Protocol of the Session on June 7, 2007

Wir hätten dieses Thema eigentlich gemeinsam diskutieren können in einem Zusammenhang, dass derzeit alle Fraktionen eine Situation sehen, in der man Staatsverschuldung begrenzen kann, auch auf gesetzlichem Wege, wo man eine Mischung an neuen Finanzsystemen entwickeln kann, die sowohl Stabilität als auch Flexibilität für Politik beinhalten, dass man die gemeinsam tragen könnte, dass es da einen Konsens darüber gibt und dass man Systeme entwickeln kann, die zukunftsträchtig sind.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Warum haben Sie das eigentlich nicht gemacht? Ich stelle Ihnen dieselbe Frage, die Herr Dr. Maier Ihnen gestellt hat, noch einmal. Sie waren nicht einmal bereit, mit uns darüber zu verhandeln, was man gemeinsam hätte machen können, sondern Sie beschließen heute einen Antrag für die übernächste Generation von Bürgerschaftsabgeordneten - die meisten von Ihnen werden ihn auch nicht mehr ausbaden müssen - und warum? Welches Zeichen wird da nach außen gesetzt? Eigentlich gar keines, denn die Zeichen, die Sie derzeit abseits papierener Beschlüsse für das Jahr 2013 setzen, sind doch, dass wir in den nächsten Wochen über den Börsengang der Hamburger Hafen– und Lagerhaus AG beschließen werden. Sie veräußern also weiter Vermögen, um Investitionen zu finanzieren und lassen sich überhaupt nicht darauf ein, einmal ernsthaft darüber zu diskutieren und Methoden zu finden, nicht auf der einen Seite Vermögen zu veräußern, um die Staatsverschuldung zu begrenzen, und gleichzeitig einer nachfolgenden Generation Vermögen zu entziehen. Wir begrenzen die Staatsverschuldung, indem wir einer Folgegeneration Vermögen nehmen, und zwar im Augenblick in einer Situation, wo das überhaupt nicht erforderlich ist, um es einmal direkt zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Finanzpolitik möchte ich mit zwei Sätzen kurz charakterisieren. Wir hatten im Dezember 2006 einen Zweijahreshaushalt beschlossen. Jetzt befinden wir uns

im Juni des Jahres 2007 und was haben Sie bis dahin gemacht? Sie haben Investitionsankündigungsvorlagen im Bereich der Hafeninvestitionen mittelfristig über 2,5 Milliarden Euro mitgeteilt. Sie haben Veräußerungsvorlagen über eines der größten Hamburger Unternehmen dem Parlament vorgelegt. Sie haben in Wahrheit längst einen Nachtragshaushalt eingebracht, der Vieles obsolet macht, was wir vor sechs Monaten beschlossen haben. Sie haben überhaupt kein funktionierendes Politikmanagement, um es einmal direkt zu sagen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wenn man sechs Monate, nachdem man einen Haushalt beschlossen hat, Vorlagen einbringt, die den Investitionshaushalt des laufenden Jahres übersteigen, dann muss man sich fragen lassen, welche Ansprüche man eigentlich an Politikmanagement, an politische Planung und fiskalische und finanzielle Transparenz hat; offensichtlich gar keine. Die Wahrheit ist doch, dass bei Ihnen ein fröhliches Leben ausgebrochen ist. Seit die Steuereinnahmen sprudeln, dürfen alle ein bisschen daran teilhaben. Jede Senatorin, die noch während der Haushaltsberatungen keine Anträge stellen durfte wie zum Beispiel Frau Dinges-Dierig oder die Zweite Bürgermeisterin et cetera, haben jetzt Vorlagen, wo die Millionen fließen; auch im Bereich der Kultur fließen sie. Würden Sie uns einmal erklären, welche Erkenntnisse Sie im Dezember hatten, warum die da noch nicht fließen konnten, oder hatten Sie da eine Gehirnverstopfung?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das ist im Augenblick Ihre solide Haushaltspolitik. Wir wollen eine seriöse Befassung mit zukünftigen Methoden der Staatsverschuldungsbegrenzung haben und seriöse Anträge, die auch Generationen tragen können und übrigens ein ganzes Parlament tragen könnte. Das ist Ihnen zu kompliziert, aber ein guter Beschluss, der den Senat die nächsten sechs Jahre nicht besonders stören wird, ist immer gut. Das dürfen Sie, das machen Sie gern, das wird auch nichts kaputt machen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL - Wolfhard Ploog CDU: Das haben wir von Ihnen gelernt!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Zuckerer, in Ihrer Rede haben Sie im Unterschied zu den Reden, die ich vom Finanzsenator und auch vom haushaltspolitischen Sprecher der CDU gehört habe, durchgeblickt. Das Erstaunliche war für mich, dass der Finanzsenator auf das, was heute in Rede steht, mit keinem Wort eingegangen ist.

