Wir haben vor einem knappen halben Jahr über das Thema Talentstadt diskutiert. Man merkt - das will ich durchaus positiv anmerken -, dass der eine oder andere Aspekt, den wir damals kritisiert haben, in den uns zwar noch nicht offiziell bekannten, aber doch zugeleiteten Papieren fehlte. Dort war der Bereich Bildung - insbesondere der Bereich frühkindliche Bildung - defizitär angelegt. Man könnte auch sagen, das fehlte damals komplett, das war überhaupt kein Thema. Einer der großen Kritikpunkte, die sowohl die GAL als auch wir vorgebracht haben, war die fast ausschließliche Konzentration des Talentstadt-Konzepts auf das Heranholen von Talenten von außerhalb. Sie haben versucht, das in der Drucksache ein bisschen zu korrigieren und das merkt man der Drucksache auch an. Aber Sie haben es aus meiner Sicht unzureichend korrigiert. Ich will das an ein, zwei Punkten etwas konkreter machen.
Wir wissen alle, dass Hamburg trotz des Wirtschaftswachstums, trotz besserer Arbeitsmarkt- und abnehmender Arbeitslosenzahlen - über die Frage, wie es in den einzelnen Stadtteilen aussieht, könnte man noch länger diskutieren, das will ich jetzt aber nicht - einige strukturelle Probleme hat, die sich in Zukunft sehr negativ auswirken können. Bei diversen Rankings zeigt sich, dass wir zum Beispiel bei den Forschungs- und Entwicklungsausgaben höchstens Mittelmaß sind und dass in Hamburg nur eine geringe Anzahl Menschen mit akademischer Ausbildung beschäftigt ist. In diesen Rankings stehen mittlere Städte oder kleinere Großstädte in Deutschland besser da als Hamburg. Ich glaube, Göttingen lag knapp vor uns und wir lagen im Vergleich mit 50 Städten stets auf einem dreißiger Platz.
Deswegen ist es richtig, dass man sich mit der Frage, wie man in dieser Stadt Talente fördert, weiterhin auseinandersetzt. Es ist aber falsch zu sagen - und das fehlt mir in diesem Konzept -, dass Talente etwas ist, was entweder von außen kommt oder nur nachwächst und was mindestens akademische Ausbildung hat; darunter gibt es nichts. Es ist bezeichnend, wenn in einer Drucksache, an der die Wirtschaftsbehörde angeblich mitgearbeitet hat, der betrieblichen Ausbildung oder der Frage, was Betriebe in der dualen Ausbildung leisten, in Abschnitt 4.3.1 gerade ein Halbsatz gewidmet wird. Ihnen ist die Vorstellung offensichtlich fremd, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen nicht nur den Bedarf haben, Talente zu bekommen und sie besser mit der Wissenschaft zu verknüpfen, sondern dass es dort bereits jetzt sehr viele potenzielle Talente gibt.
Themen wie berufliche Aus- und Weiterbildung sowie Öffnung der Hochschulen für Menschen ohne Abitur fallen Ihnen sehr schwer und deswegen haben Sie auch die HWP geschlossen. Pläne für Menschen, die aus ihrem beruflichen Werdegang sehr viel Talent mitbringen und entweder an den Hochschulen oder aber in Unternehmen gefördert werden müssten, fehlen komplett. Sie werden den Bedarf an Fachkräften allein durch Zuzug niemals decken können. Sie vernachlässigen wieder einmal, die Talente, die es in dieser Stadt gibt - obwohl Sie versucht haben, es nach der letzten Debatte aufzunehmen -, zu fördern. Das heißt, Ihr Blick geht nicht nur
nicht über den Tellerrand hinaus, sondern er geht komplett über die Menschen in dieser Stadt hinweg. Sie sehen überhaupt nicht, wen es in dieser Stadt gibt und was Sie tun könnten. Da trifft sich dann die Drucksache mit dem, was Herr Reinert gesagt hat, der auch systematisch nicht sieht und nicht sehen will, welche Probleme es in dieser Stadt gibt. - Vielen Dank.
