Protocol of the Session on January 17, 2007

Frau Dräger und auch andere haben immer wieder erzählt, wir hätten die Zeit nutzen müssen, bestimmte Maßnahmen einzuleiten. Es wird aber vergessen, dass Sie in Berlin unter Rotgrün lange Zeit hatten, das Thema auf Bundesebene anzugehen.

(Bernd Reinert CDU: In der Tat!)

Sie hatten auch genug Zeit, vor unserer jetzt fünfjährigen Regierungszeit Dinge zu regeln. Und wenn jetzt so getan wird, als seien die Billiglöhne von der CDU-Regierung erfunden worden, dann kauft Ihnen das doch überhaupt niemand ab. Die Ursachen dafür, dass wir heute schlechte Löhne in bestimmten Bereichen haben, sind bestimmt nicht in den letzten fünf Jahren entstanden, sondern in den vierzig Jahren,

(Michael Neumann SPD: 44 Jahre! – Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

in denen Sie an der Regierung waren.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Satz. Wir müssen uns auch weiter um die Rahmenbedingungen kümmern und die Geringverdiener wieder vernünftig in Brot und Arbeit bringen. Sie brauchen einen besseren Einstieg in die Arbeit – Kombilöhne, Flexibilisierung des Kündigungsschutzes und befristete Arbeitsverträge sind Themen –, dann klappt das auch.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Pumm.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Es ist ein Fortschritt, dass heute diese Diskussion über Dumping und Mindestlöhne stattfindet und ich finde es auch ein Verdienst des "Hamburger Abendblatts", das diesen extremen Dumpingfall der Öffentlichkeit präsentiert hat und dadurch ein gesellschaftlicher Prozess einer Diskussion über Realitäten stattgefunden hat, die bis heute viele verschweigen wollten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Bei der Frage, wie man das Problem lösen könnte, sollte man sich noch einmal besinnen, wie die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik Deutschland entstanden ist. Nach dem Krieg gab es ein Übereinkommen, dass Löhne gezahlt werden müssen, mit denen die Menschen auskommen können. Es gab eine Übereinkunft, dass die Löhne ausschließlich durch die Tarifvertragsparteien gestaltet werden. Inzwischen hat sich vieles geändert und die wesentliche Änderung ist die seit Jahrzehnten anhaltende Massenarbeitslosigkeit. Diese Massenarbeitslosigkeit hat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch die Gewerkschaften in eine schwächere Position versetzt; das muss man einfach erkennen. Auch die Gewerkschaften und die Arbeitgeber haben das erkannt.

Wenn wir uns ein wenig daran erinnern, welche Diskussion in diesem Land in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat, dann kann ich mich an ganz viele Debatten im Fernsehen, in den Parlamenten und auch hier in der Hamburgischen Bürgerschaft erinnern.

(Bernd Reinert CDU: Ist ja schließlich auch ein Parlament!)

Viele haben Maßhalten gefordert, der Gürtel müsse enger geschnallt werden, Flächentarifverträge seien unmodern, seien nicht gut für die Wirtschaft, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsmarkts, eine Entrümpelung des Arbeitsrechts müsse vorangetrieben werden.

(Karen Koop CDU: Lockerung des Kündigungs- schutzes!)

Herr Uldall, alle, die da gesät haben, erleben jetzt den Ernteprozess: Je billiger die Arbeitnehmer, desto besser geht es den Arbeitgebern.

Deswegen haben wir zurzeit eine Diskussion, dass Tarifverträge nicht eingehalten werden. Von dieser Ebene müssen wir wieder herunter, weil die Hamburgerinnen und Hamburger in der Regel auf ihr Einkommen angewiesen sind, mit dem sie auch auskommen müssen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die Massenarbeitslosigkeit erhöht die Angst, die Leute halten die Schnauze vor Angst um den Arbeitsplatz und deswegen kommt die Masse der Dumpingfälle gar nicht ans Tageslicht.

(Karen Koop CDU: Warum wird die Gewerkschaft nicht aktiv?)

