Von der CDU-Fraktion ist Herr Berndt Röder vorgeschlagen worden. Weitere Vorschläge liegen mir nicht vor. Die Wahl findet in Wahlkabinen statt.
Wir verfahren nun so, dass Frau Bekeris und Herr Hecht abwechselnd die Mitglieder der Bürgerschaft in alphabetischer Reihenfolge aufrufen werden. Ich bitte Sie, dann zur Kanzleibank zu gehen und von Herrn Randt den Stimmzettel entgegenzunehmen. Mit dem Zettel gehen Sie bitte in eine der beiden Kabinen und nehmen Ihre Wahlentscheidung vor. Der Stimmzettel enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Ich bitte Sie, den Stimmzettel nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig.
Nach der Wahlhandlung begeben Sie sich bitte zu Frau Bekeris, bei der die Wahlurne steht, und stecken Sie Ihren Stimmzettel in die Wahlurne. Ich darf nun Herrn Hecht bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.
Ist ein Mitglied dieses Hauses nicht aufgerufen worden? - Ich stelle fest, dass alle Abgeordneten aufgerufen worden sind. Damit ist die Stimmabgabe abgeschlossen. Ich erkläre die Wahlhandlung für geschlossen. Ich bitte nun, die Stimmzählung vorzunehmen. Für die Dauer der Stimmzählung ist die Sitzung für zehn Minuten unterbrochen.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. Es sind 120 Stimmzettel abgegeben worden, alle waren gültig. Es gibt keine ungültige Stimme. Von den gültigen Stimmen waren 113 Stimmen Ja-Stimmen, fünf Stimmen Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen.
Dann darf ich Sie bitten, nach Ihrer nun folgenden Rede hier nach oben zu kommen und den Präsidentenplatz wieder zu übernehmen.
Verehrte Frau Alterspräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Reden wie diese erklären sich normalerweise eigentlich von selbst. Sie laufen daher auch leicht Gefahr, Teil der möglicherweise unverzichtbaren, jedenfalls routinierten Inszenierung einer Konstituierung zu sein. Dementsprechend schnell könnten wir sie vergessen. Dem entgegenzuwirken will ich mich allerdings bemühen. Zum notwendig Selbstverständlichen gehört zunächst der Dank. Ich empfinde eine wirkliche Dankbarkeit dafür, dass Sie mir dieses hohe Amt in einer zweiten Legislaturperiode anvertraut haben. Ihr Vertrauen ehrt mich sehr. Ich nehme die Wahl sehr gern an.
Ihnen, verehrte Frau Thomas, möchte ich zuallererst für Ihre souveräne und auch ganz herzliche und menschliche Eröffnung der 19. Wahlperiode und Ihre Worte als Alterspräsidentin in aller Form danken.
Ebenso gelten meine Anerkennung und mein Dank meinen Stellvertreterinnen und den Schriftführerinnen im bisherigen Präsidium. Unsere vierjährige gemeinsame Arbeit war geprägt durch Sachlichkeit, Respekt und auch einen ausgesprochen angenehmen persönlichen Umgang. Ich danke Ihnen allen dafür - zunächst der Ersten Vizepräsidentin Barbara Duden,
sodann den Vizepräsidentinnen Bettina Bliebenich und Dr. Verena Lappe, die beide der neuen Bürgerschaft leider nicht mehr angehören.
Zuletzt gilt mein herzlicher Dank den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Fraktionen und auch der Bürgerschaftskanzlei. Ohne Sie alle wäre unsere Arbeit hier nicht möglich, zumindest nicht in dem Rahmen, in dem wir sie gewohnt sind.
Meine Damen und Herren, die konstituierende Sitzung unserer Bürgerschaft sollte eigentlich ein Festtag sein. Das Parlament erwacht wieder zum Leben. Über eines, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, allerdings müssen wir sprechen, weil es uns so direkt betrifft wie kaum irgendetwas anderes - über eine Zahl, auch wenn sie dem Festlichen eigentlich eher entgegensteht, nämlich 63,5 Prozent. Das ist eine Wahlbeteiligung, die - obwohl möglicherweise im Bundesvergleich durchaus respektabel - für unsere Freie und Hansestadt Hamburg enttäuschend ist.
Vielleicht ist das Wort Legitimation durch vielfachen Gebrauch unkenntlich geworden. Aber Legitimation ist der Humus unserer parlamentarischen Demokratie. Legitimation ist eine Frage der Teilnahme. Mit Blick auf die Wahlbeteiligung muss uns alle das sehr wachsam machen. Ich möchte uns mit drei Aussagen von Bürgerinnen und Bürgern konfrontieren, die ich nach der Wahl gelesen habe. Erstens:
"Ich bin von der Politik allgemein enttäuscht und wüsste daher auch nicht, wen ich hätte wählen sollen."
Das sind drei Aussagen, die stellvertretend für mehr als 450.000 Nichtwähler in Hamburg stehen. Ich wiederhole es: 450.000. Um es deutlich zu sagen: Menschen, die wir mit unserer politischen Arbeit offenbar nicht haben für die Demokratie gewinnen können. Politik ist - das teilt sie mit fast allen gesellschaftlichen Prozessen - nicht mehr ohne vermittelnde Instanzen, vornehmlich die Medien, zu transportieren. Wir müssen hier an dieser Stelle und heute erklären, was wir wollen, immer und immer wieder. Es geht weniger um Mehrheiten und Entscheidungen. Es geht zuvorderst um die Rückgewinnung von Legitimation und damit letztlich um die Würde und Bedeutung unseres Parlaments. Von hier muss die Überzeugung ausstrahlen, dass Politik unverzichtbar ist. Wir müssen auch um Verständnis dafür werben, dass Politik mühsam und konfliktbeladen sein kann. In einer pluralistischen Gesellschaft, die sich hier im Parlament abbildet, kann es gar nicht anders sein. Politik ist wahrhaftig nicht immer vergnügungssteuerpflichtig - wobei ich betone: nicht immer, aber auch. Dennoch ist es unsere Aufgabe, die Bürger für sie - für die Politik - zu begeistern.
