Protocol of the Session on June 17, 2004

Natürlich geht es aber schon um die reale Freiheit in dieser Stadt. Es geht um verfassungsmäßige Rechte und deren Erhalt. Welche Rolle der Senator dabei einnimmt, ist nicht wirklich klar. So lässt er seinen Polizeipräsidenten unkommentiert die Unterteilung der deutschen Staatsangehörigkeit in diverse Ethnien fordern. Wie sieht es denn mit Ihren Großeltern und sonstigen Anverwandten aus? Haben Sie schon einmal nachgeforscht?

"Der Senat hat sich damit nicht befasst"

lautete die Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir dazu. Was für ein Glück. Aber, wurde nun auch der Polizeipräsident angehalten, sich nicht mehr damit zu befassen? Oder gibt es demnächst eine kleine unauffällige interne Statistik?

Hätten wir im Innenausschuss eine Diskussion über die Polizeiliche Kriminalstatistik, über Schwerpunkte der Kriminalität oder über auffällige Stadtteile oder Altersgruppen führen können, Herr Ahlhaus, dann hätten wir die notwendige Ebene der Debatte, um zum Beispiel auch darüber zu reden, woher jetzt die aktuelle Häufung von Messerattacken kommt.

(Christoph Ahlhaus CDU: Machen Sie neue Vor- schläge!)

Gibt es so etwas überhaupt? Hätten wir den Jugendausschuss beteiligen können, wären wir längst auf einem Niveau, wo wir sachlich und fachlich über ein reales innenpolitisches Thema in dieser Stadt diskutieren könnten. Das haben Sie verweigert.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nur so kommt aber Transparenz über Strukturen und Probleme zustande. Die Fragestellung einer möglicherweise erhöhten Gewaltbereitschaft in Teilen unserer Gesellschaft wäre verantwortungsvoll und auf eine Lösung hin diskutierbar. Bisher lässt der Senator nur Stimmung machen oder er lässt es zu, dass Stimmung gemacht wird. Ein Instrument, um im Übrigen genau hier eingreifen zu können, ist die kriminologische Regionalanalyse, die wir in unserem Antrag wieder eingeführt sehen wollen. Vielleicht gibt es ja bei der CDU Bewegung, dieses zu unterstützen.

Aber zum Thema Stimmung vielleicht ein bisschen mehr. Dieses gilt nämlich auch für den Umgang mit dem Thema Polizei im Allgemeinen. Nach der Rede von Herrn Ahlhaus und nach der heutigen Pressemitteilung der CDU definiert sich bei Ihnen der Schwerpunkt Innere Sicherheit durch Stellenhebungen und durch eine Besserstellung der Hamburger Polizistinnen gegenüber anderen Bundesländern. Dieses wird explizit betont. Die Besserstellung der Hamburger Polizistinnen gegenüber anderen Bundes

ländern scheint ein Standortvorteil zu sein. Das erscheint mir allerdings eine etwas einseitige Überlegung und das ist Stimmungsmache.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Was?)

Wir stimmen den Stellenhebungen zu. Das wissen Sie. Sie sind Bestandteil des Strukturkonzeptes, was schon 1997 begonnen wurde. Herr Dr. Dressel hat das gesagt. Aber das ist kein Selbstzweck. Bei Beförderung und Neubesetzung von Führungspositionen ist nicht entscheidend, dass jemand aus dem Apparat kommt, sondern dass sie oder er für diese Position qualifiziert ist.

(Christoph Ahlhaus CDU: Sind Sie etwa dage- gen?)

Diese Definition muss im Übrigen dem Senator doch selbst am Herzen liegen. Gerade die Öffnung der polizeilichen Führungsstrukturen für Außenstehende und der polizeilichen Ausbildung in den allgemeinen wissenschaftlichen Bereich hinein lässt eine moderne Großstadtpolizei heranwachsen, die den Anforderungen der heterogenen Gesellschaft auch gerecht wird. Die Polizei ist ein Teil davon.

