Protocol of the Session on November 16, 2006

Zum ersten Punkt, zu den Familiengerichten: Den Familiengerichten – das ist uns allen klar – kommt beim Schutz der Kinder eine ganz bedeutende Rolle zu, denn sie sind diejenigen, die das Sorgerecht entziehen können, die entscheiden müssen, und zwar schnell. Das ist unstrittig. In dem Bericht wurde deutlich geschildert – wir wissen es auch –, dass es in Fällen der dringenden Eilbedürftigkeit einen Eildienst gibt, sodass mein Schwerpunkt nicht auf der zeitlichen Schiene liegt. Diese ist wichtig, aber mindestens so wichtig wie die Bearbeitungszeit an den Familiengerichten ist die Kooperation mit den Jugendämtern. Hier sind nämlich zum Schutz gefährdeter Kinder dringend Verbesserungen erforderlich, die der Senat bislang nicht angegangen ist. Leider werden in der Praxis die Familiengerichte oft erst zu spät angerufen,

(Viviane Spethmann CDU: Das hätten Sie aber fragen können im Ausschuss!)

meistens, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Es gilt, hier vor allen Dingen in besonderen Fällen die Berührungsängste zwischen den Jugendämtern und den Gerichten abzubauen und die Zusammenarbeit zu fördern, denn Familiengerichte sind weisungsbefugt, das heißt, sie können den Eltern Auflagen erteilen, zum Beispiel Kindergartenbesuch oder ärztliche Untersuchung des Kindes, Erziehungsberatung oder Antiaggressionstraining. Um einen früheren Austausch zu erreichen, wäre die Einrichtung von Arbeitsgruppen zwischen Gerichten und Jugendämtern mehr als sinnvoll. Gegebenenfalls können auch Polizei, Erzieherinnen und Lehrerinnen daran teilnehmen.

Sie merken, es dreht sich in der Jugendhilfe wieder alles um die Kooperation. Das ist letztendlich das Thema, das wir vorhin hatten. Ganz wichtig wäre aber auch die striktere Einhaltung der Erziehungsgespräche – diese gibt es ja hier in Hamburg –, bei denen das Jugendamt die Eltern und die Richterin oder der Richter teilnehmen. Erziehungsgespräche sind wesentliche Faktoren zur Bekämpfung der Kindesvernachlässigung, machen sie doch Eltern auf ihr Fehlverhalten deutlich aufmerksam und zeigen mögliche Konsequenzen auf. Leider findet das in Hamburg kaum statt.

Unerlässlich ist auch die Überprüfung eines Falls, wenn das Familiengericht von einer gerichtlichen Maßnahme bislang abgesehen hat. Dazu sind die Familienrichter nämlich noch nicht verpflichtet. Gleichzeitig ist es zum Schutz der Kinder wichtig, dass nach einer bestimmten Zeit kontrolliert wird, ob die Entscheidung immer noch Bestand hat. Hier müssen die Familienrichter in der Tat sehr viel mehr in die Pflicht genommen werden.

Last, but not least: die eben erwähnten Auflagen. Sie haben nur dann Sinn, wenn ihre Einhaltung auch überwacht werden kann. Wer ist dafür zuständig? Das Jugendamt. Nun sehen Sie schon, wo die Fäden letztendlich wieder zusammenlaufen, nämlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Allgemeinen Sozialen Dienste und damit beim zweiten Bericht des Rechtsausschusses. Wenn der Schutz der Kinder Sinn haben soll – ich glaube, keiner von Ihnen wird die von mir eben erwähnten Maßnahmen ernsthaft ablehnen –, benötigen wir für diese Praxis ausreichend Personal. Das betrifft nicht nur die Allgemeinen Sozialen Dienste, sondern auch die Familiengerichte, denn auch Richter können nur so viel arbeiten, wie sie Personal haben.

Ich will mich an dieser Stelle auf den ASD beschränken. Meine Damen und Herren des Rechtsausschusses, vielleicht war es ja ein Kommunikationsproblem oder man hat Ihnen eine kleine Unwahrheit aufgetischt, aber die vakanten Stellen beim ASD sind keineswegs alle besetzt, wie man Ihnen glaubhaft machen wollte. Wo wir vorher 20 vakante Stellen hatten, sind es jetzt nur noch neun, das ist richtig. Aber das ist doch höchstens ein winziger Fortschritt und bei Weitem keine zufriedenstellende Situation. Außerdem hat der Senat bei seiner Wirkungsanalyse – von Herrn von Frankenberg gerade groß als Runderneuerung bezeichnet –

(Wolfhard Ploog CDU: Zu Recht!)

leider einen ganz entscheidenden Punkt vergessen, nämlich die Überprüfung, ob die vorhandenen Soll-Stellen, also die Grundausstattung des ASDs, noch den heutigen

realen Anforderungen angemessen ist. Das war ein ganz entscheidender Punkt und ein eindeutiger Arbeitsauftrag an den Senat, den dieser nicht wahrgenommen hat. Solange das nicht geschehen ist, kann die Beschwerde über zu lange Wartezeiten, die in Ihrem Bericht ebenfalls deutlich werden, nur zu einem führen: Die Analyse über die Sollstellen muss umgehend nachgeholt werden.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Wenn es Ihnen wirklich Ernst ist mit dem Schutz der Kinder – das höre ich bei der CDU-Fraktion immer wieder heraus –, kann bei solch einer Analyse nichts anderes herauskommen als ein höherer Bedarf an Personalstellen. Nicht aus Witz haben damals alle Bezirksamtsleiter 15 Stellen mehr gefordert. Ver.di hat sogar von 40 bis 50 Stellen gesprochen. Die Notwendigkeit liegt sicherlich in der Mitte.

