Protocol of the Session on February 28, 2007

(Robert Heinemann CDU: Dann haben wir ja 50 Prozent sicher, Herr Maier!)

Am deutlichsten wurde mir das bei Herrn Heinemann, als er sagte, es seien bei der GAL zwar die richtigen Ziele, aber der falsche Instrumentenkasten.

Ja, wenn das die richtigen Ziele sind, eine Schule zu schaffen, in der die Kinder individuell und gerecht gefördert werden, warum ist dann das Thema Gymnasium so bedeutend für Sie? Das hat, glaube ich, weniger mit pädagogischen Argumenten zu tun, sondern mit einem sozialen Distinktionsbedürfnis Ihrer Wählerschaft.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das ist verständlich und ich will das gar nicht diskriminieren, denn das hat in Deutschland eine lange Tradition. Nur, wir bekommen gegenwärtig durch internationale Studien mitgeteilt, dass es ein Teil des Problems des ganzen Landes ist, dass wir das Distinktionsbedürfnis in den gehobenen Mittelklassen haben. Das führt dazu, dass wir nicht genügend Aufmerksamkeit darauf legen, einheitliche Schulinstitutionen zu schaffen.

Nun verstehe ich, dass Ihre Partei, die eine andere Klientel mitnehmen muss als wir es tun müssen, sagt, sie müsse auf diese stärker Rücksicht nehmen.

(Robert Heinemann CDU: Sie haben doch Ihre eigene, Herr Maier!)

Darum hätte ich es vernünftig gefunden, wenn Sie gesagt hätten, wir verfolgen auch dieses Ziel einer gemeinsamen Schule und einer individuellen Orientierung der Kinder, aber wir sehen Übergangsnotwendigkeiten.

Auch uns ist natürlich schmerzhaft bewusst, dass wir, wenn wir ein anderes Ziel verfolgen, bei den Meinungsumfragen bei 13 Prozent liegen und nicht mit der absoluten Mehrheit rechnen können. Gleichzeitig gehört das aber in die öffentliche Diskussion dieser Stadt und man darf die Gymnasialeltern sich nicht beruhigt zurücklehnen lassen und sagen, es bleibt alles wie immer und wir haben diesen separaten Bereich. Sie haben die Verantwortung für die Gesamtheit des Landes und für alle Kinder und für die Entwicklung in einer gemeinsamen Schule. Darum darf man sie nicht ohne diese Zukunftsperspektive lassen, selbst wenn man ihnen zugestehen muss, wenn sie es in dieser Art und Weise noch nicht wollen. Ich vermisse bei Ihnen diese ausdrückliche, klare Orientierung auf den Punkt, den alle Pädagogen – soweit

sie nur sachlich oder pädagogisch sprechen – ebenso betonen. Sie sprechen nur alle deswegen vom Zweisäulensystem, weil sie sagen, mehr sei der deutschen Gesellschaft nicht zuzutrauen. Sie sagen keineswegs, das ist das richtige Schulsystem. Das ist das Problem, das Sie die ganze Zeit verwässern wollen. Darum kann man sehr gut sagen, das ist vielleicht der deutschen Gesellschaft in toto noch nicht zuzutrauen, dann ist es aber umso notwendiger zu betonen, dass das das Ziel ist. Diese Aufgabe sehen wir so. Uns ist auch klar, dass wir mit 13 Prozent keine Regelung für 100 Prozent treffen können, sondern dass es in Verhandlungen zu einer Kompromissbildung kommen muss. Wir hören von der SPD gern, dass sie dieses Ziel mit uns gemeinsam verfolgt, während Sie uns dieses Ziel bestreiten. Das ist ein Problem.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich höre von der Schulsenatorin, ihr leuchtendes Ziel sei das Gymnasium der frühen Sechziger- und Fünfzigerjahre. Ich komme aus einem solchen Gymnasium.

(Robert Heinemann CDU: Das hört man!)

Etwa 5 Prozent eines Jahrganges durften an einem Gymnasium Abitur machen, alle anderen Schülerinnen und Schüler kamen auf die Volksschule.

(Michael Neumann SPD: Aus Ihnen ist doch auch etwas geworden, Herr Maier!)

Das Gymnasium galt als Eliteschule für die dort Lehrenden und dort Sitzenden, das war sozusagen im Selbstbewusstsein verankert. Von heute aus gesehen wäre das die restriktivste Einrichtung, die man schaffen könnte.

Wenn Sie sagen, andere Länder würden auch sozial differenzieren, da ginge es dann über Privatschulen, ist es richtig. Das kann man nicht verhindern. Aber dass wir die sozialen Distinktionsbedürfnisse der Mittelklasse mit Steuermitteln befriedigen, ist ein echtes Problem. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Senatorin Dinges-Dierig.