In diesem Fall weise ich noch einmal auf unseren Antrag hin. Er beinhaltet natürlich – Sie werden sagen, wie immer, aber es ist wichtig und immer noch nicht realisiert – die Polizeiausbildung, die in ihrem theoretischen Teil an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften gehört.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Bei diesem Thema der Personalentscheidungen aus dem Apparat heraus oder nicht bin ich noch einmal bei dem Polizeipräsidenten, der beim Jahresempfang der Polizei – einige von Ihnen waren ja dabei – das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum großen Lauschangriff dann auch als realitätsfern bezeichnet hat und den Tenor der eingeschworenen Gemeinschaft gegen "die da draußen" scheinbar wieder einführt. Er hat im Übrigen unter der Überschrift, die Arbeit der Polizei der letzten zwölf Monate darstellen zu wollen, lediglich zwei Themen benannt.

Das eine Thema waren die polizeilichen Einsätze bei Demonstrationen und das andere Thema war der Terrorabwehreinsatz am Bundeswehrkrankenhaus. Gibt es eigentlich keine weiteren Themen, die die Polizei in dieser Stadt abdeckt, Herr Senator? Ihr Polizeipräsident macht Politik und das ist doch eigentlich Ihre Aufgabe.

Woran meine ich zu erkennen, dass er Politik macht. Die gesamte Bandbreite der Aufgaben und Einsätze der Polizei gehört transparent gemacht und gehört in der Öffentlichkeit dargestellt. Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität, den Menschenhandel oder den internationalen Rauschgifthandel sollte mindestens den gleichen Stellenwert haben, wie der Einsatz bei Demonstrationen oder der etwas obskure Terrorabwehreinsatz am Bundeswehrkrankenhaus.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Zur Sicherheit in dieser Stadt tragen natürlich auch noch weitere Organisationen bei, nämlich die Feuerwehr und der Katastrophenschutz. Herr Dr. Dressel hat darüber schon die Debatte begonnen. Ich denke, dass wir uns dazu im Herbst detaillierter unterhalten. Aber hier wird zugelassen, dass eine Debatte durch die Stadt wabert, die die Existenz der Freiwilligen Feuerwehr tangiert. Die

se wird sehr emotional geführt und der Senat trägt überhaupt nicht zur Versachlichung bei.

Wenn man sich vornimmt, ein Vierteljahr intern – zwar mit diversen Gremien, aber immer noch intern – über eine Strukturuntersuchung, die immerhin noch von Herrn Wellinghausen in Auftrag gegeben wurde, zu beraten, dann muss man nach außen ein klares Signal geben. Der Senator muss hier sagen, dass die Diskussion tatsächlich ergebnisoffen geführt wird. Wir wollen keine derartige Beschneidung der Freiwilligen Feuerwehr.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Zivilcourage, Konfliktbereitschaft und Opferschutz sind weitere Themen, die in diesen Bereich der Inneren Sicherheit gehören, und die nur wenig aus der Sicht der CDU und vor allem auch unter der Federführung des Senators in der Öffentlichkeit bewegt werden. Hier erwarten wir mehr und in diese Richtung geht dann hoffentlich auch der Schwerpunkt der Diskussionen im nächsten Jahr.

Noch ein kleines anderes Thema. Auch wenn wir inzwischen so weit sind, dass die öffentliche Verunglimpfung von Flüchtlingen zum Glück nicht mehr stattfindet, so kann man schlicht und einfach feststellen, dass sich am Verhalten der Behörde gegenüber Flüchtlingen nichts geändert hat. Obwohl die Anzahl der Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen, seit den Siebzigerjahren den niedrigsten Stand erreicht hat, wird hier weiterhin Pressepolitik mit Abschiebungen gemacht. Jede Gruppenabschiebung wird öffentlich abgefeiert.

