Protocol of the Session on April 26, 2006

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt für den Logistikbereich. Da hat Hamburg einerseits Glück, dass wir aufgrund der EU-Erweiterung und der Situation als Hafen an zwei Meeren zur Drehscheibe in Nordeuropa geworden sind. Das ist auch nicht Ihr Verdienst. Die Infrastrukturinvestitionen, die dafür sorgen, dass die Hafenwirtschaft boomt, sind auch von früheren sozialdemokratischen Senaten gelegt worden. Sie haben sich an der Stelle ins gemachte Nest gelegt. Ich gönne Ihnen das, weil das gut für die Stadt ist, aber Sie sollten dann auch so ehrlich sein zu sagen, wer die Grundlagen dafür gelegt hat und nicht so tun, als wäre das alles erst seit 2001 passiert.

(Beifall bei der SPD)

Bei aller Freude über Boombranchen, meine Damen und Herren, gucken wir uns doch mal – und das haben Sie wohlweislich ausgeblendet, Frau Ahrons – die arbeitsmarktpolitischen Probleme dieser Stadt an. Der Wirtschaftssenator stellt sich hin und sagt, ja, wir haben 6500 oder 8000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in der Stadt. Das ist richtig und das ist auch gut so. Er verschweigt aber, dass seit 2001 35 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse abgebaut worden sind.

(Farid Müller GAL: Genau!)

Daran müssen Sie sich messen lassen. Wir haben eine steigende Arbeitslosigkeit.

(Bernd Reinert CDU: Und wie war es bundesweit unter Schröder?)

Werter Herr Reinert, wenn Sie sich einmal mit den Zahlen beschäftigen würden, dann wüssten Sie, dass es 69 000 Arbeitslose in Hamburg gab als wir diese Regierung verlassen haben. Bei Ihnen sind es 100 000 Arbeitslose und daran hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Bernd Reinert CDU: Wie war die Bundesentwicklung? – Barbara Ahrons CDU: Das ist völliger Quatsch!)

Wir haben einen Wirtschaftssenator, der sich hinstellt und sagt, dass er alles im Ersten Arbeitsmarkt lösen will, wohlwissend, dass es viele Menschen gibt, die gar nicht in diesen Ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. Deshalb werden wir in Zukunft auch einen Zweiten Arbeitsmarkt brauchen.

Wenn wir sagen, dass Arbeit auch etwas mit Selbstwertgefühl von Menschen und mit sozialer Position zu tun hat, dann dürfen wir nicht den Teil der Arbeitslosen aus dieser Gesellschaft ausgrenzen, der nicht in der Lage ist, auf dem Ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Da haben Sie Defizite, da müssen Sie noch verdammt viel tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg als Außenhandelsmetropole profitiert immer dann, wenn der Export anspringt. Hamburg ist allerdings auch immer die Region in Deutschland, die wirtschaftlich als Erstes in die Knie geht, wenn Export und Außenhandel aufgrund einer Rezession einbrechen.

Darum ist es eigentlich nicht weiter verwunderlich, wenn die Wirtschaft in Hamburg im Moment gut läuft, weil sich die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland im Moment aufhellen. Über die Zukunftsfähigkeit und die Standortbedingungen in Hamburg sagt diese Tatsache, die regelmäßig wieder kommt, zunächst einmal überhaupt nichts aus.

Wer die Zufriedenheit im Hafen und im Handel nur bejubelt, der übersieht manchmal, dass wichtige Branchen in Hamburg zurzeit stagnieren. Wenn man sich die Kompetenzcluster des Senats ansieht, dann stellt man fest, dass in den Hightech-Branchen in Hamburg in den letzten Jahren Jobs verloren gegangen sind. Es gab Zugewinne in der Luftfahrtindustrie, aber die Zugewinne von 2000 bis 3000 Arbeitsplätzen in dem Bereich waren nicht in der Lage, die massiven Arbeitsplatzverluste im Medienbereich, im IT-Bereich und auch bei Life-Science auszugleichen. Selbst wenn man die Arbeitsplatzgewinne der letzten Jahre im Hafen dazu rechnet, bleiben immer noch 1600 Arbeitsplätze, die in all diesen Bereichen weggefallen sind. Das ist nun wirklich kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Das ist fatal. Fatal insbesondere auch, wenn man sich ansieht, dass die neuesten Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft und der Stadtökonomie sagen, dass es drei wichtige Faktoren für den Erfolg von Städten gibt. Das ist einerseits die Technologie – da haben wir gerade gesehen, dass das im Moment in Hamburg nicht gut aussieht –, Talente und Toleranz. Im Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft kommt es immer mehr darauf an, Kreativität als zentralen Produktionsfaktor zu begreifen. Städte werden nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn es gelingt, gut ausgebildete Menschen anzuziehen und hier in Hamburg kreativ fähig werden zu lassen.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich anschaut, wie Hamburg mit Technologien und kreativen Köpfen umgeht. Was tut der Senat? Investiert der Wirtschaftssenator Uldall in kreative Köpfe, in die Medien, den Kulturbereich oder IT? Nein, er baut Kaimauern. Jetzt wollen wir den erfolgreichen Hafen natürlich nicht abschaffen, aber letztendlich sind Hafen, Reedereien und Umschlag Branchen, die seit mehreren Jahren zweistellig wachsen, die hervorragend verdienen. Das sind nun wirklich keine Bereiche, die Staatsknete brauchen. Dort muss sich die private Wirtschaft stärker an den Investitionen beteiligen. Die Mittel, die dadurch frei werden, meine Damen und Herren, muss diese Stadt in kreative Bereiche investieren. Wir können es nicht akzeptieren, dass die Mittel in diesen zentralen Zukunftsfeldern fehlen und die politische Aufmerksamkeit nicht vorhanden ist.

