Protocol of the Session on October 11, 2006

leben. Das ist unabhängig davon, ob diese Menschen eine Chance auf einen legalen Aufenthalt haben oder nicht. Es geht um die grundsätzliche Fürsorgepflicht für die Menschen in dieser Stadt. An dieser lassen Sie es wirklich missen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zum ersten Thema der Aktuellen Stunde.

Dann kommen wir zum zweiten Thema, angemeldet von der SPD-Fraktion: Gemeinsam für Airbus – Standort und Arbeitsplätze für Hamburg sichern. Wer wünscht das Wort? – Herr Petersen, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ursachen der Airbus-Krise liegen nicht bei der französischen, deutschen oder spanischen Regierung und auch nicht bei den inzwischen im Konsortium vertretenen Russen. Die Ursachen der Verzögerung in der Produktion liegen auch nicht in dem Umstand, dass Flugzeuge und Flugzeugkomponenten auch aufgrund von politischen Entscheidungen an unterschiedlichen Standorten in Europa hergestellt werden. Nein, die Ursachen liegen allein im Versagen ehemaliger Manager, deren persönlicher Ehrgeiz und Selbstüberschätzung offensichtlich im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Kompetenz und ihrem Engagement für die europäische Luftfahrtindustrie stehen. Weder die Politik noch die Arbeitnehmer hier in Hamburg müssen sich von einer Unternehmensleitung, die eine europäische Erfolgsgeschichte durch ihr Versagen buchstäblich zum Absturz gebracht hat, über die notwendigen Schritte der Sanierung belehren lassen. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach mehr Betriebswirtschaft und weniger Politik absurd.

(Beifall bei der SPD)

Man konnte in den letzten Tagen den Eindruck gewinnen, dass es manchen Politikern und mit ihnen verbundenen Managern vor allem in Frankreich weniger um Wege aus der Krise geht, sondern vielmehr um einen Machtkampf um die Neuverteilung der Produktion. Dieser Machtkampf wird mit allen Mitteln geführt.

Wenn es offensichtlich Pläne zu einer grundlegenden Umverteilung der Airbusproduktion gibt, wenn offensichtlich vertragliche Abmachungen wie der Bau des Auslieferungszentrums infrage gestellt werden, muss man kämpfen. Dann ist Spielen auf Zeit eher gefährlich. Herr Bürgermeister von Beust, es mag sein, dass Sie auf Diplomatie abseits der Öffentlichkeit setzen. Aber in dieser Situation, in einem aggressiv in den Medien geführten Verteilungskampf um Industrieanteile und Arbeitsplätze wartet man nicht ab. Hamburger Bürgermeister stehen nicht in der zweiten Reihe, wenn es um entscheidende Interessen Hamburgs geht. Viele Hamburger haben mit Recht erwartet, dass Sie die Hamburger Interessen offensiv und ohne Wenn und Aber vertreten, hanseatisch fair, aber auch mit der nötigen Härte.

Es geht dabei nicht nur um Hamburger Interessen, sondern um die Interessen aller deutschen Standorte. Wer könnte in dieser Auseinandersetzung eine Führungsrolle besser übernehmen als ein Hamburger Bürgermeister?

(Beifall bei der SPD)

Es waren doch Hamburger Bürgermeister, die mit ihrem großen Einsatz diese Erfolgsgeschichte des Airbus für ganz Deutschland wesentlich mit gestaltet haben. Keiner dieser Bürgermeister hätte gezögert, auf einer Betriebsversammlung bei Airbus Klartext zu reden. Man hätte einen Henning Voscherau und einen Ortwin Runde nicht einladen müssen. Sie wären schon längst in Finkenwerder gewesen.

(Beifall bei der SPD – Bernd Reinert CDU: Wie üblich uneingeladen!)

Wir Sozialdemokraten wollen, dass die erfolgreiche Entwicklung des Airbus und der europäischen Luftfahrtindustrie in unserer Stadt auch noch unseren Enkeln von Nutzen ist. Das geht nur, wenn alle politischen Parteien, Unternehmen und Gewerkschaften in Hamburg gemeinsam für dieses Ziel arbeiten. Doch gewonnen haben wir diesen Kampf um die Arbeitsplätze noch lange nicht. Airbus ist auch noch lange nicht aus der Krise. Dort gibt es noch sehr viel zu tun. Wir müssen um die Beteiligung der Zukunftsentwicklung wie des A350 oder vor allem der Weiterentwicklung der kleinen Baureihen, A318 bis A320, kämpfen. Und wir müssen um einen ausreichenden deutschen Einfluss bei EADS sorgen. Wir Hamburger müssen mit aller Kraft für Airbus und die Mitarbeiter kämpfen.

Der Chef des Industrieverbands Hamburgs, Herr Gernandt, mahnt an, dass Kanzlerin Merkel die Probleme ernst genug nehmen möge. Herr Bürgermeister, kämpfen Sie offensiv für Airbus! Sie haben die volle Unterstützung der Sozialdemokraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Ahrons.

