Protocol of the Session on January 17, 2007

dass der Arbeitslohn für den Bürger ein ausreichendes Einkommen sichert. Diese soziale Komponente ist ein menschlich sehr verständliches Ansinnen.

Diejenigen, die die Forderung nach einem Mindestlohn erheben, treten gleichzeitig für den Erhalt der Tarifautonomie ein. Diese besagt, dass der Staat sich bei Lohnverhandlungen zwischen Tarifpartnern heraushält. Das sollte aber auch bei den Mindestlöhnen der Fall sein. Staatliche Lohnpolitik entspricht planwirtschaftlichem Denken und das hat sich in der Vergangenheit nie bewährt.

(Beifall bei der CDU)

Denn welche Auswirkung hat die Einführung eines Mindestlohns auf Unternehmen und Arbeitsplätze? Der Mindestlohn, Herr Kerstan, bleibt wirkungslos, wenn er unterhalb des üblichen am Markt gezahlten Lohnes bleibt. Dann ist die Einführung unsinnig, weil die Arbeitgeber das bezahlen, was bezahlt werden muss. Ein Mindestlohn vernichtet jedoch Arbeitsplätze, wenn er oberhalb des üblichen am Markt gezahlten Lohnes liegt. Denn kein Unternehmer würde einen Arbeitnehmer einstellen, wenn dieser auf Dauer höhere Kosten verursacht als er erwirtschaftet. Folglich wird der Unternehmer keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern ganz im Gegenteil abbauen. Das Beispiel Mindestlohn zeigt deutlich, dass die Politik der besten sozialen Absichten nicht die Politik der besten sozialen Ergebnisse ist.

(Beifall bei der CDU)

Für den Unternehmer bedeutet ein Mindestlohn, dass er für seinen Arbeitnehmer einen Mindestpreis zahlen muss, unabhängig davon, ob er durch eine produktive Arbeit gedeckt ist, geschweige denn, ob er sein Produkt am Markt überhaupt noch loswird. Ein Unternehmen kann aber, wenn es nicht insolvent werden will, dem Arbeitnehmer nur dann einen solchen Lohn zahlen, wenn seine Lohnkosten der produktiven Arbeit entsprechen. Die Folge eines Mindestlohnes ist also absehbar. Die Produktion wird kostenintensiver und der Unternehmer wird sich sehr genau überlegen, ob er den Arbeitnehmer behält, ob er überhaupt einen neuen einstellt oder ob er nicht doch lieber alles abbaut.

Es droht auch die Gefahr, dass die Arbeit zunehmend an kostengünstigere Standorte abwandert und in die Schattenwirtschaft verlagert wird. Dann haben wir keine Steuern, keine Abgaben und keine Sozialversicherungsbeiträge.

(Jörg Lühmann GAL: Das haben Sie bei 2,99 auch nicht!)

Der Mindestlohn führt also zum absoluten Gegenteil dessen, was Sie eigentlich damit bezwecken. Durch die Einführung von Mindestlöhnen wird Massenarbeitslosigkeit zementiert.

(Uwe Grund SPD: Unsinn, Unsinn!)

Kann also ein Mindestlohn unsere Arbeitsmarktprobleme in Deutschland wirklich lösen? – Grundsätzlich nein.

Das Grundproblem in Deutschland sind die viel zu hohen Arbeitszusatzkosten. Die Unternehmen tragen heute schon eine große Last an den Lohnzusatzkosten. Erschwerend kommt noch ein viel zu starrer, unflexibler Arbeitsmarkt vor allem im Kündigungsschutzbereich dazu. Dies sind die eigentlichen Probleme, die wir anpacken

müssen. Die Diskussion über Mindestlöhne wäre doch überhaupt nicht notwendig, wenn wir diese grundsätzlichen Probleme endlich anpacken würden.

(Gesine Dräger SPD: Dafür sind Sie ja in der Regierung!)

