Dennoch sollten Sie bedenken, dass das Vertrauen der Bürger und speziell der Opfer von Straftaten in den Hamburger Strafvollzug nicht gefährdet werden darf, indem wir Resozialisierung mit dem offenen Vollzug gleichsetzen. Das ist nicht das Gleiche und das darf es auch nicht sein.
Das unterscheidet uns von Ihnen. Wir nehmen die Ängste der Bevölkerung ernst und beschränken uns nicht im Gegensatz zu Ihnen auf eine allein täterorientierte Sichtweise. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie können sich denken, dass ich von diesem Gesetzesvorhaben eine gänzlich andere Sichtweise habe, als die, die soeben unser Kollege
In all den Jahren, die ich diesem hohen Hause angehöre, ist mir kein Gesetzesvorhaben untergekommen, dass in einer derart seltenen Einstimmigkeit von den Experten als ungeeignet und falsch kritisiert worden ist, wie der Senatsentwurf des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes.
Es ist ein überflüssiges Gesetz, weil es ein funktionierendes Bundesgesetz gibt. Es ist ein falsches Gesetz, weil es in unzulässiger Weise Jugend- und Erwachsenenvollzug miteinander verknüpft und dadurch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zuwiderläuft. Vor allem aber ist es ein schädliches Gesetz, weil es leider den in der Praxis bereits vollzogenen Schwenk zum Verwahrvollzug zementiert und so seinem selbst erklärten Ziel, für mehr Sicherheit zu sorgen, einen Bärendienst erweist.
Die Argumente, die von unserer Seite, aber auch von den unabhängigen Experten in der Anhörung gegen dieses Gesetz vorgebracht worden sind, sind wohlbekannt, aber ich will Ihnen einige davon heute noch einmal ins Gedächtnis rufen, damit Sie alle wissen, warum dieses Gesetz Murks ist.
Das Gesetz führt unter dem Etikett des Chancenvollzugs den Verwahrvollzug in Hamburg ein. Seit dem Dienstantritt des Ole von Beust-Senats unter freundlicher Mitwirkung des Richters Gnadenlos und seiner Truppe - Sie erinnern sich - ist der Verwahrvollzug zwar bereits Wirklichkeit in dieser Stadt, aber nun wird diese Praxis auch noch gesetzlich normiert.
Eine Chance sollen bei Ihnen nur die willigen und strebsamen Gefangenen erhalten. Aber wie mit den problematischen Gefangenen umgegangen werden soll, deren Bereitschaft, an sich zu arbeiten, erst geweckt werden muss, sagt der Entwurf nicht aus. Diese Gefangenen, die für einen Großteil der Rückfalltaten verantwortlich sind und die für die Bevölkerung am gefährlichsten sind, werden für die Dauer ihrer Haft weggeschlossen und verwahrt. Nach dem Ende ihrer Haft - und die kommt früher oder später für jeden - werden sie in die Freiheit entlassen, ohne darauf ausreichend vorbereitet zu sein und ohne dass man an ihrer Resozialisierung gearbeitet hat. Das sind tickende Zeitbomben.
Es wird an Ihnen sein, Herr Senator, zu erklären, warum Sie zwar alles für die Sicherheit während der Haft unternehmen wollen, aber nichts für die wichtige Zeit danach. Sie legen nun ein Gesetz vor, dass in unzulässiger Weise Vorschriften über den Jugend- und Erwachsenenvollzug vermischt. Ein Entwurf, der den Jugendstrafvollzug zu einem bloßen Wurmfortsatz des Erwachsenenstrafvollzugs macht und nicht einmal einen eigenen Abschnitt für die ganz eigene Vollzugsform vorsieht. Ein solcher Entwurf kann den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht entsprechen.
Die Verschiebung des Schwerpunkts der Vollzugsarbeit vom Vollzugsziel der Resozialisierung hin zur Vollzugsaufgabe der Sicherheit ist bestenfalls symbolische
Gesetzgebung, denn sie wendet sich zunächst an die nicht straffälligen Bürgerinnen und Bürger und macht ihnen vor, dass ein Gesetz, welches das Wort Sicherheit nur recht häufig verwendet, auch genau diese Sicherheit erreichen wird. Schlimmstenfalls ist es aber eine Abkehr von allen Erkenntnissen der modernen Strafvollzugswissenschaft und ein Verstoß gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, welches die Resozialisierung oder genauer gesagt die soziale Integration zum Ziel aller strafvollzuglichen Bemühungen erhoben hat.
Die Zahlen zu den Entweichungen, die Sie uns am Wochenende präsentiert haben, mögen auf den ersten Blick zwar ein erfreuliches Bild liefern, denn die Zahl der Entweichungen ist rückläufig. Wir wollen aber in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass sich dieses zum einen dadurch erklärt, dass Sie die Zahl der Lockerungsmaßnahmen erheblich heruntergefahren haben, und zum anderen in den letzten Jahren weit weniger Menschen in Haft sind, als in den Jahren zuvor. Letzteres macht rein rechnerisch bereits ein Drittel aus.
