Keine Frage, unsere Polizistinnen und Polizisten - das gilt auch für die Kollegen aus anderen Bundesländern -, haben in diesen Tagen einen sehr schweren Job. Sie müssen den Kopf auch dafür hinhalten, dass die Politik nicht häufig genug erklärt, welche Sicherheitsmaßnahmen tatsächlich erforderlich sind und welche nicht. Das gehört an dieser Stelle auch mit dazu, meine Damen und Herren.
Genauso konsequent wie man gegen Gewalttäter und Krawallmacher vorgeht, muss man aber auch die Demonstrationsfreiheit achten und schützen. Man darf nicht den Eindruck erwecken, dass man Gewalttäter und friedliche Prostestierer in einen Topf wirft.
Auch wenn man angesichts des historischen Vergleichs mit dem wirklichen "Hamburger Kessel" mit der Bezeichnung "Wanderkessel" vorsichtig umgehen sollte, so muss doch die Frage erlaubt sein, wie ein Betreuungsverhältnis von faktisch 1 : 1 zwischen Polizei und Demonstranten bei den friedlichen Demonstranten ankommt. Diese Frage muss gestellt werden, diese Frage hat Herr Dr. Naumann gestellt. Deswegen ist es richtig, dass dieser Punkt von ihm aufgegriffen worden ist.
Es ist Ihnen an der Stelle offenbar wurscht, ob das passiert. Sie haben nämlich diese notwendige Differenzierung vermissen lassen. Für Sie ist das Demonstrationsrecht offenbar ein notwendiges Übel, das man in einer Demokratie hinnehmen muss, ein bisschen Verfassungsfolklore. Nein, die Demonstrationsfreiheit ist ein Kernelement unserer Verfassung, sie ist Voraussetzung für eine plurale Demokratie. Das kann man Ihnen gar nicht oft genug ins Stammbuch schreiben.
Sogar Wolfgang Schäuble hat in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" Proteste rund um den G-8-Gipfel ausdrücklich begrüßt, denn die Demonstrationen seien erwünscht. Zitat:
"Wenn Bürger darauf aufmerksam machen wollen, dass es so nicht weitergehen kann mit Afrika oder mit der Klimapolitik, dann ist das nur zu begrüßen."
Ein solcher Satz, in dieser Klarheit, ist Ihnen, Herr Nagel während der ganzen Tage nicht über die Lippen gekommen. Sie müssen beide Seiten dieser Diskussion mit aufgreifen, aber genau das haben Sie nicht getan.
Wer berechtigterweise die G-8-Kritiker auffordert, sich von den Gewalttätern zu distanzieren, der muss auch selbst in der Lage sein, politisch wie polizeilich die Spreu vom Weizen zu trennen, zu differenzieren, konsequent gegen die Krawallmacher vorzugehen, aber auch konsequent für die Friedlichen einzutreten. Zu dieser Differenzierung, sich in der Diskussion zwischen Freiheit und Sicherheit für beide Facetten einzusetzen, hat der Senat keinen Beitrag geleistet. Das ist in einer liberalen Stadt wie Hamburg äußerst schade. - Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Jäger, der Einstieg in die Debatte wird der Komplexität des Themas nicht gerecht.
Sie haben gesagt, Sie seien die einzigen, die hinter der hamburgischen Polizei stehen, und machen das daran fest, dass es kritische Nachfragen zu den Einsätzen gibt. Sie vergessen aber dabei, dass in der Polizei selbst eine äußerst kritische Nachbereitung erfolgt. Die ist natürlich notwendig, das muss man immer dann machen, wenn die Polizei irgendeine größere Aktion hinter sich gebracht hat.
Im Übrigen möchte ich auf unsere Innenausschusssitzung in der Woche vor der Demonstration verweisen, in der uns der Senator beziehungsweise Herr Born als Zuständiger einen Ausblick auf die Vorbereitungen der Polizei gegeben hat. Vielleicht mögen Sie sich erinnern, dass da deutlich wurde, was die Polizei erwartet und was sie tun wird, und dass sie eine Auswertung vornehmen wird. Die Auswertung findet jetzt statt und deswegen wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig mit Äußerungen wie "es wurden Polizisten in einen Hinterhalt gelockt, mit Reizgas überfallen" und Ähnlichem. Das sind alles Dinge, die nicht geklärt sind. Auf dieser Ebene sollten wir nicht diskutieren.
