Protocol of the Session on September 14, 2006

Frau Husen, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung sagen, im Jahre 2005 hätte die Staatsanwaltschaft insgesamt 10 000 BtMG-Verfahren gehabt, dann ist das schlichtweg verkehrt. Es muss 2000 heißen und nicht 2005, da müssten Sie Ihre Pressemitteilung noch einmal korrigieren. Im Jahr 2000 erledigte die Hamburger Staatsanwaltschaft 10 000 Verfahren, dabei hat sie 43 Prozent der Fälle eingestellt. Im Jahre 2005 sind nur noch 29 Prozent der Fälle nach Paragraf 31 a eingestellt worden. Wir haben also unter diesem CDU-Senat einen deutlich höheren Verfolgungsdruck aufgebaut.

(Beifall bei der CDU)

Die nackten Zahlen belegen sehr eindrucksvoll, dass der Verfolgungsdruck und die Verfolgungsintensität durch die Polizei und Staatsanwaltschaft spürbar verschärft worden ist.

(Farid Müller GAL: Und darauf sind Sie auch stolz!)

Die Zahlen belegen, dass die Drogenkriminalität nicht achselzuckend zur Kenntnis genommen wird, sondern dass wir in diesem Bereich entschlossen handeln. Ein entschlossenes Handeln ist auch geboten, und zwar insbesondere mit Rücksicht darauf, dass die Wirkstoffgehalte der Drogen immer mehr zunehmen. Jetzt kommen wir zu einem Punkt, der sehr wichtig ist. Heute sind THC-Wirkstoffgehalte von über 10 Prozent bei Cannabis keine Seltenheit mehr. Die Joints der früheren Tage, die Sie so als "man kann doch einmal einen Joint rauchen, das ist doch vollkommen ungefährlich", hinstellen, sind in diesem Vergleich eher wie eine Light-Zigarette zu sehen.

Im Jahr 2004 lag der durchschnittliche THC-Wirkstoffgehalt bei 11,7 Prozent THC. Dort, wo der Missbrauch und die Gefährlichkeit des Cannabis-Konsums am größten ist, nämlich bei den Jugendlichen und Heranwachsenden, wird fast ausschließlich Marihuana aus den Niederlanden konsumiert – jetzt müssen Sie zuhören – mit einem Wirkstoffgehalt von 15 Prozent THC. Dieser fatalen Entwicklung muss sich die Politik stellen und entgegenwirken. Wir können nicht zusehen und wollen nicht hinnehmen, dass sich Jugendliche und Heranwachsende mit hoch gezüchtetem Power-Kraut aus den Niederlanden zudröhnen.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieses sehr viel höheren Wirkstoffgehaltes in den illegalen Cannabis-Produkten ist eine sehr restriktive Anwendung des Paragrafen 31 a politisch geboten. Um es noch einmal deutlich zu machen – der Wirkstoffgehalt in Cannabis ist sehr viel höher geworden, er liegt heute bei 15 Prozent, sodass man sagen muss: Wir müssen auch die Toleranzgrenze, das, was erlaubt ist, deutlich absenken.

(Beifall bei der CDU)

In diese Richtung gehen auch die Gespräche mit den Ministerkollegen in den anderen Ländern. Natürlich ist es bei 16 Ländern mit unterschiedlichen Regierungen schwierig, sich auf einen einheitlichen Weg zu einigen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass insbesondere meine Gespräche mit Niedersachsen schon sehr weit gediehen sind und wir uns bald auf eine Herabsenkung der Toleranzgrenze einigen werden. Derzeit haben wir in Hamburg eine Grenze von 10 Gramm bei Cannabis und die wird schon bald reduziert. Ich kann mir hier eine Reduzierung auf 6 Gramm vorstellen und damit hätten wir dann in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein einen einheitlichen Wert. Diskussionsbedarf sehe ich allerdings noch hinsichtlich der Frage der Festlegung eines Grenzwertes für die Eigenbedarfsmenge bei den so genannten harten Drogen. Ich setze mich letztlich auch hier für eine einheitliche Anwendung des bislang in Hamburg geltenden Grenzwertes von 1 Gramm ein. Angesichts der besonderen Situation als Stadtstaat mit einer relativ hohen Zahl an Schwerstbetäubungsmittelabhängigen ist es für Hamburg unverzichtbar, auch für Heroin und Kokain einen konkreten Grenzwert festzulegen.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, Hamburg wird seinen konsequenten Weg bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität weiter fortsetzen. Der Verfolgungsdruck wird weiter hoch gehalten und Einstellungen von Verfahren ohne Sanktion sind auf ein vernünftiges Maß zurückzuschrauben. An dieser Schraube werden wir weiter arbeiten und die Eigenbedarfsgrenzen weiter senken.

(Wilfried Buss SPD: An der Schraube dreht man aber!)

