Protocol of the Session on September 3, 2008

"Die gezielte Förderung von begabten und beruflich orientierten Jugendlichen – insbesondere aus bildungsfernen Schichten – soll durch den Erwerb der Fachhochschulreife im Rahmen einer dualen Ausbildung erreicht werden.

Die Attraktivität der dualen Ausbildung wird durch die Schaffung von Zusatzangeboten weiter erhöht."

Damit ist den Hauptschülern und den schwer zu vermittelnden Jugendlichen und dem Altbewerberberg überhaupt nicht geholfen. Ich möchte anmahnen, dass da ganz viel getan werden muss.

Der Untertitel Ihres heutigen Themas lautet: "Start für längeres gemeinsames Lernen". Davon sind wir in Hamburg noch weit entfernt. Herr Freistedt hat gesagt, Sie hätten die Hausaufgaben gemacht. Sie haben damit angefangen, aber die sind noch lange

(Ties Rabe)

nicht fertig. Es ist lediglich Zukunftsmusik, über was jetzt geredet und geschrieben wird, es geht alles ins Futur: Es wird geplant, es ist beabsichtigt. 22 Regionalkonferenzen laufen an, sie sollen vierbis sechsmal tagen. Erst danach können belastbare Ergebnisse hergestellt werden und ob sie dann wirklich belastbar sind, weiß keiner. Es gibt mehr Probleme als Klarheiten.

Auf eines möchte ich auch im Namen meiner Fraktion hinweisen: Die Informationspolitik der Behörde zum Thema Regionalkonferenzen ist äußerst dürftig.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir müssen bei Schulleitern betteln, damit wir eine Durchschrift eines Briefs der Behördenleiterin bekommen, damit wir wissen, was los ist. Mit wir meine ich die Abgeordneten und die Mitglieder des Schulausschusses. Das ist kein Musterbeispiel für Transparenz, da erhoffen wir uns Besserung.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Im Zusammenhang mit den Regionalkonferenzen tun sich mehrere Fragen auf. Wer soll daran teilnehmen, sind die Sitzungen öffentlich, gibt es schon Vor- und Nebenabsprachen? Das ist ja eine neue Variante in der Hamburger Politik, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut.

(Hans-Detlef Roock CDU: Nun halt' dich mal bedeckt!)

Wir haben heute in der "tageszeitung" gelesen und Herr Rabe hat darauf hingewiesen, dass die Sprecherin der Behörde im Interview ganz klar gesagt hat, es werde über einen Schlüssel diskutiert.

(Zurufe von der CDU)

Ich kann gut verstehen, dass Sie bei den ganzen Nebenabsprachen aufgeregt sind.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Ingo Egloff SPD: Die kennen sie ja selber nicht alle!)

Bevor überhaupt ansatzweise geregelt ist, wie und wo die angestrebten Primarschulen eingerichtet werden, geht der koalitionsinterne Streit über die Gymnasien weiter und es wird in der Behörde und auch sonst wo darüber nachgedacht, ob vielleicht nach der sechsten Klasse die Verteilung auf Gymnasien und Stadtteilschulen im Verhältnis 50 zu 50, 40 zu 60 oder 30 zu 70 sein soll. Da kann ich aus der Praxis nur sagen, was ist das eigentlich für eine Denke. Jede Klasse ist anders und ich kann doch nicht sagen, in einer Klasse gehen 30 Prozent auf das Gymnasium, auch wenn es die Zahl ist, die letztendlich bisher in der Oberstufe ankam. Man muss doch auf die Schüler Rücksicht nehmen, auf die Individualität.

(Glocke)

Für uns ist das Zwei-Säulen-Modell nicht zwangsläufig. Wir werden uns für eine Schule für alle einsetzen und dann reden wir über gemeinsames Lernen, dann aber konsequent.

(Beifall bei der LINKEN und bei Ksenija Be- keris SPD)

Das Wort bekommt Senatorin Goetsch.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rabe, ich finde es sehr spannend, dass Sie neuerdings alles glauben, was in der Zeitung steht.

(Ingo Egloff SPD: Sie haben doch sonst auch immer geglaubt, was in der "tageszei- tung" steht!)

Ich merke, dass es eine sehr intensive Debatte wird. Frau Heyenn, wenn man einmal diese Quotendebatte nimmt – Sie sind ja beide Pädagogen –, dann wäre es absurd, wenn wir gut ausgebildete, gut unterrichtete Primarschülerinnen und schüler haben, die in der Lage sind, ein verkürztes Abitur hinzulegen, von einer Quote zu sprechen. Das würde jeglichem pädagogischem Konsens widersprechen. Insofern ist die Quotendebatte eine Zeitungsente.

