Protocol of the Session on December 11, 2006

men in einem international verflochtenen Hafen nicht auch international, also weltweit, expandieren muss, die HHLA als globalisierter Konzern mit Niederlassungen zwischen Singapur, Kuala Lumpur und sonst wo in der Welt. Ich bin bereit, darüber zu diskutieren, übrigens mit Ihnen allen, denn dann wären wir bei der Diskussion, ob der öffentliche Sektor tatsächlich international tätig sein soll.

Man könnte übrigens dieselbe Diskussion über den öffentlichen Nahverkehr führen. Öffentliche Nahverkehrsunternehmen operieren inzwischen in ganz Europa. Soll also unser eigenes Unternehmen europäisch expandieren, wollen wir das, haben wir diese politische Linie und was bedeutet das eigentlich? Diese Linie ist übrigens total gegen jede konservative Vorstellung von öffentlicher Wirtschaft, um das einmal direkt zu sagen, aber der Bürgermeister war ja bereit, darüber zu diskutieren. Wenn ich über die HHLA als globalen Konzern diskutiere, geht das nicht im fröhlichen Dreierschritt. Es könnte ein globaler Konzern sein, dann brauchen wir vielleicht einen strategischen Partner, wir könnten an die Börse gehen, dann bekommen wir vielleicht Geld, wir könnten auch einen Finanzinvestor nehmen, dann bekommen wir vielleicht ganz, ganz viel Geld. Was wollen Sie denn nun eigentlich?

(Olaf Ohlsen CDU: Erst mal prüfen!)

Wollen Sie Einnahmen oder wollen Sie eine strategische Ausrichtung der öffentlichen Unternehmen? Ich habe es so begriffen, dass Sie es nach Versuch und Irrtum machen: Wenn wir viel Geld bekommen, verkaufen wir, wenn wir strategisch einen Investor bekommen, kann das auch nicht schaden. Das ist keine Politik für den öffentlichen Sektor.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich sage Ihnen einmal pauschal, was Sie wirklich wollen. Sie wollen vorrangig Kasse machen mit Dingen, von denen Sie uns noch nicht gesagt haben, welche es denn sein sollen und das vor dem Wahlkampf. Deswegen ist die SPD im Augenblick mit Recht für den Stopp des weiteren Verkaufs von öffentlichen Unternehmen und mit Recht vor dem Hintergrund, dass da keine Strategie ist, sondern nur Versuch und Irrtum, gegen den Verkauf der HHLA.

(Beifall bei der SPD – Olaf Ohlsen CDU: Machen Sie doch mal Vorschläge!)

Jetzt komme ich zu dem, was mich völlig überrascht hat. Herr Kollege Reinert – ich würde auch sagen, Herr Bürgermeister –, ich habe heute alles Mögliche über die neue Politik der CDU in den Stadtteilen gehört und wie sie finanziert wird. Sowohl die GAL als auch die SPD haben eine Politik für Stadtteile und Kindertagesheime und wie sie finanziert werden können.

(Olaf Ohlsen CDU: Ja?)

Niemand von Ihnen hat gesagt, dass die Vorschläge der SPD oder der GAL etwa nicht seriös finanziert seien. Dann gehe ich davon aus, dass das, was wir umgeschichtet haben, eigentlich ganz solide ist. Es gibt also eine Alternative zu dem, was Sie machen, und sogar eine gute.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir haben vonseiten der SPD umgeschichtet, indem wir in Bereiche hineingingen, in denen Sie gar nicht sind. Was Sie zum Finanzieren benutzen, das hätte ich auch noch. Ich war darauf vorbereitet, dass Sie mir 50 Millionen Euro als unseriös kennzeichnen, dann hätte ich weitere 50 Millionen Euro hervorgeholt. Das ist nicht das Problem, wenn man diese Haushaltsberatungen intelligent gemacht und nicht, wie Ihre Fraktion, weitgehend Zeitung gelesen hätte.

Das einmal dahingestellt, stelle ich fest: Die Alternativen der Opposition werden hinsichtlich ihrer Finanzierung von der CDU nicht bestritten.

Dann lassen Sie uns um Alternativen streiten und nicht kleine nette Döntjes erzählen, nach dem Motto: Wir auf den Polstern und Sie auf dem Dachstuhl.

