Jetzt komme ich zu Ihren Vorschlägen, die unseres Erachtens keine vernünftige Lösung sind. Für Sie ist es wichtiger, alle Oberstufenschüler in vierstündige Basiskompetenzfächer zu stecken, die mit Zentralabitur abgeprüft werden mit dem Ziel verbesserte Studierfähigkeit und vertiefte Allgemeinbildung. Das wollen wir natürlich auch. Aber ich frage mich, meine Damen und Herren, wieso ein Schüler eine bessere Allgemeinbildung erreicht, wenn er nur mit den Abiturfächern Deutsch, Mathe und einer Fremdsprache zwangsbeglückt wird? Sind für die Studierfähigkeit nicht vor allem Methoden gefragt und nicht nur Fachwissen?
Herr Voet van Vormizeele, Sie machen einen riesigen Denkfehler, die CDU und die Senatorin allen voran. Die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen und eine Fremdsprache sind doch gerade für Vorschule, Grundschule und Sekundarstufe I entdeckt worden, aber für die Oberstufe ist es doch verrückt, wenn sich ein Teil der Schülerschaft mit mehr Literatur in Deutsch, Englisch oder vielleicht auch in Französisch beschäftigt, aber was hat das mit Basiskompetenz, Lesen und Texte verstehen zu tun. Das sollten sie bis zur neunten, zehnten Klasse schon gelernt haben, aber das ist nicht in der Oberstufe weiter zu vertiefen.
Das Schlimme daran ist – und da gehen Sie ganz weg von einem ganzheitlichen Ansatz –, wenn jetzt alle vier Stunden in Deutsch, Mathe und einer Fremdsprache gemacht werden, dann geht das auf Kosten von Musik, von Kunst, von Theater, also der ästhetischen Erziehung. Es ist naiv oder zumindest nicht auf der Höhe der Forschung, wenn man glaubt, es reiche, ein Fach zum Abiturfach zu machen, eine Stunde mehr zu unterrichten und dann leisten die Schülerinnen und Schüler mehr. Natür
lich werden die sich anstrengen, das Abitur zu schaffen, aber reicht das denn, Herr Heinemann? Mir nicht. Die Schuluntersuchung LAU 13 hat gezeigt, dass es hervorragende Leistungen nur in den freiwillig gewählten Leistungskursen gibt, nicht in den Pflichtfächern und Grundkursen. Das gilt übrigens genauso für die Gymnasien wie für die Gesamtschulen, für beide gymnasialen Oberstufen. Schauen Sie sich einmal die Ergebnisse in den Zwangsgrundkursen Mathe an. Eine einzige Katastrophe, gleichermaßen in Gesamtschulen wie in Gymnasien in der Oberstufe. Da kommen Sie nun und sagen, da zwingen wir einen Mathekurs für alle, also Grundkurs reicht nicht, da müssen sie auch das Abitur in dem Fach machen, da werden die sich schon hinsetzen und ordentlich was lernen. Das ist eine richtige Milchmädchenrechnung.
Was damit auch erreicht wird – und das finde ich besonders traurig – ist, dass in Zukunft wieder die Gelangweilten mit den Interessierten zusammensitzen müssen
Ich möchte, dass wir die Verantwortung der Schülerinnen und Schüler für ihren Weg zum Lernen ausbauen. Ich möchte, dass weiter viel Möglichkeit zum freien Wählen ist. Ich möchte, dass wir mehr Exzellenz schaffen. Zum Glück will die Schulsenatorin ganz entgegen dem, wie das bisher bei ihr üblich war, den Schulen etwas mehr Zeit zur Umsetzung lassen. Diese Zeit wird dann hoffentlich genutzt, das Schlimmste zu verhindern, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Goetsch, Ihrer Großen Anfrage und auch Ihrem Debattenbeitrag eben merkt man leider an, dass die Entwicklung der letzten Jahre völlig an Ihnen vorbeigelaufen ist.
Sie träumen irgendwie immer noch von dem Oberstufenmodell der Siebzigerjahre und denken nur darüber nach, wie man es vielleicht organisatorisch irgendwo verbessern könnte.
Wenn man Ihre Pressemitteilung von gestern und auch das, was Sie eben gesagt haben, zu Ende denkt, dann fordern Sie eigentlich sogar die Abschaffung aller Belegverpflichtungen, weil die ja dazu führen, dass die Gelangweilten mit den Interessierten zusammensitzen. Also künftig dann doch wieder das Abitur mit Sport, darstellende Spiel- und Gemeinschaftskunde. Frau Goetsch, die Rückkehr der Kuschelpädagogik,
der Weg weg von der allgemeinen Hochschulreife, hin, wie in anderen Ländern, zur fachgebundenen Hochschul
reife. Ich hatte gedacht, dass die GAL inzwischen weiter sei und manchmal habe ich den Eindruck, dass die SPD inzwischen weiter ist.
