denn wer glaubt, mit dem Schülerregister seien alle Probleme rechtsstaatlich beseitigt, macht es sich etwas zu einfach. Deutschland ist nun einmal seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland und damit auch zunehmend eines, in das illegal eingewandert wird. Wir können in Deutschland, selbst in Hamburg, illegale Einwanderung nicht verhindern und müssen uns deshalb deren Folgen entsprechend stellen. Wenn es Menschen in Hamburg gibt, die, aus welchen Gründen auch immer, hier illegal leben, dann darf es nicht dazu kommen, dass deren Kinder am meisten darunter leiden.
Wir haben es spätestens, wenn es um die Kinder dieser Illegalen geht, mit einem klassischen Fall von Rechtsstaat auf der einen Seite und dem Gebot der Menschlichkeit auf der anderen Seite zu tun.
Insofern hat der Appell der 70 Menschen aus Hamburg auch sein Ziel erreicht. Wir diskutieren heute über diesen Konflikt und der Appell hat dazu entscheidend beigetragen. Nicht umsonst hat die hamburgische Presselandschaft dieses Thema ziemlich hoch aufgehängt.
Es kann für uns kein Zweifel daran bestehen, dass die hier illegal lebenden Menschen gegen Gesetze verstoßen. Aber muss man deren Kinder, die ohnehin schon unter dieser Situation leiden, noch zusätzlich bestrafen, indem man ihnen den Schulbesuch erschwert, möglicherweise verwehrt? Es darf nicht das Ergebnis der Einführung des Schülerregisters sein,
dass diese Kinder nicht mehr in die Schule kommen. Denn die Schule ist der einzige Schonraum, den diese Kinder noch haben. Wo sollen sie denn noch hin, wenn sie gerade durch ihren Schulbesuch die Lage der gesamten Familie aufs Spiel setzen?
Von daher erreicht dieses zentrale Schülerregister, so wie es zurzeit aufgebaut ist, gerade im Fall der Illegalen genau das Gegenteil: Es werden uns Kinder verloren gehen. Bildung ist aber für Kinder ein UNO-Menschenrecht. Das konnten auch Sie der Presse entnehmen, Frau Senatorin. Für die SPD-Fraktion ist daher klar, dass wir für dieses zentrale Schülerregister sind und immer sein werden, aber wir stellen uns zumindest die Fragen, ob man alle Daten, die in Paragraf 1 dieser Verordnung genannt sind, auch wirklich erheben muss und ob die Innenbehörde darauf ebenfalls Zugriff haben muss.
Die Diskussion, Wege zu finden, wie man diesen Zielkonflikt zwischen Rechtsstaat und Menschlichkeit bei der Ausgestaltung des Schülerregisters lösen könnte, zeichnet für mich die SPD aus und darauf bin ich stolz.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL – Erste Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, ich habe mich gestern Abend über die sehr offenen und wie ich dachte ehrlichen Worte bei "Schalthoff live" gefreut. Ich habe jetzt das Gefühl, dass es entweder nicht ernst gemeint war, was Sie gesagt haben, oder dass Sie Druck aus der Innenbehörde bekommen haben und jetzt diese Rede halten mussten.
Ich frage an dieser Stelle noch einmal: Brauchen wir ein Schülerregister? Wir Grüne haben von Anfang an an der Wirksamkeit dieses Instruments gezweifelt. Wir alle wissen, dass das zentrale Schülerregister den Fall von Jessica nicht verhindert hätte. Sie wollen das Register trotzdem, weil Sie hoffen, vernachlässigte Kinder in die Schule zu bringen. Ich zweifle, ob man damit Erfolg hat. Ich zweifle aber nicht an den guten Absichten, die auch eben von der SPD noch einmal wiederholt wurden. Nur, in der Ausgestaltung gibt es Differenzen. Wir haben dem Register übrigens nicht zugestimmt.
Für vernachlässigte Kinder muss aus humanitären Gründen, und weil sie ein Recht auf Bildung haben, alles getan werden, um sie in die Schule zu holen. Genau dasselbe gilt für Kinder ohne Aufenthaltsstatus.
Es geht um das "Wie". Sie haben den Appell an Ihrem Platz liegen. Es muss alles getan werden, dass sie in der Schule bleiben – wie es eben von Herrn Buss schon gesagt wurde – oder in die Schule kommen. Sie können sich an fünf Fingern abzählen, dass Eltern, die um die Abschiebung der ganzen Familie fürchten, ihre Kinder nicht an der Schule anmelden werden, wenn sie wissen, dass diese es der Ausländerbehörde meldet.
