Protocol of the Session on September 14, 2006

Auch diesen Antrag haben Sie abgelehnt.

Ich sage "Schwamm drüber" und möchte ein paar Worte zu Ihrer inhaltlichen Stoßrichtung sagen, die Sie hier wieder angebracht haben. Das atmet einfach die völlige Konzeptionslosigkeit des Senates in diesem Bereich.

Da Sie offensichtlich nicht den Dreh herausfinden, wie Sie die Förderung der Langzeitarbeitslosen vernünftig organisiert bekommen, stehlen Sie sich aus der politischen Verantwortung und legen mit Ihrem Antrag dem Senat das nahe, was er schon die ganze Zeit macht, nämlich die vorhandenen Gelder, die er hier in der Stadt nicht vernünftig eingesetzt bekommt, lieber in den ersten Arbeitsmarkt zu stecken.

Hier lohnt es sich einmal, kurz dahinter zu blicken, was das eigentlich heißt. In Wahrheit haben Sie für diese Umwidmung – eigentlich ist das keine Umwidmung, sondern ein Missbrauch der Gelder – selbst auf der sehr wirtschaftsliberal agierenden EU-Ebene keine Unterstützung. Man hätte eigentlich denken können, dass die EU möglicherweise gerade für den ESF-Bereich entsprechend ähnliche Vorschläge wie die Ihrigen in ihren Leitlinien dargelegt hätte.

Schauen wir uns doch einmal die Leitlinien der EU für Wachstum und Beschäftigung für die Jahre 2005 bis 2008 genauer an. Dort finden Sie unter anderem die Leitlinien: Investitionen und Humankapital steigern und optimieren, die Außenweiterbildungssysteme auf neue Qualifikationen ausrichten, den Arbeitsmarkterfordernissen der Langzeitarbeitslosen besser gerecht werden und die Arbeit für Nichterwerbstätige lohnender machen.

Ich hätte wenigstens erwartet, dass Sie hier – auf diesen Punkt bezogen – für Langzeitarbeitslose eine Brücke zu Ihrem Hamburger Kombilohn-Modell schlagen. Das hätte an dieser Stelle gepasst, doch nicht einmal das findet sich bei Ihnen wieder.

Sie wollen also noch mehr als bisher Gelder in Ihre wirtschaftspolitischen Projekte umlenken, die Sie ansonsten nicht vernünftig aus dem Haushalt finanziert bekommen und stellen einfach die Schutzbehauptung auf, dass das die Beschäftigung fördern würde.

Die Beschäftigung in Hamburg ist im letzten Jahr aber nicht ein wenig gewachsen, weil Sie seit einem Jahr die Arbeitsmarkttitel umwidmen, sondern weil Sie die Cluster Ihrer SPD-Vorgängersenate, nämlich Luftfahrt und Logistik im Hafen, konsequent fortgesetzt haben.

Ihre umgewidmeten Millionen aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind letztlich, wenn man sich das volkswirtschaftlich ganz genau anschaut, nicht mehr als ein Konjunkturprogramm, die klassische Wirtschaftspolitik der Siebziger- und Achtzigerjahre, und wirklich nicht sehr einfallsreich. Aber ich glaube, das fällt Ihnen offensichtlich in diesem Punkt nicht einmal auf.

Es ist mir aber eine große Genugtuung, Ihnen darzulegen, dass das einen Ihrer Senatskollegen zumindest inzwischen ins Grübeln gebracht hat. Ihr Finanzsenator, Herr Dr. Peiner, hat am Dienstag während der Haushaltsberatung des Einzelplans 4 seine Irritation darüber zum Ausdruck gebracht, dass zwar die Beschäftigung in Hamburg ein wenig steige, aber parallel dazu auch die Zahl der Hilfeempfänger zunimmt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass offensichtlich Menschen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein ihren Weg hierher zu uns in Beschäftigung finden, was wir sicherlich auch sehr begrüßen, nur aber die Hamburger nicht, die einer besonderen Förderung bedürfen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, das war ein starkes Stück!)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, ist ein ganz schlechtes Zeugnis für Ihre Politik. Es gibt hierfür einen ganz klaren Indikator. Das ist die Zahl der gestiegenen Langzeitarbeitslosen, die einen absoluten Höchststand wie nie zuvor erreicht hat.