Wir sind nicht um unserer selbst willen hier. Die Bürgerschaft ist kein Selbstzweck. Wir haben alle einen Auftrag. Wir sind lediglich Repräsentanten. Wir müssen nicht nur den Anspruch haben, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zu vertreten, wir müssen diesen Auftrag auch erfüllen. Stetes Bemühen ohne Erfolg reicht nicht. Diese Tatsache schaffen wir auch nicht dadurch aus der Welt, dass wir sie ignorieren. Nein, dieser Anspruch muss uns Ansporn und Herausforderung sein, aus Nichtwählern wieder Wähler zu machen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vor vier Jahren wurde mir zum ersten Mal dieses Amt anvertraut. Dabei habe ich Ihnen das Motto genannt, unter das ich meine Präsidentschaft stellen wollte: Suaviter in modo, fortiter in re - maßvoll im Umgang, aber hart in der Sache. Ich möchte dies ausdrücklich wiederholen. Dieses Haus soll sehr wohl Ort gesellschaftlicher Kontroversen sein. Dazu gehört Streiten und dazu gehört der Diskurs um das beste Argument. Streiten meint nach meinem Verständnis aber auch, den Respekt vor dem Andersdenkenden zu achten und erst auf dieser Grundlage die Auseinandersetzung sachlich, wenn nötig auch in aller Schärfe, persönlich aber im guten Ton und respektvollen Umgang zu gestalten. Dafür möchte und werde ich in meinem Amt weiter einstehen.
Ich darf uns alle daran erinnern, dass eine derartige Aussage zum Umgang miteinander wahrhaftig keine Sonntagsrede darstellt, die schnell vergessen werden darf. Selbst wenn wir das täten - unsere Wähler vergessen es nicht. Und die Wahlverweigerer unter unseren Mitbürgern müssen wir durch gelebte Demokratie erst einmal wieder zurückgewinnen. Was wir brauchen ist eine neue Leidenschaft für unser Amt. Wie sie aussehen kann, finden wir bei Hölderlin:
Nur muss er es mit ganzer Seele treiben, muss nicht jede Kraft in sich ersticken, wenn sie nicht gerade […] zu seinem Titel passt, muss nicht mit dieser kargen Angst […] das, was er heißt, nur sein, mit Ernst, mit Liebe muss er das sein, was er ist, so lebt ein Geist in seinem Tun und ist er in ein Fach gedrückt, wo gar der Geist nicht leben darf, so stoß ers mit Verachtung weg […]!"
Für das Ansehen und den Erfolg unseres Landesparlaments, der Bürgerschaft, sind Wissen, Können und Integrität aller ihrer Abgeordneten maßgebend, aber auch Respekt und Leidenschaft für diese unsere Aufgabe als Parlamentarier und Parlamentarierinnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hoffe, wir finden in den kommenden vier Jahren wieder einen Augenblick, uns dessen während unserer politischen Arbeit nicht nur zu erinnern - das wäre mir ein bisschen zu wenig -, nein, auch es zu leben.
"die Bedeutung eines Abgeordneten für das Gemeinwesen allein daran zu messen, ob er an hervorstechenden, für die Öffentlichkeit weithin sichtbaren Ereignissen mitgewirkt hat. Die Kärrnerarbeit, die vor allem in den bürgerschaftlichen Ausschüssen geleistet wird, ist für das Parlament von höchster Bedeutung und wird von der Masse der Abgeordneten mir großem Ernst wahrgenommen, ohne dass dabei Eitelkeiten befriedigt werden können."
Sie haben vorhin das Rathaus betreten und dabei vermutlich die Inschrift über dem Hauptportal gelesen, wenn nicht, können Sie es nachholen:
Diese Aufforderung ist zwar mehr als dreieinhalb Jahrhunderte alt, hat aber an Aktualität nie verloren. Vergessen wir doch bitte nicht, dass nach Jahrzehnten der Dunkelheit, der Unmenschlichkeit und Unfreiheit in unserem zudem lange geteilten Vaterland erst seit rund 20 Jahren Freiheit in ganz Deutschland wieder eine Selbstverständlichkeit ist. Seien wir uns dessen stets bewusst.
Das Bewahren von Freiheit verlangt Einsatz jedes Einzelnen, auch eines jeden einzelnen Abgeordneten. Dazu rufe ich Sie alle mit Nachdruck auf, ganz gleich, ob Sie zum ersten Mal unserem Haus angehören oder bereits seit mehreren Wahlperioden. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt werden auf Ihr Engagement und Ihre Leidenschaft für die gerechte Sache achten. Sie werden die Glaubwürdigkeit jedes Einzelnen ebenso wie diejenige von uns allen daran gewichten, dass wir immer wieder daran denken. Unsere wunderschöne Heimatstadt Hamburg und ihre Menschen haben es verdient. Frischauf ans Werk.