Das wollen wir ändern und dies wäre im Interesse unserer Stadt, weil bei anständigen Löhnen auch mehr Steuergelder fließen, denn Arbeitnehmer, die mehr verdienen, zahlen auch Steuern, Arbeitnehmer, die nichts verdienen, können nichts dazu beitragen, Arbeitnehmer, die gut verdienen, zahlen auch in die Krankenversicherung, in die Rentenversicherung, in die Arbeitslosenversicherung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Da der gesellschaftliche Konsens nicht mehr besteht, dass über den Tarif die Konkurrenz der Unternehmen nicht stattfinden darf, sondern über die Qualität der Dienstleistungen und der Produkte, müssen wir dafür sorgen, dass sich die Konkurrenz wieder nur auf der Ebene der Qualität der Arbeit abspielt und das bedeutet Sicherheit in den Arbeitsverhältnissen, das bedeutet, Herr Uldall, auch Kündigungsschutz und es gehört dazu, dass die Tarifverträge eingehalten werden. In den Branchen, wo auch Gewerkschaften nicht mehr helfen können, weil ihre Organisationskraft nicht ausreicht, ordnungsgemäße Tarifverträge abzuschließen, brauchen wir die Hilfe des Staates. Der Staat ist für die Bürger da und nicht nur für die Arbeitgeber.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wenn Sie als CDU-Vertreterin, Frau Ahrons, ausschließlich aus der Sicht von Arbeitgebern hier reden, werden Sie Ihrer Aufgabe als CDU nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Karen Koop CDU: Nehmen Sie Ihre Aufgabe als Gewerkschaft wahr!)

Deswegen, Herr Uldall und verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, brauchen wir im Jahre 2007 einen gesetzlichen Mindestlohn und die Hausnummer von 7,50 Euro wäre schon das Richtige.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Heintze.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Am Anfang Ihres Beitrags, Herr Pumm, dachte ich noch, Sie sagen vieles, was sehr richtig ist. Ich glaube auch, dass Sie vieles gesagt haben, was sehr richtig ist. Wir müssen weg von der Billiger-Diskussion, wir sollten zusehen, dass Unternehmer sich wieder stärker über Qualität ihrer Produkte differenzieren als über die Löhne, die sie zahlen, und sich nicht bei nicht stimmender Qualität auch noch bei den Löhnen unterbieten; da sind wir uns einig.

Aber der Angriff, der dann kam, Herr Pumm, hat diesen ganzen Eindruck zerstört, weil Sie die Chance vertan haben, über das zu reden, was unser zentrales Problem an dieser Stelle ist. Unser Ziel ist das Verhindern von nicht existenzsichernden Löhnen. Dieses Ziel haben wir alle gemeinsam, das hat der Senator deutlich gemacht,

das hat die CDU-Fraktion deutlich gemacht und die anderen Fraktionen auch. Über den Weg scheinen wir allerdings unterschiedlicher Ansicht zu sein.

(Doris Mandel SPD: Ja, genau!)

Die CDU ist der Meinung, dass nicht das, womit man am besten Kampagne machen kann, die Lösung des Problems darstellt; das ist eine Illusion.

(Beifall bei der CDU)

Was ist dann der Weg? Das Instrument Mindestlöhne – ich zeige gerne auf, warum es eher kampagnengerecht, denn sachdienlich ist – ist unter Experten umstritten. Selbst die Höhe der Mindestlöhne ist zwischen SPD und Gewerkschaften umstritten; das haben Sie heute gezeigt. Sie haben alles vermieden, sich in irgendeiner Weise festzulegen und Sie wissen, warum. Wenn Sie nur in Europa gucken und in den EU-Anwärterstaaten, dann liegt dieser Mindestlohn zwischen 72 und 1400 Euro im Monat. Sie wissen, warum Sie sich nicht festlegen wollten. Sie sollten dann aber auch schauen, was denn die Lösung außerhalb des Mindestlohns sein kann. Was ist eine Lösung, die langfristig trägt, die Arbeitsplätze in Deutschland sichert und nicht nur für vier Wochen Kampagne reicht?