Danke, Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren, es ist wohl eine Vordebatte nötig, weil sich Herr Reinert nicht so recht auf die Drucksache beziehen mochte. Sie loben sich wegen der Verbesserung im Kita-Bereich. 100 Millionen Euro sind Ihnen durch eine Volksinitiative abgezwungen worden, die dieser Teil des Hauses unterstützt hat und nicht Sie.
Das Problem, das heute aufgrund Ihrer Politik besteht, wie man mit erziehungsunfähigen Eltern umgeht, bleibt bestehen, denn Sie haben deren Kita-Möglichkeiten reduziert.
Sie loben sich, dass die Ausstattung der Schulen mit Lehrern in Hamburg immer noch höher ist als der Durchschnitt in der Republik, obwohl Sie um 600 Lehrerstellen reduziert haben. Das haben Ihnen das "Hamburger Abendblatt" und auch die Statistik bestätigt und das wird auch von der Schulbehörde zugegeben. Wenn Sie die Lehrerinnen und Lehrer hinzuzählen, die vorher im Sprachhilfsunterricht gewesen sind, sind es etwa 900 Stellen, die Sie weggenommen haben. Das ist also nicht gerade eine Leistung, was die Ausstattung angeht.
"Die Absolventenzahl entwickelte sich in Hamburg in den letzten beiden Jahren im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten durchschnittlich."
Jetzt geht es weiter zu der Frage der Stadtteile. Sie loben sich, weil Herr Kain Sie im "Hamburger Abendblatt" gelobt hat, dass die soziale Stadtteilentwicklung - Sie nennen sie aktive Stadtteilentwicklung - in den ärmeren Stadtteilen angekommen sei. Da teilen Sie aber mit dem "Hamburger Abendblatt" das Problem, dass Sie von Prozentrechnung nicht viel verstanden haben.
Wenn der Durchschnitt der Arbeitslosigkeit in Hamburg insgesamt um 22 Prozent zurückgegangen ist und in den Quartieren, von denen wir reden, bloß um 17 Prozent, ist dann die soziale Spaltung größer oder kleiner geworden? Wo ist da das besondere Ergebnis? Sie loben sich nur dafür, dass das "Hamburger Abendblatt" Ihnen in diesem
(Beifall bei der GAL und der SPD - Zurufe von der CDU) - Das ist nun einmal so. So sind die Zahlen. Wir haben das Jahr der Mathematik. Das können Sie auch in der Zeitung nachlesen. Da kann man nicht damit anfangen, schon an der Prozentrechnung zu zweifeln. Wenn Sie zweifeln wollen, dann müssen Sie in die höhere Mathematik gehen, dann hören wir auch auf. Zurück zu den einfacheren Sachverhalten und zur Drucksache. (Barbara Ahrons CDU: Die Diskussion ist unglaub- lich!)
Beim Lesen dieser Drucksache hatte ich im Unterschied zur Rede von Herrn Reinert über weite Passagen den Eindruck, dass ich das schon einmal gelesen oder vielleicht sogar geschrieben habe. Es ist tatsächlich so, wir haben im Frühjahr 2006 ein Papier zur kreativen Stadt geschrieben. Einige Passagen findet man in der vorliegenden Drucksache wieder.
(Bernd Reinert CDU: Und jetzt wollen Sie Copy- right-Lizenzen! - Gesine Dräger SPD: Das ist Absicht!) - Ich komme noch darauf, was Sie daraus machen. Ich sage zunächst nur, dass ich darin Passagen wiederfinde.
Und dann heißt es sinngemäß weiter, dass der Wettbewerb sich nicht nur um Infrastruktur und Ansiedelung von Unternehmen dreht, sondern dass immer mehr Menschen mit Ideen nach Hamburg kommen oder in Hamburg bleiben und in Hamburg entwickelt werden sollen.