(Jürgen Schmidt SPD: Das erstaunt Sie? - Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Der Senator neigt zu historischen Betrachtungen über Fehler der Sozialdemokratie in den Achtzigerjahren.

(Gesine Dräger SPD: Das war eine gute Zeit!)

Vielleicht hätte er das ergänzen sollen um Fehler der Christdemokratie in den Zweitausenderjahren. Dann wäre er darauf gekommen, dass das Finanzierungssaldo, das aus Kreditaufnahme und Verkäufen in den sechs Jahren entstanden ist, die Sie in der Verantwortung sind, deutlich

höher lag als in den vier Jahren vorher, nämlich bei 1,6 Milliarden Euro, während es vorher bei 1,14 Milliarden Euro lag. Das heißt, Sie haben bei Kreditaufnahmen und Veräußerungen eine sehr viel schlechtere Haushaltspolitik gemacht.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Vergangenheitsbetrachtung erinnert mich immer an ein altes Wort von Walter Benjamin.

"Ab 30 sind Menschen für ihre Gesichtszüge selber verantwortlich."

Regierungen im sechsten Jahr sind für das, was sie angerichtet haben, selber verantwortlich und können nicht sagen, wir gucken einmal in die Tiefen der Erinnerung.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Der Josefs-Roman beginnt zwar mit "Tief ist der Brunnen der Vergangenheit", aber Reden immer damit zu füllen, ist inzwischen eher eine nervtötende Veranstaltung. Das sollten Sie, Herr Reinert, vielleicht mal in der Fraktion durchgeben. Dieses Argument ist vorbei, lasst euch mal etwas zur aktuellen Lage einfallen, das wäre vernünftig.

(Beifall bei der GAL und der SPD - Bernd Reinert CDU: Ihnen glaubt das nach wie vor niemand!)

In den vier Jahren, die wir dabei waren, ist der Haushalt jedes Jahr um 150 Millionen Euro konsolidiert worden.

(Bernd Reinert CDU: Wir sind doch hier nicht im Karneval!)

Herr Peiner hat hier am Pult zugegeben, dass Sie es nur auf 105 Millionen Euro im Jahr gebracht haben, es aber auf erschwerte Umstände zurückgeführt. Bei uns waren es einfach mehr Mäuse und bei Ihnen waren es weniger Mäuse, aber erschwerte Umstände.

Wenn das der Fall ist, dann lassen wir doch diese blödsinnige Vergangenheitsbewältigung, wenn es um die Frage geht, wie wir die wirkungsvollste Bremse für die Inanspruchnahme der Zukunft durch eine aktuelle Politik hinbekommen, denn darum dreht es sich. Wir wollen Politik für die Zukunft machen, ohne dass wir diese Zukunft jetzt schon in Anspruch nehmen. Sie verweisen immer auf die Kreditaufnahme und wir sagen, da habt ihr recht, das ist ein wichtiger Punkt, das muss begrenzt werden, aber warum lasst ihr die Verkäufe außen vor; darauf nimmt Herr Senator Freytag mit keinem Wort Bezug. Dann sagt er, aber die Abschreibung haben wir jetzt in die Doppik geschrieben. Jetzt habt ihr hineingeschrieben, dass die Abschreibungen endlich einmal berücksichtigt werden können, aber warum nehmt ihr es dann nicht in euer Gesetz als eine Begrenzung der künftigen Investitionen auf? Warum nehmt ihr diesen Punkt, da die Doppik eingeführt ist, in die neue Regelung nicht auf? Auch darauf bekommen wir keine Auskunft, sondern nur ermutigende Ansprache, was einem Senator alles im Kopf herumgehe, nämlich die Doppik. Aber warum das nicht ins Gesetz aufgenommen wird, sagen Sie nicht. Das versteht man nicht so richtig, es sei denn, man hat eine historische Neigung wie Herr Senator Freytag und möchte sich im Wesentlichen um die Achtziger– und Neunzigerjahre streiten, während wir gerne über die Jahre 2007, 2008 folgende reden würden, welche Grundlagen wir für das künftige Verhalten legen möchten.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wir haben insofern auch ein gutes Gewissen, als wir nicht irgendetwas vorschlagen, was aus dem Sondermustopf der Sozialdemokraten, der Grünen oder sonst wem entstanden ist. Unser Vorschlag ist lupenrein der Vorschlag des Sachverständigenrats der Bundesregierung. Der schlägt vor, man solle - sozusagen seine goldene Regel - Neuinvestitionen durch Verschuldung minus Abschreibung und minus Veräußerung ermöglichen. Diese Formel schlagen wir Ihnen hier vor. Dann schlägt derselbe Sachverständigenrat vor, man solle als zweite Regel das Schweizer Modell mit übernehmen, damit das Ganze konjunkturreagibel wird. Denken Sie doch auch einmal darüber nach, reden Sie darüber mit Bund, denn wir können das im Moment nicht als Bundesland alleine machen; das wäre ein vernünftiges Ziel.

