zugunsten der Besserverdienenden in den letzten Jahrzehnten gemacht worden sind, will ich überhaupt nicht reden. Auf jeden Fall ist es so, dass es die OECD-Staaten auch im weltweiten Vergleich hinbekommen haben, dass die öffentlichen Ausgaben für Bildung in den letzten Jahren von 12,8 auf 13,2 Prozent gesteigert worden sind. In Deutschland haben wir den umgekehrten Weg beschritten. Wir haben die Bildungsausgaben von 9,9 Prozent auf 9,7 Prozent gesenkt und wir müssen das Studium aus öffentlichen Haushalten finanzieren. Wenn Sie immer fordern, die Opposition müsse sagen, wie etwas finanziert wird, dann möchte ich Sie einmal fragen, was eigentlich mit der Elbphilharmonie ist. Das war eine ganz schräge Finanzierung. Die haut von vorne bis hinten nicht hin. Wenn Sie schon fragen, wie wir das finanzieren wollen: Wir würden ganz deutlich sagen, dass wir das Geld für Dinge wie zum Beispiel den Expo-Stand in Schanghai, die Universiade oder die Elbphilharmonie lieber in Bildung stecken würden und das müssen wir auch. Wir müssen unseren Anteil erhöhen, das muss auch Hamburg tun, weil die Zukunft davon abhängt. Ich zitiere noch einmal Frau Ischinger, die gesagt hat:

"Werden die strategischen Zukunftsaufgaben in Deutschland nicht erfüllt, dann wird Deutschland im globalen Wettbewerb hinten runterfallen."

Sie sind es doch immer, die vom Standortvorteil und vom Standort Deutschland sprechen. Das heißt, wenn wir uns verantwortungsvoll darum kümmern wollen, dass genug junge Menschen studieren können und dass wir genug Akademiker in Wirtschaft und Wissenschaft haben, dann müssen wir alles tun, um die Hinderungsgründe zur Aufnahme des Studiums zu senken, und dann müssen wir die Studiengebühren abschaffen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich habe hier für die Senatorin, Frau Gundelach, die leider nicht da ist – aber ich sehe Herrn Reinert, den Staatsrat –,

(Michael Neumann SPD: Der kriegt sowieso nichts mit!)

von Studierenden der Universität Hamburg, und zwar der Fachschaftsrätekonferenz – die haben bereits 1 500 Unterschriften abgegeben –, noch einmal 1 376 Unterschriften. Ich lese einmal vor, was die unterschrieben haben:

"Für die Abschaffung jeglicher Studiengebühren! Ich bin für ein gebührenfreies Studium und daher für die Abschaffung jeglicher Studiengebühren, ob allgemeine, nachgelagerte, Langzeit- oder Verwaltungsgebühren, denn [1.] Studiengebühren wirken sozial selektiv, weil sie Studierende mit zusätzlichen Kosten belasten, statt die Bildungskosten bei den wirklich Reichen einzutreiben, [2.] Studiengebühren sind eine ordnungspolitische Maßnahme zur restriktiven Gestaltung des Studiums und zur Verdrängung allgemeinbildender Anteile, [3.] Studiengebühren wirken entsolidarisierend und entdemokratisierend, indem kritisches Engagement für soziale und kulturelle Verbesserungen mit finanziellem Druck bestraft wird, [und 4.] Bildung ist ein allgemeines Recht und dem Allgemeinwohl verpflichtet und muss daher bedarfsdeckend öffentlich finanziert werden."

(Wolfgang Beuß CDU: Ganz neue Argumen- te! – Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

In der letzten Diskussion in der letzten Bürgerschaftssitzung ist gesagt worden, die Studierenden fänden Studiengebühren gar nicht schlimm. Ich übergebe Ihnen jetzt noch einmal die Unterschriften und vielleicht überlegen Sie doch noch einmal, denn fast 3 000 Studenten haben während der Semesterferien unterschrieben und das sind viele Un

terschriften. Darüber sollte man einmal nachdenken.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Dinges-Dierig.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Heyenn, Sie warfen uns Ideologie vor. Ich kann Ihnen sagen, was Ideologie ist. Ideologie ist, wenn Sie behaupten, dass sich die Quote der Hochschulabsolventen dann verringern würde, wenn wir Gebühren einführen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist erwiesen!)

Das ist in meinen Augen Ideologie pur.

(Beifall bei der CDU)

Noch eine Anmerkung zu Ihnen, Frau Stapelfeldt. Jetzt muss ich gerade einmal sehen, ob Sie noch im Raum ist oder nicht – doch, da vorne.

(Dr. Dorothee Stapelfeldt SPD: Ich bin im- mer da! – Michael Neumann SPD: Ihnen fehlt der Überblick bei dem Thema!)