Wir werden uns auch weiterhin um Einheitlichkeit mit anderen Ländern bemühen. Meine Damen und Herren! Die Hamburger Drogenpolitik zur Bekämpfung der Drogen ist auf einem erfolgreichen Weg und wir werden diesen erfolgreichen Weg auch konsequent weiterführen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat Frau Husen das Wort.

Herr Lüdemann, das mit den Strafverfolgungsbehörden habe nicht ich mir ausgedacht, sondern ich habe mich natürlich im Vorfeld dieser Sitzung – im Gegensatz zu Ihren Kollegen und Kolleginnen von der CDU – mit der Rechtsprechung im Zusammenhang mit diesem Paragrafen beschäftigt, und zwar nicht zum ersten Mal.

Es ist ganz klar ersichtlich, dass die Entkriminalisierung, um Druck von den Strafverfolgungsbehörden zu nehmen, ein erklärtes Ziel dieses Paragrafen ist. Überhaupt nur deshalb wurde dieser Paragraf mit der klaren Einschränkung auf geringe Schuld des Täters und Fehlen eines öffentlichen Interesses an dieser Strafverfolgung, die Sie so hoch halten, überhaupt nur eingeführt. Das leugnen zu wollen, jetzt zu behaupten, das sei eine Erfindung der Grünen, ist völlig absurd. Das sollte eigentlich überhaupt nicht Gegenstand dieser Debatte sein. Sondern Sie sollten eigentlich vielmehr erklären, warum Sie sich, wenn Sie sich selber ernst nehmen, wenn Sie Ihren eigenen Senator ernst nehmen, dann nicht für die Strafverfolgung ab 0 Gramm einsetzen, warum dann 6 Gramm? Es ist doch völlig willkürlich, wenn Sie bei 6 Gramm eine Grenze festsetzen. Unter 6 Gramm gilt dann alles, was ich gesagt habe, aber zwischen 6 und 10 Gramm gilt es auf gar keinen Fall, da ist es ideologische Verblendung der GAL. Ich meine, wie absurd ist das denn?

(Karen Koop CDU: Das ist aber eine späte Er- kenntnis!)

Fällt Ihnen überhaupt nicht auf, dass Sie da mit zweierlei Maß messen?

(Beifall bei der GAL – Olaf Ohlsen CDU: Sie soll- ten sich nicht so aufregen! – Wolfhard Ploog CDU: Es gibt doch Wichtigeres im Leben!)

Meine zweite Ergänzung: Beim Heroin und Kokain gibt es in Hamburg laut Herrn Lüdemann, da hat er natürlich recht, eine ganze Reihe von Schwerstabhängigen. Das Problem ist nur, dass Schwerstabhängige, weil sie in den meisten Fällen schon wegen Betäubungsmittelkonsum auffällig geworden sind, meistens vorbestraft oder auf Bewährung sind. Auf die kann man diesen Paragrafen überhaupt nicht anwenden. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass man diesen Paragrafen nicht anwenden kann. Das heißt, für eine Vereinheitlichung auf 1 Gramm Kokain oder Heroin wird Ihnen das Argument, wir hätten so viele Schwerstabhängige, in Bayern und im Dialog mit Bayern überhaupt nichts bringen. Ich weiß auch nicht, warum Sie sich nicht, wenn Sie so argumentieren, wie Sie argumentieren, gleich den Bayern anschließen. Die haben noch einmal deutlich niedrigere Grenzwerte. Wenn die Schleswig-Holsteiner gerade dabei sind, ihre Grenzwerte abzu

senken, warum nicht radikal noch ein ganzes Stück weiter herunter?

(Berndt Röder CDU: Nein, wir wollen 6 Gramm!)

Das Entscheidende ist doch, dass Sie selber wissen, dass die Strafverfolgungsbehörden diesen Paragrafen ganz offensichtlich oft benutzen. Sie können doch der Staatsanwaltschaft, die diesen Paragrafen anwendet, nicht vorwerfen, die seien durchsetzt von irgendwelchen grünen Ideologen, die irgendwelche Cannabis-Entkriminalisierungsdebatten führen. Die Staatsanwaltschaften nutzen diesen Paragrafen ganz offensichtlich deshalb, weil er die Arbeit der Strafverfolgungsorgane erleichtert.

(Beifall bei der GAL)

Eine letzte Sache noch – diese unsägliche Debatte darüber, dass sich die Inhaltsstoffe verändert haben. Es gibt ein Gutachten – das ist übrigens das einzige wirklich umfassende Gutachten zu der Frage – vom European Monitoring Centre for Drugs and Drugs Addiction, EMCDDA. Für diejenigen unter Ihnen, die das nicht kennen: Das ist die europäische Behörde,

(Hans-Detlef Roock CDU: Das wollte ich hören!)

die sich mit Drogen und Drogensucht beschäftigt und völlig unverdächtig ist, in irgendeiner Form eine grüne Behörde zu sein. Die haben im Juni 2004 zum damaligen Weltsuchttag eine Studie herausgegeben, die danach fragt, ob Cannabis stärker wird. Die Antwort, die die "Drug Agency" gibt, ist ganz klar: Nein.

