Protocol of the Session on August 24, 2006

Nun habe ich von Herrn Zuckerer neulich gehört, wie oft das Wort Nachhaltigkeit im Finanzbericht zu lesen sei, knapp fünfzigmal. Normen, Werte und Handlungsprinzipien müssen verdeutlicht werden und da in der Vergangenheit die Nachhaltigkeit in der Haushaltspolitik kaum eine Rolle spielte, müssen wir diesen Paradigmenwechsel entsprechend deutlich machen, auch im Finanzbericht. Aber seien Sie versichert, je länger die CDU regiert,

desto selbstverständlicher wird eine nachhaltige Finanzpolitik und umso weniger müssen wir darüber reden.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg war nicht das erste Bundesland, das angekündigt hat, eine Bilanz zu erstellen. Wir sind das erste Bundesland, das seine Eröffnungsbilanz vorgelegt hat und diese Einführung der Doppik ist essenziell für eine generationengerechte Finanzpolitik.

Die Ergebnisrechnungen der Stadt werden zukünftig der Nachhaltigkeitsfaktor Nummer eins sein. Die Nachhaltigkeit ist erreicht, wenn der Substanzverlust gestoppt ist, wenn wir eine ausgeglichene Ergebnisrechnung erreicht haben. Unsere Ziele sind Verlangsamung des Substanzabbaus, Stopp des Substanzabbaus, Aufbau neuer Substanzen – in dieser Reihenfolge.

(Beifall bei der CDU)

Hier befinden wir uns in Übereinstimmung mit den Bürgern dieser Stadt. Das zeigen die allgemeinen Umfragen, bei der die CDU 44 Prozent, aber die alles und jedes versprechende SPD nur 27 Prozent der Stimmen erhält.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das bleibt auch so!)

Die CDU bekommt in all den Jahren so gute Ergebnisse nicht trotz ihres Konsolidierungskurses in der Haushaltspolitik, sondern wegen der konsequenten Finanzpolitik.

Auch unser internetgestützter Bürgerdialog Haushalt hat dies gezeigt. Von den rund 2500 aufgestellten Haushalten hatten fast alle eines gemeinsam; es wurde weniger Geld ausgegeben, als möglich gewesen wäre. Der Appell zur zügigen Sanierung des Haushalts war unübersehbar. Unüberhörbar ist auch der Ruf nach der Abkehr vom Verschuldungsprinzip. Was im privaten Leben nicht funktioniert, funktioniert auch für den Staat als Ganzes nicht, nämlich mehr auszugeben als einzunehmen. Ich rede nicht von Notzeiten, ich rede vom Normalfall. Oder wollte irgendjemand rückwirkend die letzten drei, vier Jahrzehnte zu Notzeiten erklären?

In den späten Sechzigerjahren sind die Dämme gebrochen und Schuldenmachen war völlig normal, in guten wie in schlechten Zeiten. Wenn Sie im Rückblick die letzten Jahrzehnte Revue passieren lassen, dann war es kein Alleinstellungsmerkmal sozialdemokratischer Regierungen, auf Pump zu leben. Für ein allgemeines Problem braucht man eine allgemeingültige Lösung und die heißt in diesem Falle Verschuldungsverbot.

(Beifall bei der CDU)

Das gehört, weil es von grundsätzlicher Bedeutung ist, in die Verfassung mit der klaren Aussage, dass im Falle eines Notstands das Parlament dem Senat mit einer Zweidrittelmehrheit Gelder aus Krediten genehmigen kann, aber gleichzeitig einen festen Tilgungsplan mitbeschließt, um diese neuen Schulden zeitnah wieder abzubauen. Das ist keine Neuerfindung von mir, das ist auch nicht nur die Forderung sämtlicher Rechnungshöfe, es ist Common Sense und das Gebot der Stunde.

Politik hat den Auftrag zur Entscheidung. Das Volk hat die Entscheidung über seine Belange an die Politiker delegiert. Wenn wir uns aus sicherlich guten Gründen für neue Aufgaben entscheiden, für die die Einnahmen nicht reichen, dann müssen wir andere Ausgaben im Gegenzug einsparen. Die Politik kann dem Bürger nicht sagen, er solle für seine Daseinsvorsorge auf manches verzich

ten und sich selbst um eine solche Entscheidung zulasten kommender Generationen drücken.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wer heute Schulden zugunsten einer Politik des Sowohlals-auch macht, der zwingt zukünftige Generationen zu einem Weder-noch. Der Finanzbereich des Senats erwähnt wohlweislich die Option, mit einer entsprechenden Verfassungsänderung die nachhaltige Finanzpolitik abzusichern. Es ist Sache des Parlaments, diese Sicherung zum Wohle aller zu beschließen.

