Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Mai letzten Jahres ist der Gesetzgeber aufgefordert, den Jugendstrafvollzug in Deutschland auf eine eigene gesetzliche Grundlage zu stellen. Dieser Forderung kommt die SPD-Fraktion nun mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nach.
Wie wir bereits bei anderer Gelegenheit besprochen haben, ist die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug insgesamt im Zuge der Föderalismusreform vom Bund auf die Länder übergegangen. Wir haben dieses – das haben wir immer offen gesagt – für einen falschen Schritt gehalten, insbesondere deshalb, weil wir der festen Überzeugung sind, dass der Strafvollzug in ganz Deutschland einheitlichen Regelungen folgen und einheitlichen Standards genügen muss.
Unsere Befürchtung, dass einige Länder – und wir meinten damit vor allem die Länder, in denen die CDU regiert – die Gelegenheit nutzen könnten, um ihre antiquierten und rückwärts gewandten Vorstellungen von Vollzug umzusetzen, bestätigt sich nun. Während sich eine Gruppe von zunächst zehn Bundesländern – nach dem Ausscheiden Sachsens noch neun – zusammengefunden hat, um den Jugendstrafvollzug gesetzlich zu regeln, meint der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, partout einen eigenen Weg gehen zu müssen. Der Wettbewerb um den schändlichen Titel "Wer hat den härtesten Knast" scheint damit eröffnet.
Unser Gesetzentwurf hingegen bereitet die Grundlage für einen modernen und sicheren Jugendstrafvollzug, der den besonderen Anforderungen an diese spezielle Vollzugsform gerecht wird. Er orientiert sich in allen wesentlichen Punkten an dem sogenannten Neuner-Entwurf und wird so für Rechtssicherheit und Einheitlichkeit auf Länderebene sorgen.
Der Vollzug dient dem Ziel der sozialen Integration. Dies hat uns das Bundesverfassungsgericht noch einmal mit auf den Weg gegeben. Das heißt, der Vollzug soll dazu
dienen, dass die Gefangenen nach Verbüßung der Haftstrafe ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung führen können. Seine Aufgabe ist es, die Allgemeinheit vor Straftaten zu schützen. Ein Widerspruch zwischen diesen beiden Aspekten gibt es nicht. Die soziale Integration ist das Ziel, die Sicherheit der Allgemeinheit ist die Aufgabe des Vollzugs.
Meine Damen und Herren! Die besondere Situation des Jugendstrafvollzuges, nämlich dass man es mit jugendlichen und heranwachsenden Straftätern zu tun hat, deren Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, bedeutet für die konkrete Ausgestaltung des Vollzuges, dass die Erziehung der Gefangenen im Mittelpunkt zu stehen hat. Hierzu müssen die Haftanstalten mit einer ausreichenden Zahl an qualifizierten Mitarbeitern ausgestattet sein. Dies ist bei aller guten Arbeit, die im Hamburger Jugendstrafvollzug geleistet wird, leider nicht immer der Fall.
Die Mangelverwaltung macht sich insbesondere in den Haftanstalten bemerkbar. Wir haben das bei vielen Gelegenheiten massiv kritisiert und auf die fatalen Folgen hingewiesen. Durch unseren Gesetzentwurf normieren wir Standards und Mindestanforderungen, die der Vollzug zukünftig zu leisten hat. Wir verpflichten als Gesetzgeber gleichzeitig die Exekutive, den Vollzug mit den entsprechenden Mitteln und dem Personal auszustatten.
Die eben genannten Begriffe soziale Integration und Erziehung dürfen indessen nicht dahingehend verstanden werden, dass wir es bei den heutigen Jugendvollzugsanstalten mit Landschulheimen zu tun hätten. Im Gegenteil. Sie sind zwar Erziehungsstätten, aber unter besonders erschwerten Bedingungen, nämlich dem Vollzug der Freiheitsstrafe, zu der die jugendlichen Täter verurteilt worden sind. Die Aufgabe des Jugendstrafvollzugs ist es, den jugendlichen Gestrauchelten durch Konsequenz und Beharrlichkeit einen Weg zurück in die Gesellschaft und in ein Leben ohne Straftaten zu zeigen. Die Jugendlichen werden durch unseren Entwurf verpflichtet, an der Erreichung dieses Vollzugsziels mitzuwirken.