(Beifall bei der CDU)

Es gibt sieben Staaten in Europa ohne Mindestlöhne. Dazu gehören Österreich und Italien. In Österreich haben wir eine hohe Tarifbindung, in Italien haben wir Ähnliches. Da ist noch ein Verfassungsrang dabei, um diese Tarifbindung zu stärken.

Glauben Sie uns, dass wir das Problem erkannt haben und daran arbeiten, übrigens gemeinsam mit Ihnen. Nicht umsonst steht im Koalitionsvertrag, dass wir uns gemeinsam damit beschäftigen wollen, den Niedriglohnsektor neu zu ordnen. Das ist auch der Schlüssel zur Diskussion über die Mindestlöhne und da sind wir nicht untätig. Es ist schlicht falsch, wenn Sie uns das vorwerfen. Ihr Minister wird dem Koalitionsausschuss am 29. Januar seinen Vorschlag hierzu vorlegen; im Koalitionsausschuss sitzen bekanntermaßen CDU und SPD. So sehr wir uns auch beeilen, aber bis dahin bekommen wir keine vernünftige Bundesratsinitiative mehr auf den Weg. Herr Pumm, wir sind in der Sacharbeit im Moment auf einem deutlich besseren Weg, als Sie uns vorgaukeln möchten.

(Beifall bei der CDU)

Auch ist die CDU an dieser Stelle nicht unwillig. Bei uns diskutieren die Fachleute und die Ausdehnung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auf bestimmte Branchen ist dabei natürlich auch eine Option. Das haben unsere Sozial- und Arbeitsmarktexperten deutlich gemacht, dazu stehen wir. Wir müssen diskutieren, welche Branchen Sinn machen, weil dieses uns ermöglicht, niedrige Tariflöhne nicht zu unterlaufen. Das ist anders, wenn wir einen Mindestlohn festlegen, der bundesweit möglichst einheitlich von einer Superbehörde kontrolliert wird. Von daher, Herr Pumm, ein schöner Aufschlag, nur leider total in Polemik versackt.

Sie bleiben hinter der Diskussion zurück, die die Union bereits mit Ihnen im Bund in der Koalition führt. Da sind wir deutlich weiter und da erreicht man auch mit Aktionismus, egal ob von dieser oder von anderer Stelle, überhaupt nichts. Die Union öffnet sich im Bundesrat dieser Initiative, das haben wir deutlich gemacht; wir

diskutieren sehr intensiv und fachlich. In Hamburg hat der Senator genau das getan, was sofort möglich war. Er hat den Druck auf die Arbeitgeber erhöht, er hat den Druck durch die Kunden auf deren Kunden erhöht. Wir rufen Sie auf, Vorschläge zu machen, mit denen wir in Hamburg die gute Arbeit im Bund unterstützen können. Machen Sie Vorschläge, wie wir den Druck auf die Verursacher dieser Dumpinglöhne erhöhen können und vor allen Dingen den Druck auf deren Kunden, wie zum Beispiel die Hotelketten. Ich glaube, da können wir konkret dran arbeiten, da sind wir auch noch nicht am Ende, daran arbeitet auch der Senat; unterstützen Sie uns dabei.

Für die SPD in Berlin machen wir die Sacharbeit am 29. Januar. Die CDU arbeitet an dem Thema, ist beweglich und auch wir wollen eine Lösung, weil das, was in Hamburg passiert ist, nicht akzeptabel ist. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Köncke.

Ich gebe noch zwei, drei Kommentare zu den Vorrednern ab. Herr Heintze, Sie haben alles einmal angesprochen. Ihre Position dabei habe ich kaum verstanden, eine richtige Lösung haben Sie nicht genannt.

Herr Mattner, Sie haben ganz viele Allgemeinplätze erwähnt, aber zu dem eigentlichen Problem, vor dem wir in Hamburg stehen, haben Sie kein Wort gesagt.