Nebenbei bemerkt, loben Sie sich hier für einen Beschäftigungsanstieg. Das Beschäftigungsniveau in Hamburg ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr und beginnt sich erst langsam wieder zu erholen. Die letzten vier Jahre haben den größten Beschäftigungsabschwung zu verkraften. Ihre Behauptung, das sei ein toller Erfolg, ist ungefähr so, als wenn eine Mannschaft, die 0 : 4 zurückliegt und endlich ein Tor geschossen hat, glaubt, sie hätte jetzt gewonnen. Ich denke, Sie müssen sich noch ein bisschen mehr anstrengen, bevor Sie das hier behaupten können.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Jetzt wollen Sie noch mehr Fördermittel streichen und auch die ESF-Mittel umlenken. Für die Arbeitslosen dieser Stadt, denen Sie das Geld wegnehmen, ist das eine weitere schwere Belastung. Das wollen Sie fortsetzen und das ist bitter. Daher ist dieser Antrag falsch und wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei Manuel Sarrazin GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Köncke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Hochheim, vielen Dank erst einmal für Ihren Antrag. Endlich wird auch hier in Hamburg ein umfassenderes Konzept eingefordert, was wir ganz dringend benötigen, auch um eine Planungssicherheit für immerhin fast 90 Millionen Euro zu haben. Bisher ist vom Senat kein besonders großes Interesse deutlich geworden. Das ist erst einmal – denke ich – natürlich die richtige Stoßrichtung.

Alles andere – und hierzu hat Herr Dees natürlich auch schon eine ganze Menge ausgeführt – ist fatal. Es lohnt sich gar nicht mehr richtig, sich hierüber aufzuregen, denn es hat immer wieder die gleiche – ich nenne das mal – simple Zielrichtung, zu erklären, dass mit arbeitsmarktpolitischen Mitteln auf den ersten Arbeitsmarkt die Arbeitslosigkeit sinkt und das Ganze nennen Sie die "Wachsende Stadt". Das ist jedes Mal die gleiche fatale und hierbei auch ein bisschen simple Kurzschlüssigkeit.

Dieser Antrag ist eine ziemlich fatale Verengung, dem dann im Anschluss leider erst einmal die Überlegung folgt, ein Konzept vorzulegen, was ich auch könnte. Sie haben von Indikatoren gesprochen und das kann man auch sehr schön an einigen Indikatoren belegen.

Sie haben diese Ausrichtung auf den ersten Arbeitsmarkt inzwischen evaluiert. Wir haben Ergebnisse für diese Politik. Wir haben nämlich Ihr einziges Instrument, das Ein-Euro-Job-Programm inzwischen ausgewertet. Was ist eigentlich bei dieser Auswertung herausgekommen?

Bei dieser Auswertung ist herausgekommen, dass wir eine sehr hohe Abbruchquote von teilweise 50 Prozent bei Jugendlichen und eine nicht nachvollziehbare Integrationsquote von 10 bis 20 Prozent haben. Man weiß nicht so genau, woran es tatsächlich liegt. Immerhin haben wir relativ hohe Kosten von 20 000 Euro für Integration, wenn es dann Integration ist, denn auch das geht in den geförderten Arbeitsmarkt. Das ist Ihr Erfolg von Ihrer tatsäch

lichen Arbeitsmarktpolitik, denn hierüber reden wir und über nichts anderes.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Hans- Christoff Dees SPD)

Auch was das Hamburger Modell oder Kombi Plus betrifft, das Sie weiterhin beschreiben und worauf Sie immer wieder stolz sind, gebe ich gern zu, dass wir hier eine größere Durchlässigkeit in den ersten Arbeitsmarkt haben. Aber wenn Sie alles nur auf diesen Sektor konzentrieren, ist dieses Instrument auch ganz schnell verbrannt, denn hier ist die Aufnahmefähigkeit des Hamburger Arbeitsmarktes natürlich auch begrenzt.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und bei Hans- Christoff Dees SPD)

Was haben wir stattdessen? Das hat Herr Dees doch ganz deutlich herausgestellt. Wir haben stattdessen – und schauen Sie sich die Statistik doch endlich einmal genauer an – hier einen Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit und gleichzeitig eine Verfestigung in Langzeitarbeitslosigkeit. Genau dort, wo Arbeitsmarktpolitik ansetzen sollte zementieren Sie die Spaltung des Arbeitsmarktes.

So viel zu meiner Kritik. Versuchen wir einfach mal, einen Weg zu gehen, was wir hier verändern können und welche Perspektiven es gibt. Zwei Perspektiven würde ich Ihnen gern mit auf den Weg geben.

Es geht hier darum, die Idee und Zielsetzung des Europäischen Sozialfonds tatsächlich aufzunehmen, zu entwickeln und ihm gerecht zu werden. Das betrifft nicht nur die Hamburger Arbeitsmarktpolitik, sondern wir haben hier den Europäischen Sozialfonds und die europäische Idee, die es umzusetzen gilt. Sie sagen, dass Sie de facto Wachstumsimpulse setzen wollen. Wie wollen Sie das durchführen und welche Idee steckt dahinter? Zwei Ideen stecken dahinter.