(Ingo Egloff SPD: Vielleicht wissen Sie gar nicht, was sie in der Behörde planen!)

Aber es ist sehr gut, dass jetzt schon eine angeregte Debatte stattfindet. Wir gehen in den Dialog und es ist ein Thema, das alle betrifft und auch alle möglichst hoch hängen. Der Bildungsgipfel ist in aller Munde und da bringt sicherlich eine einzige Veranstaltung noch nicht den Durchbruch. Trotzdem ist es gut, wenn sich viele mit der Frage der Erziehung und der Unterrichtung junger Menschen beschäftigen und das auch in den politischen Mittelpunkt gerückt wird.

Der Druck ist nämlich für diejenigen sehr groß, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen haben, die nicht in Ausbildung kommen. Es muss dringend eine grundlegende Bildungsoffensive durchgeführt werden, wie wir sie in Hamburg machen, weil wir immer noch das große Problem haben, dass es nicht nach Leistung, sondern nach Herkunft geht. Es ist alles andere als gerecht, dass die sogenannten Risikoschülerinnen und -schüler in Hamburg und den anderen Großstädten in zweistelliger Zahl – 20 bis 30 Prozent – keine Chancen haben. Das können und dürfen wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Deshalb ist es gut, dass in allen Landtagen und auch in Hamburg breiter Konsens besteht, etwas dagegen zu tun, dass Konsequenzen daraus gezogen werden.

(Dora Heyenn)

Deshalb komme ich jetzt noch einmal zu der Bildungsoffensive, die in Hamburg stattfindet und nicht irgendwelche Ziele und Forderungen in spe beschreibt. Die überwiegende Zahl der Vorhaben, die wir durchführen, entspricht auch den gemeinsamen Empfehlungen der bürgerschaftlichen Enquete-Kommission aus dem Jahre 2006. Und wenn Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, damals noch nicht dabei waren, bin ich sicher, dass Sie vieles davon unterstützen werden.

Der Kurs ist klar und wir fangen an, lieber Herr Rabe. Der Ausbau der frühkindlichen Förderung geht jetzt los einschließlich des Ausbaus der Krippenplätze für die Zweijährigen.

Es wird nicht nur über den besseren Übergang von der Kita in die Grundschule gesprochen, sondern auch agiert. Ich nenne das kostenlose Jahr vor der Schule, die Sprachförderung wird immens verstärkt und auch finanziell und konzeptionell weiterentwickelt, der Ausbau der Ganztagsschulen ist schon erwähnt worden, ein wichtiges Element sind die kleineren Klassen und schließlich auch eine große Fortbildungsoffensive für die Kolleginnen und Kollegen und der flächendeckende Start in individualisiertes Lernen.

Ich will dazu noch ein paar Worte sagen, Herr Gwosdz hat es schon ausführlich berichtet. Nicht der Gleichschritt ist wichtig für die Schülerinnen und Schüler, sondern man muss genau davon wegkommen, um nicht diejenigen zu bremsen, die schneller sind, und die anderen unter Druck zu setzen, die mehr Zeit brauchen. Die Kinder müssen in dem Tempo lernen können, das ihnen entspricht. Sie sind unterschiedlich und genau dieses ist eine große Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt im System sind, aber auch für die Lehrerausbildung. Ich kann Ihnen sagen: Das Landesinstitut arbeitet auf Hochtouren, um entsprechend Fortbildungspakete zu schnüren. Wir wollen genau das in der neuen Primarschule umsetzen. Herr Rabe, es gibt nicht tausend Formen, es gibt eine Primarschule mit eigenständiger Leitung und eigenständigen Mitwirkungsgremien, nicht mehr und nicht weniger, so steht es im Koalitionsvertrag. Wo und an welchen Orten das sein wird, dazu haben wir die regionalen Schulentwicklungskonferenzen. Leider wollen uns dabei natürlich nicht alle begleiten. Wir wollen nichts anderes als endlich europäische Standards erreichen. Dazu gibt es meines und des Erachtens der Koalition keine Alternative. Deshalb: Ein Schulsystem, in dem die Kinder gemeinsam länger lernen.

Wir entwickeln deshalb die Primarschule und wie bekannt zwei Wege zum Abitur – Stadtteilschule und Gymnasien. Ich möchte an der Stelle noch einmal eine neue Untersuchung zitieren. Die Unternehmer in Baden-Württemberg, 700 Befragte, haben sich mit großer Mehrheit für längeres gemeinsames Lernen ausgesprochen. Das hat am

letzten Montag der Bund der Selbständigen Baden-Württemberg mitgeteilt. Der Unternehmensverband Nord und immer mehr Leute aus dem Handwerk haben das schon getan. Also auch von dort gibt es Rückenwind und es gibt gute Gründe, warum wir länger gemeinsam lernen lassen.

