Protocol of the Session on May 31, 2006

Und die absonderliche Begründung ist, dass die Hochschulen für den Erfolg ihrer Absolventen auf dem Arbeitsmarkt zuständig seien. Also die Hochschulen sind für die Arbeitsmarktentwicklung zuständig. Das ist schon eine interessante Auffassung von politischer Verantwortung.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Damit nehmen Sie sehenden Auges auch diskriminierende Effekte für bestimmte Fächer und bestimmte Personengruppen in Kauf. Denn für die Hochschulen rechnen sich natürlich nur die Fächer, mit denen die Absolventen statistisch betrachtet höhere Wahrscheinlichkeiten auf ein gutes Einkommen und damit auch auf eine Rückzahlung der Kredite haben. Kleine Fächer könnten also verschwinden. Vielleicht plant Senator Dräger so, die Halbierung der Geisteswissenschaften hinzubekommen.

(Wilfried Buss SPD: Aha?! – Wolfgang Beuß CDU: Das glauben Sie doch alles nicht, was Sie erzäh- len!)

Rechnen sich denn Goethe, Heine und Schiller? Diese Art der Gebühren ist also nur süßes Gift für die Hochschulen, welches für die Zersetzung des Systems sorgt. Eigentlich wäre es Aufgabe dieses Senates gewesen, dafür zu sorgen, dass dies nicht eintritt. Aber dafür hätten Sie diesen Gesetzentwurf nicht kostenneutral machen können. Denn auch Ihre Vorstellung bedeutet, dass Sie mehr Geld in die Hand nehmen können. Was Sie gemacht haben, ist ein reines Umlagesystem zwischen den Studierenden, was weder zu den erhofften Einnahme

steigerungen führen wird noch verbessert es irgendetwas an den Hochschulen.

(Beifall bei der GAL – Wolfgang Beuß CDU: Sie haben nur gespart!)

Die Folgen des Gesetzes werden deswegen katastrophal sein. Alles Wesentliche fehlt. Es gibt kein seriöses Kreditmodell, es gibt keinen sozialen Ausgleich, es gibt auch kein Stipendiensystem. Obwohl wir mehr Studierende und Akademiker brauchen, werden wir weniger bekommen. Die Wissensgesellschaft ist nur eine Worthülse, tatsächlich werden weniger Menschen studieren. Und wir werden einen Verdrängungseffekt nach unten bekommen. Kinder aus betuchten Elternhäusern werden studieren. Die Kinder der mittleren Schichten, die ja dann doch meistens noch Abitur machen können und nicht aussortiert werden, werden in die dualen Ausbildungsberufe gehen und die Menschen ohne Abitur fallen durchs Raster. Das ist die moderne, innovative Bildungspolitik à la Dräger.

So, und jetzt, Herr Beuß, passen Sie mal auf, jetzt komme ich nämlich zu der Frage, was müsste man denn eigentlich machen, was kann man denn eigentlich mit unserem Hochschulsystem, das sicherlich renovierungsbedürftig ist, machen? Und da sage ich, wir bräuchten echte Veränderungen an den deutschen Hochschulen. Wir bräuchten eine echte Qualitätssicherung in der Lehre. Wir bräuchten Bildungskonten, damit die Studierenden wirklich Einfluss auf die Studienbedingungen bekommen. Und wir bräuchten, ganz simpel, mehr Geld.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben Ihnen auch schon gezeigt, wie das geht. Wir haben uns hier für massive Umschichtungen der Subventionen ausgesprochen. Die GAL spricht sich schon sozusagen gebetsmühlenartig immer wieder dafür aus, dass wir eine Subventionierung des gesamten Bildungsbereiches brauchen. Und das wäre halt schön, wenn das dann auch passieren würde und nicht, wie das bei Ihnen der Fall ist, das Geld in eine florierende Hafenwirtschaft fließt.

(Beifall bei der GAL – Wolfgang Beuß CDU: Sie haben keine Ahnung!)

