Protocol of the Session on November 21, 2007

Meine Damen und Herren! Am 9. November hielt Bürgermeister von Beust seine Antrittsrede als Bundesratspräsident. Es war eine eher seltene Rede, denn Ole von Beust kritisierte die politische Kaste in Berlin und im Politikbetrieb. Es war auch eine nachdenkliche Rede. Wir würden uns allerdings wünschen, dass diese Nachdenklichkeit und auch diese Selbstkritik dann angelegt werden, wenn es um Hamburger Politik geht.

(Beifall bei der SPD und Christian Maaß GAL - Michael Neumann SPD: Das Stichwort "Nach- denklichkeit" gibt es für den Bürgermeister nicht!)

Erlauben Sie mir im Auftrag meiner Fraktion einige Anmerkungen zur Alltagsferne der CDU-Politik in Hamburg. Zunächst ein Zitat von Bürgermeister von Beust:

"Man kauft jeden Tag zu Essen und zu Trinken; geheizt werden muss den ganzen Winter lang; und ein bisschen vergnügen will sich jeder; ins Lokal gehen, ins Kino. Und all das ist teurer geworden. Und zwar deutlich."

Meine Damen und Herren, wer wollte bestreiten, dass es teurer geworden ist. Ja, es ist in der Tat alles teurer geworden, aber nicht nur die Produkte und Dienstleistungen der Wirtschaft, sondern auch alle öffentlichen Dienstleistungen in Hamburg.

(Ingo Egloff SPD: Das will er nicht mehr hören!)

Der CDU-Senat hat nahezu alles, was der Stadtstaat Hamburg an Dienstleistungen, an Produkten, was er auch immer zur Verfügung stellt, mit neuen Preisen versehen oder die Gebühren erhöht.

(Jan Quast SPD: Wucher!)

Nun kommen wir zu diesen Gebühren: Gebühren für Vorschulen, Gebühren für das Mittagessen in der Kita, Gebühren für Schulbücher, erhöhte Fahrtkosten, Gebühren für Kurse, Gebühren für die Jugendmusikschule, Studiengebühren, Verwaltungsgebühren für das Studium und Gebühren für Wohnheime für Obdachlose. Ja, es gibt sogar Gebühren, die kein einziger Fachpolitiker - zumindest keiner der SPD - bis vor Kurzem kannte. Oder wussten Sie, meine Damen und Herren von der CDU, dass es eine Gebühr für die Ausstellung des Abschlusszeugnisses der Hauptschule gibt, falls dort nach Ihrem Schulsystem welche ausgestellt werden?

(Michael Neumann SPD: Die werden ja immer weniger!)

Jeder einzelne dieser Posten ist hier diskutiert worden. Die Senatorinnen und Senatoren, die dafür zuständig waren, haben das immer kleingeredet, aber zusammengenommen stellt das eine Belastung dar. Nach Ihren eigenen Zahlen wird der gesamte Bildungsbereich jährlich mit circa 70 Millionen Euro Gebühren belastet. Das ist das, was Sie gemacht haben, und Sie werden nicht behaupten können, dass das ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit in dieser Stadt ist.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Aber das ist nicht alles. Kommen wir zu dem, was Daseinsvorsorge in Hamburg ist. Daseinsvorsorge sind zum Beispiel Wohnungen und Mieten. Die Mieten der SAGA für den öffentlich geförderten Wohnungsbau stiegen im Jahre 2005 um 3,39 Prozent, im Jahre 2006 um 3,49 Prozent. Ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang wieder zu erwähnen, dass die SAGA 500 Millionen Euro an den Hamburger Haushalt abführt. Das muss vielleicht erwähnt werden, weil sich deutlich daran festmachen lässt, dass wir unsere eigenen Unternehmen manchmal weniger zur Daseinsvorsorge als vielmehr zur Geldschöpfung benutzen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL - Wolfhard Ploog CDU: Das ist ein alter Hut!)