Wenn Sie allein das Aufgabenspektrum betrachten, das ich eben im Zusammenhang mit den Familiengerichten erwähnt habe – es wäre sinnvoll, wenn der Senat mehr Nachdruck darauf legen würde, dass dies eingehalten wird –, dann wird deutlich, dass solche Anforderungen Zeit benötigen, und zwar Menschenzeit, Herr von Frankenberg, und keine Softwarezeit. Der Senat lässt uns nämlich immer gern in dem Glauben, so wie Sie es eben gesagt haben und wie es der Bericht auch versucht, uns darzustellen, dass es mit einer passenden Software die Lösung aller Probleme gäbe. Das gibt es eben nicht, das geht nur mit Menschen im Allgemeinen Sozialen Dienst, die vor Ort sprechen und reden können.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Kienscherf.

(Wolfhard Ploog CDU: Der will ja Landesge- schäftsführer werden!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Blömeke hat ja schon eine ganze Menge zum ASD und dazu erzählt, dass das, was Sie vorgetragen haben, Herr von Frankenberg, natürlich nicht der Realität entspricht, denn die Realität ist eine andere. Es ist nicht so, dass der ASD zurzeit wunderbar aufgestellt wäre. Sie kündigen immer an, dass es zu Verbesserungen komme. Die Realität sieht aber in dieser Stadt nach wie vor anders aus.

(Lars Dietrich CDU: Das haben Sie verhagelt!)

Hier ist der Senat nach wie vor in der Verantwortung, endlich das umzusetzen, was wir beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD)

Damit die Einigkeit nach außen hin nicht allzu groß wird, muss man sich nur mit diesen beiden Drucksachen befassen. Sie befassen sich mit Themen, die wir im Jugend- und Hilfeausschuss beraten haben, insbesondere bezüglich des Falls Elias. Wir sind damals an bestimmte Informationen nicht herangekommen und haben den Senat noch einmal gefragt, erst in einer Kleinen Anfrage, ob er denn Informationen habe, wie lange solche Verfahren zum Sorgerechtsentzug dauern. Der Senat antwortete, nein, in der Kürze der Verfügung stehenden Zeit könne man diese nicht liefern. Gut, das gaben wir akzeptiert. Dann haben wir eine Große Anfrage daraus gemacht. Da

war es auch so: Die Zeit war immer noch zu kurz. Einen Überblick hatte der Senat immer noch nicht gewinnen können. Dann haben wir gesagt – was ja auch logisch ist –, wir würden das Ganze an den zuständigen Fachausschuss überweisen. Sie waren jedoch dagegen und haben es dann in den Rechtsausschuss geschickt. Dort haben Sie auch noch nicht groß nachgefragt. Sie haben also letztendlich verhindert, dass es im zuständigen Fachausschuss beraten würde, und das ist schändlich.

(Beifall bei der SPD)

Entweder will man im Sinne der Stadt, im Sinne der Kinder diskutieren und beraten oder man hat etwas zu verbergen.

(Zuruf von der CDU: Wir haben gar nichts zu ver- bergen!)

Dass Sie angesichts dieser Senatorin und dieser verfehlten Politik zu dem Ergebnis kommen, das lieber dahin zu schieben, wo das nicht so offensichtlich wird, kann ich mir vorstellen. Letztendlich hat die Antwort auf die Anfrage keine konkreten Daten geliefert. Beim Fall Elias war es so gewesen, dass es vier Wochen gedauert hat.

(Zuruf von Wolfhard Ploog CDU)

Herr Ploog, nun hören Sie doch mal in Ruhe zu, geben Sie mir in der nächsten Woche einen Glühwein aus.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, eine Zwischenfrage gerne.

Herr Abgeordneter, wie erklären Sie sich das, dass von Ihrer Fraktion und der GAL-Fraktion im Rechtsausschuss kaum einer Fragen gestellt hat und auch kaum jemand anwesend war?

Ja, sehen Sie, unsere Fraktion ist halt klug und weiß, dass das eine Alibiveranstaltung war

(Beifall bei der SPD)

und an solch einer Alibiveranstaltung nehmen wir erst gar nicht teil, Frau Spethmann. So ist das. Wir machen doch nicht alles mit, was Sie von uns wollen.