Was tut Wissenschaftssenator Dräger? Der ist jetzt praktisch qua Amt dazu verdonnert, viele kreative Menschen auszubilden. Was tut der?

(Wolfgang Beuß CDU: Der tut eine ganze Menge!)

Senator Dräger plant, in den nächsten Jahren Studienplätze in Hamburg abzubauen und diese Anzahl erst mittelfristig wieder zu erhöhen. Genau das Gegenteil von dem, was alle Stadtforscher sagen, nämlich: In der Bildung, in der Wissenschaft liegt die Zukunft.

(Barbara Ahrons CDU: Das ist ja nun aus dem Zu- sammenhang gerissen!)

Meine Damen und Herren, in zwei zentralen Feldern sieht es also schlecht für Hamburg aus: Technologie und Talente fördern.

(Wolfgang Beuß CDU: Sie wissen gar nicht, wo- von Sie reden!)

Aber mit der Toleranz und mit der Internationalität muss es wohl gut aussehen. Das sagen ja die Hamburger von sich. Hamburg ist doch weltoffen, international und tolerant. Wenn man sich die Realität ansieht, meine Damen und Herren, gewinnt man ein anderes Bild. In keiner anderen Großstadt leben so wenig Ausländer wie in Hamburg. Die Hamburger neuen Bürger kommen aus Deutschland, nicht aus dem Ausland. Das ist ein Unterschied zu München, Stuttgart oder Frankfurt. Nirgendwo sonst, in keiner anderen Stadt in Deutschland, gehen Kinder mit einem Migrationshintergrund ohne Schulabschluss von der Schule ab wie in Hamburg. Nein, meine Damen und Herren, Hamburg versagt ganz jämmerlich darin, kluge Köpfe aus aller Welt anzuziehen und sie hier zu integrieren.

(Wolfgang Beuß CDU: Sie reden die Stadt schlecht! – Gegenruf von Dr. Willfried Maier GAL: Sie reden Sie golden!)

Meine Damen und Herren! Hamburg hätte alle Chancen, zu einem kreativem Zentrum nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa zu werden mit allen positiven Auswirkungen in der Wirtschaft und auch bei Arbeitsplätzen. Das braucht einen Politikwechsel. Dieser Senat verspielt die Chancen. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel. Hamburg ist mehr als Handel und Hafen. Hamburgs Zukunft ist die kreative Stadt. Das sind die Fragen, die wir debattieren sollten. Ich wünschte mir, dass Sie sich daran beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Ohlsen für maximal zwei Minuten.

(Wolfgang Beuß CDU: Olaf, hau rein! – Ingo Egloff SPD: Das wird ja eng!)

Frau Präsidentin! Herr Egloff, ja es wird eng, aber trotzdem fällt es Ihnen sichtlich schwer, die erfolgreiche Wirtschaftspolitik dieses Senats anzuerkennen. Das merkt man bei Ihrem Redebeitrag.

(Beifall bei der CDU)

Zu Ihnen, Herr Kerstan, Sie sind und bleiben für mich der wirtschaftspolitische Dauermiesredner dieser Bürgerschaft. Das muss ich einmal ganz offen sagen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schon erschreckend, mit welchen miesen und schlechten Vorstellungen Sie Ihre Redebeiträge abliefern.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe leider nur zwei Minuten Redezeit, meine Damen und Herren, und möchte den Senat natürlich für seine gute Wirtschaftspolitik loben.

(Bernd Reinert CDU: Und zwar mit Recht!)

Aber ich möchte das zum Anlass nehmen, auf etwas hinzuweisen, das Sie gestern auch den Medien entnehmen konnten, nämlich "50 Jahre Container".

(Dr. Willfried Maier GAL: Toi, toi, toi!)

Es ist Zeit – und das tue ich hiermit auch, Herr Dr. Maier –, sich beim Container zu bedanken und auch und

insbesondere für die vielen Arbeitsplätze, die damit im Zusammenhang stehen.

(Dr. Willfried Maier GAL: Und die vielen Arbeits- plätze, die dadurch verloren gegangen sind!)

Wir wünschen ihnen weitere glückliche Jahre in immer größerer Zahl in unserer Stadt. Herzlichen Glückwunsch, toi, toi, toi.

(Beifall bei der CDU)

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe nun nach Paragraph 45 der Geschäftsordnung den Abgeordneten Dr. Maier für maximal drei Minuten auf.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich wollte eben diesen Button "Atomkraft? Nein danke" tragen. Sie und auch der Präsident haben das offenkundig als einen Versuch zur Provokation verstanden,

(Dietrich Rusche CDU: Das war es auch!)

den ich und meine Fraktion da ausüben wollten. Das war es nicht. Es war ein Bekenntnis zur bestehenden Gesetzeslage in diesem Land und sogar – wozu wir eigentlich gar nicht verpflichtet werden – zum bestehenden Koalitionsvertrag in diesem Land in Berlin. Das wurde aber wahrgenommen als eine Störung der parlamentarischen Ordnung und Provokation. Ich hatte das so nicht wahrgenommen, zumal ich hier auch schon andere Kolleginnen und Kollegen mit politischen Aussagen im Knopfloch gesehen habe, von der Elbphilharmonie bis zur Olympiade bis zur Sportstadt. Das sind allesamt politische Aussagen, die hier ungerügt gezeigt werden konnten.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Da hat er Recht!)