Kommen wir zu einem weiteren Bereich der Daseinsvorsorge, zum Hamburger Verkehrsverbund. 2005 gab es eine Tarifsteigerung in Höhe von 4,55 Prozent und 2006 in Höhe von 3,6 Prozent. Nun vergleichen Sie mit mir die durchschnittliche Steigerung der Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren und die Entwicklung der Reallöhne in Hamburg. Die durchschnittliche Steigerung der Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren war 2004 etwa 2 Prozent, 2005 1,7 Prozent, die Gehaltsentwicklung in Hamburg war 2004 minus 0,6 Prozent und 2005 plus 1,7 Prozent. Da Sie genauso gut rechnen können wie ich, werden Sie auch zu dem Ergebnis kommen, dass die durchschnittlichen Gebühren, Abgaben und Entgelterhöhungen - schlicht die staatlich administrierten Preissteigerungen - in Hamburg schneller gewachsen sind als die Realeinkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch als die allgemeinen Preissteigerungen für Lebenshaltung in der ganzen Republik. Das ist mindestens diskussionswürdig.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Herrn von Beust erneut zitieren:

"Viele haben Recht, wenn sie sagen, dass vom Aufschwung nichts bei ihnen ankommt."

In der Tat, bei diesen staatlich administrierten Preisen kommt vom Aufschwung in dieser Stadt bei den Leuten, die auf einen starken Staat, auf einen Staat, der Verteilungsgerechtigkeit herstellt, angewiesen sind, nichts an. Wie sollte es auch?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der Aufschwung in Hamburg ist in den Hamburger Staatskassen angekommen. Wir haben die besten Steuereinnahmen seit Jahren. Wir haben viel Geld und nicht nur die Einnahmen sind gesprudelt, sondern auch die Ausgaben dieses Senats. Sie haben in diesem Jahr 450 zusätzliche Millionen für Projekte ausgegeben. Sie haben 17 Millionen Euro - ursprünglich geplante Einsparungen - schlicht und ergreifend storniert. Sie haben mit der Konsolidierung aufgehört. Warum sage ich das? Alles das, was Sie an den Hamburger Schulen gemacht haben - Gebühren für Vorschulen, Gebühren für Mittagessen, Gebühren für Schulbücher, Fahrtkosten, Jugendmusikschule und so weiter -, kostet nicht mehr als 14 Millionen Euro. Sie hatten zwar Geld für 450 Millionen Ausgaben und Sie hatten Geld, um das Galoppderby zu unterstützen, damit die Preisgelder erhöht werden konnten, aber ein soziales Herz, um 14 Millionen Euro zurückzunehmen, das hatten Sie nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich sage Ihnen das auch vor folgendem Hintergrund. Ich zitiere wieder Ole von Beust. Einige von Ihnen werden sich vielleicht sehr entfernt daran erinnern, weil es mit der heutigen Realität so wenig zu tun hat. Am 29. Juli 2002 sagte Ole von Beust, er schließe eine Erhöhung von Steuern und Gebühren kategorisch aus.

Wohl dem, der es geglaubt hat. Gemacht haben wir in Hamburg etwas anderes.

Lassen Sie mich zu einem dritten Bereich kommen. Es gibt ein weiteres schönes Zitat von Ole von Beust und dieses Zitat lautet:

"Gute Politik erkennt man ihrer Alltagstauglichkeit."

Es stellt sich dann doch die Frage nach der Alltagstauglichkeit der CDU-Politik. Ist es alltagstauglich, wenn der Alltag von Familien mit Kindern in dieser Stadt nicht verbessert, sondern erschwert wird? Ist es alltagstauglich, wenn in einer Zeit, in der wir bundesweit über die Schwierigkeiten von Familien mit Durchschnittseinkommen diskutieren, Ihre Schwesterpartei über Erziehungsgeld und Entlastung von Familien und wir beide in der Großen Koalition über die Anhebung der Kindergelder diskutieren? Ist die Politik, die Sie hier betreiben, alltagstauglich? Mit der einen Hand geben und auf der anderen Seite diskutieren, dass vielleicht etwas genommen wird, so verhalten Sie sich.