Von wesentlicher Bedeutung sind hierbei die Möglichkeiten zur schulischen und beruflichen Qualifikation. Die Jugendlichen müssen während der Haft hart an sich arbeiten. Sie müssen sich, so gut es nur geht, vorbereiten auf ein Leben nach der Haft. Hierbei sind die Jugendlichen durch den Vollzug zu unterstützen und zu fördern. Wem dies nicht gelingt, der muss ehrlich sagen, dass er nach Ende der Haftzeit Gefangene in die Freiheit entlässt, die zu einem Großteil wieder rückfällig und erneut Straftaten begehen werden. Sicherheit der Allgemeinheit darf nämlich nicht an den Mauern und Toren der Haftanstalt enden, sondern muss darüber hinaus wirken.
Meine Damen und Herren! Die Kriminalität von Jugendlichen ist in den letzten Jahren zu einem großen gesellschaftlichen Problem geworden. Die SPD stellt sich dieser politischen und gesellschaftlichen Herausforderung mit einem Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Der Jugendstrafvollzug bildet hierbei einen zentralen Punkt, denn der Strafvollzug an Jugendlichen und Heranwachsenden ist oftmals der letzte Ort und die letzte Institution, an der dem dauerhaften Abrutschen eines Menschen in die Kriminalität entgegengewirkt wer
den kann. Dies muss die Gesellschaft als Gelegenheit begreifen. Wer den Strafvollzug, insbesondere den Jugendstrafvollzug, zum Experimentierfeld macht, wer meint, sich gerade auf diesem Gebiet gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis als Sicherheitsapostel zu gerieren, der verspielt die einmalige und letzte Chance, dauerhaft etwas für die Sicherheit und Stabilität unserer Gesellschaft zu tun. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klooß, in welcher Welt, in welcher Strafanstalt waren Sie in den letzten Jahren?
Herr Dressel, hören Sie erst einmal zu, denn, ich glaube, Herr Klooß hat hier noch einiges zu lernen.
Erstens: Der Hamburger Jugendstrafvollzug ist zurzeit fast nur zur Hälfte belegt. Nichtsdestotrotz hat der Senator das gesamte Personal dort belassen. Im Jugendstrafvollzug wird bei der Einzelhaft in Wohngruppen gewohnt. Wenn man Sie jetzt gehört hat, hat man das Gefühl, dass hier nur nach Sicherheit oder Ähnlichem gegangen wird. Auch die CDU bekennt sich in dieser Frage ganz eindeutig zum Erziehungsgedanken, aber eben auch zur Sicherheit.
Das, was Sie hier vorgelegt haben, entspricht im Übrigen dem Gesetz, das Sie auch vorgestellt haben, der neun Bundesländer. Das ist Abschreibearbeit, was Sie gemacht haben.
Nichts, was auf die Hamburger Besonderheiten explizit zugeschnitten ist. Das sind insbesondere Notwendigkeiten, die in Rheinland-Pfalz anders sind als in Hamburg. Da müssen Sie eingestehen, dass Sie etwas Faules vorgelegt haben. Das war nichts besonders Gutes.
Frau Mandel, haben Sie nicht gelesen, was der Senator vor kurzem gesagt hat? Er wird in den nächsten Wochen ein eigenes Gesetz vorlegen. Dann haben wir Gelegenheit, das ausreichend im Ausschuss zu diskutieren.
Die hohen Standards, die Hamburg hat, nämlich Erziehung der Jugendlichen – bisher schon eingeführt –, mehr Erzieher fordernd, werden fortgeführt.
Regen Sie sich insofern nicht auf, sondern warten Sie ab, bis Sie sehen, was wir vorlegen. Ich finde es sehr merkwürdig, dass Sie sich im Bundestag und Bundesrat für Föderalismus aussprechen, aber hier wollen Sie die Kompetenz, die Sie haben, nicht nutzen. Das ist irgendwie zwiespältig. Die SPD redet immer mit zwei Zungen. Bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung verhalten Sie sich auch so komisch. Ich finde, das ist nicht weiter schlimm. Wir haben auch im Polizeigesetz 16 verschiedene Polizeigesetze. Auch das ist keine Rechtszersplitterung, sondern alles kein Problem.
Hamburg ist konsequent und stringent und wird im Vollzug genauso weiteragieren. Ich möchte nur einmal erwähnen: Wer sitzt denn im Jugendhaftvollzug? 60 Prozent der dort Einsitzenden sind Gewalttäter. Das Durchschnittsalter ist 20 Jahre. Es sind also nicht die 15-, 16-Jährigen, die dort einsitzen, sondern durchschnittlich die 20-Jährigen. Nur 35 Prozent der dort Einsitzenden sind deutsche Staatsbürger. 90 Prozent gelten nach den Maßstäben als nicht klassisch ausbildungsfähig. Da liegen unsere Probleme und an den werden wir arbeiten.
