Protocol of the Session on May 31, 2006

(Hans Lafrenz CDU: Das stimmt nicht!)

Deshalb möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, dass Sie, wenn Sie die USA, Australien, England und Frankreich als glorreiche Beispiele für Studienfinanzierung nehmen, gleich morgen in der CDU-Fraktion den Fonds der Nutznießer des kostenfreien Studiums eröffnen und jeder 500 Euro pro Semester, das er studiert hat, einzahlt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Dieses Geld können Sie dann an die Hochschulen verteilen und ihnen im Rahmen der Hochschulautonomie zur freien Verfügung stellen.

Ich denke dabei besonders an die Herren Beuß, Böttger, Freistedt, Krüger, Mattner, Okun, Reinert, Stehr und Frau Martens. Das Entscheidende bei Ihnen ist nämlich, dass Sie nach Ende Ihres Studiums auch noch 20 Jahre Zeit hatten, Politik mitzugestalten. Das heißt, Sie sind an der aktuellen Misere der Hochschulen – zumindest in Teilen – beteiligt. Das unterscheidet Sie von den jüngeren Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der GAL – Lachen bei der CDU – Barbara Ahrons CDU: Das ist nun aber sehr weit hergeholt!)

Als ich mir Ihre Lebensläufe angeschaut habe, ist mir weiterhin aufgefallen, dass Sie alle, obwohl Sie …

(Glocke)

Frau Husen, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reinert zu?

Nein, tut mir Leid, Sie machen das bei mir auch nie. Deshalb kann ich Ihnen leider keine Frage erlauben.

(Bernd Reinert CDU: Ich wollte doch nur wissen, ob Frau Sager mitmacht bei den Einzahlungen?)

Frau Sager wird natürlich auf gar keinen Fall bei dem Fonds der CDU-Fraktion mitmachen, aber ich habe ihr vorgeschlagen, das Gleiche für grüne Studiengebührenbefürworter aufzulegen. Dazu gehört sie leider nicht. Der Einzige, den wir bei uns in der Fraktion haben, der Studiengebühren tatsächlich gut findet, hat sie selber gezahlt. Daher steht das bei uns nicht zur Debatte.

(Beifall bei Martina Gregersen GAL)

Als ich mir Ihre Lebensläufe durchgeschaut habe, ist mir aufgefallen, dass Sie von den Life-Science- und Ingenieurwissenschaften ziemlich niemanden in Ihren Reihen haben. "Ziemlich niemanden" ist eigentlich noch zu hoch gegriffen. Sie haben in Ihrer Fraktion einen Physiker, der auch als Physiker gearbeitet hat, und einen Menschen,

der Physik und Mathematik auf Lehramt studiert hat. Ansonsten haben Sie 14 Juristen. Das waren schlaue Leute, Juristen sind nämlich in Deutschland diejenigen, die noch mit den höchsten Renditen für ihr Studium rechnen können. Sie haben zwölf Leute, die Wirtschaftswissenschaften studiert haben, sie haben neun Menschen, die Pädagogik studiert haben oder auf Lehramt, sie haben nur einen Politologen, eine Frau, die Geschichte studiert hat, und den erwähnten Herrn Stehr mit Physik.

Bei den Renditen war ich gerade schon. Dazu möchte ich noch mehr sagen. Es gab vor ungefähr einem Jahr einen Artikel in der "Financial Times Deutschland" von Timo Pache, der überschrieben war mit "Doktor Nutzlos". In dem Artikel geht es darum – auch da komme ich noch einmal zu dem internationalen Vergleich –, dass Deutschland den Hochschulabsolventen im Gegensatz zu den von Ihnen bereits zitierten Ländern gar keine besonders guten Renditen für ihr Hochschulstudium geben kann. Er nennt Zahlen. Lukrativ sind Jura, Zahnmedizin und Maschinenbau mit Renditen zwischen 6 und 11 Prozent. Ganz schlecht geht es übrigens Informatikern mit Renditen bei nur 2 Prozent. Das ist knapp über dem Inflationsausgleich.

Jetzt kommen wir zu den Ländern, in denen die Menschen bereitwillig Studiengebühren bezahlen, und Sie werden verstehen, warum die mit Studiengebühren viel weniger Probleme haben.

Der durchschnittliche Student in England – nicht der beste – bekommt für sein Studium eine Rendite von 17 Prozent.

(Dietrich Rusche CDU: Woher wollen Sie das eigentlich wissen? Sie haben doch gar keine Ahnung!)

Das ist mehr als die höchste Rendite, die man in Deutschland im Durchschnitt überhaupt für sein Studium bekommen kann.

In den USA und in Frankreich liegen die Renditen bei 13 bis 15 Prozent. Auch das ist weit über den 11 Prozent, die die Leute mit den besten Studienabschlüssen hier zu erwarten haben.