Jetzt möchte ich, weil es so schön ist, ein paar philosophische Ausführungen zur wachsenden Stadt machen. Was mich bei diesen Diskussionen doch sehr verwundert hat, ist eigentlich, dass – und zwar von allen, die für die CDU gesprochen haben, vonseiten des Ersten Bürgermeisters und auch von Ihnen, Herr Reinert –, Sie – wie ich finde – den wesentlichen Punkt nicht getroffen haben. Wachsende Stadt war ein Konzept der Dynamik und zunächst einmal der ökonomischen Dynamik. Das war durchaus mutig, was ich ausdrücklich in Richtung Dr. Peiner betonen möchte.

Aber Wachsende Stadt und Dynamik bedeuten eigentlich automatisch, dass man für die Gesellschaft der Wachsenden Stadt eine Aussage treffen muss. Das Merkwürdige ist, dass ich Ihre Aussagen nicht so ganz begreife. Wachsende Stadt und wirtschaftliche Dynamik setzen eine dynamische Gesellschaft voraus. Was ist dann die Aufgabe der Politik? Die Aufgabe der Politik ist, die Gesellschaft, die in diesem Wachstum und unter Globalisierung alle möglichen Konsequenzen auch ertragen sowie Schwierigkeiten und Risiken eingehen muss, zu stabilisieren. Der Primat der Politik ist, in einer globalisierten Welt und in einer Wachstumsgesellschaft die Gesellschaft zu stabilisieren und in der Balance zu halten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Was versuchen Sie jetzt eigentlich, uns hier zu vermitteln? Das ist irgendwie ganz merkwürdig. Sie denken nämlich in zwei völlig verschiedenen Welten. Auf der einen Seite denken Sie die Welt der Ökonomie und diese sorgt für das Wachstum und die Verteilungsmasse. Auf der anderen Seite sind dann diejenigen, die verteilen. Das geht aber erst, wenn etwas gewachsen ist. Hier muss ich Ihnen leider entgegnen, dass in einer modernen globalisierten Industriegesellschaft das ökonomische Wachstum und der ökonomische Erfolg ohne die soziale Stabilität überhaupt nicht denkbar sind und auch nicht funktionieren können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch eine politische Arbeitsteilung, die die Wirtschaft und das Soziale in völlig getrennten Welten ansiedelt, in denen die einen den Reichtum schaffen und die anderen ihn verteilen, wird nicht funktionieren und ist im Übrigen gefährlich.

Daher müssen wir – und ich bin sogar der Meinung, Herr Bürgermeister, Ihre CDU hat das auf ihrem letzten Parteitag im Übrigen sehr viel fortschrittlicher gedacht – das Soziale im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit und der

Chancengerechtigkeit in dieser Stadt auch denken wollen. Was Sie machen, ist, das hintereinander zu schalten und in Wahrheit eine reaktive Sozialpolitik vorzunehmen. Das ist wirklich falsch.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Hamburg in einer globalisierten Welt bedeutet, dass wir das Ökonomische realisieren und berücksichtigen müssen. Jede Politik muss die Realität der Ökonomie zugrunde legen, aber auch die Realität des Sozialen berücksichtigen. Die Realität des Sozialen bedeutet, dass gerade in dieser Zeit, in der die Risiken groß sind und die Unsicherheit wächst, die Bürger in unserer Stadt, wie im Übrigen alle in dieser Gesellschaft, ein unheimliches Gespür dafür haben, was gerecht und was nicht gerecht ist. Hier wollen sie gar keine Gleichheit, sondern sie wollen etwas Gerechtes.

Sie haben in dieser Stadt im Bereich der Gesellschaftspolitik in den letzten fünf Jahren "Stopp" gemacht und jetzt – 15 Monate vor einer Wahl – machen Sie "Go". Sie führen das noch nicht einmal in dem Sinne durch, dass Sie diese Stadt sozial gestalten wollen, vielleicht auch ganz neu in einer Debatte, die wir alle führen müssten. Nein, Sie führen das als Modellversuch mit anschließender Evaluierung durch. Das begreife, wer will, aber die Gesellschaft in dieser globalisierten Stadt ist nicht für Ihre Modellversuche da.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Man wird im Übrigen mit solchen Modellversuchen auch nicht gerecht. Daher sage ich Ihnen noch einmal: Ich bin gern bereit, zu jeder Zeit mit Ihnen darüber zu streiten, was eine wachsende Stadt mit sozialer Balance ist. Aber ich bin nicht bereit, mit Ihnen zu streiten, was eine wachsende Stadt ist und wie machen wir Politikersatz in fünf Stadtteilen, um die Leute zu beruhigen, kein Problem zu lösen, aber gut dazustehen. Ein Streit würde sich lohnen und diesen können wir in den nächsten zwei Tagen auch vehement führen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Senator Dr. Peiner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich würde gern an Ihre philosophischen Bemerkungen zum Schluss Ihres Redebeitrages anknüpfen, Herr Zuckerer, und daran anschließend noch ein paar Worte zu dem Thema Haushalt ausführen.