Ich möchte das aber noch einmal um einen Punkt ergänzen, der für mich sehr wichtig ist. Mir geht es darum, dass die Kinder wirklich mit all ihren Fähigkeiten und Talenten, die sie haben, das Recht bekommen, so gefördert zu werden, dass sie möglichst hoch hinaus kommen und dass sie die Chance bekommen, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Ich glaube, das ist eine Herausforderung, die wir alle unterstützen können.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wir fangen jetzt an. Einige haben das nicht glauben wollen und haben gedacht: Lass die mal machen mit Ihren regionalen Schulentwicklungskonferenzen. Das bekommen die gar nicht hin. Das ist alles viel zu komplex. – Wir haben über die Sommerpause gearbeitet und es geht jetzt los. Die einzige Alternative, die es gibt, ist in den Dialog zu treten, auch wenn es sicherlich kontroverse Diskussionen geben wird. Wir haben einen breiten Beteiligungsprozess organisiert, weil es das gute Recht ist zu wissen, wie die Verfahren ablaufen, welche Zeitpläne es gibt und welche Schritte unternommen werden. Dafür stehe ich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörde zur Verfügung. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle noch ein großes Lob aussprechen. Das Haus, wie man so schön sagt, ist hoch motiviert und engagiert. Lieber Herr Neumann, die Behörde ist für die Schulen da und nicht die Schulen für die Behörde.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das sagen Sie einmal der Behörde! – Wilfried Buss SPD: Das war frü- her aber einmal anders!)

Die Schulentwicklungskonferenzen werden mit professionellen Moderatoren und mit Schulaufsichtsteams starten und im Mai 2009 werden dann die Empfehlungen abgegeben. Die Konferenzen planen die Bildungsangebote in den Regionen und entwickeln sie zusammen mit den Schulen. Dann werden die Empfehlungen an die Deputation weitergegeben, die letztendlich die Entscheidung für die Behörde fällt. Ich kann an dieser Stelle noch einmal sagen, weil es da Irritationen gab: Alle Bezirksabgeordneten haben einen Brief bekommen, um unser Vorgehen zu erläutern. Ich habe mit allen Bezirksamtsleiterinnen und -leitern Gespräche geführt. Die Bezirksverwaltungen werden an dem Beratungsprozess beteiligt und unterstützen ausdrücklich diese Schulentwicklungskonferenzen. In der zweiten Phase werden automatisch die Bezirksversammlungen auch beteiligt.

(Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch)

Ich freue mich, dass es jetzt losgeht. Ich freue mich darauf, damit anfangen zu können, die Schulen in Hamburg gemeinsam mit dem jetzt gestarteten Prozess darauf vorzubereiten. Es gibt keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg für den besseren Unterricht und für eine Struktur in der die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen. Ich glaube, nur so schaffen wir es, Schulen zu bekommen, die beflügeln, begeistern, alle Kinder mitnehmen und niemanden zurücklassen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

(Michael Neumann SPD: Es ist doch alles gesagt. Ist doch alles super!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben jetzt den Beginn einer großen Schulreform in Hamburg – einer Schulreform, die genau an dem zentralen Punkt des deutschen Schulsystems ansetzt, das immer im Zentrum der Kritik gestanden hat, nämlich dass die soziale Herkunft und auch die finanziellen Mittel der Eltern viel zu sehr darüber entscheiden, welche Chancen auf einen guten Bildungserfolg Kinder in unserer Gesellschaft haben.

Zum Zweiten: Das zentrale Instrument, mit dem wir in diesem Bereich in Zukunft arbeiten werden, die individuelle Förderung, wird nicht nur dazu führen, dass immer mehr junge Menschen bessere Chancen im Bildungssystem haben, sondern dass auch die Leistung auch der Stärkeren in diesem System gesteigert wird. Wenn man sich einmal die deutsche Bildungslandschaft anschaut, ist das in der Tat ein Projekt, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Wir sind endlich, zumindest in Hamburg, dabei zu europäischen Standards aufzuschließen. Wenn man sich dann anschaut, was die Opposition heute an Kritik an dieser Reform vorgetragen hat, dann muss man wirklich sagen: Das war erstens wirklich ganz kleines Karo, Herr Rabe. Es tut mir leid Ihnen das sagen zu müssen.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das glaube ich nicht!)

Zum anderen: Wenn das wirklich alles ist, was Sie daran zu kritisieren haben, kann das wirklich nicht so schlecht sein, was wir gerade auf den Weg bringen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)