Eine weitere Sache, die mich gerade als junge Frau ärgert: Es gibt Anzeichen dafür, dass gerade Frauen, die sich ungern verschulden und wissen, dass ihnen der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht in gleicher Weise offen steht, wie das bei den Herren Ihrer Fraktion noch der Fall war, besonders empfindsam reagieren, wenn es Studiengebühren gibt und das Studium im Zweifelsfall nicht aufnehmen oder abschließen.

Wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass es nach der Einführung von Studiengebühren dazu kommt, dass weniger Frauen studieren – entweder selbst gewählt oder aber auch im Rahmen der demografischen Debatte des nicht unwahrscheinlichen Trends "Mädchen heiraten eh, bekommen Kinder und müssen nicht studieren" –, dann werde ich mich auf jeden Fall jedes Jahr bei Ihnen melden und den Prozentsatz der Frauen, die weniger studieren, mit Ihnen debattieren.

(Beifall bei der GAL)

Ich möchte noch etwas zu den "Nutznießern" eines Studiums sagen und zu der Höhe, ab der man ein Einkommen erzielen muss, um die Studiengebühr zurückzuzahlen: 29 000 Euro netto im Jahr. Das sind nicht einmal

2500 Euro netto im Monat für eine dreiköpfige Familie. Wenn Sie hier sagen wollen – ich bitte Sie, das noch einmal zu tun, um es im Zweifelsfall klarzustellen –, dass das Menschen sind, die in ungerechtfertigter Weise gegenüber Facharbeitern von ihrem Studium profitiert haben und jetzt zu denjenigen gehören, die sich der Erbringung einer gesellschaftlichen Leistung in irgendeiner Form entziehen wollen, dann nehmen Sie die Realität nicht wahr. Mir tut besonders der Senator Leid, wenn er Freunde hat, die zwar sechsstellig verdienen, aber deren Steuern es nicht wert sind, bei der Rückzahlung ihrer Kosten, die das Studium gekostet hat, erwähnt zu werden.

(Beifall bei der GAL – Barbara Ahrons CDU: Was soll denn all so'n Gerede!)

Herr Dr. Steffen hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Mein lieber Stefan Kraxner, man sollte schon bei den Dingen bleiben, die auch einvernehmlich geklärt wurden. Der Ältestenrat ist vorhin zusammengetreten und hat festgestellt, dass der Ausschussvorsitzende zwar selbst über die Beendigung einer öffentlichen Anhörung entscheiden darf, dass er aber vorher das Benehmen und Einvernehmen darüber herstellen muss.

(Bernd Reinert CDU: Sie waren doch gar nicht da- bei im Ältestenrat!)

Dann werden Sie das gleich noch richtig stellen können.

(Bernd Reinert CDU: Was sind das denn für Sit- ten? Der Ältestenrat tagt nicht öffentlich! Und hier stellt sich jemand hin und erzählt davon!)

Ich glaube immer noch, dass ich das Wort habe, bis die Präsidentin mich unterbricht, Herr Reinert.

(Beifall bei der GAL)

Sie haben gleich noch einmal Gelegenheit – Sie haben schon mehrfach das Bedürfnis gehabt –, sich in dieser Debatte zu Wort zu melden. Dann können Sie Ihre Sicht über die Gepflogenheiten in Ausschüssen, was öffentliche Anhörungen betrifft, darlegen. Ich denke schon, dass es sinnvoll wäre, sich in dem Sinne zu einigen, wie ich das eben geschildert habe, selbst wenn von Ihnen gar nicht so zugestimmt worden sein sollte, wenn Sie das jetzt bestreiten.

Mir ist die Frage wichtig, welche Dynamik durch Studiengebühren ausgelöst wird. Wenn Sie jetzt tatsächlich eine Verschuldung einführen – bei Ihnen gekappt auf 17 000 Euro –, dann können Sie sich vorstellen, dass das kein Anreiz für junge Akademikerinnen und Akademiker ist, eine eigene Existenz auf die Beine zu stellen und ein eigenes Unternehmen zu gründen.

(Wolfgang Beuß CDU: Wie oft wollen Sie das eigentlich noch erzählen? – Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren! Es ist zu laut und zu unruhig. Ich bitte, die eigenen Aktivitäten etwas zurückzunehmen

und den Rednerinnen und Rednern die freie Bahn zu ermöglichen. – Herr Dr. Steffen.

Wenn Sie die heutige Arbeitsmarktsituation ansehen, dann wird deutlich, was wir brauchen. Es sind Leute, die neue Ideen haben. Dafür schicken wir sie auf die Hochschulen, dass sie eigene frische Ideen entwickeln und dass sie auch den Mut haben, diese Ideen außerhalb der eingefahrenen Bahnen umzusetzen. Das heißt eben auch, ein Unternehmen zu gründen.

