Kommen wir zum nächsten Punkt. Herr Tschentscher, wenn ein paar Wissenschaftspolitiker über die finanziellen Auswirkungen reden und das ein bisschen schräg wird, finde ich das in Ordnung. Aber wenn ein haushaltspolitischer Sprecher sagt, wir wollen die Studiengebühren abschaffen und das kostet pro Jahr 38 Millionen Euro und jetzt findet, dass wir nur einen Teil der Gebühren abschafften und das die Stadt 14 Millionen Euro kostet und Sie sagen, die 14 Millionen Euro müssten ja finanziert werden und das sei ja furchtbar.
Es tut mir leid, das ist nun eine Rechnung, da muss man schon Sozialdemokrat sein, um sie zu verstehen, warum 14 Millionen Euro weniger sind als 38 Millionen Euro.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Da haben Sie völlig recht, Herr Kerstan! Sie haben das nämlich nicht ver- standen!)
Ich möchte noch einmal zu Ihrem letzten Argument kommen. Sie sagen, wir vergrößern die soziale Spaltung in dieser Stadt, weil Menschen, die ein Einkommen von 30 000 Euro im Jahr haben, einen Betrag zwischen 2000 bis 3000 Euro bezahlen müssen. Da möchte ich Sie fragen, ob Sie dieses Argument ernst meinen oder verstehen, was Sie da sagen. Wissen Sie eigentlich, wie viele Zehntausend Menschen in dieser Stadt in ihrem ganzen Leben ein Einkommen von 30 000 Euro nicht erreichen werden, die teilweise ein oder zwei Jobs haben und immer noch nicht auf 30 000 Euro kommen. Die müssen keine Gebühren zahlen. Aber Sie sagen, die soziale Spaltung in der Stadt steigt, weil es Menschen gibt, die beim Durchschnittseinkommen oder darüber liegen, wie beispielsweise gut verdienende Banker, PR-Agentur-Agenten, Facharbeiter und andere. Ich muss sagen, Sie wissen überhaupt nicht, wie die soziale Situation in dieser Stadt ist, denn sonst würden Sie ein solches Argument gar nicht bringen können.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es nicht das Maximale, das wir aus grüner Sicht hier beschließen. Wir sind immer noch der Meinung, dass Studiengebühren grundsätzlich abgeschafft werden sollen, aber wenn man Studiengebühren erhebt, gibt es keine sozialere Variante als die, die wir hier gefunden haben. Sie wird ab sofort, ab Oktober die Situation der Studierenden in dieser Stadt spürbar verbessern.
Jetzt kommen wir noch einmal zu den parlamentarischen Rechten. Ich war nun auch sechs Jahre lang in der Opposition und wir haben sehr oft die zweite Lesung verweigert. Das ist völlig normal, das dürfen Sie auch gerne jederzeit tun. Nur wir haben es vorher auch immer gesagt.
Dann gibt es nämlich auch die Möglichkeit für die Regierungsmehrheit, wenn es eng ist, dann in einer Doppelsitzung am Anfang die Tagesordnung zu ändern und dann das, was Sie uns eben sogar explizit gesagt haben, schlafen Sie doch einmal eine Nacht darüber, das dann auch zu tun und dann die zweite Abstimmung auf den nächsten Tag zu legen. Das haben Sie nicht getan, weil Sie es um
mehrere Wochen verschieben wollen. Das macht doch wirklich nur Sinn, wenn Sie verhindern wollen, dass diese Regelung zu Anfang des nächsten Semesters in Kraft tritt und das bedeutet in letzter Konsequenz, dass Sie wollen, dass die Studenten im nächsten Semester immer noch 500 Euro pro Semester zahlen und das mit der Argumentation, wir wollen Studiengebühren abschaffen. Das ist an Absurdität wirklich nicht mehr zu überbieten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um dieses Gesetz verläuft etwas diffus.
Ich möchte mich trotzdem bemühen, durch meinen Beitrag die Dinge verständlich darzustellen und vor allem noch einmal klarzumachen, worum es der Opposition in diesem Hause geht.
Eines will ich gleich am Anfang sagen: Das, was Sie mit Ihren Beiträgen versucht haben – das will ich einmal in Richtung der Koalition sagen –, ist, ein vollkommen diffuses und verwirrendes Bild über dieses Gesetz zu skizzieren. Insofern, glaube ich, ist es sehr notwendig, dazu noch ein paar Anmerkungen zu machen.
Herr Kerstan, ich möchte mich aber zu Beginn an Sie wenden, weil Sie das Problem parlamentarischer Gepflogenheiten angesprochen haben. Nun bin ich ein relativ neuer Abgeordneter. Ich möchte Ihnen aber gerne aus der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses berichten. Da wollten wir nämlich – das habe ich persönlich beantragt – eine Selbstbefassung zum Thema Universitätsumzug, ein Thema, das Ihre Senatorin angestoßen hat und die Stadt über Wochen beschäftigt, und Sie verweigern diese Selbstbefassung
mit dem Argument, es gebe nichts, worüber man diskutieren könnte. Wenn Sie dem zuständigen Ausschuss in einer solchen Situation verweigern, ein politisches Statement abzugeben, dann sollten Sie sich jetzt, was die Verfahrensfragen dieser heutigen Sitzung angeht, bitte nicht äußern.