Entscheiden Sie sich klug auf der nächsten Innenministerkonferenz. Kümmern Sie sich darum, dass wir ein Bleiberecht für afghanische Flüchtlinge bekommen. Vielleicht muss man wenigstens an dieser Stelle sagen, dass wir froh sind, dass der Senator keine Visionen hat.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Nagel.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan der Inneren Sicherheit und des Katastrophenschutzes verfügt über eine sachgerechte Finanzausstattung. Dieses sage ich ganz deutlich vor dem Hintergrund der bekannten angespannten Haushaltslage und den gestrigen Redebeiträgen.

Zum Stichwort Freie Heilfürsorge, das heute bereits öfter genannt wurde. Der Bürgermeister hat gestern wirklich eindrucksvoll die Tatsachen zu dieser Thematik auf den Punkt gebracht.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Hat er gar nicht!)

Außerdem ist das ein Thema für den Haushalt 2005/ 2006; wir behandeln heute den Haushalt 2004.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Behörde für Inneres wird ihren Konsolidierungsbeitrag leisten. Fakt bleibt dennoch, dass die Polizei, die Feuerwehr und der Verfassungsschutz einsatzfähig sind und auch bleiben. Sie wurden und werden personell und technisch verstärkt. Frau Möller, hinsichtlich Ihrer Aussagen zum Polizeipräsidenten kann ich nur eines sagen: Ich stehe voll inhaltlich vor dem Polizeipräsidenten.

(Beifall bei der CDU – Christoph Ahlhaus CDU: Wir auch!)

Für diesen Senat und für die Regierungsfraktion bleibt die Innere Sicherheit mit Recht ein Prioritätsthema. Das sind wir den Bürgern dieser Stadt schuldig, das wird von uns erwartet und das leisten wir gerne. Versäumnisse der Vergangenheit sind weitgehend bereinigt. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, Herr Dressel, die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Verfassungsschutz sowie Katastrophenschutz sind gestärkt. Hamburg ist damit bei der Inneren Sicherheit wieder gut aufgestellt.

Auch nach der Kriminalitätsstatistik ist Hamburg nicht mehr Schlusslicht bei der Inneren Sicherheit, sondern nach der Bundesstatistik belegen wir Platz 3.

(Beifall bei der CDU)

Das ist kein Grund, sich damit zufrieden zu geben. Wir werden hart arbeiten, um Hamburg noch sicherer zu machen.

Ich will und darf an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass seit neuester Zeit neue Anforderungen auf Hamburg zukommen; ich erinnere an Madrid und an die schrecklichen Bilder vom 11. März dieses Jahres. Jeder von uns hier im Raum hat diese und auch noch die Bilder vom 11. September 2001 aus New York vor Augen. Ich persönlich werde diese Bilder niemals aus meinem Gedächtnis streichen können. Ich glaube, mit diesem Gefühl bin ich mit allen Anwesenden wohl einig.

Unsere freiheitlich demokratische Grundordnung wird von Terroristen bedroht, die vor Nichts und Niemandem zurückschrecken und sogar ihr eigenes Leben einsetzen, um vielfaches Leid zu erzeugen. Niemand möchte einen Anschlag herbeireden; auch ich nicht, darauf lege ich Wert. Aber mit Madrid ist die Bedrohung näher gekommen und niemand kann ausschließen, dass ein solcher Anschlag in deutschen Städten – auch in Hamburg – passieren kann.

Unsere Reaktion darf nicht lähmende Angst sein, sondern wir müssen der Bedrohung rational und mit allen demokratischen Mitteln des Rechtsstaats begegnen. Das tun wir – wie der Haushalt der Behörde für Inneres beweist – in Hamburg auch.

(Christian Maaß GAL: Mit Augenmaß!)

Sehr wohl mit Augenmaß.

Ich will es – gerade wegen der einen oder anderen verkürzenden oder sachlich falschen Aussage in den vergangenen Wochen – an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich sagen:

Erstens: Freiheit und Sicherheit sind keine Gegensätze.

Zweitens: Freiheit ist ohne Sicherheit doch gar nicht möglich.

Drittens: Freiheit und die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit in einer liberalen, weltoffenen Stadt wie Hamburg ist ohne Sicherheit nicht denkbar.