Ihre netten Hinweise, dass sich irgendwann auch die Wirtschaft mehr beteiligen muss, sind ja wunderbar. Das ist nur leider wieder so eine, sage ich mal, Beuß’sche Aussage, wie so oft. Sie waren ja auch mal gegen Studiengebühren. Nichts Konkretes wird sich überlegt,

(Wolfgang Beuß CDU: Warten Sie mal ab!)

bevor dieses Gesetz in Kraft treten soll, sondern immer erst hinterher. Das kann ja wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die Finanzierung der Hochschulen ist und bleibt Staatsaufgabe. Eine Beteiligung der Privaten erfolgt natürlich. Über die Lebenshaltungskosten, die bei uns privat getragen werden und über Steuern. Das ist doch ganz klar. Wer viel hat, soll auch viel zahlen, völlig richtig.

(Wolfgang Beuß CDU: Hey!)

Das ist eine Art Akademikersteuer, die nur den trifft, der wirklich viel verdient. Ihr Gesetzentwurf aber, wie gesagt, gleicht einer gelungenen PowerPoint-Präsentation, viele bunte Bilder, kein Inhalt. So etwas mag vielleicht bei Betriebswirten ohne wissenschaftlichen Anspruch positiv

ankommen, im wissenschaftlichen Betrieb würde eine solche Präsentation ohne Zögern als mangelhaft bewertet werden und im Papierkorb verschwinden.

(Wolfgang Beuß CDU: Lustig!)

Und genau das Gleiche sollten auch Sie mit diesem Gesetzentwurf tun.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Michael Neumann SPD: Da haben Sie Recht!)

Das Wort hat jetzt Herr Senator Dräger.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit unserer Hochschulreform haben wir den Wissenschaftsstandort nach vorne gebracht und werden dieses fortführen – auch finanziell.

(Beifall bei der CDU – Dr. Barbara Brüning SPD: Mit Studiengebühren!)

Wir haben bei einem seit Jahren steigenden Hochschuletat den Sparkurs der Vorgängersenate beendet und Zeichen gesetzt. Zeichen dafür, dass wir uns nicht mit schlechten Rankings abfinden wollen. Zeichen dafür, dass Hamburg als eine der größten deutschen Hochschulstandorte besser sein und auch besser wahrgenommen werden muss. Und Zeichen dafür, dass uns Wissenschaft und Forschung als zentrale Bausteine für eine gute Zukunft unserer Stadt im wahrsten Sinne des Wortes etwas wert sind. 18 Prozent mehr Etat in 2006 für Wissenschaft als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, im Jahre 2000 in der Lage waren aufzubringen. Das sind deutliche Signale und, Frau Opitz,

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Der wirkt so aggressiv, der junge Mann!)

ich finde es schon erstaunlich, wenn Sie jetzt etwas fordern, was Sie in Ihrer eigenen Legislatur nicht zustande gebracht haben, und kaum sitzen Sie in der Opposition, dann wird das Fordern so leicht.

(Beifall bei der CDU)

Der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf ist jetzt ein weiterer wichtiger Reformschritt für diesen Hochschulstandort Hamburg. Wir wollen mit diesem Schritt die Qualität der Lehre steigern, den Studienerfolg erhöhen, die Ausstattung an den Hochschulen verbessern und den Zugang zu unseren Hochschulen sozial verträglich gestalten.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das ist nicht sozial!)

Wenn wir uns diese Zielsetzungen anschauen und vielleicht auch mit etwas Besonnenheit und weniger Dogmatismus, Frau Brüning, die Frage stellen, ob Sie heute in Deutschland und Hamburg in einem Hochschulsystem ohne Studiengebühren auch nur annähernd realisiert sind, dann müssen wir das doch verneinen.

(Dr. Barbara Brüning SPD: In Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen geht's doch auch!)

Und wenn wir dann internationale Beispiele zum Vergleich heranziehen, dann können wir feststellen, dass Länder, die Studiengebühren erheben, …

(Zurufe von Dr. Barbara Brüning SPD)

A C

B D

Es würde Ihnen helfen, Frau Brüning, mal zuzuhören, weil Sie dann die Argumente vielleicht auch verstehen würden.