(Frank Schira CDU: Was ist denn das für ein konfuser Beitrag? – Wolfgang Beuß CDU: Kommen Sie mal zum Thema!)
weil Sie genau wissen, dass sie in diesem September – nicht in der morgigen Sitzung, sondern in der darauf folgenden Sitzung – sehr wohl noch die Möglichkeit haben werden, mit Ihrer Mehrheit das Gesetz zu beschließen, sodass es auch rechtzeitig in Kraft tritt. Es ist also mitnichten das Ansinnen der sozialdemokratischen Fraktion und der Fraktion der LINKEN, dieses Gesetz insofern zu verhindern, als dass es nicht rechtzeitig in Kraft treten könnte, sondern wir wollen diese Argumente noch einmal vortragen. Wir haben – das mag vielleicht von einer Demokratie zu viel verlangt sein – aber doch die berechtigte Hoffnung, dass einige unserer Argumente vielleicht doch noch einmal Eingang in Ihre Köpfe und Herzen finden.
Aber nun noch einmal zu einzelnen Debatten. Herr Kerstan, Sie haben eben die Frage aufgeworfen, gerade auch in Richtung von Herrn Tschentscher, was mit diesen 14 Millionen Euro zu finanzieren ist. Es ist doch die Frage, wofür oder womit finanziere ich etwas. Nehme ich 21 Millionen Euro in die Hand, um auf der anderen Seite 37 oder 38 Millionen Euro zu erzielen, oder nehme ich gleich eine Summe X in die Hand und gebe es direkt in den Bereich, den ich politisch fördern will. Um diese Frage geht es und da hat Herr Tschentscher als Finanzexperte doch vollkommen richtig argumentiert. Da kann ich nur sagen, dann kennen Sie das heute zu verabschiedende Gesetz schlecht, wenn Sie diesen Umstand nicht begreifen.
Wenn man sich die Debatte und vor allem auch die Positionen anschaut, die die Grünen in anderen Bundesländern und auf Bundesebene einnehmen, dann überrascht es mich, Frau Dr. Gümbel, dass Sie davon sprechen, dass dieses Gesetz der erste spürbare Erfolg dieser Koalition ist.
Das ist schon ein starkes Stück, vor allem, wenn man sich einmal überlegt, was Sie im Wahlkampf völlig zu Recht gesagt haben. Ich war gestern in Berlin auf einer Wissenschaftstagung der SPDSprecher zu diesem Thema.
Ja, es macht durchaus Sinn, einmal durch die Republik zu reisen und sich mit Kollegen auszutauschen.
Gesetz beurteilen, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen, aber das können Sie sich sicherlich denken.
Aber jetzt noch zu ein paar Punkten, die mir heute in der Debatte aufgefallen sind, die ich sehr bedenklich und vor allem bedenkenswert finde. Zum einen ist es der doch ziemlich billige Versuch, hier Auszubildende und andere Gruppen und Studierende gegeneinander auszuspielen. Das geht so ein bisschen nach der Nummer – Herr Beuß, Sie haben es einmal im Wahlkampf gesagt –, es kann doch nicht sein, dass die Krankenschwester das Studium des Arztsohnes
na ja, so in dem Sinne – finanzieren. Oder auch, wie Sie es hier indirekt versuchen, dass die Studierenden mit Abitur und Studium natürlich wesentlich mehr Geld kosten als andere Bevölkerungsgruppen.
Ja, die zahlen aber auch mehr Steuern. Ein Grundprinzip des Sozialstaates ist die Steuerprogression, die Sie hier infrage stellen. Worum geht es im Kern bei dieser Debatte? Im Kern geht es darum, dass, wenn man sich einmal die globalen Vorbilder – auch das soll man ja mal tun – Ihres Gesetzentwurfes vornimmt, nämlich Neuseeland und Australien, dann stellt man fest, dass dort mittlerweile die unterschiedlichen Studiengänge unterschiedlich viel Gebühren kosten.
Jurastudenten und BWLer müssen richtig tief in die Tasche greifen und Exoten wie ich, die Geisteswissenschaften studiert haben,
bekommen ihr Studium zu einem relativ günstigen Tarif. Darum scheint es Ihnen wahrscheinlich im Kern zu gehen, denn jetzt möchte ich mich meinem Hauptkritikpunk zuwenden
ja, hören Sie mal gut zu –, nämlich der Frage Nachgelagertheit. Ist dies wirklich ein Gesetz, bei dem es Ihnen wirklich darum ging, soziale Härten herauszunehmen und eine echte Nachgelagertheit durchzuführen? Da möchte ich nur an die öffentliche Anhörung des Wissenschaftsausschusses erinnern, wo alle Fachleute, die in irgendeiner Form aus dem studentischen, hochschulpolitischen oder studentenwerkspolitischen Rahmen kamen, gegen dieses Gesetz gesprochen haben. Es hat zum Beispiel kein Vertreter des Studentenwerkes dieses Gesetz gelobt.
Im Gegenteil. Der Vertreter des Studentenwerkes hat gesagt, dass es dem Anspruch der Sozialverträglichkeit nicht entspricht. Wie kommt der nun zu dieser Einschätzung?