Einerseits nennt sich das Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und Arbeitskräfte. Das ist Ihre Wirtschaftspolitik. Andererseits kommt noch hinzu, dass soziale Ausgrenzung und Abspaltung aufzuhalten und Integration zu gewährleisten sei. Das ist die klassische Sozialpolitik. Beides zusammen, die Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik, begründen Arbeitsmarktpolitik. Man kann Ihnen doch einfach mal zumuten, zwei Dinge zusammenzudenken und daraus eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik zu gestalten.

Andererseits hat Hamburg eine große Chance, denn wir reden hier doch über 90 Millionen Euro.

(Beifall bei der GAL und bei Hans-Christoff Dees und Wolfgang Marx, beide SPD)

Wir haben die große Chance, die Steuerungsmöglichkeiten auf die regionalen Bedingungen des Arbeitsmarktes auszunutzen und hiermit vor allem die besondere Sozialstruktur der Großstadt und Metropolregion Hamburg zu berücksichtigen.

Also, Frau Dr. Hochheim, nicht immer nur die Sahne abschöpfen und nicht immer nur diejenigen berücksichtigen, die ohnehin in den ersten Arbeitsmarkt gehen, sondern auch die Potenziale aus der Bandbreite und der Tiefe der Stadt gleichermaßen bedenken. Was heißt das konkret und wie können wir das erreichen?

Zum einen müssen Kompetenzen und Qualifikationen dieser Langzeitarbeitslosen, die nicht sofort greifbar und

zugänglich sind, entwickelt werden. Zum anderen sind die unterschiedlichen Lebenssituationen in dieser Stadt zu berücksichtigen.

Das ist unsere große Chance. Es geht einerseits um die Eingliederung und Qualifikationen der Arbeitslosen und andererseits darum, diese 90 Millionen Euro für ein Thema einzusetzen, dass eigentlich auch Ihnen besonders am Herzen liegen sollte und für das der Senat jetzt ein großes Programm zumindest angekündigt hat, nämlich die soziale Struktur in bestimmten Stadtteilen und benachteiligten Quartieren zu stärken und miteinander zu verbinden.

Frau Dr. Hochheim, Ihr Antrag ist nicht nur falsch, sondern leider auch in der einseitigen Ausrichtung, worüber wir schon häufig diskutiert haben und Sie leider keinen Schritt weitergekommen sind, gleichermaßen banal. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, wenn Sie ein Konzept fordern, dieses auch einigermaßen ausdifferenzieren. Ich wundere mich immer wieder: So viele Köpfe in der CDU, aber keine Ideen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Hochheim.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf Ihren letzten Satz: "So viele Köpfe in der CDU, keine Ideen". Frau Köncke, wir haben eine Idee. Unsere Idee ist, dass wir von der alten Arbeitsmarktpolitik, nämlich von den linken Arbeitsmarktwelten, Abstand nehmen wollen. Das machen wir mit unserer Politik.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine Grundidee, die sich durch alle unsere politischen Drucksachen zieht. Wir machen im Arbeitsmarktbereich eine neue Politik. Dass Ihre Politik als linke Fraktion – sage ich mal – gescheitert ist, erkennt man heute an den hohen Zahlen der Langzeitarbeitslosigkeit. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht von heute auf morgen gekommen, sondern hat sich über zwanzig bis dreißig Jahre aufgebaut. Heute haben wir das Problem, das durch Ihre Art von Arbeitsmarktpolitik entstandenen ist.

Unsere Arbeitsmarktpolitik zeichnet sich durch Kombilohnmodelle aus, die im ersten Arbeitsmarkt angesiedelt sind. Wir wollen keine Kunstarbeitsmarktwelten à la ABM schaffen, sondern wir wollen dort noch Arbeitsplätze fördern, wo es ohnehin Privatwirtschaftsinvestitionen gibt. Unser Hamburger Modell ist eine Erfolgsgeschichte, was Sie auch indirekt zugegeben haben und unser Kombilohnmodell wird genauso erfolgreich sein.

(Gesine Dräger SPD: Kombilohn haben wir doch schon!)

Wir sagen, dass wir eine neue Idee der Arbeitsmarktpolitik mit der Ausrichtung auf den ersten Arbeitsmarkt haben. Ich kann Ihnen ganz offen erklären: Schlechter als das, was Sie die letzten zwanzig, dreißig Jahre durchgeführt haben, kann es allemal nicht werden.

Das Wort bekommt der Abgeordnete Dees.

Frau Dr. Hochheim, Sie sind mit 20 000 Langzeitarbeitslosen gestartet und jetzt haben Sie 40 000. Das kann man wirklich nicht als Erfolg der letzten vier Jahre bezeichnen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)