Unter den Rahmenbedingungen einer nachhaltigen Finanzpolitik gestaltet der Senat schon heute seine Politik. Die Haushalte dieser Regierung stehen alle unter der Vorgabe des Konsolidierungsprozesses: Erst der ausgeglichene Betriebshaushalt – dieses Ziel ist erreicht, diese Marke wird gehalten –, dann der ausgeglichene Gesamthaushalt in den nächsten sechs bis zehn Jahren und Investitionen zukünftig nicht mehr auf Pump, sondern im laufenden Geschäft erwirtschaftet. Das ist eine radikale Umstellung, das verlangt Disziplin und klare Prioritäten.

Mit dem Konzept "Wachsende Stadt" haben wir den roten Faden, an dem sich unsere Politik und damit auch unsere Investitionspolitik orientiert. In dieser Stadt ist von uns in den letzten Jahren so viel angepackt worden wie lange nicht mehr. Diese Tatkraft ist die Aufbruchstimmung in der Stadt, daraus resultiert der Optimismus der Menschen. Das Projekt "Wachsende Stadt" wird von den Bürgern getragen und obwohl so viel angepackt wird, haben wir Jahr für Jahr die Neuverschuldung, wie versprochen, gesenkt. Wir werden aber auch in Situationen kommen, in denen Investitionen in einem wichtigen Bereich zeitnah erforderlich sind, die Stadt aber nicht in der Lage ist, in voller Höhe selbst zu investieren. Da gilt es dann, was für uns auch in anderen Bereichen gilt: Der Staat muss nicht alles selber machen. Wichtig ist, dass diese Investitionen zum Wohle der Stadt erfolgen. Wir haben dieses erfolgreich praktiziert. Große Projekte, die früher nur aus staatlicher Hand denkbar waren, werden heute vom privaten Sektor ganz oder teilweise finanziert.

Wenn wir an große Investitionen denken, ist ganz klar der Hafen zu nennen. Hamburg profitiert von dem anhaltenden Boom des Hafens. Die ständige Modernisierung ist absolut erforderlich. In der Vergangenheit gab es eine klare Trennung, die Infrastruktur zahlt die Stadt, die Suprastruktur zahlen die Hafenunternehmen. Kaimauern zu bauen ist ein teures Geschäft, aber ohne Kaimauern kein Geschäft. Es sind gute Investitionen in die Zukunft Hamburgs, aber sie haben ein so großes Volumen, dass sie die Handlungsfähigkeit in anderen Bereichen beeinträchtigen könnten, denn das Ziel des ausgeglichenen Gesamthaushalts darf nicht aufgegeben werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

In der mittelfristigen Finanzplanung muss ganz klar erwogen werden, auch bei der Infrastruktur die Unternehmen des Hafens in die Finanzierung der Maßnahmen einzubinden.

(Beifall bei der GAL)

Ich bin mir mit unserem hafenpolitischen Sprecher Olaf Ohlsen völlig einig, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit der Unternehmen gegeben sind, auch Infrastruktur im Hafen zu finanzieren. Modelle, die die vitalen Interessen

der Stadt im Hafen sichern, werden sich entwickeln lassen.

Als Parlamentarier haben wir die Haushaltsentscheidung; Haushalt ist Parlamentssache. Auch in dieser Haushaltsdebatte wird deutlich werden, dass eine Alleinregierung der GAL oder der SPD – heute beides etwa gleich unwahrscheinlich – andere Prioritäten setzen würde, als es die Alleinregierung der CDU tut. Über diese politischen Prioritäten lohnt es sich zu streiten und durch diese unterscheiden wir uns sichtbar. Aber in einer Sache sollten wir uns alle einig sein: An der Konsolidierung des Haushalts muss festgehalten werden.

(Beifall bei der CDU)

Der Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen, das Ende des Schuldenmachens muss gemeinsames Ziel sein, denn eines ist klar: Kommende Generationen durch Schulden mit den Kosten unseres Lebens zu belasten, ist unsozial.