Mitten in diesem Konflikt stehen unsere Schulleiterinnen und Schulleiter. Diese sind angetreten, Kinder zu unterrichten, zu schützen und zu erziehen. Diese sind angetreten, um das Recht der Kinder auf Schulbesuch umzusetzen, wie es in Paragraf 1 unseres Hamburger Schulgesetzes steht, und zwar für ausnahmslos alle Kinder in Hamburg. Dort ist es festgeschrieben. Nun kommen sie in den Konflikt, dass sie etwas machen sollen, was einerseits der Gesetzgeber will – nämlich melden –, andererseits im Konflikt zum Schulgesetz steht. Die Frage ist: Wie soll man sich verhalten, wenn ein Gesetz sich gegen das andere ausschließt? Wir haben diese Problematik schon einmal bei dem neuen Ausländerrecht 1991 gehabt, als das Ausländerrecht gegen das Kinder- und Jugendhilfegesetz stand. Jede Schulleiterin und jeder Schulleiter, die sich und der sich für das Recht des Kindes auf Schulbesuch entscheidet, hat meinen und den vollen Respekt unserer Fraktion.
Wir brauchen so engagierte, so couragierte Schulleiter für die Kinder in Hamburgs Schulen. Wir müssen uns noch einmal anschauen, Herr Heinemann, um welche Kinder es eigentlich geht. Sie kennen den Fall Yeşim. Die Presse hat viel über diese Kinder geschrieben. Es geht um Kinder, die hier in Hamburg geboren sind, die deutsch sprechen, die integriert sind, die sechs, zwölf Jahre oder länger hier sind, die in die Kita, in die Schule gehen. Die Kinder können nichts dafür, wo sie leben und wann sie leben. Es geht nur um das Wohl der Kinder, unabhängig von ihren Eltern. Es geht um das Recht auf Bildung und ärztliche Versorgung.
"Wenn sich Kinder jahrelang in einem illegalen Status befinden, ist das für sie psychisch sehr belastend."
Um welche Heimat geht es eigentlich? Die Heimat dieser Kinder ist Hamburg. Was anderes kennen sie zum großen Teil gar nicht. Haben Sie auch einmal an die Furcht der Kinder, in ein Land geschickt zu werden – ob Afghanistan oder Dafour –, abgeschoben zu werden, wo sie weder Sprache noch Land kennen, wo Hunger und Krieg herrscht? Das ist für die Kinder ebenfalls belastend. Davor haben sie vielleicht die größte Angst und die ist berechtigt.
Jeder hier, der weiß, wie rigoros die Hamburger Ausländerpolitik in puncto Abschiebung ist, muss das bedenken. Auch die Schülerin Yeşim und ihre Mutter sollten abgeschoben werden. Erst nach wochenlangen öffentlichen Auseinandersetzungen, wo wirklich die Unmenschlichkeit auf dem Tisch lag, hat die Härtefallkommission diese richtige Entscheidung treffen können, dass Yeşim hierbleiben kann.
Wenn Sie, Herr Heinemann, das gestern Abend ehrlich meinten, wenn Sie den Eltern die Angst nehmen wollen, wenn Sie hinschauen wollen, wenn Sie wirklich helfen wollen, dann müssen Sie glaubhafte Signale senden, dann müssen Sie jetzt den Druck von den Schulleitern nehmen, dann müssen Sie den Fall Yeşim zur Regel machen und garantieren, dass Kinder ohne Aufenthaltsstatus wirklich ohne Angst vor Entdeckung geschützt werden.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wenige Tage nach dem Tod der kleinen Jessica aus Jenfeld – das war genau am 9. März 2005 – haben wir hier in der Bürgerschaft eine sehr besonnene, noch ganz unter dem Eindruck dieses tragischen Todesfalls stehende Debatte geführt. Alle Fraktionen und der Senat waren sich damals einig, dass so etwas in Hamburg nie wieder geschehen dürfe und dass deshalb auch
ich betone: auch – die Vernetzung der Behörden und ihrer Informationen deutlich verbessert werden müsse.
Alle waren sich insbesondere darüber einig, dass ein schnellerer Zugriff auf die Daten von Schülerinnen und Schülern, die in der Schule dauerhaft fehlen, dringend nötig sei, um eben nicht so viel Zeit verstreichen zu lassen. Der Senat und die CDU haben entsprechend zugunsten des Kindeswohls unverzüglich gehandelt. REBUS-Mitarbeiter sollten umgehend das Jugendamt benachrichtigen. Wir haben den Schulzwang im Schulgesetz eingeführt, wir haben die Absentismus-Richtlinie überarbeitet und wir führen jetzt das zentrale Schülerregister ein, um schnell nötige Daten zu übermitteln. So sichern wir den Schulbesuch aller Kinder in unserer Stadt.
waren vor anderthalb Jahren mit uns der Meinung, dass diese bessere Verknüpfung der Behörden nötig sei. Ich zitiere aus Ihrer Rede vom März 2005:
"Dann müssen daraus Konsequenzen gezogen werden, sei es, systemische Fehler abzustellen und die verbindliche Koordination zwischen den Ämtern anzuweisen, …"