Ziemlich weit hinten in der Drucksache und einigermaßen versteckt gibt sie zu, wo das Problem ist, mit dem wir nach wie vor nach sechseinhalb Jahren Cluster-Politik zu kämpfen haben. Sie schreiben:
"Trotz der hohen Wirtschaftskraft und einiger hervorstechender Forschungsbereiche haben weder die Hamburger Cluster noch die wissenschaftlichen Einrichtungen der Metropolregion bislang den Status erreicht, um national oder international als besonders innovativ zu gelten."
(Bernd Reinert CDU: Das ist noch eine Menge Arbeit!) - Das ist eine Menge Arbeit. Sie sagen damit, in Sachen Forschung ist Hamburg Provinz. (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)
Wenn man sich das Senatsmonitoring anschaut, das Sie uns vorgelegt haben - das sind Zahlen, über die wir dank Ihrer Hilfe verfügen -, ist es in Ihrer Zeit nicht besser geworden. Danach sieht es so aus: Die Forschungs- und
Entwicklungsausgaben der Bundesländer in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt lagen in Hamburg 1999 bei 1,8 Prozent. Damit lag Hamburg auf Platz neun der Bundesländer, kein ehrenhafter Platz. Im Jahre 2005 liegt Hamburg nur noch 1,3 Prozent und ist von Platz neun auf Platz zwölf abgerutscht. Das ist nicht gerade ein rauschender Erfolg. Oder finden Sie das? BadenWürttemberg lag bei 4,2 Prozent, aber selbst die Stadtstaaten Berlin und Bremen liegen mit ihrem Anteil an den Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt deutlich vor uns. Wenn Sie das Personal je 1.000 Beschäftigte anschauen, ist Hamburg in diesen Jahren vom sechsten auf den zehnten Platz abgerutscht. Das ist also auch kein Beispiel dafür, dass besonders viel erreicht wurde.
Jetzt ist die Drucksache so aufgebaut, dass Sie am Ende sagen, was Sie tun wollen, um diese Situation zu verbessern. Sie haben zum einen gesagt, der Senat habe sich zum Ziel gesetzt, Hamburg zu einer zuwanderungsfreundlichen Stadt zu entwickeln. Cool, haben Sie gesagt, soll die Stadt werden.
Wir hatten die ganze Legislaturperiode damit zu tun, dass die Innenbehörde das nicht so richtig mitbekommen hatte und deswegen fleißig dabei war, zum Beispiel Afghanen abzuschieben, die zur intellektuellen Elite ihres Landes gehörten und die wir hier deswegen wahrscheinlich nicht haben wollten.
(Dietrich Rusche CDU: Deswegen ist ja wohl nicht richtig!) - Ich hatte den Eindruck, der Eifer war besonders groß. Ihre Maßnahme - Hamburg, zuwanderungsfreundliche Stadt - konnte man nicht begreifen. Jetzt gesteht der Senat in seiner eigenen Drucksache sogar, dass es nicht nur sprachliche, sondern auch zuwanderungsrechtliche Barrieren für die Gewinnung von Talenten von außen gibt. Fassen Sie sich einmal an den Kopf. Es gibt zuwanderungsrechtliche Barrieren für die Stärkung Hamburgs. Wer ist denn dafür verantwortlich? (Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)
Haben die Grünen diese Barrieren in die Welt gesetzt? Sind die Sozis so besonders dabei? Die sind nicht ganz so barrierenfeindlich wie wir, aber so richtig an den Barrieren gestrickt hat der schwarze Teil dieses Hauses und aller Häuser der Republik. Sie sind die Organisatoren von Barrieren. Jetzt schreiben Sie in Ihren Drucksachen, das sei aber ein Problem, was wir da produzieren. Sie haben Recht, Sie sind Problemproduzenten und stellen das in Ihren eigenen Drucksachen fest.
Manchmal entwickeln sich die Probleme eines Menschen und lösen sich aus den Ambivalenzen heraus, in denen man steckt. Insofern hoffen wir auf Sie, dass Sie diese Ambivalenzen bewegen.
