Protocol of the Session on January 17, 2007

Herr Mattner, Sie haben ganz viele Allgemeinplätze erwähnt, aber zu dem eigentlichen Problem, vor dem wir in Hamburg stehen, haben Sie kein Wort gesagt.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Sie erst recht nicht!)

Frau Ahrons, bei Ihnen ist ganz deutlich geworden, dass Sie am Gemeinwohl am wenigsten interessiert sind. Sie haben hier deutlich gemacht, dass Sie sich als Interessenvertretung sehen – das kann ich vielleicht noch akzeptieren –, aber selbst in dem Zusammenhang haben Sie ein bisschen geschlafen. Selbst wenn Sie sich als Interessenvertretung sehen würden, dann versuchen Sie doch einmal, die Interessen in Hamburg wahrzunehmen.

(Hans-Detlef Roock CDU: Sagen Sie doch einmal etwas Inhaltliches!)

Es gibt doch in unterschiedlichen Branchen von den Unternehmen Bestrebungen, eine Untergrenze bei den Löhnen einzuziehen, weil diese Ehrbaren Kaufleute nämlich ein Interesse daran haben, dass die Löhne nicht so weit fallen. Es gibt also ein Bestreben der Unternehmen, das aufzufangen und konstruktiv zu gestalten.

Unterhalten Sie sich einmal mit der Handwerkskammer. Vielleicht gibt es da auch Bestrebungen, sich für einen branchenspezifischen Mindestlohn einzusetzen. Seien Sie doch bitte nicht immer so dogmatisch, sondern versuchen einmal, wieder mit den Hamburger Kaufleuten ins Gespräch zu kommen. Hier wäre tatsächlich eine gemeinsame Linie, über die ideologischen Vorbehalte im Interesse der Hamburger Wirtschaft hinauszugehen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Grund.

Frau Hochheim hat eine wichtige Frage gestellt.

(Bernd Reinert CDU: Stimmt!)

Sie hat die Frage an uns gerichtet, wie hoch denn die Mindestlöhne sein sollten. Nun haben wir alle gemeinsam gelernt, dass Deutschland eher die Ausnahme in Europa ist, weil es keine Mindestlöhne gibt. Der Durchschnitt, Frau Hochheim, liegt in Europa irgendwo zwischen 7 und 7,50 Euro.

(Dr. Natalie Hochheim CDU: Das stimmt nicht!)

Lassen wir mal 7 Euro stehen.

(Dr. Natalie Hochheim CDU: Das stimmt auch nicht!)

7 Euro wären 1100 Euro brutto im Monat. Das bedeutet ein Nettoeinkommen in diesem Lande nach Abzug von Sozialversicherungen und trotzdem eventuell anfallenden Steuern von 800 Euro; 900 Euro bestimmt nicht. Ich bin der Meinung – Frau Hochheim, ich beantworte Ihnen diese Frage gerne –, dass Menschen, die einen ganzen Tag arbeiten und das fünf Tage in der Woche tun und den ganzen Monat hindurch, ein Recht darauf haben, einen Lohn zu bekommen, der nicht unter 800 Euro netto liegt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Alles, was darunter liegt, sind Hungerlöhne. Und wer sagt, diese Hungerlöhne müssen dem Wettbewerb unterliegen und wenn der Wettbewerb es hergibt, müssen die Löhne tiefer sein, der handelt unsozial.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Deshalb sage ich nicht, Geiz ist geil, sondern ich sage, Geiz ist doof.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Harald Krüger CDU: Ja!)

Lohndumping ist unsozial und dauernd billig macht krank in diesem Lande; so ist die Realität.

Frau Ahrons, ich will einmal etwas über die Realität erzählen, zum Thema Friseure. Es ist diskutiert worden, wie das mit den Friseuren und den Tarifverträgen ist. Erstens will ich Sie darüber aufklären, dass es bei den Friseuren seit geraumer Zeit gar keinen Tarifvertrag mehr gibt. Es ist nämlich der Arbeitgeber, der verhandeln will, abhanden gekommen. Es wird nicht einmal mehr über Tarifverträge im Friseurgewerbe verhandelt. Wissen Sie, wie die Realität ist? Heute gibt es Unternehmer, die Friseurstühle haben und diese verpachten und wenn ein Arbeitnehmer dort anfängt und auf dem Stuhl jemanden frisiert, dann muss er erst einmal bezahlen, bevor er überhaupt anfangen kann. Das ist die Realität in diesem Lande und das muss abgeschafft werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Wolfhard Ploog CDU: Machen Sie das doch!)