Sie haben eingefordert, dass wir wahrheitsgemäß argumentieren sollen. Da bin ich sofort bei Ihnen. Dann möchte ich Sie aber auch bitten, dass Sie Ihre Zahlen nicht so herausfiltern, dass Sie schlichtweg nicht mehr wahrheitsgemäß sind hinsichtlich der Konsequenzen, die Sie daraus ziehen. Wenn Sie die Hochschulabsolventen im Durchschnitt der OECD mit den Hochschulabsolventen in Deutschland vergleichen, so können Sie daraus zunächst überhaupt keine Konsequenzen ziehen, weil nämlich die meisten Länder der OECD nur einen Abschluss im Hochschulbereich kennen, nämlich den Hochschulabschluss. Das ist ihr Abschluss im tertiären Bereich. Wir kennen in Deutschland aber außerdem noch andere Abschlüsse. Das wissen Sie und haben das selber in früheren Debatten auch ab und zu gebracht. Wir haben bei uns ein sehr stark ausgebautes berufliches Ausbildungswesen mit der Möglichkeit über Fachschulen und Meisterausbildung Abschlüsse im tertiären Bereich zu machen. Das ist die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Ein Fachschulabschluss oder eine Meisterausbildung ist von der Wertigkeit her mit Sicherheit mindestens so viel wert wie der erste Hochschulabschluss. Sie müssen also, wenn Sie Konsequenzen aus dem ziehen wollen, was die OECD an Zahlen immer wieder fälschlicherweise vergleicht, diese Zahlen addieren und dann vergleichen. Dann stehen wir völlig anders da und dann können wir uns über Konsequenzen gerne unterhalten und

darüber, wie wir es schaffen, die bestmögliche Qualifikation der jungen Leute bei uns in Deutschland sicherzustellen. Dazu gehört für mich in allererster Linie die Durchlässigkeit im Hochschulwesen, sodass diejenigen, die kein Abitur haben und eine Ausbildung über das duale System gemacht haben, über die Weiterbildung in die Hochschule kommen. Dann bekommen wir das auch hin, dass wir allen die Chance geben, einen Hochschulabschluss zu machen. Konsequenzen ja, wahrheitsgemäße Argumentation auch ja, aber bitte mit Zahlen, die wir auch miteinander vergleichen können.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kühn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Langhein, ich möchte zu Beginn meiner Rede noch einmal auf Sie eingehen, weil ich es schon sehr erstaunlich finde, wie Sie noch einmal versuchen, diesen besonderen Umstand herauszustellen, dass wir heute dieses Gesetz in einer zweiten Lesung diskutieren. Dann muss man doch noch einmal daran erinnern, dass es parlamentarische Praxis ist, dass ein Gesetz zweimal gelesen wird, und zwar auch gesondert gelesen wird. Bei einem Gesetz, das wie dieses im Wahlkampf eine solch entscheidende Rolle gespielt hat – beziehungsweise die Frage Studiengebühren ja oder nein –, allen Ernstes von Koalitionsseite den Versuch zu unternehmen, den Umstand, dass wir zu diesem Gesetz auf eine gesonderte zweite Lesung bestanden haben, ohne dies angemeldet zu haben, in ein fragwürdiges Licht zu rücken, ist schon sehr merkwürdig. Besonders interessant finde ich allerdings den Umstand, dass die zuständige Senatorin es anscheinend nicht für nötig hält, zu dieser Debatte zu erscheinen.

(Dr. A. W. Heinrich Langhein CDU: Sie ha- ben es ja gar nicht zur Debatte angemeldet! – Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das zeigt nämlich, wie wichtig Ihnen diese Diskussion ist. Dass Sie dieses Thema heute zur Debatte angemeldet haben – einmal ganz ehrlich gesagt –, hängt doch nur damit zusammen, dass Sie diesen peinlichen Vorstoß von Herrn Hesse, den Flughafen umzubenennen, nicht allen Ernstes diskutieren wollten. Das ist nämlich die eigentliche Peinlichkeit. Deshalb haben Sie dieses Thema doch überhaupt angemeldet.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuru- fe)

Ja, ich komme gerne zum Thema, nämlich zur Frage: Studiengebühren ja oder nein? Nachgelagertes System ja oder nein?

(Dora Heyenn)

Wenn man sich Ihre Beiträge, die Sie heute gehalten haben, vor Augen führt, dann gewinnt man den Eindruck, als gäbe es in der Bundesrepublik Deutschland einen generellen Konsens darüber, dass Studiengebühren ein richtiger Weg sind. Dann möchte ich an dieser Stelle darauf verweisen, dass sich gerade einmal fünf der 16 Bundesländer bislang überhaupt für ein Gebührenmodell entschieden haben. Es ist als mitnichten so, dass es in der Bundesrepublik einen generellen politischen Konsens darüber gibt, dass Studiengebühren eine Notwendigkeit sind, um die Hochschullandschaft ausreichend zu finanzieren. Im Gegenteil: Das Bundesland Hessen hat gerade den Beweis erbracht,

(Wolfgang Beuß CDU: Ja, mit Ihrer Frau Yp- silanti!)

dass es sehr wohl eine Alternative gibt. Das ist nicht nur …

(Zurufe von der CDU)

Das hat mit Umfallen überhaupt nichts zu tun.

Sondern die Grünen, die SPD und DIE LINKE sind in einen Wahlkampf gezogen und haben gesagt, sie werden die Gebühren abschaffen. Sie haben es getan. Hamburg tut es nicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das ist eine Sache, für die Sie sich rechtfertigen müssen und ich habe durchaus zu dem, was Frau Ypsilanti macht, auch meine Meinung, Herr Beuß. Aber in der Frage der Studiengebühren hat sie nun wirklich Wort gehalten.