Zum anderen sagen Sie, Sie wollen erreichen, dass Sie künftig Talente für Hamburg möglichst noch vor dem Berufseintritt oder mit dem Berufseintritt gewinnen. Das heißt, Sie ventilieren die Frage. Sie haben eine ganze Reihe von Untersuchungen mit vielen Befragungen von Studenten in der ganzen Welt machen lassen: Wann ist ein Student bereit, nach Hamburg zu kommen? In Osteuropa ist gefragt worden, in Asien, in Deutschland, in Europa. Überall sind Studierende gefragt worden, wann
sie nach Hamburg kommen würden. Sie haben alle möglichen Antworten gegeben und es wird die Schlussfolgerung daraus gezogen: Nachdem sie schon im Beruf sind, bekommen wir sie nicht mehr, aber wir bekommen sie vielleicht am besten - die aus Osteuropa nicht so, aus Asien auch nicht, aber die Deutschen und vielleicht auch noch einige aus dem europäischen Umfeld -, wenn sie auf die hippe Stadt gucken und noch nicht im Beruf sind.
Jetzt wollen wir den Gedanken weiterspinnen. Wenn es so ist, dass wir vor allen Dingen die Leute nach Hamburg bekommen, die jung sind und noch nicht fest im Beruf stehen, sondern hier studieren wollen, stellt sich die Frage, wie man besonders begabte Studierende an Hochschulen bekommt, deren Ruf nicht so besonders exzellent ist, denn darüber sind wir uns leider einig, dass die Hamburger Hochschulen nicht besonders exzellent sind und viele Leute anziehen. Die Stadt zieht an, aber nicht die Hochschulen.
Wir müssen also etwas tun, um die Studierenden, die besonders exzellent sind, in diese sehr schöne, aber forschungsschwache Stadt zu bringen. Was tut man dafür? Hilft es, ein Luftfahrtcluster zu machen und damit eine Branche zu stärken, von der Sie selbst sagen, der Innovationszyklus dabei sei eher langsam? Oder muss man genau schauen, was man tun kann, um solche Studierenden anzusprechen, die vielleicht ihren BachelorAbschluss haben, ihren Master gerade erwerben wollen, sehr forschungsinteressiert, aber natürlich noch auf Lehre angewiesen sind? Muss man etwas tun, um auf einem breiten Feld eine Vermittlung von Forschung und Lehre anzubieten? Wir sind der Meinung, das muss man tun. Deswegen schlagen wir die Ihnen bekannte Stiftung vor, die gerade solche Projekte im Unterschied zu anderen Städten in der Republik an den Hochschulen unterstützen soll, die nicht nur forschungsintensiv sind, sondern bei denen die Forschung gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass sie eine besonders hohe Lehr- und Studienintensität hat. Solche Menschen wollen wir anziehen, weil wir mit begrenzten Finanzmitteln arbeiten müssen und diese Hochschulen dennoch exzellent machen wollen. Das geht nur von unten, von den Möglichkeiten, besonders exzellente Menschen, die noch jung sind, hierher zu bekommen. Das ist das Thema dieser Stiftungsidee.
Wir glauben außerdem, dass dafür solche Cluster und Bereiche besonders geeignet sind, in denen die Innovationsraten kürzer sind.
Sie sagen dann schließlich, Sie wollten sich irgendwann entscheiden, dass ein Hochtechnologiecluster in der Stadt intensiv gefördert werden soll. Es ist vernünftig, sich zu konzentrieren. Sie nennen dann drei mögliche Cluster: IT, Life Science und regenerative Energien. Jetzt sagen Sie, wir brauchen aber noch bis Ende des nächsten Jahres, um diese Entscheidung treffen zu können. Nach sechseinhalb Jahren ist das nicht besonders entscheidungsfreudig. Ich gebe Ihnen den Tipp, in Sachen IT nach München zu schauen. Da ist schon vieles gelaufen, wir werden nur schwer hinterherkommen. Die ganze Republik ist mit Life Science beschäftigt, weil alle Bundesländer Universitätskliniken haben. Schleswig-Holstein macht das auch intensiv.
Regenerative Ideen wäre ein Vorschlag von uns. Hamburg liegt in einer ganz speziellen Art und Weise in der Frage der Unternehmensgründungen vorne und hat