Wie schafft man das ab? Es ist ganz einfach. Wir kennen diese Dumpingfriseure, die sagen, 10 Euro pro Frisur ist das Wettbewerbsangebot. Wenn wir sagen, kein Friseur darf einen Menschen beschäftigen, der weniger als 7,50 Euro in der Stunde verdient, dann hat das ein Ende. Dann zahlen die Menschen 11 Euro und dafür werden sie immer noch anständig oder manchmal auch weniger anständig frisiert und bekommen die Haare geschnitten; so ist die Realität.

Deshalb sage ich Ihnen klipp und klar, es ist nicht beliebig, wie der Mindestlohn aussehen darf. Herr Kerstan, ich bin ausdrücklich anderer Meinung als Sie. Sie haben vorhin gesagt, wenn der Mindestlohn 4, 5 oder 6 Euro betrüge, wäre das für viele ein Segen. Vielleicht haben Sie es anders gemeint, ich bin nicht der Auffassung, dass ein Mindestlohn von 4, 5 oder 6 Euro ein Segen wäre, sondern das Gegenteil wäre der Fall. Wir würden Menschen in Arbeit zwingen, was dazu führen würde, dass sie am Monatsende zum Sozialamt gehen könnten, weil sie einen Sozialhilfeausgleich bekommen müssten und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Es ist davon gesprochen worden, das sei Aufgabe der Gewerkschaften. Herr Dr. Maier hat völlig Recht. Es hat sich in den letzten Jahren etwas sehr grundlegend geändert in diesem Lande. Eine der Ursachen ist, dass sich die Wirtschaftsstrukturen verändert haben. Hamburg ist keine Schwerindustriestadt mehr, sondern wir haben die Tatsache zu verzeichnen, dass die Mehrzahl der neuen Arbeitsplätze in personen- und unternehmensbezogenen Dienstleistungen entstehen und dort gibt es keine Betriebsräte und keine Gewerkschaftsmitglieder. Wenn Sie sich das Bewachungsgewerbe anschauen, über das gerade gesprochen wurde, dann erleben Sie, dass den Leuten gesagt wird, wer nicht mitmacht und diese Mindestlöhne annimmt, der fliegt raus. Und nun sagen Sie mir, wie sie da Tarifverhandlungen führen wollen. Wir tun es, wir haben gerade Tariferhöhungen durchgesetzt, müssen aber ein Zeichen setzen und dieses Zeichen heißt Mindestlohn. – Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Hochheim.

(Erhard Pumm SPD: Jetzt eine Korrektur, Frau Hochheim!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwischen der Opposition, der GAL und der SPD, gibt es einen deutlichen Unterschied, der in der Diskussion immer deutlicher geworden ist. Die GAL würde durchaus die Tarifautonomie wahren, die SPD nicht. Die SPD möchte – die Beiträge von Herrn Grund und Herrn Pumm waren sehr deutlich – eine staatlich verordnete Lohnanhebung haben. Die Ökonomen in Deutschland sind sich einig, dass das Arbeitsplätze kosten würde.

(Erhard Pumm SPD: Was ist das für ein dummes Zeug!)

Wir als CDU sind durchaus bereit, die Frage Mindestlohn zu diskutieren und sind dort ganz offen. Aber wenn man das seriös diskutieren möchte, dann muss man das in einem breiten Kontext tun und nicht isoliert. Man muss es im Kontext, Herr Heintze hat es schon angesprochen, mit dem Niedriglohnbereich machen, mit dem Kombilohnmodell. Man muss sich fragen, wie Hartz IV weiter geht, wo das unterste Niveau ist, möchte man kürzen, möchte man nicht kürzen. Auch das ist eine Diskussion, die wir kürzlich im "Hamburger Abendblatt" geführt haben.

Zu guter Letzt ein Thema, auf das Sie als SPD sicherlich überhaupt nicht eingehen können, das Thema Lockerung des Kündigungsschutzes.

(Karen Koop CDU: Richtig!)