(Doris Mandel SPD: 60 Prozent gelten als psy- chisch so krank, dass sie stationär behandelt wer- den müssen!)
Frau Mandel, wer sitzt im Einzelvollzug, wer sitzt in Wohngruppen? Wir erfüllen die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Ich glaube, aufgrund des strukturierten Tagesablaufes, der Verbindlichkeit, die die Jugendlichen und Heranwachsenden dort erleben, haben wir genau das Richtige und das werden wir auch so umsetzen. Ich glaube, Sie werden sich über das nach unserer Ansicht sehr gute Gesetz wundern, das der Senator in einigen Wochen vorlegen wird. Dann werden wir ausgiebig im Ausschuss debattieren. Die Vorlage, die Sie abgegeben haben, reicht nicht aus, um darüber im Ausschuss zu diskutieren. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass die SPD jetzt einen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz vorgelegt hat. Die GAL hatte schon im letzten Herbst in Hamburg einen Entwurf vorgelegt, den wir aus einer Reihe von Anregungen und Ideen entwickelt haben, aber es ist ein eigener Entwurf und insoweit keine reine Abschreibearbeit, die wir vorgelegt haben.
Mittlerweile schreiben andere Landtagsfraktionen von unserem Entwurf ab, aber, ich glaube, darauf kommt es im Kern nicht an, sondern es kommt darauf an, welche Qualität in diesen Entwürfen steckt. Ich finde, der SPDEntwurf ist ein wichtiger Diskussionsbeitrag, der die Debatte voranbringt und das ist sehr positiv.
Erstaunlich finde ich, dass der Senat es immer noch nicht geschafft hat, einen Entwurf vorzulegen. Hamburg ist damit das vorletzte Bundesland. Von 16 Bundesländern haben mittlerweile 14 Bundesländer zumindest Referen
tenentwürfe vorgelegt. Die Diskussionen sind in 14 dieser Bundesländer in vollem Gange. Lediglich NordrheinWestfalen döst so süß wie der Hamburger Senat. Ein sehr schlagendes Argument liefert die Hamburger Justizbehörde, warum die Verlagerung dieser Gesetzgebungskompetenz auf die Bundesländer vielleicht doch keine gute Idee war, denn sie scheint damit überfordert.
Dieses Abwarten und Trödeln besorgt vor allem vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Herr Klooß zitiert hat. Das Bundesverfassungsgericht hat am 31. Mai letzten Jahres eine sehr wichtige Entscheidung getroffen. Es hat nach Jahrzehnten, nachdem das Strafvollzugsgesetz für den Erwachsenenstrafvollzug in Kraft getreten ist, entschieden, dass es nicht so weiter geht, dass es für den Jugendvollzug keine gesetzliche Grundlage gibt. Das ist einer der letzten Bereiche, in den der Staat derart intensiv in die Grundrechte eingreift, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage zu haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich aber nicht nur mit dieser formalen Frage beschäftigt, sondern auch inhaltlich sehr eingehend mit der Frage beschäftigt, was wichtig für den Jugendvollzug ist und welches die richtigen Maßstäbe sind. Es hat sich sehr eingehend mit der Frage beschäftigt, ob es eine Zielkonkurrenz zwischen Resozialisierung und der Sicherheit für die Bevölkerung gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Bereich eine Reihe von Experten und den Stand der Wissenschaft herangezogen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass es eine derartige Zielkonkurrenz nicht gibt, denn nur der Jugendvollzug, der die Resozialisierung betont, der alles tut, damit jugendliche Straftäter wieder eine Chance auf ein Leben in Freiheit und ohne Straftaten haben, ist auch geeignet, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.
Es hat dann ganz klare Anforderungen formuliert, die jedem der 16 Gesetze, die in den Bundesländern zu erlassen sein werden, genügen muss. Es hat formuliert, dass es dringend notwendig ist, dass die jungen Gefangenen Familienkontakte halten können, dass deswegen Besuchszeiten erheblich ausgeweitet werden müssen. Es hat eindeutig formuliert, dass ein derartiger Vollzug mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen nur in Wohngruppen stattfinden kann. Es hat großen Wert auf ausreichende Möglichkeiten für körperliche Bewegung gelegt. Es hat sehr stark den Stellenwert von Arbeit und insbesondere Ausbildung im Jugendvollzug betont.