Herr Petersen, als Sie lautstark in der Zeitung nach dem Bürgermeister gerufen haben, hätten Sie lieber Ihre Parteikollegen fragen sollen. Er war nämlich schon längst dort, wo Sie ihn nicht vermutet haben.

(Beifall bei der CDU)

Viel ist in der vergangenen Woche zum Thema Airbus geschrieben worden, viel Sachliches, aber auch sehr viel Spekulatives. Es fielen Schlagworte wie Krisensituation, Sanierungsfall, Arbeitsplatzabbau in Hamburg, Werksverlagerung nach Frankreich, Forderung nach einem Baustopp der Landebahnverlängerung und vieles mehr. Es lohnt sich ein Blick auf das Wesentliche: Airbus ist derzeit größter privater Arbeitergeber und das größte Industrieunternehmen unserer Stadt.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Die jährlich geplanten Einstellungszahlen hat Airbus weit übertroffen und ebenso viele zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Dank Airbus haben wir weitere Luftfahrtunternehmen nach Hamburg geholt und Hamburg ist zu einem Branchen- und Schlüsselstandort in der Luftfahrt geworden. Dieser bringt nicht nur Tausende Arbeitsplätze bei den Luftfahrtunternehmen nach Hamburg, sondern in vielen weiteren, über 300 Zulieferbetrieben sowie viele Stellen bei Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen und Ingenieursbüros. Ich bin zuversichtlich,

dass eine klare und effiziente Standortpolitik durch den Senat erfolgreich weitergeführt und er alles daran setzen wird, die bestehenden Arbeitsplätze mit den der Politik zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten und weiter auszubauen, auch im Hinblick auf die mittelständischen Zulieferbetriebe, die sich bezüglich der Luftfahrtbranche spezielle Kompetenzen angeeignet haben. Hier muss ein Weg gesucht werden, vorübergehende Liquiditätsschwierigkeiten abzufedern und Überbrückungsmöglichkeiten zu bieten.

Vertraglich verpflichtet hat sich Airbus gegenüber der Hansestadt zur Endmontage des A380 und dessen Auslieferung am Standort Hamburg und hierfür wurde eigens die große Halle gebaut und die Landebahnverlängerung in Angriff genommen, die sehr viel früher als vereinbart fertig gestellt wird.

Bedeuten die Probleme von Airbus bei der Fertigung des A380 nun konkret eine Gefährdung des Werkes in Hamburg? Wohl eher nicht. Zuallererst schon einmal nicht für die Produktion der kleineren Flugzeugreihen A318, A319 und A321, die hier sehr erfolgreich gefertigt werden, und wohl auch nicht für die Endmontage des A380 und dessen Auslieferung an den Kunden. Es gibt derzeit keine stichhaltigen Anhaltspunkte, dass der Konzern über eine Verlagerung der Endmontage des A380 und seiner Auslieferung nachdenken würde. Das würde auch jeglichem betriebswirtschaftlichen Denken widersprechen, da bereits in die speziell für diese Flugzeuge errichteten Hallen in Hamburg massiv investiert wurde.

Eine Neuerrichtung in Frankreich würde zusätzliche Investitionen bedeuten. Eine solche Prozedur bringt nicht nur mehr Kosten, sondern hätte auch einen weiteren Stillstand zur Folge und das kann sich Airbus auf keinen Fall erlauben. Zudem zeigt Airbus keinerlei Anzeichen, sich nicht vertragsgetreu zu verhalten. Ganz im Gegenteil. Airbus hat sich der Hansestadt gegenüber stets als äußerst verlässlicher Partner gezeigt. Airbus kann und konnte immer durch das gute Zusammenspiel von Konzernführung, Senat, Behörde und Hochschule profitieren und um diesen Standortvorteil weiß Airbus.

Da das Unternehmen keine Absatzprobleme hat, sondern in der Abwicklung der Aufträge effizienter werden muss, entspricht es daher unserer Position, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu fördern und möglichst viele Arbeitsplätze hier bei uns zu erhalten und den Ausbau zu entwickeln.

(Beifall bei der CDU)

Airbus hat deutlich gemacht, am Standort Hamburg festzuhalten. Dieses wurde von dem Co-Chef der EADS, Herrn Enders, dem Ersten Bürgermeister und dem Bundeswirtschaftsminister gegenüber zum Ausdruck gebracht. Zudem wurde der Hansestadt zugesagt, in alle Entwicklungen frühzeitig eingebunden zu werden. Dem Wirtschaftssenator kann auch nur bescheinigt werden, dass er den Fortlauf sehr aktiv begleitet hat und immer für den Standort Hamburg kämpft. Daher muss der internen Entwicklung bei Airbus der Vortritt und dem Unternehmen Raum für eigene Entscheidungen gelassen werden. Airbus kann sich hierbei der vollen Unterstützung der Hansestadt gewiss sein.