In den europäischen Ländern, die in den letzten Jahren Erfolge bei der Arbeitsmarktpolitik verzeichnet haben, war ein ganz bedeutender Eckpfeiler die Lockerung, der Wegfall des Kündigungsschutzes. Darüber muss man nachdenken, aber das ist sicherlich wieder eine heilige Kuh, über die Sie nicht bereit sind zu reden. Aber dann ist es eine unehrliche Diskussion, man muss schon alle Themen des Arbeitsmarkts aufgreifen, denn nur dann kann man zu Lösungen kommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht vorab zu Ihnen, Herr Grund, bevor ich zum Senat oder der CDU komme, wo heute in der Debatte das größte Defizit deutlich geworden ist, Sie haben mich wirklich falsch verstanden. Ich habe versucht, das Argument von Gegnern des Mindestlohns zu entkräften, die sagen, wenn der Mindestlohn zu niedrig sei, dann habe er keine Wirkung. Aus der Sicht dieser Beschäftigten, die für 2,96 Euro beschäftigt wurden und als sie sich darüber beschwert haben, hinausgeschmissen wurden, wäre ein Mindestlohn von sagen wir mal 6 Euro sicher eine Verbesserung.

Aber das ist nicht der entscheidende Punkt, um den es heute geht, sondern letztendlich geht es darum, dass wir versuchen, inhaltliche Konzepte zu diskutieren, welche voranführen und welche nicht. Ich habe immer noch kein einziges Argument vonseiten des CDU-Senats gehört, warum es nicht gehen soll, dass Tarifverträge einfacher, allgemeinverbindlicher gestaltet werden. Ich habe kein einziges Argument gehört, warum man das nicht machen sollte und jeder von uns weiß, dass das automatisch gravierende Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben würde. So einfach dürfen Sie sich diese Sache nicht machen, da erwarte ich von Ihnen schlichtweg eine Antwort. Wenn Sie kein gutes Argument dagegen haben, dann machen Sie es bitte in dieser Stadt, denn Sie können es.

Gucken wir uns einmal Ihr Konzept an, auf das Sie so stolz sind: Freiwillige Selbstvereinbarungen der Innungen. Es geht hier um Betriebe, denen ganz offenkundig die Scham abhanden gekommen ist. Dieses Argument konnte ich vorhin nicht so richtig ausführen, weil mir die Zeit fehlte, das will ich jetzt nachholen.

(Glocke)

Bitte nicht, Sie haben nur anderthalb Minuten Redezeit.

Was helfen freiwillige Selbstvereinbarungen bei Betrieben, die einerseits keine Hemmungen haben, die Gehälter der Führungskräfte in schwindelerregende Höhen zu schrauben und andererseits die Tariflöhne zu unterlaufen und Löhne von unter 3 Euro zu zahlen? Was hilft eine freiwillige Selbstvereinbarung bei einem Fünf-Sterne-Hotel-Betreiber, der outgesourct hat, um so nur noch einen niedrigen Lohn von 2,96 Euro zu zahlen?

Dass die Konsumenten vieles regeln können, haben wir Grüne auch lange Zeit gedacht, zum Beispiel beim ökolo

gischen Landbau, dem Bio-Gütesiegel. Wenn das wirklich funktionieren würde, dann würde es nur noch ökologischen Landbau in dieser Republik geben. Aber letztlich gibt es viele Leute, die sich die Mühe nicht machen, die auch das Geld dafür nicht haben. Letztendlich erzielt man vielleicht auf eine lange Sicht von fünf bis zehn Jahren dort Effekte, wir brauchen aber Lösungen, die heute und hier greifen. Es gibt heute und hier Maßnahmen, die wir ergreifen können, die auch Senator Uldall und dieser Senat ergreifen kann. Das sind allgemeine Verbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen. Ich glaube, das ist der erste Schritt und dann können wir uns über eine vernünftige Ausgestaltung von Mindestlöhnen streiten. Aber einfach abblocken und ein nicht funktionierendes Argument dazu benutzen, um nichts weiter zu tun, wird dem Thema nicht gerecht und das sollte auch nicht als das Ergebnis dieser Diskussion heute stehen bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf, Drucksache 18/5564: Bestätigung der Berufung eines Senators.