(Beifall bei der CDU)

… dann können wir feststellen, dass Länder, die Studiengebühren erheben, oftmals besser abschneiden. Studiengebühren schrecken in diesen Ländern studierwillige aus sozial schwächeren Schichten keineswegs ab. Heute studieren in Australien mehr Kinder, und zwar absolut und relativ, aus bildungsfernen Schichten als vor der Einführung von Studiengebühren.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Australien hat den Hochschuletat abgesenkt!)

Australien hat den Hochschuletat erhöht. Ich habe es Ihnen in der Anhörung auch schon gesagt.

In Deutschland hingegen hat sich der Anteil von Studierten aus den sozial schwachen Schichten in den letzten 25 Jahren halbiert, trotz Studiengebührenfreiheit. Schließen in Großbritannien, in Australien und in den USA mehr als ein Drittel eines Jahrgangs ein Studium ab, dann sind das in Deutschland heute keine 20 Prozent trotz Studiengebührenfreiheit. Insofern, Frau Brüning, Studiengebühren müssen nicht abschreckend wirken, wenn sie, wie wir das hier in Hamburg vorhaben, sozial verträglich eingeführt werden. Auch, meine Damen und Herren, wenn einigen die Worte Hochschule als Dienstleister und Studierende als zahlende Kunden schwer über die Lippen kommen, es geht ja auch keineswegs nur darum, aber es ist eben auch ein wichtiger Aspekt, so müssen wir doch feststellen, dass wir in Ländern mit Studiengebühren bessere Lehr- und Lernbedingungen vorfinden. Und die Ausstattung an den Hochschulen dort wird nicht durch Worte wie modernisierungsfähig oder renovierungsbedürftig beschrieben. Sie ist vielmehr auf die Studierenden ausgerichtet, die eine hohe Erwartung an Ihre Hochschule haben und eben diese auch artikulieren. Und Gleiches gilt für die Qualität der Lehre.

(Gerhard Lein SPD: Die sichern Sie Ihnen aber nicht zu!)

In Ländern mit Studiengebühren hat sie einen anderen, einen höheren Stellenwert. Kleingruppenarbeit, umfangreichere Betreuung und ein direkterer Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden sind dort eher der Standard. Und das findet seinen Niederschlag dann wiederum in kürzeren Studienzeiten und höheren Studienerfolgsquoten. Und diese Bedingungen genau möchten wir an Hamburgs Hochschulen auch schaffen und dafür ist der vorliegende Gesetzentwurf die geeignete Grundlage.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich eines besonders betonen. Der Staat bleibt nach wie vor in der Verantwortung für die Hochschulausbildung. Wir werden den Wissenschaftsetat nicht absenken, sondern den Weg der gesicherten staatlichen Finanzierung unserer Wissenschaftseinrichtungen fortsetzen. Über 90 Prozent der Finanzmittel werden auch weiterhin vom Staat aufgebracht. In anderen Worten, wer bisher für 25 000 Euro im Jahr Medizin oder für fast 20 000 Euro im Jahr Ingenieurwissenschaften studieren konnte, der hat zukünftig eben 26 000 Euro für die Medizin oder 21 000 Euro für die Ingenieurwissenschaften zur Verfügung und, so finde ich, kann bei 1000 Euro Eigen

beitrag pro Jahr wirklich nicht von der Privatisierung der Bildung gesprochen werden.

(Beifall bei der CDU)

Und dann kommen die Gebühren vollständig den Hochschulen für die Lehre und damit den Studierenden selbst zugute. Und nach Abzug von Stipendien und Erlassen können die Hamburger Hochschulen bis zu 45 Millionen Euro im Jahr zusätzlich in eigener Regie einsetzen. Mehr Lehrpersonal wird die Arbeit in Kleingruppen möglich machen, mal auch Seminare mit zehn oder 20 Teilnehmern.