Da geht es nicht um irgendwelches Dope, das in irgendeiner Stadt gefunden wurde.

(Wolfhard Ploog CDU: No hope, no dope, no future!)

Sondern die haben die Cannabis-Produkte, die in ganz Europa bei irgendwelchen Razzien sichergestellt wurden, untersucht und sagen ganz klar: Die Spannbreite innerhalb jedes Jahres innerhalb der Produkte ist viel größer, als dass man davon reden könnte, dass es einen Anstieg gibt. Es gibt holländisches Gras, das wahnsinnig potent ist.

(Berndt Röder CDU: Potentes Gras? Was ist das denn?)

Das hat es früher auch schon gegeben. Schwarzer Afghane beispielsweise ist vielleicht sogar einigen von Ihnen ein Begriff. Das hieß damals so, weil es ein ganz besonders potentes Cannabis-Produkt war.

(Barbara Ahrons CDU: Ich will mich damit gar nicht beschäftigen!)

Sie müssen sich aber damit beschäftigen, weil Ihr Senator diese Frage gerade aufgeworfen hat. Wir reden hier schließlich darüber, dass Sie ein Gesetz ändern wollen, das eine gute Praxis in der Anwendung hat. Dann werden Sie sich wohl damit beschäftigen müssen, warum Sie dieses Gesetz ändern wollen. Sie müssen ja Ihr Pfötchen gleich nicht heben, aber wenn Sie es heben, sollten Sie wissen wofür. Das versuche ich Ihnen jetzt gerade zu erklären.

(Beifall bei der GAL und teilweise bei der SPD – Karen Koop CDU: Das hat der Senator gerade er- klärt! Das fand ich sehr schlüssig!)

Ich glaube, es gibt Leute, die manchmal lieber nicht wissen, worüber sie abstimmen, damit sie hinterher behaupten können, sie hätten davon nichts gewusst.

(Zuruf von Kai Voet van Vormizeele CDU)

Herr van Vormizeele, was Arroganz angeht, kann ich, glaube ich, von Ihnen noch eine ganze Menge lernen. Bis ich so arrogant bin wie Sie – Respekt –, habe ich noch einen weiten Weg vor mir.

(Beifall bei der GAL und teilweise bei der SPD)

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die verschiedenen Polizisten, Staatsanwälte und Richter, mit denen ich in letzter Zeit gesprochen habe, ganz klar der Meinung sind, dass dieses Gesetz sich in der Praxis sehr bewährt hat und dass Sie eigentlich im Erklärungsnotstand sind, warum Sie dieses Gesetz ohne Not ändern wollen, warum Sie Menschen kriminalisieren wollen, die sich keines anderen Verbrechens schuldig gemacht haben, als zum Eigenverbrauch ein bisschen Cannabis herumzutragen und das im Zweifelsfall auch zu konsumieren.

Sie werden sehen, Sie werden mit dieser Kriminalisierung gesellschaftlich kein besonders gutes Ziel erreichen. Die Bayern, die schon seit vielen Jahren einen deutlich strikteren Kurs als beispielsweise in Hamburg fahren, haben kein geringeres Drogenproblem als wir. Auch das Drogenproblem in Hamburg, wenn man Drogenkonsum gleich als Problem sehen will, ist in den letzten Jahren gestiegen, was nur bedeutet, dass Ihre Politik ins Leere laufen wird. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Schäfer hat das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Es muss doch jetzt nicht noch jeder in die Bütt!)

Ich hatte wirklich nicht gedacht, dass dieses Thema solche Wellen schlagen könnte. Ich möchte nur noch auf eine Kleinigkeit aufmerksam machen. Dieses Gutachten des Max-Planck-Instituts, auf das schon einige Male hingewiesen wurde, hat auch zum Ergebnis, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass den weitaus weniger signifikanten Unterschieden in der Strafverfolgungspraxis der deutschen Bundesländer ein erheblicher und direkter Einfluss auf den Konsum illegaler Drogen zukommt. Das heißt, egal wie das Gesetz aussieht, egal wie es ausgelegt wird, am Konsum illegaler Drogen wird es nichts ändern. Von daher würde ich raten, diese ganze Geschichte bitte ein bisschen tiefer zu hängen.

(Barbara Ahrons CDU: Richtig!)

Frau Spethmann hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Husen, Sie haben wieder einmal gezeigt, welches Geistes Kind Sie sind, wenn Sie die Formulierung wählen, dass so ein bisschen Cannabis zum Eigengebrauch nicht weiter schlimm ist. Es tut mir Leid, für die CDU-Fraktion ist das schlimm. Die Frage ist, wie wir damit umgehen.

(Beifall bei der CDU)