Das bringt uns vielleicht wieder zu unserer parlamentarischen Aufgabe zurück, nämlich die Verhältnismäßigkeit und die Angemessenheit solcher Einsätze im Nachhinein zu hinterfragen. Das mag Ihnen bekannt sein, das mache ich mit meinen Kleinen Anfragen. Die SPD macht es auf ihre Art und Weise.
Ich wäre sehr dafür, dass wir hier differenziert diskutieren, dass wir differenziert über den Verlauf von Demonstrationen reden und darüber diskutieren, was nach Demonstrationen an Straftaten stattgefunden hat, dass wir uns darüber einig sind, dass niemand in diesem Saal Straftaten gutheißt oder Straftaten und Gewalt als Mittel der Politik ansieht.
Wir sollten uns diese Debatte ernsthaft im Detail vornehmen. Man sollte sehr vorsichtig mit dem Argument sein, dass im Nachhinein der Demonstrationen Gewalttätigkeiten stattgefunden haben. Damit hinterfragt man alles und setzt das ganze Demonstrationsrecht außer Kraft.
Ich möchte ein Beispiel geben, das vielleicht das Problem deutlicher macht. Das Thema Fußball-Hooligans wird auch nicht so diskutiert, dass man deswegen keine Fußballspiele mehr stattfinden lässt.
Wenn Sie die Diskussionen der Neunzigerjahre mitverfolgt haben - ich gehe davon aus, dass das viele Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD genauso wie die Kollegen von meiner Seite gemacht haben -, dann werden Sie wissen, dass sich zusammengesetzt wurde, um die Situation mit den Fußballfans, die nur Fußball gucken wollten, und denen, die als Hooligans auftreten wollten, zu klären. Das ist hier der notwendige Deeskalationsansatz, der in dieser Stadt fehlt, die Auseinandersetzung mit den Menschen, die ihr Demonstrationsrecht auf friedliche Art und Weise durchsetzen und wahrnehmen wollen, und den Fragen, wie man Gewalt verhindern kann und was beide Seiten dafür tun können.
Das ist die Zukunft der Debatte und die würde ich gern mit Ihnen führen. Wir sind aber bisher noch nicht an dem Punkt angekommen. - Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der verbalen Aufrüstung, die ich in den vergangenen Tagen und auch heute wieder ansatzweise gehört habe, lassen Sie es mich zu Beginn mit einem Konsens versuchen.
Zwei Tatsachen dürften in diesem Hause unter uns Demokraten unstrittig sein, auch und gerade nach den bestürzenden Bildern, die Sie alle kennen, und dem, was sich jetzt aktuell in Mecklenburg-Vorpommern abspielt:
Erstens ist die Versammlungsfreiheit, und zwar die Freiheit, sich friedlich zu versammeln, ein hohes Gut in unserer Demokratie. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, über den wir uns alle einig sind.
Zweitens darf es keine Tolerierung von Gewalt und gewalttätigen Ausschreitungen geben. Friedlich versammeln, dazu sage ich ja, aber keine Tolerierung von Gewalt.
Wenn wir uns trotz aller unterschiedlichen Bewertungen in den vergangenen Tagen darauf verständigen könnten, dann hätten wir mit dieser Aktuellen Stunde eine Menge gewonnen.
(Michael Neumann SPD: Das ist doch selbstver- ständlich! - Jens Kerstan GAL: Was unterstellen Sie uns hier eigentlich?)
Meine Damen und Herren - insbesondere hier auf der linken Seite -, damit dieses gemeinsame Signal glaubhaft ist, sollten Sie Ihre Kommentare aus den vergangenen Tagen überdenken. Ich meine insbesondere die völlig ungerechtfertigte und überzogene Kritik am erfolgreichen Einsatz der Hamburger Polizei am Pfingstmontag.
Rund 4.000 Menschen nahmen an der Versammlung teil, davon waren etwa 1.200 gewaltbereite Autonome. Meine Damen und Herren von der SPD und von der GAL, diese Autonomen wollen nichts anderes, als Gewalt auszuüben. Es geht diesen Leuten nicht um den Austausch von Argumenten, es geht ihnen einzig und allein um Gewalt. Daher war es vollkommen richtig, dass der vordere Teil der Demonstration, in dem sich diese Militanten befanden, von der Polizei begleitet wurde, wohlgemerkt, der schwarze Block und nicht die ganze Demonstration.