Die KMK ist schon seit 1995 ein bisschen weiter. Die CDU ist heute schon viel weiter, denn wir wollen in Übereinstimmung mit vielen Experten und vielen anderen Bundesländern die Studierfähigkeit verbessern. Wir wollen moderne Lernformen fördern, nicht immer den Frontalunterricht, den Sie hier auch immer gerne vorzeigen und wir wollen vor allem die dringend notwendige Basiskompetenz und die Allgemeinbildung sichern. Ich glaube, gerade wir in Hamburg haben doch allen Grund und auch alle Möglichkeiten dazu. Wir haben ja die Ergebnisse von LAU 13. Wir haben zum Beispiel gelernt, welche Probleme wir dort im Bereich Mathematik haben. Das können wir doch nicht einfach mit einem Weiter-so, mit ein bisschen Organisation oder Veränderung, ignorieren, sondern wir müssen doch Mittel und Wege finden, wie wir die Kompetenz der Schüler verbessern. Wie sehr die Bildungssenatorin gerade die Ergebnisse von LAU 13 in ihre Überlegungen einbezogen hat, sehen Sie doch an den Unterschieden, wie künftig auf der einen Seite bei Deutsch oder Fremdsprachen vorgegangen werden soll und auf der anderen Seite bei Mathematik. Sie hingegen nehmen LAU 13 gar nicht zur Kenntnis und bleiben bei Ihrer Großen Anfrage beim Zählen von Grund- und Leistungskursen stehen.
Seitenweise haben wir nun wieder erfahren, wo welche Kurse eingerichtet wurden. Das ist auch ganz spannend, aber die viel wichtigere Frage, welche Kompetenzen die Schüler am Ende der Oberstufe wirklich mitnehmen, wird nicht beantwortet. Ziel aller Ihrer Anstrengungen ist doch im Grunde – und das kam nachher auch hervor – der vergebliche Versuch der Beweisführung, dass wir angeblich Oberstufenzentren brauchen, nur damit Sie nachher Ihre ideologisch abgelehnten Gymnasien zurechtstutzen können.
Nun haben Sie ja ein persönliches Problem. Sie sind eigentlich von den Oberstufenzentren auch nicht wirklich überzeugt, denn Sie kennen die Profiloberstufe der MaxBrauer-Schule aus erster Hand. Sie finden die auch gut, das haben Sie auch noch einmal gesagt, und Sie haben sich auch bei der Schulentwicklungsplanung ganz massiv dafür eingesetzt, dass zum Beispiel die Otto-Hahn-Schule in Jenfeld eine eigene, klitzekleine Oberstufe behält, damit die Schüler nicht in ein Oberstufenzentrum an einer anderen Gesamtschule wechseln müssen. Nun eiern Sie bei diesem Hin und Her, das Sie schon immer gezeigt haben, gestern auch in Ihrer Pressemitteilung mächtig herum. Sie sagen ja, Profile sind gut, aber nur, wenn sich der Schüler diese selber zusammenstellen kann. Das ist ja nun der Widerspruch in sich, denn ein Profil, das unter pädagogischen oder curricularen Gesichtspunkten entwickelt wurde und als festes Paket in Alternative zu anderen festen Paketen gesetzt wird, lebt doch gerade davon. Nur so ist doch der fächerübergreifende Unterricht, der normalerweise ebenfalls von Ihnen befürwortet wird, möglich. Das müssten Sie doch von der Max-BrauerSchule wissen oder spätestens in der Anhörung von uns erfahren haben. Frau Riekmann, die Schulleiterin, die wir eingeladen haben, hat in der Anhörung gesagt – ich zitiere –:
"Die Schüler wählen jetzt nicht mehr einzeln diese Fächer, sondern sie wählen das Paket, das Profil.
Sie haben also, und das ist ihr Nachteil, und das beklagen sie auch, eine Einschränkung ihrer Wahlfreiheit, aber mit einem unendlichen Vorteil auch, der darin steckt."
"…, dass ich problemorientiert arbeite und, bezogen auf jeweils ein Thema, das im Semester gestellt wird, dann auch aus diesen Fächerperspektiven heraus auf das Thema hin arbeiten kann."
Das sagt Frau Riekmann. Also, wenn die Schüler selber ihr Profil zusammenstellen – so wie Sie das formulie- ren –, dann haben wir kein Profil, sondern dann haben wir den Status quo ohne curriculare Klammer, ohne die von Frau Riekmann beschworene systematische Verankerung in der Schule, ohne fächerübergreifendes Lernen und auch ohne moderne Unterrichtsformen wie Projekttage.
Frau Goetsch, da helfen Ihnen alle Ihre schönen Zahlen nicht. Sie müssen sich irgendwann einmal positionieren: Wollen Sie in den Siebzigerjahren stecken bleiben oder wollen Sie die Oberstufe des 21. Jahrhunderts? Wollen Sie Profiloberstufen oder wollen Sie das bisherige System beibehalten, nur um die Gymnasien zurechtzustutzen? Wollen Sie also – und das wäre ja die Folge von solchen Oberstufenzentren – etwa ein Drittel aller Gymnasien schließen und sämtlichen Gesamtschulen die Oberstufen wegnehmen, nachdem Sie gerade in Jenfeld für deren Verbleib gekämpft haben? Dann seien Sie aber bitte auch so ehrlich und sagen Sie das, nennen Sie die Namen der zu schließenden Schulen und vertreten Sie das auch vor Ort bei älteren Schülern.