Der jetzt vorliegende Haushaltsplan-Entwurf ist ein weiterer Schritt auf einem konsequenten Weg. Das Ziel ist klar und in erreichbarer Nähe: das Ende der Verschuldung, des ständigen Substanzverlustes in spätestens zehn Jahren. Wir werden dieses Ziel erreichen und auch dieses Versprechen einlösen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herrn Peiners frohe Botschaft bestand darin zu sagen, der Betriebshaushalt sei ausgeglichen. Er hat dann gleich noch einen draufgesetzt und gesagt, der Betriebshaushalt sei strukturell ausgeglichen. Wodurch ist der Betriebshaushalt strukturell ausgeglichen? Im Jahr 2004 lag das Defizit des Betriebshaushalts bei 560 Millionen Euro. Im Jahr 2005 stiegen die Steuereinnahmen, die bei Hamburg verbleiben, um 561 Millionen Euro. Das heißt, der Ausgleich des Betriebshaushalts, der wunderbarerweise im Jahr 2005 eintrat, war ausschließlich konjunkturell bewirkt durch zusätzliche Steuereinnahmen genau in der Höhe, in der vorher das Defizit lag.

Jetzt haben wir niedrigere Steigerungsraten bei den Steuereinnahmen, von 2005 auf 2006 nur noch 236 Millionen Euro und im Jahr darauf noch weniger. Nun muss man sich fragen, warum diese Quelle in den letzten Jahren nicht mehr so lebhaft sprudelt wie vorher. Das teilt der Senat selber mit; er spricht von der dämpfenden Wirkung der Umsatzsteuererhöhung, besser bekannt als Mehrwertsteuererhöhung. Im Jahre 2007 sollen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, die in Hamburg verbleiben, um etwa 90 Millionen Euro höher liegen als im laufenden Jahr. Gleichzeitig kalkuliert der Senat aber mit 0,5 Prozent weniger Wachstum für die Stadt und erklärt das zum Teil mit dämpfender Wirkung der Umsatzsteuererhöhung. Wissen Sie, wie viel 0,5 Prozent weniger Wachstum ausmachen? 1 Prozent bringt 100 Millionen Euro weniger Steuern, 0,5 Prozent also 50 Millionen Euro. Hamburg hat von dieser gloriosen Mehrwertsteuererhöhung also lediglich 40 Millionen Euro Mehreinnahmen. Gleichzeitig wird uns mitgeteilt, dass es überhaupt keinen Sinn habe, an der Erbschaftssteuer zu drehen, weil das Ergebnis, das dabei herauskommen könnte, zu klein sei. Aber die Mehrwertsteuererhöhung, die die Belastung aller deutlich

erhöht und gleichzeitig konjunkturell dämpfend wirkt, gilt als die Lösung der finanziellen Situation; der Senat kalkuliert sie ein. Da stehen Sie jetzt beide zusammen in der Verantwortung der Großen Koalition, die Unsinn macht.

(Beifall bei der GAL und bei Doris Mandel SPD)

Der Haushalt hatte auch bisher nicht nur ein Ausgaben-, sondern auch ein Einnahmenproblem, die öffentlichen Haushalte sind auf 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heruntergegangen; da muss etwas geschehen. Dann sucht man aber doch nach solchen Steuern, die nicht konjunkturell eingreifen, wenn man Erhöhungen haben will, oder man sucht nach besonders kapitalismusaffinen Steuern, solchen Steuern, die alle hochkapitalistischen Länder immer bevorzugt haben, die Substanzsteuern. Das sind natürlich die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer, weil das Steuern darauf sind, dass Kapital sich nicht genügend bewegt, beim faulen Wirt bleibt und nicht nach günstigeren Renditen hin bewegt wird. Wenn Sie konjunkturmobilisierende Steuererhöhungen wollen, dann müssen Sie an die Erbschaftssteuer heran, dann müssen Sie an die Vermögenssteuer heran. Das machen Sie aber beide nicht, das ist verrückt.

