Protocol of the Session on September 27, 2006

Und – da müssen die Grünen mal einen Augenblick weghören – Herr Reinert hat gesagt, man befürchte, dass man handlungsunfähige Bezirksversammlungen haben wird. Schauen Sie doch mal nach Altona. Das, was da gemacht wird, ist doch das Beispiel für eine handlungsunfähige Bezirksversammlung und davor wollen Sie uns mit dem neuen Wahlrecht beschützen?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der GAL)

Nun noch etwas zum Bürgermeister. Ole von Beust hat in einem Interview der "Hamburger Morgenpost" gesagt:

"Wahlrecht und Wahlrechtsänderung ist allein die Sache des Parlaments."

Das kann so sein. Aber wenn ich mich richtig erinnere, wird ein Bürgermeister von einem Parlament gewählt.

Deshalb ist es natürlich umso wichtiger, lieber Herr Bürgermeister – er ist nicht da, aber das wird er sicher hören –, dass das Wahlrecht des Parlaments auch eines ist, mit dem der Bürgermeister leben kann. Deshalb kann man sich da nicht so einfach herausmogeln und sagen, das macht schon das Parlament.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ihnen gehen mit dem heutigen Tag, mit der heutigen Entscheidung Bündnispartner von der Stange. Herr Weidmann vom Bürgerverein hat Ihnen schon einmal ins Stammbuch geschrieben, dass die Leuchttürme dieser Stadt nicht wählen können und das ist auch so. Elbphilharmonie und Tamm-Museum werden nicht zur Wahl gehen, sondern die Bürger aus Jenfeld, Wilhelmsburg und anderen Stadtteilen werden hoffentlich in großer Zahl zur Wahl gehen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Seien Sie vorsichtig, dass Sie sich in dieser Frage nicht weite Teile dieser Stadt verprellen. Ich hoffe, dass das die GAL mit den Äußerungen von Frau Hajduk und der zukünftigen Koalitionsbildung durchhält. Dann ist auch dieser Bündnispartner von der Stange.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich will noch einen Satz zu den Nichtwählern sagen, weil ich glaube, dass das, was die CDU heute mit ihren Stimmen durchsetzt, ein weiterer Baustein ist, Nichtwählen schick zu finden. Das haben wir in MecklenburgVorpommern das erste Mal gesehen. Da ist es politisch in Ordnung, vor Kameras zu sagen, dass man nicht zum Wählen geht. Das bedeutet natürlich auch immer einen Mangel an Engagement, das bedeutet auch immer ganz bestimmt verfehlte Politik demokratischer Parteien.

(Zurufe von der CDU: Rot-Rot!)

Ich höre die Zwischenrufe, wer da regiert, sehr wohl. Wir werden bei den Kommunalwahlen auch Beispiele in Niedersachsen finden, bei denen es auch nicht so toll war. Aber das nur nebenbei.

Ich glaube, dass wir mit diesem Verständnis von Volksgesetzgebung …

(Unruhe bei der CDU-Fraktion)

Ich kann ja verstehen, dass die CDU unruhig ist, das müssen Sie den einfach nachsehen.

(Karen Koop CDU: Es ist ja schon Methode ge- worden, immer dazwischen zu reden!)

Frau Koop, dürfen Sie nicht nach mir reden? – Doch? Okay.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann muss man doch einfach sehen, dass das, was die CDU heute mit ihren Stimmen durchzieht, ein weiterer Baustein ist auf dem Weg, Nichtwählen akzeptabel zu finden und da machen wir natürlich nicht mit. Sie haben vorhin immer gesagt, Sie müssten Verantwortung für diese Stadt übernehmen. Verantwortung für diese Stadt und den richtigen Umgang mit der Volksgesetzgebung zeigt diese Seite des Hauses und wir zeigen Verantwortung für diese Stadt. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Dr. Langhein hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Dressel, sofern Sie sich vielleicht auf abgehörte oder durchgestochene Zitate von mir berufen wollen,

(Lachen bei der SPD und der GAL)

agieren Sie als Gedankenpolizist und dies finde ich persönlich nicht nur unanständig, es ersetzt kein einziges Argument von Ihrer Seite.

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Die heute von der CDU-Fraktion eingebrachten Änderungen zum hamburgischen Wahlrecht sind in den Kernbereichen nach Ansicht der CDU-Fraktion demokratische Notwendigkeiten. Ich möchte nur drei Bereiche, von denen Herr Reinert schon einzelne aufgezählt hat, benennen, die dies anschaulich machen.