Herr Buss war neulich in der "Morgenpost" wenigstens so konsequent, dass er die Schließung von Gymnasien gefordert hat, auch wenn er aus Angst vor den Eltern keine Namen nannte. Sie hingegen trauen sich noch nicht einmal abstrakt, die Konsequenzen Ihrer Überlegungen zu benennen und verwirren dafür die Öffentlichkeit lieber mit widersprüchlichen Aussagen. Wie erfolgreich Sie damit sind, zeigt ein Blick in unsere Parlamentsdatenbank. Danach haben Sie im Schulausschuss gegen unser Ersuchen aus dem November 2004 gestimmt, hier im Plenum aber für unseren Antrag gestimmt, eine neue gymnasiale Oberstufe zu entwickeln. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wussten Sie schon damals nicht, was Sie wollten oder aber Sie haben es geschafft, sogar die Bürgerschaftskanzlei zu verwirren.
Meine Damen und Herren! Ich will der Bildungssenatorin nicht vorgreifen, die sicherlich gleich ihre Überlegungen vorstellen wird,
aber ich freue mich, dass wir hier einen Prozess angestoßen haben, der uns in die gleiche Richtung wie viele andere Bundesländer führt und dass wir diesen Weg auch gemeinsam mit Schleswig-Holstein gehen wollen. Weil dort bekanntlich die SPD die Kultusministerin stellt, habe ich mich ein wenig über die Kritik von Herrn Buss in der Zeitung gewundert. Er bemängelt dort, dass die
Eltern angeblich künftig schon zur fünften Klasse die Schule nach dem Profil aussuchen müssten. Da scheint mir, dass Herr Buss schon lange nicht mehr in irgendeiner Schule gewesen ist, denn erstens haben heute alle Schulen ein Profil, welches für die Elternwahl eine große Rolle spielt, ob nun Musik, Sport, bilingualer Unterricht oder anderes. Dafür entscheiden sich Eltern heute schon ganz bewusst.
Zweitens kann ich aus den Achtzigerjahren sagen – da hat die CDU ja noch nicht regiert –, dass meine Eltern, als sie mich 1984 auf das eine Gymnasium angemeldet haben, nicht ahnten, dass ich 1993 an einem anderen Gymnasium das Abitur machen würde, ohne formal je die Schule gewechselt zu haben. Auch das war völlig üblich, dass man sich je nach Leistungskurswahl plötzlich auf einer anderen Schule wiederfand, denn Wahlfreiheit konnten die Schulen auch in der Vergangenheit nur dann gewährleisten, wenn sie eng kooperierten und die Schüler zwischen den Schulen wechselten.
Drittens wollen wir gerade diese Kooperationen zur Erhöhung der Wahlfreiheit zwischen den Schulen auch in Zukunft nicht verbieten, sondern gerade erleichtern. Wenn sich die Schulen einer Region zum Beispiel darauf verständigen, bestimmte Tage zu Profiltagen zu machen, dann können die Schüler an diesen Tagen wunderbar an den anderen Schulen ihren Profilen, ihren Wünschen, ihren Neigungen nachgehen und an den restlichen Tagen ihre Stammschule besuchen. Das ist viel einfacher zu organisieren als heute, wo die Schüler häufig mehrmals am Tag die Schule wechseln müssen.
Noch ein abschließendes Wort an Frau Goetsch. Wenn Sie heute die Vermittlung von Methodenwissen anmahnen, wurde das – und das hat sich auch in allen Ergebnissen gezeigt – in der bisherigen Oberstufe, die Sie nur organisatorisch neu zusammenpacken wollen, eben nicht vermittelt. Es müsste doch genau in Ihrem Sinne sein, dass die Senatorin jetzt ein eigenes Seminarfach einführen möchte, in dem dieses Methodenwissen im Mittelpunkt steht. Auch da kann ich nur feststellen, dass Sie das Konzept, das die Senatorin vorgestellt hat, entweder noch nicht verstanden haben oder Sie wissen nicht, was Sie wollen.
Meine Damen und Herren! Wir haben seit unserem Ersuchen im Herbst 2004 viele Gespräche, öffentliche Diskussionen und Diskussionen im Schulausschuss geführt. Ich halte jetzt die Zeit für reif, dass wir eine Entscheidung treffen. Noch liegt uns keine Drucksache vor und einige Details werden sicherlich auch noch geklärt werden müssen, aber die Richtung stimmt absolut und ich bin überzeugt, dass wir im Herbst gemeinsam grünes Licht geben können, damit dann im Sommer die ersten Schüler in die neue gymnasiale Oberstufe eintreten können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte als Hochschulpolitikerin einige Anmerkungen zu dieser Debatte machen.