(Beifall bei der CDU)

Daher sollte auch die Diskussion über die Krise Airbus sachlich und ergebnisorientiert geführt werden, im Sinne

des Unternehmens, der Arbeitsplätze und des Luftfahrtstandortes Hamburg.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Köncke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ahrons, zunächst einmal vielen Dank. Sie haben wieder sehr eindrucksvoll dargestellt, wie sich Hamburg engagiert hat und das auch noch mit eindeutigen Zahlen belegt. Hamburg hat inzwischen tatsächlich nicht nur 700 Millionen Euro investiert, unter anderem auch das Mühlenberger Loch zugeschüttet, die Neuenfelder Obstbauern enteignet und trotzdem, wenn ich die Zeitungen in den letzten Tagen richtig gelesen habe, bleiben Zweifel, ob die Zusagen, die von Airbus gemacht worden sind, tatsächlich eingehalten werden. Sie können auch nicht bestreiten, dass es da gewisse Zweifel gibt.

Entsprechende Verträge – und dafür sind solche Verträge da – sollten das Engagement, das Hamburg bisher geleistet hat, auch entsprechend absichern. In Zukunft wird es auch darauf ankommen, wie belastbar die vertraglichen Vereinbarungen sind. Auch das ist klar, meine Damen und Herren, ein Regressanspruch, der lediglich die bisher verauslagten Investitionen auffängt, ist nicht ausreichend. Mündliche Zusagen über Stellenaufbau waren etwas für gute Zeiten, in schlechten Zeiten sollten die Verträge gelten.

Der in der Zeitung "Die Welt" zitierte Vertrag vom 9. Juli 2004 solle – so hatte man gelesen – Regressforderungen in einer Höhe von 700 Millionen Euro begründen. Schon bei einer Verlagerung des Auslieferungszentrums für den A380 könnten 100 Millionen Euro eingefordert werden. Da habe man – so konnte man später lesen – einfach alle Investitionen zusammengerechnet. Für Herrn Senator Uldall – am 9. Oktober in der "Bild"-Zeitung zu lesen – war diese ziemlich gewagte Rechnung anscheinend Anlass genug, mit entsprechenden Schadensersatzforderungen zu drohen.

Meine Damen und Herren! Was steht jetzt wirklich in diesem Vertrag? Dieser Vertrag bedeutet doch die Grundlage dessen, was jetzt auch tatsächlich in Hamburg eingefordert werden kann. Man kann viele Versprechungen und Zusagen machen, grundsätzlich kommt es natürlich auf den Vertrag an. Dieser Vertrag sagt in Paragraf 6 nicht mehr und nicht weniger und das möchte ich gerne zitieren:

"Die Airbus Deutschland GmbH hat der Freien und Hansestadt Hamburg dabei insbesondere die Aufwendungen für die Infrastrukturmaßnahmen des Deich- und Straßenbaus sowie der Änderung der Wasserwirtschaft zu ersetzen.

Absatz 3: Art, Umfang und Leistungszeitpunkt des Ersatzes werden durch einen von den Vertragsparteien festzulegenden Schiedsgutachter bestimmt."

Meine Damen und Herren! Was heißt hier "insbesondere" und was kann hiermit tatsächlich geltend gemacht werden?

Von Siemens und BenQ konnten wir lernen, wie man es nicht machen sollte. Der Hamburger Senat – und dann gelten diese Verträge – wird sich hier der Verantwortung stellen müssen.

(Beifall bei der GAL)

Die Senatsdrucksache – und das ist auch ein Beispiel für eine Fehleinschätzung der Situation – vom April 2006, der Bericht, der der Bürgerschaft vorgelegt wurde, liest sich wie eine mehr oder weniger Hochglanzbroschüre von EADS. Da waren 1500 erwartete Verkäufe vorgelegt worden, eine einmalige Kabinenausstattung für eine Verdoppelung des Luftverkehrs in den nächsten 15 Jahren und so weiter. Es wurde viel Prestige und Selbstlob dargestellt, wenig kritische Reflektion, also nicht nur im Management, sondern auch in der Hamburger Senatspolitik.

Meine Damen und Herren! Was ist passiert, seitdem diese Glanzzahlen präsentiert worden sind? Die heutigen Probleme sind nicht nur irgendeine Verzögerung, sondern beschreiben Rückstände von mehreren Jahren. Das ergibt sich nicht über Nacht, sondern hier scheinen tatsächlich – wir haben es schon von Herrn Petersen gehört – die Eigeninteressen und Rivalitäten im Management eine realistische Einschätzung und entsprechende Unternehmensstrategie verhindert zu haben. Den Schaden tragen im Moment die Mitarbeiter, hier vor allem die Belegschaften und Betriebsräte. Hier finden im Moment die Rettungsmaßnahmen statt, nicht bei den Managern und nicht in der Politik.

Meine Damen und Herren! Nicht mir, aber vielleicht den Mitarbeitern geschuldet, wäre das doch ein Applaus wert.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir kommen zu Punkt 3, Drucksache 18/5074: Wahl von 27 Abgeordneten für die Regionalkonferenz 2006 zur Metropolregion Hamburg.

[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 27 Abgeordneten für die Regionalkonferenz 2006 zur Metropolregion Hamburg – Drucksache 18/5074 –]