Protocol of the Session on July 5, 2007

Die Debatte wird zeigen, dass Sie das genau anders sehen. In der Praxis sind bisher bundesweit bereits 85 Prozent der Gefangenen im geschlossenen Vollzug. Nicht nur aus Willkür der jeweiligen Behörden und Ministerien, sondern schlichtweg dadurch, weil die jeweiligen Strafvollstreckungskammern dieses auch bestätigen.

Insoweit ist das vorgelegte Hamburger Strafvollzugsgesetz ein ehrliches Gesetz,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

denn es benennt die bereits vorherrschende Praxis. Alles andere, was Sie in den letzten Monaten propagiert haben, ist realitätsfern und nicht praxisnah.

(Beifall bei der CDU)

Um es ganz deutlich zu machen: Die Bevölkerung geht zu Recht davon aus, dass der Staat, der einen Straftäter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt hat, diese zunächst auch innerhalb von Gefängnismauern absitzen lässt. Wenn Sie anderer Meinung sind, ist das realitätsfern und von uns nicht nachzuvollziehen.

Die meisten Menschen wären entsetzt, wenn Sie wüssten, dass Sie fordern, dass ein verurteilter Straftäter höchstens zum Schlafen in das Gefängnis kommen soll und tagsüber weiterhin die Straßen unsicher machen kann. Das können und wollen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU - Dr. Andreas Dressel SPD: Das klingt irgendwie nach Schill!)

Sie weigern sich, die Zeichen der Zeit zu akzeptieren und hängen noch Ihrer Sozialromantik des Irrglaubens Anfang der Siebzigerjahre nach. Das ist nicht das Allheilmittel. Wir benötigen heute den geschlossenen Vollzug und nicht die Sozialromantik des offenen Vollzugs.

(Beifall bei der CDU)

Sie geben vor, die Gefangenen resozialisieren zu wollen. Wie soll das gehen, wenn die Gefangenen tagsüber gar

nicht anwesend sind? Eine Arbeit mit Gefangenen ist doch nur möglich, wenn sie anwesend sind

(Katja Husen GAL: Quatsch!)

und einen klar strukturierten Tagesablauf kennenlernen. Häufig müssen wir feststellen, dass es nicht um Resozialisierung, sondern um Erstsozialisierung geht. Ihren Vorschlag in Bezug auf Abwesenheit während des Tages können wir nicht akzeptieren.

Allein dadurch, dass man die Gefangenen innerhalb ihrer alten und oftmals schlechten sozialen Bindungen belässt, ist das keine Wiedereingliederung im klassischen Sinne der Resozialisierung. Ihr Vorschlag ist utopisch.

Sicherlich mag teilweise auch offener Vollzug und der Kontakt zur Außenwelt wichtig sein. Für uns gilt das aber erst am Ende der Strafe und ist nicht von Beginn an nötig.

Das neue Strafvollzugsgesetz sieht aber auch vor, dass die Opfer berücksichtigt werden. Diese werden gewarnt, wenn ein Sexual– und Gewaltstraftäter freikommt. Ich finde, das ist ein deutliches Mehr an Opferschutz.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg und der Senat haben jetzt mit diesem Gesetz ein modernes und dem Erziehungsgedanken verpflichtetes Strafvollzugsgesetz auf den Weg gebracht. Es werden hierbei die hohen Standards des Hamburger Strafvollzugs legalisiert. Hamburg ist nicht Siegburg und setzt bundesweit jetzt schon einmalige Maßstäbe, wobei auch hier das Ziel ist, effektiv erzieherisch, fordernd und sicher den Strafvollzug durchzuführen.

Im Übrigen entspricht der Hamburger Jugendstrafvollzug bereits zum Zeitpunkt des Bundesverfassungsgerichts vor einigen Jahren dessen Vorgaben. Kein anderes Bundesland kann das so vorweisen. Die darin geforderten Wohngruppen und Ausbildungsangebote waren in Hamburg schon immer Praxis. Ich glaube, wenn wir Sie hier gleich hören, werden wir das Gefühl haben, dass wir uns in einem anderen Bundesland befinden. Aber den Realitäten kann schon mal vorgegriffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Was die SPD im Bereich Jugendstrafvollzug vorgelegt hat, ist reine Abschreibearbeit und wird nicht den Notwendigkeiten in Hamburg gerecht. Hier sollten Sie sich ein bisschen mehr Mühe geben.

Die Zusammenfassung von bisher zwei Strafvollzugsgesetzen setzt auch bundesweit neue Maßstäbe. Hamburg hat mit Praktikern ein Gesetz für Praktiker gemacht. Dieses Gesetz ist nicht für Schreibtischtheoretiker, wie Sie es fordern.

Der ebenfalls bereits abgelehnte Entwurf der GAL zum Jugendstrafvollzugsgesetz lässt die Sicherheit der Bevölkerung völlig außen vor und verkennt die Klientel der in Hamburg einsitzenden Gefangenen. Die Jugendlichen, die eine Jugendstrafe erhalten haben, bewiesen, dass alle anderen Maßnahmen sie nicht erreicht haben. Wo, wenn nicht im Strafvollzug, wollen wir dann anfangen, den Jugendlichen Grenzen zu setzen? Sie verzichten gänzlich auf Disziplinarmaßnahmen. Einmalig in der Bundesrepublik und sogar einmalig unter Theoretikern wird Ihr Gesetz daher völlig abgelehnt.