Diese Politik ist nicht alltagstauglich, sie ist auch nicht sozial gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Eine Politik, die nicht sozial gerecht ist, kann auch nicht alltagstauglich sein. Das, was Bürgermeister von Beust an der Politik der Bundesrepublik kritisierte, kann auf die CDU-Politik in Hamburg übertragen werden. Die Bürgerinnen und Bürger werden es Ihnen am Wahltag schriftlich geben, was sie von der Alltagstauglichkeit Ihrer Politik halten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete von Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Zuckerer, das war eine Multifunktionsrede. Wenn man in der Aktuellen Stunde nicht zum Zuge kommt, dann kann man in der nächsten Debatte noch einmal die gleiche Rede halten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Petra Brink- mann SPD: Sehr richtig! Sehr klug! - Dr. Andreas Dressel SPD: Mal sehen, was Ihre Rede so taugt!)

Ansonsten war das ein ganz netter Vortrag, viel Rhetorik, aber inhaltlich war das in meinen Augen eher die Liga von Münchhausen. Das hatte etwas mit Alltagsferne zu tun. Ich hatte mich schon gewundert, als Sie das Thema angemeldet haben. Insofern ist die Spannung nicht allzu groß gewesen, denn es kam so, wie es kommen musste.

Zum Thema Gebühren möchte ich sagen, dass sie sich im Vergleich zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten insgesamt moderat entwickelt haben. Insofern sind Ihre Aussagen dazu falsch, Herr Zuckerer.

Ich nenne als Beispiel die Lernmittelfreiheit. Was Sie aus Ihrer Zeit als Lernmittelfreiheit hinterlassen haben, ist in

meinen Augen unzumutbar gewesen. Die Schulbüchereien waren nicht einmal mehr ein Antiquariat, das war mehr Bücherflohmarkt als alles andere. Ich habe in einigen Schulbüchereien Bücher aus meiner Schulzeit entdeckt und sie waren an den Stellen, an denen Namensstempel standen, von oben bis unten beschrieben.

(Beifall bei der CDU)

Dem geben Sie dann den Namen Lernmittelfreiheit. Das ist ja eine tolle Sache gewesen.

(Gerhard Lein SPD: Und Sie sagen den Eltern, sie sollen bezahlen!)

Natürlich ist es eine Belastung, das ist klar, aber endlich haben die Hamburger Schulen ordentliches Unterrichtsmaterial.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Lernmittelfreiheit - das trifft auch auf andere Bereiche zu - war sozialistische Mangelwirtschaft und davon hat keiner etwas.

(Beifall bei der CDU - Michael Neumann SPD: Sie wissen gar nicht, hinter welchen Bedingungen die Menschen in der DDR leben mussten, Sie Lüm- mel! Eine Frechheit!)

Sie haben auch den Bereich Kindertagesstätten kritisiert. Wir haben die Rechtsansprüche ausgebaut und wir haben in den Kitas sehr viel mehr Kinder als noch vor einigen Jahren. Der Etat ist gewachsen. Wir haben in das Wachstum und in die Qualität investiert. Das ist eine gute Sache.

Ihr Spitzenkandidat sagt, er macht alles rückgängig und will alles abschaffen, was dort eingeführt worden ist, über die Finanzierung wird wenig gesagt. Ihre Finanzierungsvorschläge sehen neue Schulden vor. Das heißt also, dass die Kinder, die heute in der Kindertagesstätte sind, morgen ihr Mittagessen mit Zins und Zinseszins zurückbezahlen. So kann es nicht gehen.

(Beifall bei der CDU)

Zu Ihrer Verschuldungsstrategie kann ich nur sagen, nein, für Hamburg hat sich das Sparen gelohnt. Null Neuverschuldung, die erste Million Altschulden ist getilgt

(Michael Neumann SPD: Das ist doch auch falsch! Das ist auch die Unwahrheit!)

und Sie stehen mit Ihren haushaltspolitischen Ideen ganz fest mit beiden Beinen auf den Wolken, aber mehr auch nicht.

Es ist wichtig, dass wir in bestimmte Bereiche investieren. Das tun wir auch. Das haben wir mit dem Schwerpunkt Bildung gemacht, wir nennen das die Bildungswende.