Die Gefangenenzahl führt mich direkt zu einer der ärgerlichsten Entscheidungen, die der Senat in den letzten Jahren getroffen hat. Es geht um die Umfunktionierung der JVA Billwerder von einer offenen in eine geschlossene Anstalt und um die Steigerung der Zellenkapazität auf Rekordniveau.
Ich habe dieses Gefängnis schon mehrfach als Moloch und Mammutanstalt bezeichnet. Jetzt ist es auch noch ein Geisterknast, weil seine Zellen vielfach leer sind. Obwohl wir Ihnen den heutigen Leerstand von Anfang an prophezeit haben, haben Sie weiter an diesen Plänen festgehalten. Die finanziellen Mittel, welche die Stadt im Hamburger Strafvollzug weiß Gott hätte anderweitig gut gebrauchen können, haben Sie auf Jahre hinaus im wahrsten Sinne des Wortes verbaut.
(Wolfhard Ploog CDU: Die nächste Welle kommt bestimmt, Herr Klooß! - Gegenruf Olaf Ohlsen CDU: Aber die Welle spült ihn weg!)
Wie wir in den letzten Monaten erfahren mussten, nimmt es dieser Senat mit der Einhaltung und der Umsetzung von richterlichen Vorgaben und Entscheidungen nicht so genau.
Meine Fraktion hatte bereits Anfang des Jahres davon Kenntnis erhalten, dass es unter den Senatoren Kusch und Lüdemann im Hamburger Strafvollzug üblich geworden ist, Beschlüsse und Urteile der Strafvollstreckungskammer nicht, nicht sofort oder in ganz anderer Weise umzusetzen, als dieses von den Gerichten erwartet und bestimmt worden ist. Das wurde möglich, weil der Bundesgesetzgeber vor vielen Jahren vergaß - man könnte auch sagen, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass es einmal notwendig wäre -, im Strafvollzugsgesetz eine Regelung einzubauen, nach der die Anstalten beziehungsweise die Behörde unter Androhung und Verhängung von Zwangsmitteln dazu gezwungen werden können, richterliche Beschlüsse in der Praxis auch umzusetzen.
Mittlerweile sind durch ein Schreiben eines Richters an den Senat eine Vielzahl solcher Fälle bekannt geworden, in denen Maßnahmen gegen Gefangene, die durch ein Hamburger Gericht für unzulässig erklärt worden sind, trotz anders lautender Beschlüsse absichtlich nicht
Es ist mehr als peinlich, dass erst nach einer derart langen Zeit eine Reaktion vonseiten des Senats erfolgt ist.
Dass der Justizsenator nun hoch und heilig versprochen hat, dass so etwas nicht mehr vorkommen werde, ist eine bloße Selbstverständlichkeit. Die Erfahrungen aus diesen Fällen sollten uns aber lehren, dass es dringend notwendig ist, dass eine Zwangsmittelvorschrift gegen die handelnden staatlichen Stellen geschaffen wird.
Wir haben einen Antrag eingebracht, in welchem wir den Senat auffordern, sich für eine solche Regelung auf Bundesebene einzusetzen. Wir fordern Sie auf, sich diesem Antrag anzuschließen.
Kommen wir zurück zu dem Strafvollzugsgesetz. Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich scheren Sie aus der einheitlichen Vollzugspraxis der Länder aus. Bis heute haben Sie kein nachvollziehbares Argument geliefert, warum Sie sich nicht dem Zehner-Entwurf für einen Jugendstrafvollzug angeschlossen
Ich bin kein Träumer, was den Ausgang der heutigen Abstimmung angeht. Entgegen den Warnungen und Bedenken, die bereits von Fachleuten aus dem außerparlamentarischen Vorfeld geäußert worden sind, hat die Justizbehörde ihre Vorgaben durchgezogen.
Die Justizbehörde hat die Ausführungen der Experten, die auf die Fehler des Gesetzes schonungslos hingewiesen haben, in den Wind geschlagen und die CDUMehrheit im Rechtsausschuss ist ihr mit ihrer dünnen Mehrheit gefolgt.
Sie hat nur marginale Änderungen akzeptiert. Das ist - wie ich es sehe - ein Ausdruck arroganter Selbstüberschätzung sowie Machtausübung und zugleich ein Beweis für die Rechtsblindheit oder Rechtsfeindschaft des Senats und der Mehrheitsfraktion.
Die SPD wird nach der Wahl alles daransetzen, dass dieses Gesetz aufgehoben und durch ein verfassungsgemäßes, modernes und zukunftsgerichtetes Gesetz ersetzt wird. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Reinert, ich würde sagen, dass Sie im Moment in diesem Hause nicht ein