Wenn wir Wege finden wollen, vor allem Jugendliche und Langzeitarbeitslose in Lohn und Brot zu bringen, müssen wir andere Wege beschreiten und unsere Grundprobleme lösen. Richtig wäre es, zum Teil Geringverdiener zu fördern, um einfache Arbeit wieder attraktiv zu machen. Wichtig ist es eben, erstens die Menschen in Arbeit zu bringen, zweitens, dass sie ein eigenes Einkommen erzielen und drittens, dass der Staat eben nur dann eintritt, wenn das Einkommen als Lebensgrundlage nicht ausreicht. Herr Petersen, mich würde die Antwort von Herrn Müntefering, wenn Sie sie denn irgendwann einmal erhalten, doch sehr interessieren.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dräger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich glaube, ich darf jetzt den Beitrag halten, den Herr Kerstan auch gerne gehalten hätte – nämlich als Antwort auf das, was Frau Ahrons gesagt hat, auf diese kurze Einführung ins volkswirtschaftliche Seminar.

(Barbara Ahrons CDU: Das war nicht das volks- wirtschaftliche Seminar, das war das praktische Leben!)

Das, was Sie da referiert haben, können Sie ja …

Nein, das war eben nicht das praktische Leben, Frau Ahrons.

Das, was Sie hier erzählt haben – jeder, der es haben möchte –, das sind diese wunderbaren zwei Kurven, die sich kreuzen, darunter der Mindestlohn, dann die kurze Analyse, warum Mindestlöhne dazu führen, in den beiden Fällen und so weiter, was sich in der Realität nicht bestätigt. Wir leben eben nicht in einem volkswirtschaftlichen Minimalmodell, sondern wir leben in der Realität. Wenn das, was Sie hier vorgetragen haben, stimmen würde, dann würde rund um uns in Europa die Wirtschaft daniederliegen und Deutschland wäre das blühende Land – wie komisch, dass das nicht so ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich möchte das einmal kurz vortragen. Ein Blick in das reale Leben würde helfen: Luxemburg 8,90 Euro, Frankreich 8,27 Euro, Niederlande 8,08 Euro, Irland 7,65 Euro – ein ganz spannendes Beispiel.

(Harald Krüger CDU: Die haben doch ganz andere Kündigungsregelungen!)

Ein ganz spannendes Thema – Irland als eines der Länder mit dem Jobwunder, trotz oder vielleicht wegen eines Mindestlohns von 7,65 Euro. Belgien 7,48 Euro, Vereinigtes Königreich, also Großbritannien 7,36 Euro. In all diesen Ländern kann man zumindest nicht sagen, dass es der Mindestlohn gewesen sein kann, der flächendeckend Arbeitsplätze vernichtet hätte.

Genau darauf kommt es an, Frau Ahrons. Sie stellen sich hierhin und sagen, der Mindestlohn zementiere die Massenarbeitslosigkeit. Dafür gibt es keine Belege.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das, was Sie hier sagen, ist das referieren einer volkswirtschaftlichen Modellrechung, die nicht durch die Empirie gestützt wird. Sie bauen hier – genauso haben es der Senator und Frau Hochheim auch gemacht – ein Schreckgespenst über die angeblichen Folgen von Mindestlöhnen auf, für das Sie keinen anderen Beleg haben als eine kleine Grafik. Das finde ich skandalös, weil Sie sich damit über ein brandheißes Thema nur ganz minimal, nur sehr oberflächlich informieren. Ich finde, angesichts der skandalösen Situation, die wir in dieser Stadt haben, ist das nicht zulässig. Es ist einer Regierungsfraktion nicht würdig.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

In einem möchte ich dem Senator recht geben: Es geht hier nicht um Patentlösungen. Wir tun in der Politik gerne so, als ob die eine Maßnahme diejenige sei, die alles retten würde. So ist es natürlich nicht, auch nicht beim Mindestlohn. Aber er ist ein Baustein. Sie werfen uns hier vor, SPD und auch Grüne hätten in der Vergangenheit Mindestlöhne auch schon einmal abgelehnt. Das gilt auch für die Gewerkschaften. Es war ja kein einfacher Schritt für Gewerkschaften, zu sagen, Mindestlöhne seien notwendig.