Ich verstehe die ganze Zeit nicht, warum kein einziger Ihrer Redner bisher überhaupt auf dieses Argument eingegangen ist. Ich habe von Ihnen noch kein Argument in der Sache gehört und das finde ich tieftraurig für eine Regierungsfraktion, die mit absoluter Mehrheit regiert und sich noch nicht einmal aufrafft, die laufenden Argumente kennen zu lernen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Dr. Freytag.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich schätze beide Redner, Herrn Zuckerer und Herrn Maier, sehr, weil sie im Haushaltsausschuss, was ja nicht schädlich ist, durch sachbezogene Anmerkungen auffallen.

(Gesine Dräger SPD: Ach was?)

Ich finde es allerdings etwas verwegen, Herr Zuckerer, um es einmal freundlich auszudrücken, wenn ich mir das Kandidatenaufstellungsverfahren der SPD angucke, uns ein nicht funktionierendes Politikmanagement vorzuwerfen.

(Christa Goetsch GAL: Was hat das denn damit zu tun? - Doris Mandel SPD: Das ist so billig!)

Das ist wirklich dreist und zeugt von einer Realitätsferne, die ich erschreckend finde.

(Beifall bei der CDU)

An Ihrer Stelle würde ich so klein sein mit Hut und erst einmal den eigenen Laden in Ordnung bringen und nicht anderen Menschen so etwas vorwerfen. Nutzen Sie einmal Ihre Energie, um Ihren eigenen Laden in Ordnung zu bringen, dann haben Sie Ihre Energien gut eingesetzt.

(Beifall bei der CDU - Dr. Willfried Maier GAL: Setzen Sie sich mal damit auseinander, histo- risch!)

Herr Maier, historische Betrachtungen sind es natürlich nicht, wenn wir darüber sprechen, warum wir die aktuelle Staatsverschuldung mit den jetzt aktuellen Zinsbelastungen haben. Die Zinsen, die wir für die überbordende Schuldenpolitik von SPD und Grünen in den Achtziger- und Neunzigerjahren zahlen müssen, müssen wir jetzt zahlen. Das ist nicht Historik, sondern traurige Realität.

(Beifall bei der CDU - Dr. Willfried Maier GAL: Schon in den Sechzigern haben wir Schulden gemacht!)

- Lassen Sie mich auf ein paar Punkte eingehen, Herr Maier, Sie haben das doch angemahnt, ich mache es auch gerne.

Bei der Vermögensmobilisierung haben wir nun wirklich kein schlechtes Gewissen. Sie müssen eines haben, denn die 3,5 Milliarden Euro, die Sie allein zwischen 1990 und 2000 mobilisiert haben, also als Verkaufserlöse in der Kasse hatten, sind komplett verschwunden.

(Doris Mandel SPD: Das ist doch auch ver- schwunden, was Sie verkauft haben!)

Nicht ein einziger Euro oder eine einzige Mark sind in eine Investition geflossen. Sie haben in das Haushaltsloch wertvollstes Tafelsilber für alle Zeiten versenkt; wir machen es anders. In der Tat verkaufen wir Immobilien, aber nicht, um das zu machen, was Sie gemacht haben. Wir haben nämlich mit den Verkaufserlösen Investitionen bezahlt.

(Doris Mandel SPD: Das ist doch verlogen!)