Ich bin eigentlich sehr dankbar, dass die Bürgerschaft heute über die Zukunft der wachsenden, menschlichen und kreativen Stadt diskutiert, denn ich glaube, dass es sich in der Tat lohnt, über die Zukunft dieser Stadt sozusagen mit den besten Köpfen dieser Stadt zu streiten.

Was war seinerzeit eigentlich der Ansatz? Hier möchte ich gern noch einmal kurz auf die Diskussion von vor fünf Jahren zurückkommen.

Hamburg war durch die Globalisierung in einer glücklichen Position und hatte durch die EU-Osterweiterung und Wiedervereinigung eine gute Ausgangslage, sodass man sich in dieser Situation doch fragen musste, was die Strukturen sind, die wir hieraus entwickeln können und was unser Ansatz ist, um in der Zukunft das Beste aus dieser Situation zu machen. Es war kein Konzept, um

damit auszudrücken, dass wir quantitativ wachsen wollen, sondern es war ein Konzept – Herr Reinert hat vorhin schon die vier Ziele genannt –, das umfassend die Regierungspolitik von zehn, zwölf Jahren in den Bereichen Bildung, Kindertagesbetreuung, Kultur, Verkehr, Architektur, Sprung über die Elbe,

(Claudius Lieven GAL: Das ist doch Legendenbil- dung, Herr Dr. Peiner!)

aber auch und vor allem im Bereich Soziales leiten lassen sollte. Ich glaube, das Entscheidende war der Gesamtansatz, der eine Politik des Aufbruchs in dieser Stadt in Gang setzte.

Nun können Sie vielleicht viel Kritisches über dieses Konzept im Einzelnen anbringen. Aber eines – glaube ich – kann man nicht behaupten, dass das Konzept nicht in der Lage war, uns in Land, im Bund und auch in wesentlichen Teilen Europas tatsächlich die Aufmerksamkeit zu verschaffen und deutlich zu machen, dass diese Stadt im Aufbruch ist. Hierüber sollten wir uns alle freuen, dass Hamburg heute als eine Stadt wahrgenommen wird, die diesen Aufbruch auf der Grundlage dieses Programms geschafft hat.

(Beifall bei der CDU)

Aber, Herr Zuckerer, weil Sie versuchen, einen Gegensatz zwischen dem sozialen und dem wachstumsorientierten Kurs zu schaffen, muss ich Ihnen entgegen, dass es diesen Widerspruch in diesem Programm nie gegeben hat und er wäre auch falsch. Das sind in der Tat zwei Dinge.

(Beifall bei der CDU)

Ob Sie das nun in der Ressortgestaltung oder in unserer Politik sehen, Sie würden sehr schnell feststellen, dass wir auch in unserer letzten Haushaltseinbringung erklärt haben, was Hamburg sein muss. Hamburg muss stark und sozial sein. Nur beides zusammen ist eine Grundlage für die Zukunft dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Aber Herr Zuckerer und meine Damen und Herren insgesamt, ich glaube schon, dass wir vielleicht ein Problem über viele Jahre unterschätzt haben.

Als ich mich seinerzeit, noch in Köln lebend, aus der Distanz mit der Politik für Hamburg beschäftigt und damals auch versucht hatte, für den Bürgermeisterkandidaten ein Konzept mit zu entwickeln, habe ich in der Tat einen Problemkreis unterschätzt, den wir – glaube ich – alle in dieser Stadt unterschätzt haben. Das ist der Zustand in manchen Stadtteilen. Ich hätte es mir seinerzeit nicht vorstellen können, das sage ich ganz offen, in welchem Zustand sich manche Teile unserer Stadt befinden. Und ich sage ausdrücklich, dass hier keiner dem anderen einen Vorwurf machen sollte. Aber der Zustand, den wir teilweise vorgefunden haben, sei es jetzt Steilshoop, Allermöhe-West oder Kirchdorf-Süd, hat mich eigentlich im Laufe der Jahre sehr betroffen gemacht

(Christa Goetsch GAL: Die haben Sie doch fünf Jahre verkommen lassen!)

und ich würde mich freuen, wenn viele von denen, die heute betroffen sind, diese Betroffenheit auch schon früher erkannt und früher gezeigt hätten.

A C

B D

(Beifall bei der CDU – Christa Goetsch GAL: Fünf Jahre verschlafen!)