Kommen wir noch einmal zum eigentlichen Problem zurück. Beim Fall Elias – und das hat uns ja so beunruhigt – hat das Familiengericht erst zu dem Zeitpunkt entschieden, als es öffentlich war und das war für uns zu spät. Es muss nach kurzer Zeit entschieden werden und nicht erst nach vier Wochen, ob das Kind verbleiben soll oder nicht. Das Schlimme ist, dass der Senat, der sich schon im Rahmen des Sonderausschusses mit dieser Problematik befasst hat – mit uns zusammen, Frau Spethmann –, trotzdem keine qualitativen Aussagen hinsichtlich der Dauer treffen kann. Das ist ein großes Problem und da muss nachgebessert werden.

Ihre Fraktion – und das entnehme ich dem Protokoll – ist selber zu der Erkenntnis gekommen, obwohl der Senat keine konkreten Daten hinsichtlich der Verfahrensdauer hat, dass vier Wochen vor dem Hintergrund wie es sonst

läuft, an sich gar nicht so schlecht waren. Das ist erstaunlich. Ihre Fraktion selber sieht letztendlich die Praxis, die es da gibt, als großes Problem an. Hier müssen Sie nachbessern, das wissen Sie. Treten Sie Ihrer Senatorin noch einmal ordentlich auf die Füße.

Das zweite ist, dass wir damals im Sonderausschuss festgestellt haben, dass es insbesondere darum geht, dass bei diesen Verfahren vor den Familiengerichten die Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste eine rechtliche Betreuung, eine rechtliche Unterstützung bekommen. Das haben viele Experten im Sonderausschuss angesprochen und auf die Problematik hingewiesen. Der Senat hat gesagt, darum kümmert er sich. Die Zahlen sind sehr ernüchternd. Es ist eigentlich eine Nullnummer, was da passiert ist. Wenn Sie sich das einmal angucken, wie viele Verfahren letztendlich durch Rechtsleute extern betreut worden sind und die Mitarbeiter diese rechtliche Unterstützung bekommen haben, so ist das in vier Bezirken eine glatte Null. In zwei Bezirken gab es zwei Fälle, in einem Bezirk einen Fall. Das ist aber nicht das, was die Experten angemahnt haben und auch nicht das, was wir als SPD-Fraktion von dem Senat erwartet haben. Wir erwarten eine deutlich bessere rechtliche Unterstützung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zum Allgemeinen Sozialen Dienst insgesamt – Frau Blömeke hat schon darauf hingewiesen –: Der große Reformprozess ist angekündigt, alles sollte besser werden. Sie haben sich millimeterweise bewegt und das auch sehr, sehr zögerlich. Herr Ploog, wenn zum Beispiel die Senatorin und auch Ihre Kollegen zusagen, dass es im Juni einen Bericht hinsichtlich der ASD-Ausstattung geben soll, aber auch wie der Reformprozess vorangetrieben wird, wir im Juni nachfragen, es passiert nichts, im Juli passiert nichts, im August passiert nichts. Monate später bekommen wir dann einen sehr dürftigen Bericht vorgelegt. Das hat auch nichts mit Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kindern unserer Stadt zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Herr von Frankenberg, dann ist da auch noch Ihr angekündigter Bericht, den wir alle haben wollen, weil wir in der Tat ein gutes Programm und eine gute Ausschussempfehlung im Februar dieses Jahres beschlossen haben. Darauf haben wir eine Antwort erwartet und die ist uns für November zugesagt worden. Ich weiß nicht, warum man sich beim ASD und bei anderen Berichten verzögern muss, warum auch dieser wichtige Bericht, auf den die ganze Stadt wartet, auf den die Kinder, der ASD und die Eltern warten, dass dieser Bericht kommt und endlich etwas passiert, wiederum von der Senatorin hinausgezögert wird. Auch das hat nichts mit Verantwortungspolitik gegenüber unserer Stadt und unseren Kindern zu tun.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Insgesamt also kein Ruhmesblatt. Die Alibiveranstaltung, die Sie im Rechtsausschuss durchgeführt haben, Frau Spethmann, war ganz nett, aber ich kann Ihnen gleichzeitig sagen, dass wir Sozialdemokraten dranbleiben werden und Sie im Sinne der Kinder und der Zukunft unserer Stadt weiter mit diesen Problemen befassen werden. Wir werden Sie nicht in Ruhe lassen und wir schauen, was dieser Bericht, der aufgrund des Ersuchens vorgelegt werden wird, an Substanz enthält. Ich hoffe, es

wird mehr sein als der letzte Bericht zum ASD. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält Senator Lüdemann.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Schutz von Kindern ist ein maßgebliches Ziel des Senats. Aus diesem Grund hat der Senat bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen stärker vernetzen und damit die Handlungsmöglichkeiten, insbesondere der Jugendämter optimieren will. Ich will in diesem Zusammenhang nur auf die Bundesratsinitiative zum Bundeszentralregister hinweisen, die wir vor wenigen Wochen auf den Weg gebracht haben.