(Beifall bei der GAL und bei Hans-Christoff Dees, Ingo Egloff und Doris Mandel, alle SPD)

Sie könnten auch so etwas Vernünftiges machen wie die Abschaffung des Ehegattensplittings; Sie fangen ja jetzt an, neu darüber zu diskutieren. Man könnte es abschaffen und sagen, damit finanzieren wir die Reduzierung der Beiträge für unsere Kindertagesstätten, unsere Kinderbetreuung, unsere Bildungsinstitutionen. Aber stattdessen geben wir es einfach nur für stagnierende Verhältnisse als Steuersubvention aus, eigentlich für Nichttätigkeit im Sinne von Erwerbstätigkeit – dieses ist ja eine kapitalistische Gesellschaft, es soll sich jeder rühren –, aber hier wird es sozusagen für das Sich-nicht-Rühren ausgegeben und gleichzeitig leiden die Kinder, weil die Leute sich natürlich trotzdem rühren wollen, die Kinder aber nicht betreut werden und das ist unvernünftig.

(Beifall bei der GAL und bei Hans-Christoff Dees und Doris Mandel, beide SPD)

Umsatzsteuerbetrug ist eine weitere ergiebige mögliche Finanzierungsquelle; darüber lasse ich mich jetzt nicht weiter aus.

Gehen wir noch einmal auf die Ausgabenseite. Der Senator hat wieder die heftigen Konsolidierungsanstrengungen des Senats gelobt. Der Senat ist seit fünf Jahren im Amt und hat die Haushalte 2002 bis 2006 verabschiedet. Er gibt an, in diesen fünf Jahren insgesamt ein Konsolidierungsvolumen von 525 Millionen Euro aufgabenkritisch erzielt zu haben. Dividieren Sie einmal zusammen mit mir: 525 durch 5 pro Jahr ergeben 105 Millionen Euro pro Jahr.

(Ralf Niedmers CDU: Bingo!)

Bingo. – Gleichzeitig teilt der Senat uns mit, dass von 1994 bis 2001 1,2 Milliarden Euro konsolidiert worden seien. Wenn man jetzt durch acht teilt, dann kommt man auf jährlich 150 Millionen Euro, also 45 Millionen Euro mehr. Der Senator sagt, die damalige Methode mit dem Quotensparen sei aber nicht richtig gewesen, sein aufgabenkritisches Sparen sei viel wirkungsvoller. Da kommt mir doch der alte Deng Xiaoping in den Kopf, der immer gesagt hat, ob die Katze schwarz oder weiß ist, ist

wurscht, Hauptsache, sie fängt Mäuse. Hier haben wir den Fall, dass die schwarze Katze weniger Mäuse gefangen hat als die rotgrüne Katze; das ist doch bemerkenswert.

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL und der SPD)

Und mit so einer faulen Katze im Körbchen wollen Sie das Verbot der zukünftigen Nettoneuverschuldung machen. Das ist offenbar ein reines Selbstgeißelungsprogramm.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Ralf Niedmers CDU: Es kommt auf die Bewegungsgröße an!)

Das Problem ist nicht nur die Höhe der Ausgaben. Herr Zuckerer hat schon darauf hingewiesen, dass das Neue dieser Sorte von Finanzbericht zum Beispiel darin besteht, dass der Senat im Finanzbericht nicht mehr mitteilt, was er aktuell für die dringlichsten Fragen in den nächsten zwei Jahren ansieht, die sich ja immer neu entwickeln. Die Vorstellung von Herrn Kruse, der Ozean sei weit, man könne, einmal den Kurs gelegt, immer geradeaus fahren und dann gehe es weiter, ist ein bisschen absurd angesichts der sich ständig verändernden Situation in der Stadt. Wir erfahren dazu aus dem Finanzbericht so gut wie nichts.

Aber man kann, wenn man einmal in die Vergangenheit schaut, sehen, was sich in der Ausgabenstruktur geändert hat. Ich hatte die Finanzbehörde einmal gebeten, eine Untersuchung zu machen, die sich an eine Studie anlehne, die das Bundesministerium für Finanzen in Gang gebracht hatte, nämlich zu gucken, welche Ausgaben eigentlich zukunftsorientiert seien und welche mehr vergangenheitsorientiert. Zukunftsorientiert waren insbesondere Kitas, Schulen, Hochschulen, Umwelt, aber auch Investitionen. Dann teilte mir die Behörde mit, das Budget für Wachstumsausgaben und nachhaltig wirksame Ausgaben sei im Zeitraum von 1994 bis 2006 von 3,2 Milliarden um 326 Millionen Euro auf etwa 2,7 Milliarden gesunken, der Prozentanteil am Haushalt gar von 35,5 auf 29,4 Prozent. Das ist natürlich kein gutes Zeichen für den Hamburger Haushalt, ist aber nicht allein Ihre Verantwortung.