Herr Neumann, erkundigen Sie sich vielleicht einmal bei jemandem, was das Wort Willkür und was willkürliche Verfolgung eigentlich bedeutet.
Wir stimmen völlig darin überein, dass die Immunität ein wichtiger Bestandteil der hamburgischen Verfassung ist und sie das freie Mandat des Abgeordneten sichern soll. Hier herrscht absoluter Konsens.
Aber wenn der Vorwurf erhoben wird, dass ein Abgeordneter oder mehrere ihre besonderen Rechte, die sie als Parlamentarier haben – in diesem Falle Akteneinsicht –, dahingehend ausnutzen, dass sie über das Recht auf Akteneinsicht hinaus für sich möglicherweise auch ein Recht auf Pressearbeit ableiten, dann führen wir unsere eigenen Regelungen ad absurdum, wenn wir bei
möglichen Verstößen, Herr Dobritz, gegen die Datenschutzordnung, möglicherweise gegen das hamburgische Datenschutzgesetz – das kann ich als Nichtjurist nicht endgültig beurteilen und es können hier vielleicht weitere gesetzliche Probleme auftauchen – für uns als Abgeordnete das Privileg in Anspruch nehmen können, zu sagen: Es darf nicht ermittelt werden, wenn das Ziel nicht ist, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes oder die Arbeit eines einzelnen Abgeordneten lahmzulegen, sondern nur eine Überprüfung durch eine unabhängige Instanz, die Staatsanwaltschaft, stattfindet.
Wenn die Staatsanwaltschaft zu einem Ergebnis gekommen ist, dann wird sie entweder erklären, dass das Verfahren eingestellt wird oder dass ein Richter entscheiden muss.
Jetzt werden Sie mir als nächstes auch noch sagen, dass wir keine unabhängigen Richter in diesem Land haben.
Warum wollen wir uns hier über das Gesetz stellen, das wir uns selbst mit der Datenschutzordnung der Bürgerschaft gegeben haben? Dennoch wollen Sie hier dieses Recht einfordern. Die CDU-Fraktion wird sich der Stimme enthalten. Bitte übernehmen Sie hierfür die Verantwortung.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich glaube, das Immunitätsrecht in seinem klassischen Sinn – das heißt also, Schutz der parlamentarischen Rede, Schutz der parlamentarischen Öffentlichkeit und Schutz des parlamentarischen Agierens – ist vor allen anderen Gesichtspunkten ein Recht, das großzügig und nicht eng ausgelegt werden muss. Wir haben dieses Recht in Bezug auf private Verfehlungen eingeschränkt.
Ich finde es vernünftig, dass Parlamentarier in Bezug auf private Verfehlungen nicht geschützt werden sollen. Aber wenn ein Abgeordneter sozusagen dem Dauerverdacht ausgesetzt werden kann – und das möglicherweise auch durch potente Private und deren Anwälte –, dass er sich in einem Moment der Informationsbeschaffung für beispielsweise seine öffentliche Rede in einem Punkt möglicherweise Verfehlungen geleistet hat, dann sitzen wir alle später, wenn wir uns mit großen Interessen auseinandersetzen, mit verschlüsselten Mäulern da. Das kann nicht Sinn eines Parlamentes sein.
Sie haben Recht, dass es auch nicht sein kann, dass, was weiß ich, ein Abgeordneter einen Status jenseits der Gesetze für sich beansprucht.
Zumindest ist es aber so, dass sehr viele in diese Akten hineingeschaut haben. Wenn wir das zu einem Grund machen, Ermittlungsverfahren gegen einzelne Parlamentarier zuzulassen – also einen Eingriff in unsere Redemöglichkeiten –, dann gefährden wir das Wichtigste, was wir gewährleisten müssen und wozu wir privilegiert sind, nämlich die Öffentlichkeit in einem Land sicherzustellen, auch wenn heute nicht mehr die Hauptgefahr von der Exekutive – wie im Dritten Reich – ausgeht. Heute glaube ich eher, dass die Gefahr für die Öffentlichkeit in großen organisierten privaten Interessen besteht, die auch in der Lage sind, durchzusetzen, dass über bestimmte Güter, bestimmte Praktiken oder Äußerungen in einer bestimmten Art und Weise nicht mehr offen geredet werden kann, ohne dass sofort eine Klage droht, sei es Beleidigung oder sonst irgendetwas.
Daher glaube ich, dass wir in der Auslegung dieser Regelung in Bezug auf ihren eigentlichen politischen Sinn großzügig sein müssen. Ich finde es schon vernünftig, dass Sie sich zumindest enthalten, aber weiser hätte ich es gefunden, Sie hätten sich hier einmal richtig zum Parlament bekannt. – Danke schön.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist aber von denen nicht zu erwarten! – Beifall bei der GAL und der SPD)
Die Abgeordneten Kerstan und Dr. Schäfer haben mir mitteilen lassen, dass sie an der Abstimmung nicht teilnehmen werden.
Wer möchte dem gemeinsamen Antrag von SPD- und GAL-Fraktion aus Drucksache 18/4917 zustimmen, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig bei Enthaltungen angenommen worden.
Wir kommen zum Punkt 49 der Tagesordnung, Drucksache 18/4970, Antrag der SPD-Fraktion: Verbraucherschutz endlich stärken – Gammelfleisch verhindern!
[Antrag der Fraktion der SPD: Verbraucherschutz endlich stärken – Gammelfleisch verhindern! – Drucksache 18/4970 –]
Wer möchte diesen Antrag annehmen, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Wir sehen uns in 13 Tagen wieder. Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachhauseweg.
Hinweis: Die mit * gekennzeichneten Redebeiträge wurden in der von der Rednerin beziehungsweise vom Redner nicht korrigierten Fassung aufgenommen.
In dieser Sitzung waren die Abgeordneten Robert Heinemann, Dr. Andreas Mattner, Dr. Barbara Brüning, Dr. Dorothee Stapelfeldt, Christa Goetsch, Dr. Heike Opitz und Dr. Till Steffen nicht anwesend.
17 18/4855 Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 9. Februar 2005 (Drucksache 18/1722) – Nachhaltigkeits- und Präventionsprojekte als flankierende Maßnahmen für die rauchfreie Schule –