Welche Bank wird jemandem einen Kredit gewähren, der schon 17 000 Euro Schulden hat, sie auch zurückzahlen muss, ohne dass er weitere Sicherheiten mitbringt? Welche Bank wird das tun? Diese Banken werden Sie in Deutschland gar nicht finden.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Roland Heintze CDU: Sie haben keine Ahnung, Herr Steffen!)

Diese Dynamik wird verstärkt, die Leute werden für die Gründung von Unternehmen immer schwieriger Kredite bekommen, wenn sie neue Ideen umsetzen wollen. Die Frage ist, welches Leitbild haben Sie tatsächlich für die Leute, die studieren? Sollen es wirklich nur Leute sein, die im Kopf haben, Beamte zu werden, oder sollen es Leute sein, die vielleicht auch einmal bereit sind, selber eine Existenz aufzubauen?

Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich an diesem Modell, das wir diskutieren, hoch interessant finde. Es ist ein Bereich, mit dem ich mich beruflich eingehend auseinander setze, nämlich die Frage, wie ist es eigentlich rechtlich mit den Ansprüchen von Studierenden, mit den Ansprüchen von Studienbewerbern, wie ist es eigentlich, wenn Sie auch so schöne Sätze in Ihre Gesetzentwürfe hineinschreiben, es solle sich nicht auf die Aufnahmekapazität auswirken, wenn Studiengebühren zur Verbesserung der Lehrqualität führen würden. Die Frage ist erst einmal, ob das überhaupt passiert. Wodurch ist in dem Gesetzentwurf sichergestellt, dass sich die Qualität verbessern wird? Zunächst regelt der Gesetzentwurf lediglich, dass die Studierenden, wenn sie sozusagen die Hochschule betreten, am Eingangstor Geld zahlen. Das geht dann in den Topf der Hochschule und die Hochschulen haben jetzt die Aufgabe, sich zu überlegen, wie sie das Geld verteilen. Es gibt aber überhaupt keine Sicherstellung im Rahmen dieses Modells, dass tatsächlich eine Verbesserung der Qualität der Lehre eintritt und dass das durch die zusätzlichen Einnahmen belohnt wird, die sich die Hochschulen versprechen. Das Einzige, was passiert, ist, es ist irgendwie mehr Geld da und es besteht die Hoffnung, dass sich dieses Geld irgendwie qualitätserhöhend auswirkt, aber es ist genauso möglich, dass diese zusätzlichen Mittel schlicht und einfach versickern.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

Das ist an keiner Stelle sichergestellt. Deswegen wird, wenn Sie das hineinschreiben, die Frage sein, wie die Gerichte künftig um mit der Situation umgehen werden, wenn Studienbewerber – da sagt Herr Beuß: abwarten, schauen wir einmal, wir wissen gar nicht, was das Gesetz bringt – tatsächlich die Hochschulen über gerichtliche Verfahren in die Pflicht nehmen und geltend machen, dass die Kapazitäten nicht ausgeschöpft sind und tatsächlich mehr Studienbewerber aufgenommen werden könnten, weil zusätzliches Lehrpersonal eingestellt worden ist. Dann müsste sich das Gericht tatsächlich auf

grund Ihrer gesetzlichen Formulierung an die Aufgabe machen zu gucken, welche der Verbesserungen oder Veränderungen, die es gegeben haben mag, jetzt auf die Studiengebühren zurückzuführen sind. Diese Aufgabe wird ein Gericht kaum bewältigen können. Selbst wenn Sie mit dieser Strategie Erfolg haben sollten, würden Gerichte am anderen Ende anfangen und sich überlegen, wenn die Studiengebühren eingeführt worden sind, um die Qualität zu verbessern, die Qualitätsverbesserung aber vielleicht gar nicht eingetreten ist, ob sich daraus Ansprüche ableiten. Jedenfalls wird dann sehr in Frage stehen, ob diese Studierenden überhaupt zur Zahlung von Studiengebühren verpflichtet sind, wenn diese Qualitätsverbesserungen nicht eintreten.

Sie legen sich also ein gewaltiges rechtliches Ei ins Nest, was an zwei Enden in Angriff genommen werden kann und sicherlich auch in Angriff genommen wird, weil – das wissen Sie auch und diese Frage beantworten Sie überhaupt nicht – natürlich die Bewerberzahlen aufgrund der von Ihnen eingeführten achtjährigen Gymnasialzeit deutlich steigen werden. Daher wird der Druck auf solche gerichtlichen Überprüfungen erheblich zunehmen und deswegen ist das ein hohes Risiko. Sie wissen nicht, welche Effekte Sie tatsächlich erzielen, weil Sie die Rechnung ohne die schon lange bestehende Überprüfung durch die Gerichte, was die Hochschulen machen, gemacht haben. Deswegen wissen Sie überhaupt nicht, was die Effekte Ihres Modells sind.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)