Frau Goetsch, ich war eben ein bisschen irritiert über eine Aussage, die Sie getroffen haben. Sie sagten eben, wir brauchen mehr Akademiker, um auf das europäische Niveau zu kommen. Ich frage mich wirklich, ob es unser Ziel ist, dass wir zahlenmäßig mehr Akademiker haben müssen, um auf das europäische Niveau zu kommen.

(Unmutsäußerungen bei der GAL)

Ist das wirklich unser Ziel?

(Christa Goetsch GAL: Ja, ja!)

Geht es nicht darum, dass wir unseren Kindern und Jugendlichen zunächst einen Abschluss geben sollten, damit sie die Stärke finden, hier auch weiterzumachen? Es ist geradezu lächerlich, sich diesen Forderungen der OECD zu beugen, die bis heute nicht verstanden haben, was das deutsche Berufsbildungssystem wirklich leisten kann. Über unser berufsbildendes System haben wir durch die gestufte Möglichkeit der Abschlüsse jederzeit eine Anschlussmöglichkeit. Das ist nicht nur ein akademi

scher Anschluss und Abschluss, sondern wir haben auch die Fachschule als Aufbau auf die berufliche Ausbildung. Das brauchen die Kinder, sie brauchen die Bestätigung in ihrer Schullaufbahn bis zum höchstmöglichen Abschluss.

(Luisa Fiedler SPD: Ha, ha, ha!)

Auf der anderen Seite braucht die Wirtschaft qualifizierte Fachkräfte. Beides können wir mit dem deutschen Bildungssystem sehr gut über die Verschiedenartigkeit der Abschlüsse gestalten.

(Beifall bei der CDU – Wilfried Buss SPD: Das ist doch unglaublich!)

Ich will Ihnen ein abschreckendes Beispiel nennen. Die französische Regierung hatte einmal als Ziel gesetzt, über die französische Einheitsschule 85 Prozent Abiturienten – das heißt, Schüler mit Bakkalaureat – hervorzubringen. Wo stehen sie heute? Sie stehen irgendwo bei 34 Prozent

(Farid Müller GAL: Ja!)

und der Rest des französischen Modells sind Abbrecher, weil sie keine Stufung haben.

(Luisa Fiedler SPD: Nehmen Sie doch andere Länder!)

Das soll ein gerechtes Bildungssystem sein? Das ist es nicht. Die Stufung unserer Bildungsabschlüsse, die Durchlässigkeit unseres Systems müssen wir mit unseren Strukturen abbilden und nicht irgendwelchen OECDZahlen hinterherjagen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Willfried Maier GAL: Kein Mensch will hier 100 Prozent Abitur haben!)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Brüning.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Enquete-Kommission hat die Weichen dafür gestellt, dass in Hamburg künftig mehr junge Leute Abitur machen werden und ein Studium aufnehmen können. Sowohl die Stadtteilschule als auch das Gymnasium bieten den direkten Weg zur Hochschulreife.

Die SPD-Fraktion hat immer gefordert, dass mehr junge Menschen studieren sollten. Wir sehen unsere Forderung durch die Enquete-Kommission bestätigt.

(Beifall bei der SPD)

Auf dem Weg zu einem erfolgreichen Abitur muss vor allem die Qualität von Schule verbessert werden.

(Wilfried Buss SPD: Richtig!)

Im internationalen Maßstab – insbesondere durch PISA – haben wir festgestellt, dass die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern in Deutschland an allen Schulformen zu kurz kommt. Wir möchten deshalb in den nächsten Jahren in Hamburg erreichen, dass sich vor allem die Gymnasien mehr um ihre Schülerinnen und Schüler kümmern. Das Motto sollte lauten: Individuell fördern, statt abschulen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dazu bedarf es allerdings eines intensiven Fortbildungsprogramms, neuer Unterrichtsmethoden und natürlich auch eines entsprechenden Stundenpools. Außerdem

muss es ein Umdenken der Lehrerinnen und Lehrer geben, weg vom Stoff und mehr hin zu den Schülerinnen und Schülern.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich bin davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren eine neue Lehrergeneration die Hochschulen verlassen wird. Die Enquete-Kommission hat einstimmig eine gleichwertige Ausbildung aller Lehrerinnen und Lehrer beschlossen, die in der Sekundarstufe I schulformübergreifend unterrichten sollten. Das ist aus Sicht der SPD ein Schritt hin zu einer Schule für alle, die für uns ein langfristiges Ziel im Konsens aller gesellschaftlichen Kräfte sein soll.

(Beifall bei der SPD – Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Insbesondere die Eltern müssen aktiv in diesen Prozess einbezogen werden. Der Elternwille bei der Schulwahl ist ein hohes Gut, das die SPD erhalten will, und da müssen Sie keine Sorgen um eine Revolution haben, Herr Heinemann, das gilt für uns.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal sagen, dass die französischen Jugendlichen in den Banlieues übrigens nicht gegen die Einheitsschule demonstriert haben, sondern für Perspektiven nach der Schule, die sie nicht haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)