Wenn es jetzt ein breites Bündnis für Mindestlöhne gibt, hat das zwei Gründe – einmal sicherlich die Lernfähigkeit der beteiligten Organisationen im Gegensatz zu Ihrer und zum anderen aber auch eine Veränderung des gesellschaftlichen aber auch des wirtschaftlichen Klimas in der Bundesrepublik. Ich sage einmal: Wenn es weithin funktionierende Tarifverträge gibt, an denen sich auch noch alle Unternehmen beteiligen, und wenn es mit Zustimmung der Arbeitgeber, die dafür nötig ist, weithin in vielen Bereichen Allgemeinverbindlichkeiten gibt, dann sind Mindestlöhne – so war es in vielen Jahren in der Vergangenheit auch in Deutschland – vielleicht nicht nötig.

Wenn es das alles aber nicht mehr gibt und Arbeitgeber versuchen aus Tarifverträgen herauszugehen – ich denke nur an die Geschichte mit dem Einzelhandel hier in Hamburg, wo jede Gelegenheit genutzt wird, um die Preise nach unten zu drücken –, dann muss Politik eingreifen und eine untere Mindestlinie einziehen. Deswegen sind wir jetzt zu diesem Schluss gekommen, dass Mindestlöhne notwendig sind. Ich glaube, es wird nicht mehr lange dauern – so sehr Sie sich auch jetzt noch sträuben –, bis auch Sie merken, dass Sie um dieses Instrument nicht herumkommen,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

auch wenn es sicherlich aus Sicht eines Volkswirtes, Herr Uldall, nicht das ist, was sich mit der reinen Lehre vom Markt vereinbaren lässt.

Aber diese reine Lehre funktioniert eben nicht. Wenn diese reine Lehre am Ende bewirkt, dass jemand mit 400, 500 Euro für einen Vollzeitjob nach Hause geht, dann pfeife ich darauf, das sage ich Ihnen. Dann will ich, dass Politik handelt. Dann muss Politik handeln, weil sie sonst die Menschen in dieser Stadt alleine lässt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich fand das auch sehr lustig, dass Frau Ahrons als die Praktikerin, wie sie von sich sagt, hier die contrafaktische Argumentation deutscher Ökonomen vorgetragen hat.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die deutschen Ökonomen sind ja in der ganzen Welt berühmt dafür, dass sie sich in der Sache fast immer irren aber die besten Modellturner der Welt sind.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Amerikanische Ökonomen bekommen auch immer die Ökonomie geregelt. Amerikanische Zentralbanknotenwirte bekommen auch die Währung ordentlich gesteuert. Deutsche Notenbankwirte sind immer der Meinung, dass sie die allerbesten Modelltheorien haben. Das stimmt auch, modelltheoretisch stimmt es immer, nur faktisch gibt es immer ziemliche Probleme. Wenn dann die Praktikerin ausgerechnet darauf springt, finde ich das schon erheiternd. Es gab einmal eine Philosophenbemerkung, dass die Praktiker nie kapieren, wie sehr sie manchmal von den dümmsten Gedanken theoretischer Menschen abhängig sind.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Um noch einmal auf die Situation zurückzukommen: Ich glaube, der Sachverhalt ist ziemlich einfach. Warum wir überhaupt über Mindestlöhne reden, hängt mit einer Verlagerung der Kräfteverhältnisse in dieser Republik zusammen. Wir haben eine erhebliche Schwächung der Gewerkschaften, die innerhalb der unteren Lohnbereiche und in manchen Branchen so gut wie keine Rolle mehr spielen.

(Barbara Ahrons CDU: Das ist doch nicht unser Problem!)

Doch, das ist verflixt noch einmal unser Problem.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ist das Problem von einem Drittel oder gar einer Hälfte der Bevölkerung und deren Einkommensverhältnissen.

(Barbara Ahrons CDU: Das ist das Problem der Gewerkschaften!)