Der nun vorgelegte Entwurf ist erheblich besser und bietet auch im erzieherischen Bereich genau die Maßnah

men. Wenn Sie gleich etwas anderes erzählen werden, was ich mir gut vorstellen kann, denn die Presseerklärungen in der letzten Zeit haben bereits genug bewiesen, dann haben Sie das noch nicht erkannt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Dr. Till Steffen GAL: Das lockt keinen mehr hinter dem Ofen vor, Frau Spethmann!)

Die Kritik, die Sie bisher an der Gestaltung eines Chancenvollzugs vorgelegt haben, ist aus der Luft gegriffen. Sie ignorieren die zahlreichen und eindeutig entgegenstehenden Regelungen des Entwurfs.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie ignorieren die Stel- lungnahme!)

Daher sind Ihre Ausführungen, die Sie bestimmt gleich - wie bisher - tätigen werden, irreführend. Wir wollen die Gefangenen fordern. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Sie wollen auf die Gefangenen bis zur letzten Konsequenz zugehen und das wollen wir nicht.

Ich bin auch der Meinung, dass Ihr Ansatz, Gefangene an der Lösung des Problems von Anfang an zu beteiligen, falsch ist. Wir müssen teilweise Gefangene wirklich in eine Situation bringen, sich zu bewegen und nicht immer ständig auf sie zuzugehen.

Insoweit werden wir diesen Gesetzentwurf heute einvernehmlich in den Ausschuss überweisen. Wir haben bereits vorab im Wege der Selbstbefassung eine Expertenanhörung mit zehn Sachverständigen beschlossen und wir werden das sachgerecht sowie intensiv alles besprechen.

Ich fasse zusammen: Die Zustände, die zu Zeiten von Rotgrün im Haus 2 in Santa Fu geherrscht haben und die Sie in Hamburg gern wieder einführen möchten, wünschen sich noch nicht einmal die Gefangenen zurück und wir erst recht nicht. Daher werden wir mit diesem Gesetz die Grundlage haben, in den nächsten Jahren einen anderen Strafvollzug vorzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Herr Klooß.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein rechtspolitisches Thema hat uns hier in Hamburg in den letzten Jahren derart beschäftigt, wie der Strafvollzug.

Von dem Vorgänger des heutigen Justizsenators wurde der Strafvollzug zu einem seiner Schwerpunkte erklärt und sein Nachfolger, Herr Lüdemann, ist den einmal eingeschlagenen Weg weitergegangen.

Heute ist der Strafvollzug in Hamburg - das ist in Fachkreisen unbestritten - ein Verwahrvollzug ältester Prägung. Verehrte Frau Kollegin Spethmann, wenn Sie das hier belobigen und für in Ordnung befinden, dann ist das ein Kotau vor dem Senat, aber keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Zuständen und den Möglichkeiten einer Verbesserung derselben.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller und Christian Maaß, beide GAL)

Auch wenn das neueste Etikett, das Sie Ihrer Politik aufdrücken Chancenvollzug lautet, so ist doch in Wahrheit

festzustellen, dass seit Einführung des Strafvollzugsgesetzes in den Siebzigerjahren niemals so wenig in den Vollzug investiert wurde, wie heute.

Damit wir uns richtig verstehen: Mit Investieren sind keine Geldmittel gemeint. Dort haben Sie mit dem Prachtbau in Billwerder Ihrer gescheiterten und verfehlten Politik ein gruseliges Denkmal gesetzt, ein Mahnmal für die Law and Order-Fantasien von Kusch, Schill & Co., mit dem Sie vielen Bürgern dieser Stadt den Kopf verdreht haben.

(Michael Fuchs CDU: Das sehe ich aber anders!)

Als im Zuge der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder übertragen wurde, war es meine Fraktion, die bis zuletzt versuchte, das zu verhindern. Es ist bedauerlich, dass uns das nicht gelungen ist, denn von Anfang an war uns klar, dass dieser Senat nicht lange zögern würde, um von seinen neuen Befugnissen Gebrauch zu machen.

Zu verlockend war die Gelegenheit, eine Vollzugspraxis, die mit den bisherigen gesetzlichen Regeln nicht im Einklang stand und die vor den Strafvollstreckungskammern des Landsgerichts Hamburg ein um das andere Mal aufgehoben und korrigiert werden musste, auf eine eigene gesetzliche Basis zu stellen. Was hier passiert, sollte einem zu denken geben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Anstatt das eigene hoheitliche Handeln den Gesetzen anzupassen, passen Sie die Gesetze Ihrem Handeln an.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aberwitzig ist das!)

Die von Ihnen vorgenommene Gleichsetzung der Vollzugsaufgabe, die Sicherheit der Allgemeinheit und des Vollzugsziels sozialer Integration mag auf den ersten Blick harmlos, ja selbstverständlich erscheinen. Tatsächlich handelt es sich um die bereits genannte Abkehr vom resozialisierenden Strafvollzug hin zum Verwahrvollzug. Es erinnert mich an die alte Doktrin vom Vollzug, wonach es hieß: Punitur quia peccatum est.

In der Praxis wird diese Verschiebung dazu führen, dass mehr Gefangene schlecht bis gar nicht auf die Freiheit vorbereitet aus den Knästen entlassen werden. Am Ende steht nicht mehr, sondern weniger Sicherheit für die Bevölkerung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)