Aus der Geschichte der Weimarer Republik wissen wir, dass eine Zersplitterung des Parlaments in viele Kleingruppen extremistische Parteien gestärkt hat und eine Partei- und damit Demokratieverdrossenheit – das ist noch viel schlimmer – hervorrief. Es ist daher unsere Pflicht, an der 5-Prozent-Klausel insgesamt, also auch in den Bezirksparlamenten, festzuhalten, um extremistische Parteien zu verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Wer die 5-Prozent-Klausel schleifen möchte, der muss auch sagen, wohin das führen kann. Zur Geschichte der 5-Prozent-Sperrklausel weise ich darauf hin, dass ein Fehlen dieser Sperrklausel bei den Bezirksversammlungswahlen 1992 und 1997 zu einer Verdoppelung der durchschnittlich in jeder Bezirksversammlung vertretenen Parteien geführt hätte. Zur Veranschaulichung: Hätten beispielsweise die Republikaner oder die PDS bei den Bezirksversammlungswahlen 1997 im Bezirk Nord etwas mehr als 2000 Stimmen bekommen, wäre ihnen ein Sitz sicher gewesen.

(Dr. Till Steffen GAL: Das ist Demokratie!)

Erfahrungsgemäß führt der Verzicht auf eine Sperrklausel zu einer weiteren Zunahme der Zahl der für Kleinparteien abgegebenen Stimmen.

(Bernd Reinert CDU: Stimmt!)

Die Gefahr einer Parteienzersplitterung ist damit noch größer, als sie sich auf der Grundlage der angenommenen Berechnungen darstellt. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass klare und in ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in einer Volksvertretung gewährleistet sind. Meine Damen und Herren von der Opposition, dazu habe ich von Ihnen inhaltlich während der gesamten Beratungen – auch von Ihnen, Herr Neumann – nichts gehört.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Aber die Gedanken sind doch frei! – Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Sie wissen aber schon, dass die Verfassungsgerichte in diesem Land inzwischen andere Urteile gefällt haben und die Parteienzersplitterung, wie Sie sie jetzt hier an die Wand malen, nicht das Kriterium für Kommunalparlamente war, die 5-Prozent-Hürde zu schleifen.

Herr Müller, ich kenne die ganzen Verfassungsgerichtsentscheidungen und insbesondere auch die Verfassungsgerichtsentscheidung von Hamburg. Und genau die hamburgische Verfassungsgerichtsentscheidung spricht gegen Ihre Argumente

(Beifall bei der CDU)

und Sie, Herr Müller, als Obmann im Verfassungsausschuss, haben sich mit dieser Problematik überhaupt nicht befasst. Warum nicht?

(Wolfhard Ploog CDU: Hört, hört! – Kai Voet van Vormizeele CDU: Er hat es nicht verstanden!)

Es wundert mich, dass die Opposition die 5-ProzentHürde geschleift sehen möchte. Stichhaltige Argumente hierfür habe ich bis heute keine vernommen, es gibt sie einfach nicht.

(Beifall bei der CDU)

Die Einrichtung der 5-Prozent-Hürde steht auch im Zusammenhang mit der Einführung der Relevanzschwelle. Politische Meinungsbildungsprozesse finden naturgemäß in den Parteien statt. Diese Meinungsbildungsprozesse erfolgen demokratisch und werden in Parteitagsbeschlüssen festgehalten, die den Bürgerinnen und Bürgern eine Richtschnur geben, um eine Wahlentscheidung zu treffen. Die Parteien stellen ihre Kandidaten danach auf, wer diese am besten im Parlament vertreten kann, Herr Dr. Dressel. Hierzu stellen sie Kandidatenlisten auf, um ihre politische Richtungsentscheidung abzusichern.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Waren Sie nun dafür oder waren Sie dagegen?)

Weshalb dieser demokratische Prozess innerhalb der Parteien falsch sein sollte, erschließt sich aus keinem einzigen Argument der Opposition und auch nicht aus der Wahlrechtsinitiative. Jedenfalls habe ich dazu von Ihnen nichts gehört. Weshalb sollen die Parteien nicht die Möglichkeit haben, in ihrer Wahlkreiskandidatenliste eine Gewichtung für eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorzunehmen? Hierzu schweigt die Opposition und auch die Wahlrechtsinitiative.